Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.11.2022, Az. VII R 29/21 (VII R 17/18), VII R 29/21, VII R 17/18

7. Senat | REWIS RS 2022, 9713

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Gegenstand

Verzinsung einer unionsrechtswidrig erhobenen Steuer


Leitsatz

1. Wurde eine nach Unionsrecht fakultative Steuerbegünstigung (hier: ermäßigter Steuersatz nach § 9 Abs. 3 StromStG a.F.) zu Unrecht nicht gewährt, so dass der Steuerpflichtige Vorauszahlungen geleistet hat, ist ein daraus resultierender Erstattungsanspruch zu verzinsen.

2. Der Verzinsungszeitraum beginnt mit der Leistung der jeweiligen Vorauszahlung und endet mit der Erstattung des unter Verstoß gegen Unionsrecht festgesetzten Steuerbetrags.

3. Die Pflicht zur Verzinsung erstreckt sich auf den gesamten Zeitraum, in dem der Betrag dem Steuerschuldner nicht zur Verfügung stand, nicht nur auf volle Zinsmonate gemäß § 238 Abs. 1 Satz 2 AO.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 22.02.2018 - 14 K 924/15 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erklärte in ihrer [X.] für das [X.] eine bestimmte Strommenge als gemäß § 9 Abs. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008 ([X.], 2794) begünstigt zu besteuernden Eigenverbrauch. Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt --[X.]--) erließ einen von der Erklärung abweichenden Stromsteuerbescheid, der zu einer Erhöhung der Steuer führte. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein.

2

Nachdem die Klägerin in [X.]ezug auf das [X.] vor Gericht den ermäßigten Steuersatz gemäß § 9 Abs. 3 StromStG zugesprochen bekommen hatte, änderte das [X.] die Stromsteuerfestsetzung für das [X.] und besteuerte nunmehr die betreffende Strommenge ermäßigt gemäß § 9 Abs. 3 StromStG.

3

Im Dezember 2014 beantragte die Klägerin die Festsetzung von Zinsen im Hinblick auf die für das [X.] erstattete Stromsteuer in Höhe von … € ab dem …, was das [X.] ablehnte. Dagegen erhob die Klägerin Sprungklage, der das [X.] zustimmte. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin weiterhin die Festsetzung von Zinsen, jedoch stellte sie keinen Antrag auf Verzinsung des geltend gemachten Zinsbetrags.

4

Das [X.] urteilte, die Klägerin habe weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht einen Anspruch auf die begehrte Verzinsung (…). Dagegen legte die Klägerin Revision ein.

5

Der [X.] hat mit [X.]eschluss vom 19.11.2019 - VII R 17/18 ([X.]E 267, 83, [X.], 113) das Verfahren ausgesetzt und den [X.] um Vorabentscheidung ersucht. Dieser beantwortete die Vorlagefrage mit Urteil Hauptzollamt [X.] vom 09.09.2021 - [X.]/20 ([X.]:[X.], [X.], 329), berichtigt durch [X.]eschluss vom 29.09.2021 - [X.]/20 ([X.]:[X.]), wie folgt:

"Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es eine Verzinsung des Erstattungsbetrags der Stromsteuer verlangt, die zu Unrecht erhoben wurde, weil eine auf der Grundlage einer den Mitgliedstaaten von der Richtlinie 2003/96/[X.] vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen [X.] zur [X.]esteuerung von [X.] und elektrischem Strom eingeräumten Möglichkeit erlassene nationale Vorschrift fehlerhaft angewendet wurde."

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

7

Die Vorentscheidung verletzt [X.]undesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O), weil der Klägerin nach [X.]srecht ein Anspruch auf Gewährung von Zinsen ab Zahlung der zu Unrecht erhobenen Stromsteuer zusteht. Der erkennende Senat kann jedoch nicht abschließend in der Sache selbst entscheiden, weil das [X.] --von seinem rechtlichen Standpunkt aus zu [X.] keine Feststellungen zu den von der Klägerin auf die Stromsteuer geleisteten Vorauszahlungen getroffen hat.

