Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2016, Az. XII ZB 634/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 15223

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[X.]:[X.]:BGH:2016:020316BXIIZB634.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]

vom

2. März 2016

in der [X.]

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1897 Abs. 4 Satz 1; GG Art. 103 Abs. 1
Eine Teilanfechtung nur der [X.] ist

anders als die Teilan-fechtung der [X.]

nicht möglich (Abgrenzung zu Senatsbeschluss vom 3.
Februar 2016

XII
ZB
493/15

zur Veröffentlichung bestimmt).
BGH, Beschluss vom 2. März 2016 -
XII [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat am 2.
März 2016
durch den
Vor-sitzenden Richter Dose
und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der [X.] des [X.] vom 22.
Oktober 2014 aufge-hoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.

Die Betroffene wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Aus-wahl ihres Betreuers.
Die Betroffene leidet an einer fortgeschrittenen senilen Demenz. Am 31.
Mai 2012 erteilte sie den Beteiligten zu
4 und
5
eine "Generalvollmacht". Diese enthält u.a. eine Bestimmung, wonach die Vorgenannten im Fall einer gesetzlichen Betreuung ihre Betreuer werden sollten.

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3
-
Das Amtsgericht, das zu der Überzeugung gelangt war, dass die Be-troffene zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr voll geschäftsfähig und damit nicht mehr in der Lage gewesen sei, rechtswirksame Vollmachten zu erteilen, hat der Betroffenen
mit Beschluss vom 20.
Januar 2014 einen Betreuer für die [X.] Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung vor Behörden, [X.], Versicherungsleistungsträgern und Gerichten sowie Widerruf von [X.] bestellt. Dazu hat es unter anderem ausgeführt, dass den Wünschen bzw. den Vorschlägen der Betroffenen hinsichtlich der
[X.] nicht gefolgt werden könne und weder der Beteiligte zu
4
noch der Beteiligte zu
5
aufgrund von bestehenden Interessenkollisionen bzw. gesetzlichen Vertre-tungsverboten zum rechtlichen Betreuer habe bestellt werden können. Mit [X.] vom 17.
April 2014 hat das Amtsgericht die [X.] des Be-treuers um die Gesundheitssorge und die Aufenthaltsbestimmung zwecks Heil-behandlung und Pflege erweitert.
Die Beschwerden
der Betroffenen
gegen die beiden Beschlüsse
hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie erreichen will, dass entweder der Beteiligte zu
4 oder hilfsweise der Beteiligte
zu
5
zum Betreuer bestellt wird.

II.

[X.]
hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefoch-tenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1.
[X.] ist gemäß §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 FamFG statthaft. Dass
sich die Rechtsbeschwerde nicht gegen die Anordnung der Be-3
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5
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-
4
-
treuung, sondern gegen die Entscheidung über die Auswahl der [X.] richtet, ist unschädlich, weil es sich insoweit um eine zulässige Teilanfechtung handelt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25.
März 2015 -
XII
ZB
621/14
-
FamRZ 2015, 1178 Rn.
10 und vom 3.
Februar 2016

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ZB
493/15

zur Veröffentli-chung bestimmt

jeweils mwN).
2.
[X.] ist auch begründet.
a)
Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Gegenstand der Beschwerdeverfahren sei allein die Frage, ob das Amtsgericht zu Recht den Beteiligten zu
1 bestellt habe oder -
wie von der Be-troffenen in dem Verfahren zweiter Instanz ausdrücklich erstrebt
-
die Bestel-lung eines Kontrollbetreuers nach §
1896 Abs.
3 BGB ausgereicht hätte. Dies würde voraussetzen, dass die Vollmacht wirksam erteilt worden sei. Das
sei nicht der Fall.
b)
Dies
hält den Rügen der Rechtsbeschwerde nicht stand, denn das [X.] hat den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör gemäß Art.
103 Abs.
1 GG verletzt.
aa)
Dem Anspruch auf rechtliches
Gehör entspricht die Pflicht des [X.], Anträge und Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Art.
103 Abs.
1 GG zwingt das Gericht jedoch nicht dazu, jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden. Auch kann daraus keine Pflicht des Gerichts erwachsen, den Rechtsansichten eines Beteiligten zu folgen. So ist grundsätzlich davon auszu-gehen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör kann nur dann festgestellt werden, wenn besondere Um-7
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stände vorliegen, die den Schluss zulassen, das Gericht habe das Vorbringen des Beschwerdeführers
bei seiner Entscheidung entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen. Geht das Gericht in einer anfechtba-ren Entscheidung auf [X.] des [X.] zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des [X.] unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. [X.] NStZ-RR 2006, 149
mwN).
bb) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das [X.] gegen Art.
103 Abs.
1 GG verstoßen
hat, weil sich der angefochtene Beschluss nicht mit der [X.] befasst.
(1) Zwar ist der Rechtsbeschwerdeerwiderung zuzugeben, dass sich die Betroffene mit ihrer Beschwerde im
Wesentlichen gegen die Anordnung der Betreuung trotz bestehender Generalvollmacht gewandt hat
und
nicht aus-drücklich gegen die [X.]. Jedoch enthält die Beschwerdebegrün-dung
auch Vortrag zu
einer Interessenkollision. Danach hat das Verhalten der
Beteiligten zu
4 und 5 den nunmehr eingesetzten Betreuer nicht zu [X.] veranlasst. Ferner würde die H. T.