8

1. Nach der Rechtsprechung des [X.] hat der Einzelne, wenn ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des [X.]srechts Steuern erhoben hat, einen Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Steuer, sondern auch der [X.]eträge, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer an diesen Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Darunter fallen auch die Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen infolge der vorzeitigen Fälligkeit der Steuer ([X.]-Urteile [X.] u.a. vom 19.07.2012 - [X.]/10, [X.]:[X.], [X.] 25, m.w.[X.], Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --[X.]-- 2012, 1018; [X.] vom 27.09.2012 - [X.]/10 u.a., [X.]:[X.], [X.] 65, m.w.[X.], [X.], 76; Irimie vom 18.04.2013 - [X.]/11, [X.]:[X.], [X.] 2013, 659, [X.] 21, m.w.[X.]; [X.] vom 15.10.2014 - [X.]/13, [X.]:[X.], [X.] 28, A[X.]l[X.] 2014, Nr. [X.] 462, 7; [X.] vom 18.01.2017 - [X.]-365/15, [X.]:[X.]:2017:19, [X.] 37 ff., [X.], 42, und [X.] vom 13.10.2022 - [X.]-397/21, [X.]:[X.]:2022:790, [X.] 32; vgl. auch Senatsurteil vom 22.09.2015 - VII R 32/14, [X.], 291, [X.], 323).

9

Demnach ergibt sich der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das [X.]srecht erhobenen Steuerbeträge zuzüglich Zinsen zu erstatten, aus dem [X.]srecht. In Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung kommt es der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten zu, die [X.]edingungen für die Zahlung solcher Zinsen, insbesondere den Zinssatz und die [X.]erechnungsmethode für die Zinsen festzulegen. Diese [X.]edingungen müssen den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität entsprechen, d.h. sie dürfen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die auf [X.]estimmungen des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, und sie dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die [X.]srechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen ([X.]-Urteile [X.] u.a., [X.]:[X.], [X.] 26 f., m.w.[X.], [X.] 2012, 1018; [X.], [X.]:[X.], [X.] 61 und 66, [X.], 76; Irimie, [X.]:[X.], [X.] 2013, 659, [X.] 22 f.; Tarsia vom 06.10.2015 - [X.]-69/14, [X.]:[X.]:2015:662, [X.] 25 f., m.w.[X.], [X.] Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2015, 917, und [X.], [X.]:[X.]:2022:790, [X.] 33; vgl. auch Senatsurteile in [X.], 291, [X.], 323, und vom [X.] - VII R 24/18, [X.], 90, [X.], 278).

Der [X.] hat diese Rechtsprechung in [X.]eantwortung des Vorabentscheidungsersuchens des erkennenden Senats in [X.], 83, [X.], 113 mit dem Urteil Hauptzollamt [X.] ([X.]:[X.]:2021:716, [X.], 329) bestätigt und im Hinblick auf fakultative Steuerbegünstigungen weiterentwickelt. Demnach besteht eine Pflicht zur Verzinsung des [X.]etrags der unter Verstoß gegen das [X.]srecht erhobenen Abgaben auch dann, wenn dieser Verstoß aus einer Verkennung der allgemeinen Rechtsgrundsätze des [X.]srechts resultiert ([X.] 28). Insbesondere verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche [X.]ehandlung objektiv gerechtfertigt ist ([X.] 32, m.w.[X.]). Hierzu hat der [X.] weiter festgestellt, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der in Anwendung einer [X.]estimmung des nationalen Rechts zur Umsetzung der von der EnergieStRL vorgesehenen Möglichkeit einem ermäßigten Satz der Stromsteuer unterliegt, die zu Unrecht erhoben wurde, im Hinblick auf den [X.]etrag der zu Unrecht erhobenen Steuer und die Pflicht zur entsprechenden Rückerstattung in einer vergleichbaren Situation ist wie ein Wirtschaftsteilnehmer, der in Anwendung einer [X.]estimmung dieser Richtlinie dem [X.] dieser Steuer unterliegt, die zu Unrecht erhoben wurde ([X.] 33). Daher ist der zu Unrecht erhobene [X.]etrag der Steuer zu verzinsen, weil der [X.] auch in diesem Fall nicht über die Steuer verfügen konnte und dadurch Einbußen erlitten hat (vgl. [X.] 34 f.).

Nach den vom [X.] entwickelten Grundsätzen besteht ein Anspruch auf Verzinsung auch dann, wenn die zu Unrecht erhobene Steuer auf der Grundlage einer nach der EnergieStRL fakultativen Steuerbegünstigung festgesetzt und entrichtet wurde, weil der Steuerpflichtige auch in diesem Fall nicht über den entrichteten [X.]etrag verfügen konnte und dieser Liquiditätsnachteil auszugleichen ist. Aufgrund dessen ist der zu Unrecht erhobene Steuerbetrag ab Zahlung der Steuer zu verzinsen.

Mit seinem Urteil [X.] Geflügel und Tiefkühlfeinkost vom 28.04.2022 [X.]-415/20, [X.]-419/20 und [X.]-427/20 ([X.]:[X.]:2022:306, [X.]FH/NV 2022, 796) hat der [X.] erneut über den unionsrechtlichen Zinsanspruch entschieden und wiederum bestätigt, dass ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht erhobener Geldbeträge sowie auf die Zahlung von Zinsen besteht, um die Nichtverfügbarkeit des Geldbetrags auszugleichen ([X.] 51 f.). Der [X.] hat weiterhin entschieden, dass sich ein Verstoß, der einen Erstattungs- und einen Zinsanspruch begründen kann, auf jede Regel des [X.]srechts beziehen kann ([X.] 61) und der [X.]srechtsverstoß sowohl von den [X.]sgerichten als auch von einem nationalen Gericht festgestellt worden sein kann ([X.] 66). Auch eine gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs ist nicht zwingend erforderlich ([X.] 84).

Zur konkreten Umsetzung der Verzinsung hat der [X.] in dem genannten Urteil [X.] Geflügel und Tiefkühlfeinkost ([X.]:[X.]:2022:306, [X.] 74 f., [X.]FH/NV 2022, 796) außerdem darauf hingewiesen, dass in Ermangelung einer [X.]sregelung nach ständiger Rechtsprechung des [X.] die Modalitäten für die Zahlung von Zinsen bei Erstattung von unter Verstoß gegen das [X.]srecht erhobenen Geldbeträgen von der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats zu regeln sind, wobei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zu beachten sind. Insbesondere dürfen die [X.] nicht dazu führen, dass dem [X.]etreffenden eine angemessene Entschädigung für die erlittenen Einbußen vorenthalten wird; dies setzt u.a. voraus, dass die ihm gezahlten Zinsen den Gesamtzeitraum abdecken, der je nach Lage des Falls zwischen dem Tag, an dem der [X.]etreffende den fraglichen Geldbetrag entrichtet hat oder hätte erhalten sollen, und dem Tag liegt, an dem dieser ihm erstattet oder an ihn entrichtet wurde.

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin dem Grunde nach einen unionsrechtlichen Anspruch auf Verzinsung der zu Unrecht für das [X.] gezahlten Stromsteuer.

a) Die Zahlung der Stromsteuer für den betreffenden Strom beruht auf [X.]srecht, weil die EnergieStRL diesbezüglich anwendbar ist. Das Aufladen von Akkumulatoren stellt keine Elektrolyse i.S. von Art. 2 Abs. 4 [X.]uchst. b dritter Anstrich EnergieStRL dar und ist somit nicht vom Anwendungsbereich der EnergieStRL ausgenommen.

Nach Art. 2 Abs. 4 [X.]uchst. b dritter Anstrich EnergieStRL gilt diese Richtlinie nicht für elektrischen Strom, der hauptsächlich für die Zwecke der chemischen Reduktion, bei der Elektrolyse und bei Prozessen in der Metallindustrie verwendet wird. Die [X.]egriffe der chemischen Reduktion und der Elektrolyse werden in der EnergieStRL allerdings nicht definiert.

aa) Die Speicherung von elektrischem Strom in Akkumulatoren erfolgt durch eine Umwandlung des Stroms in eine andere Energieform, nämlich chemische Energie. [X.]ei diesem Vorgang findet in dem Akkumulator eine elektrochemische Reaktion statt, die reversibel ist, sodass der Akkumulator geladen und entladen werden kann (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts [X.] zum [X.]-Urteil Hauptzollamt [X.] vom 09.09.2021 - [X.]-100/20, [X.]:[X.]:2021:387, [X.] 38). [X.]eim Aufladevorgang werden durch Stromzufuhr Abscheidungs- und Lösungsvorgänge an den Elektroden (meist bestehend aus Metallen oder Metallverbindungen) in Gang gesetzt, welche die chemische Zusammensetzung der Elektroden verändern (vgl. [X.]rockhaus, [X.], 21. Aufl., Stichwort Akkumulator). [X.]ei diesem Vorgang handelt es sich somit naturwissenschaftlich betrachtet um eine Elektrolyse.