GmbH, für die der Beteiligte zu
5 tätig sei, für die Betroffene nicht mehr tätig werden, wenn er Bevollmächtigter oder Betreuer für sie würde.
(2) Danach war das [X.] nicht von seiner Verpflichtung entbun-den, sich auch mit der [X.] gemäß
§
1897 BGB zu befassen.
(a) Selbst wenn man davon ausginge, dass die Betroffene mit ihrer Be-schwerde allein die Anordnung der Betreuung anfechten wollte, nicht aber die [X.], hätte das [X.] die Auswahlentscheidung überprüfen 12
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6
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müssen, nachdem es eine Betreuung für erforderlich gehalten hat. Zwar hat der Senat für die umgekehrte Konstellation, in der die Anordnung als solches nicht angefochten wird, wohl aber die [X.],
entschieden, dass das Be-schwerdegericht nicht mehr über die Rechtmäßigkeit der [X.] zu befinden hat (Senatsbeschluss
vom 3.
Februar 2016

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zur Veröffentlichung bestimmt). Das gilt indessen nicht für den hier vorliegenden Fall.
Eine Teilanfechtung nur der [X.] ist nicht möglich. Die [X.] stellt das "ob"
einer Entscheidung über die Betreuung dar, die bei Bejahung zwangsläufig die [X.] als "wie"
der Entschei-dung nach sich zieht. Ficht der Beschwerdeführer
die [X.] an, beinhaltet das zwangsläufig eine Anfechtung der [X.]. Für ihn [X.] mithin kein Anlass, auch die mit der
Anordnung der Betreuung einherge-hende [X.] ausdrücklich anzufechten.
(b) Im Übrigen lässt sich dem Beschwerdevortrag entnehmen, dass die Betroffene letztlich auch die [X.] in Frage gestellt hat. Dies ergibt sich jedenfalls aus den
Ausführungen, wonach die H. T.

GmbH, bei der der Beteiligte zu
5 beschäftigt sei, für die Betroffene nicht mehr tätig werde, wenn er Bevollmächtigter oder Betreuer für die Betroffene würde.
(3) Trotz dieses Vortrags hat sich das [X.] nicht zu der -
vom Amtsgericht erörterten
-
Problematik verhalten, inwieweit ein möglicher Interes-senwiderstreit der Bestellung der Beteiligten zu
4 und 5 zum Betreuer entge-gensteht. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung fehlte es insoweit auch an einer Bezugnahme auf die Ausführungen des Amtsgerichts. Zwar enthält der landgerichtliche Beschluss eine Verweisung auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung. Diese bezieht sich aber ersichtlich allein 16
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7
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auf die Ausführungen zur Erforderlichkeit der Bestellung eines Betreuers bzw. Kontrollbetreuers.
Im Übrigen wäre das [X.] auch bei einer Bezugnahme auf die Ausführungen des Amtsgerichts zu dem Interessenwiderstreit seiner Verpflich-tung, den Vortrag der Betroffenen
zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Ent-scheidung in Erwägung zu ziehen, nicht hinreichend nachgekommen. Denn die Beschwerde enthält hierzu weiteren, erheblichen Vortrag, mit dem sich das [X.] hätte befassen müssen, namentlich den bereits genannten [X.], dass die H. T.

GmbH für die Betroffene nicht mehr tätig geworden wäre, wenn der Beteiligte zu
5 zum Betreuer bestellt worden wäre. Weil sich das [X.] nicht mit der [X.] befasst hat, ist es auf [X.] des [X.] zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingegangen.
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-
3. Gemäß §
74 Abs.
5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuhe-ben. Die Sache ist, da noch weitere Ermittlungen zur [X.] durchzu-führen sind, an das [X.] zurückzuverweisen (§
74 Abs.
6 Satz
2
FamFG).

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidungen
vom 20.01.2014 und vom 17.04.2014 -
54 [X.] 56/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 22.10.2014 -
87 [X.] -

20

Meta

XII ZB 634/14

02.03.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2016, Az. XII ZB 634/14 (REWIS RS 2016, 15223)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15223

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