Eine solche Reaktion läuft nach den Feststellungen des [X.], an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden ist, auch im Streitfall beim Laden der Akkumulatoren ab (…). Dementsprechend geht der Senat davon aus, dass auch im Streitfall beim Aufladen der Akkumulatoren eine Elektrolyse im naturwissenschaftlichen Sinne stattfindet.

bb) Allerdings sprechen die Ziele der EnergieStRL dafür, die Speicherung von Strom in Akkumulatoren dennoch nicht als Elektrolyse i.S. von Art. 2 Abs. 4 [X.]uchst. b dritter Anstrich EnergieStRL anzusehen.

Der [X.] weist in ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass bei der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen ist, sondern auch ihr Kontext und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, und insbesondere deren Entstehungsgeschichte (z.[X.]. [X.]-Urteil [X.] gegen The [X.]ommissioner of the Garda Síochána u.a. vom 05.04.2022 - [X.]-140/20, [X.]:[X.]:2022:258, [X.] 32, m.w.[X.], [X.]omputer und Recht 2022, 306). Darüber hinaus ist zu bedenken, dass für die [X.]esteuerung die tatsächliche Verwendung des elektrischen Stroms maßgeblich ist (vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts [X.] zum [X.]-Urteil Hauptzollamt [X.], [X.]:[X.]:2021:387, [X.] 26 f.).

Wie sich aus Erwägungsgrund 22 der EnergieStRL ergibt, wollte der [X.] einheitliche [X.] für die [X.]esteuerung von [X.], die als Heiz- oder Kraftstoff verwendet werden, schaffen. Elektrischer Strom, der in ähnlicher Weise verwendet wird, sollte ebenso behandelt werden (vgl. auch [X.]-Urteil [X.] vom 07.09.2017 - [X.]-465/15, [X.]:[X.]:2017:640, [X.] 25, [X.], 338). Würde die Speicherung von Strom in Akkumulatoren aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herausgenommen, könnte allein durch Zwischenspeicherung von Strom in Akkumulatoren erreicht werden, dass Strom, der später für grundsätzlich steuerpflichtige Zwecke eingesetzt werden soll, aus dem einheitlichen [X.]esteuerungssystem ausgewiesen und dessen [X.]esteuerung den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen wird. Dies führte jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer unterschiedlichen [X.]esteuerung innerhalb der [X.]n [X.]. Darüber hinaus wäre auch das Ziel der [X.]esteuerung nach der tatsächlichen Verwendung des Stroms gefährdet.

cc) Für eine Einbeziehung des Ladens von Akkumulatoren in den Anwendungsbereich der EnergieStRL spricht weiterhin der Durchführungsbeschluss ([X.]) 2016/2266 des [X.], einen ermäßigten Steuersatz auf Strom anzuwenden, der an Ladestationen für Elektrofahrzeuge geliefert wird --Durchführungsbeschluss 2016/2266-- (A[X.]l[X.] 2016, Nr. L 342, 30). Dieses [X.]eschlusses hätte es nicht bedurft, wenn das Aufladen von Akkumulatoren als Elektrolyse i.S. von Art. 2 Abs. 4 [X.]uchst. b dritter Anstrich EnergieStRL anzusehen wäre und damit ohnehin nicht von der EnergieStRL erfasst würde. Auch wenn der Generalanwalt dieses Argument in seinen Schlussanträgen zum [X.]-Urteil Hauptzollamt [X.] ([X.]:[X.]:2021:387, [X.] 31) nicht für ausschlaggebend erachtet hat, weil im Fall der Ladestationen für Elektrofahrzeuge --anders als im [X.] der Endverbraucher des elektrischen Stroms beim Elektroauto auch der Nutzer des Akkumulators ist, ist dem entgegenzuhalten, dass zwischen der Frage der Steuerentstehung bzw. des [X.] und der Frage, ob der Anwendungsbereich der EnergieStRL überhaupt eröffnet ist, unterschieden werden muss. Der erkennende Senat sieht daher in dem Durchführungsbeschluss 2016/2266 weiterhin ein zusätzliches Argument dafür, dass die EnergieStRL im Fall der Speicherung von Strom in Akkumulatoren zur Anwendung kommt.

dd) Abgesehen davon hat der erkennende Senat in seinem Vorlagebeschluss in [X.], 83, [X.], 113 auch darauf hingewiesen, dass es sich nach seiner Auffassung bei der Einspeisung von Strom in Akkumulatoren nicht um eine Elektrolyse i.S. des Art. 2 Abs. 4 [X.]uchst. b dritter Anstrich EnergieStRL handelt. Dies hat der [X.] in seiner Entscheidung Hauptzollamt [X.] ([X.]:[X.]:2021:716, [X.], 581) nicht in Frage gestellt, obwohl sich bei [X.]ejahung dieser Vorfrage eine [X.]eantwortung des Vorabentscheidungsersuchens erübrigt hätte. [X.]ei abweichender rechtlicher [X.]eurteilung des Ladevorgangs hätte somit für den [X.] Anlass bestanden, dazu Stellung zu beziehen.

ee) Schließlich hat auch der [X.] Gesetzgeber die Elektrolyse nicht ausdrücklich als begünstigtes Verfahren i.S. von § 51 Abs. 1 des [X.] ([X.]) aufgeführt, sodass eine [X.]egünstigung elektrolytischer Vorgänge allenfalls im Wege einer Verwendung zu zweierlei Zwecken nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 [X.]uchst. d [X.] in [X.]etracht kommt. Dies spricht dafür, dass auch nach dem Verständnis des [X.]n Gesetzgebers die Elektrolyse nicht generell, sondern nur im Falle einer [X.] vom Anwendungsbereich der EnergieStRL ausgenommen ist.

b) Einer Verzinsung der erstatteten Stromsteuer steht nicht schon die Tatsache entgegen, dass es sich bei der EnergieStRL um einen Rechtsakt der [X.] handelt, der erst der Umsetzung in nationales Recht bedurfte. [X.]ereits mit Urteil [X.] u.a. ([X.]:[X.], [X.] 26 f., [X.] 1012, 1018) hat der [X.] dies nicht als Ausschlussgrund für einen Zinsanspruch angesehen (zum Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen hinsichtlich zu viel gezahlter Mehrwertsteuer vgl. auch [X.]-Urteil [X.] vom 24.10.2013 - [X.]-431/12, [X.]:[X.]:2013:686, [X.] 2013, 1163). Mit Urteil Hauptzollamt [X.] ([X.]:[X.]:2021:716, [X.] 33 ff., [X.], 329) hat der [X.] klargestellt, dass auch im Fall einer zu Unrecht nicht gewährten fakultativen Steuerbegünstigung ein Anspruch auf Zinsen gegeben sein kann.

Ob die [X.]esteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 9 Abs. 3 StromStG auf Art. 5 vierter Anstrich EnergieStRL, der unterschiedliche Steuersätze im Falle betrieblicher und nicht betrieblicher Verwendung zulässt, oder auf Art. 17 Abs. 1 [X.]uchst. a EnergieStRL, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, Steuerermäßigungen für energieintensive [X.]etriebe vorzusehen, beruht, kann letztlich dahinstehen. [X.]ei beiden Vorschriften handelt es sich um fakultative Steuerbegünstigungen, durch die den Mitgliedstaaten in der EnergieStRL ein Gestaltungsspielraum eingeräumt wird (vgl. [X.]-Urteil Hauptzollamt [X.], [X.]:[X.]:2021:716, [X.] 24, [X.], 329).

c) Die Klägerin hat für das [X.] Stromsteuer in Höhe von insgesamt … € zu Unrecht gezahlt (…).

3. Der [X.]erechnung des Zinsbetrags ist der Zeitraum zwischen der überhöhten Zahlung und der Erstattung der nicht geschuldeten Stromsteuer zugrunde zu legen.

Mit seiner eingangs (unter [X.]) dargestellten Rechtsprechung hat der [X.] entschieden, dass der Gesamtzeitraum zwischen dem Tag der Entrichtung der Steuer und dem Tag ihrer Erstattung zu verzinsen ist, weil der zu Unrecht gezahlte [X.]etrag während dieses Zeitraums dem Steuerpflichtigen nicht zur Verfügung stand und somit ein Liquiditätsnachteil entstanden ist, der durch die Verzinsung ausgeglichen werden soll. Obwohl die Modalitäten für die Zahlung von Zinsen durch die jeweilige innerstaatliche Rechtsordnung des betroffenen Mitgliedstaats zu regeln sind, hat der [X.] weiterhin einschränkend klargestellt, dass das [X.]srecht einer rechtlichen Regelung entgegensteht, die dieser Anforderung nicht entspricht und die deshalb eine wirksame Geltendmachung des unionsrechtlichen Erstattungs- und [X.] nicht ermöglicht ([X.]-Urteil [X.] Geflügel und Tiefkühlfeinkost, [X.]:[X.]:2022:306, [X.] 76, m.w.[X.], [X.]FH/NV 2022, 796).

Dementsprechend sind die nationalen Vorschriften zur Verzinsung unter [X.]erücksichtigung des Äquivalenz- und des [X.]es sowie der dargestellten [X.]-Rechtsprechung unionsrechtskonform auszulegen.

a) Der [X.] beginnt bereits mit der Entrichtung der Vorauszahlungen i.S. von § 6 StromStV, wenn bereits diese zu hoch angesetzt waren, weil der [X.]erechnung zu Unrecht der Regelsteuersatz gemäß § 3 StromStG anstelle des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 9 Abs. 3 StromStG zugrunde gelegt wurde. Durch die Vorauszahlungen wird die Fälligkeit der Steuer (vgl. § 8 Abs. 3 und 4 StromStG) gleichsam vorverlegt, weil dadurch Abschlagszahlungen auf eine eigentlich erst später fällig werdende Steuerschuld verlangt werden (vgl. [X.]-Urteil Hauptzollamt [X.], [X.]:[X.]:2021:716, [X.] 27, [X.], 329). Auf eine Festsetzung der Jahressteuer oder den Zeitpunkt der Aufrechnung mit den Vorauszahlungen kommt es dagegen nicht an.

Maßgeblich für die [X.]erechnung ist ferner die tatsächliche Höhe der Vorauszahlungen. Werden bei den Vorauszahlungen bereits zu erwartende Steuerentlastungen (z.[X.]. nach § 10 StromStG) in Abzug gebracht, mindern diese die Höhe der einzelnen Vorauszahlungen und damit den Liquiditätsnachteil für den Steuerschuldner. Eine Verzinsung der festgesetzten Stromsteuer ohne [X.]erücksichtigung der Steuerentlastungen würde über einen Ausgleich des Liquiditätsnachteils des [X.] im Sinne der eingangs dargestellten [X.]-Rechtsprechung hinausgehen.

Der zu Unrecht entrichtete und daher zu verzinsende Steuerbetrag ergibt sich demnach durch einen Vergleich der sich bei Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 9 Abs. 3 StromStG und des Abzugs zu erwartender Steuerentlastungen ergebenden Vorauszahlungen mit den tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen.

Soweit die Vorauszahlungen deshalb zu hoch festgesetzt werden, weil der Steuerschuldner zu hohe Stromverbräuche angegeben hat, ist der erstattete Steuerbetrag nicht zu verzinsen, weil insoweit kein Verstoß gegen [X.]srecht vorliegt.

b) Der [X.]erechnung des Zinsbetrags ist der gesamte Zeitraum ab Leistung der jeweiligen Vorauszahlung bis zur Erstattung der überzahlten Stromsteuer zugrunde zu legen. Eine entsprechende [X.]eschränkung des zu verzinsenden Zeitraums auf volle Zinsmonate entsprechend § 238 [X.] widerspräche dem [X.], da die Geltendmachung eines Teils des [X.] im Ergebnis unmöglich gemacht würde. Das Senatsurteil in [X.], 90, [X.], 278, in dem der Senat eine [X.]eschränkung auf volle Zinsmonate noch für unionsrechtskonform gehalten hat, ist in diesem Punkt aufgrund der danach ergangenen [X.]-Rechtsprechung überholt (vgl. [X.]-Urteil [X.] Geflügel und Tiefkühlfeinkost, [X.]:[X.]:2022:306, [X.] 75 f., [X.]FH/NV 2022, 796).

Der erkennende Senat hält das [X.]-Urteil [X.] Geflügel und Tiefkühlfeinkost ([X.]:[X.]:2022:306, [X.] 75 f., [X.]FH/NV 2022, 796) in diesem Zusammenhang für spezieller als das zur Mehrwertsteuer ergangene [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.]:2022:790), mit dem der [X.] allgemein auf die Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung hingewiesen hat ([X.] 40). Denn in dem Urteil [X.] Geflügel und Tiefkühlfeinkost ([X.]:[X.]:2022:306, [X.] 75 f., [X.]FH/NV 2022, 796) hat der [X.] ausdrücklich festgelegt, wie eine angemessene Entschädigung zu berechnen ist.

c) Der Zinssatz beträgt gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 [X.] 0,5 % pro Monat.

Der Zinssatz in Höhe von 0,5 % pro Monat steht im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben, weil er auch im Falle einer Verzinsung eines Erstattungsanspruchs aus nationalem Recht anzuwenden ist und somit keine [X.]enachteiligung der Klägerin vorliegt.

Soweit das [X.]undesverfassungsgericht ([X.]VerfG) mit [X.]eschluss vom 08.07.2021 - 1 [X.]vR 2237/14, 1 [X.]vR 2422/17 ([X.] 2021, 922) entschieden hat, dass § 233a [X.] mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 ein Zinssatz von 0,5 % für jeden Monat zugrunde gelegt wird, hat dies keine Auswirkungen auf den Streitfall. Denn abgesehen davon, dass die Stromsteuer nicht von § 233a [X.] erfasst wird, ist das bisherige Recht jedenfalls für bis einschließlich in das [X.] fallende Verzinsungszeiträume weiterhin anwendbar.

4. Ob der Klägerin auch ein Zinsanspruch nach nationalem Recht (§ 236 oder § 233a [X.]) zusteht, kann dahinstehen. Eine Vorlage an das [X.]VerfG bezüglich § 233a [X.] ist daher nicht erforderlich.

5. Soweit die Klägerin auch die Zahlung von Zinseszinsen eingeschlossen wissen will, ist dieser Antrag unzulässig, weil es sich insoweit um eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageerweiterung i.S. von § 123 Abs. 1 Satz 1 [X.]O handelt.

Nach § 264 Nr. 2 der Zivilprozessordnung ist es zwar nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn der Klageantrag in der Hauptsache betragsmäßig erweitert wird ([X.]eschluss des Großen Senats des [X.]FH vom 23.10.1989 - GrS 2/87, [X.]FHE 159, 4, [X.]St[X.]l II 1990, 327; [X.]FH-Urteil vom 12.07.2016 - IX R 29/15, [X.]FH/NV 2016, 1698).

Allerdings handelt es sich bei der Geltendmachung von Zinseszinsen nicht nur um eine betragsmäßige Erweiterung der geforderten Zinsen, sondern um einen neuen Streitgegenstand. Dies ergibt sich daraus, dass § 233 Satz 2 [X.] zwischen Zinsen und der Verzinsung von steuerlichen Nebenleistungen, zu denen gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 4 [X.] die Zinsen gehören, unterscheidet. [X.]ezüglich der Zinseszinsen hat die Klägerin in der ersten Instanz keinen Antrag gestellt, weshalb diesbezüglich auch keine Entscheidung des [X.] vorliegt.

Im Übrigen könnte --sofern die Zahlung von Zinseszinsen trotz § 233 Satz 2 [X.] überhaupt in [X.]etracht käme-- zum jetzigen Zeitpunkt darüber noch nicht entschieden werden, weil noch nicht feststeht, in welcher Höhe genau der Klägerin Zinsen zu gewähren sind und wann sie den Zinsbetrag erhalten wird.

(…)

8. Im zweiten Rechtsgang wird das [X.] festzustellen haben, wann die Klägerin die Vorauszahlungen auf die Stromsteuer geleistet hat und in welcher Höhe diese gegen [X.]srecht verstoßen haben. Weiterhin wird das [X.] den Zeitpunkt der Erstattung festzustellen und ausgehend davon den Zinsbetrag zu berechnen haben. In diesem Zusammenhang müssen Zahlungen, die auf zu hoch angegebene Stromverbräuche zurückzuführen sind, aus dem zu verzinsenden [X.]etrag herausgerechnet werden.

9. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 29/21 (VII R 17/18), VII R 29/21, VII R 17/18

15.11.2022

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 22. Februar 2018, Az: 14 K 924/15, Urteil

§ 9 Abs 3 StromStG vom 19.12.2008, § 238 Abs 1 S 1 AO, Art 2 Abs 4 Buchst b EGRL 96/2003, EUBes 2016/2266, § 238 Abs 1 S 2 AO, § 236 AO, § 233a AO, Art 100 Abs 1 GG, § 123 Abs 1 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.11.2022, Az. VII R 29/21 (VII R 17/18), VII R 29/21, VII R 17/18 (REWIS RS 2022, 9713)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9713

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