Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.04.2014, Az. 26 W (pat) 525/13

26. Senat | REWIS RS 2014, 5943

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "KIRSCH ROYAL" – kein Verstoß gegen die guten Sitten


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 043 937.3

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 30. April 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie der Richter [X.] und Dr. Himmelmann

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des [X.] vom 23. April 2013 aufgehoben.

Gründe

I

1

Die Anmelderin hat beim [X.] die Marke

Abbildung

2

die Waren der [X.]

3

„Bier, alkoholfreie Getränke“

4

zur Eintragung angemeldet.

5

Die Markenstelle für [X.] des [X.]s hat die Anmeldung mit Beschluss vom 23. April 2013 zurückgewiesen, weil die Marke gegen die guten Sitten verstoße (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 5 [X.]).

6

Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die angemeldete Wort-/Bildmarke enthalte in augenfälliger Position die Angabe „agnus dei" (lat. = Lamm Gottes), bei der es sich um die christlich-religiöse Bezeichnung für [X.] Christus im [X.] handele. Ungeachtet der Bildbestandteile der angemeldeten Marke sei zu erwarten, dass der Durchschnittsverbraucher der mit der Anmeldung beanspruchten Waren die Angabe „agnus dei" in weit überwiegendem Maße als Hinweis auf [X.] Christus bzw. den [X.] in der [X.] Religion verstehen werde. Die angemeldete Marke widerspreche damit den religiösen Wertvorstellungen wesentlicher Verkehrskreise und werde von diesen als religiös anstößig empfunden. Zwar sei es richtig, dass im Bereich von Bieren, die traditionell häufig von Klosterbrauereien hergestellt würden, religiös besetzte Zeichen und Gestaltungen oft anzutreffen seien. Jedoch könne die Verwendung von Heiligendarstellungen oder der Darstellung von kirchlichen Würdenträgern nicht mit der Verwendung eines Symboles gleichgesetzt werden, das auf [X.] Christus hinweise. Ausländischen Voreintragungen könne demgegenüber keine Indizwirkung zukommen, da die inländische Verkehrsauffassung sich von der Auffassung anderer Länder deutlich unterscheiden könne. Darüber hinaus dürfe auch die unterschiedliche Prüfungspraxis in den verschiedenen [X.] Ländern nicht unbeachtet bleiben, die sich im Ergebnis teilweise einer bloßen Registrierung annähere.

7

Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde  Sie macht geltend, dass das Schutzhindernis der Sittenwidrigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 [X.] restriktiv auszulegen sei. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit könne nicht allein in dem Fakt der Kommerzialisierung eines [X.] Symboles als solchem gesehen werden. Die [X.] selbst nutze moderne Vermarktungsformen als Einnahmequelle und verhalte sich streckenweise in der Verwertung ihrer heiligen Symbole selbst wie ein Wirtschaftsunternehmen. Unter diesem Blickwinkel könne in der angemeldeten Marke keine religiös anstößige Aussage gesehen werden. Die Markengestaltung greife die historische Verbindung des Brauens zum [X.] Hochfest auf [X.] auf und setze sie in Kontext zur Historie des [X.]. Das Bierbrauen habe seine historischen Wurzeln im Wirkungskreis der [X.] und die Geschäftsbetriebe der ältesten Brauereien in der [X.] entsprängen ursprünglichen Klosteranlagen. Von vorne herein liege kein Ärgernis vor, wenn bei bestimmten Waren Bezüge zu [X.] traditionell seien. Des Weiteren sei auch fraglich, ob die angesprochenen Verkehrskreise den religiösen Bedeutungsgehalt der Bezeichnung „agnus dei“ überhaupt erkennen würden. Ergänzend verweist die Anmelderin auf die voreingetragene identische Gemeinschaftsmarke sowie auf eine [X.] Marke, die den Begriff „[X.]“ enthält und u. a. ebenfalls für die Ware „Biere“ eingetragen worden ist.

8

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

9

den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

II

Die Beschwerde der Anmelderin ist gemäß § 64 Abs. 6 i. V. m. § 66 Abs. 1 und 2 [X.] zulässig und auch begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke für die Waren der [X.] „Bier, alkoholfreie Getränke“ steht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 5 [X.] nicht entgegen. Die angemeldete Marke verstößt nicht gegen die guten Sitten.

Gegen die guten Sitten i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 5 [X.] verstoßen Marken, die geeignet sind, das Empfinden der angesprochenen Verkehrskreise erheblich zu  verletzen, indem sie sittlich, politisch oder religiös anstößig oder herabwürdigend wirken oder eine grobe Geschmacksverletzung darstellen ([X.], 136, 137 – [X.]; [X.] 2013, 252, 253 – [X.]; [X.] 46, 66, 68 f. [X.]). Entscheidend ist insoweit die Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise, wobei nicht nur die Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, an die sich die mit der angemeldeten Marke beanspruchten Waren oder Dienstleistungen unmittelbar richten, sondern auch die Teile des Publikums, die dem Zeichen im Alltag zufällig begegnen ([X.] - [X.]; [X.]. 2012, 247 – [X.]). Maßgeblich ist weder eine übertrieben laxe noch eine besonders feinfühlige und empfindsame, sondern eine normal tolerante und durchschnittlich sensible Sichtweise. Auch darf die Prüfung des [X.] nicht in einer Geschmackszensur bestehen ([X.] – [X.]).

Bei Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs ist die angemeldete Marke nicht religiös anstößig und verstößt damit nicht gegen die guten Sitten. Zwar liegt bei Begriffen, die ausschließlich oder im Wesentlichen nur im religiösen Bereich verwendet werden und die dem Verkehr als religiöse Begriffe geläufig sind, grundsätzlich die Möglichkeit nahe, dass durch ihre kommerzielle Verwendung das religiöse Empfinden des angesprochenen Publikums verletzt wird ([X.] 28, 41, 42 f. - [X.]; [X.], 377 - [X.]; [X.] PROMA 28 W (pat) 66/06 - [X.]; [X.] PROMA 26 W (pat) 117/06 - Pontifex). Andererseits ist aber auch eine Tendenz zur Lockerung religiöser Bindungen unverkennbar ([X.]. 1988, 75 - [X.]). Damit verbunden ist eine wachsende Unkenntnis in Fragen der Religion, die von vornherein der Erregung eines Ärgernisses entgegenstehen kann. Insoweit sind vor allem wertneutrale Benennungen von Heiligen jedenfalls dann unbedenklich, wenn der Verkehr in bestimmten Branchen an solche Angaben auch außerhalb des religiösen Bereichs als Markenbestandteile gewöhnt ist (vgl. [X.] 15, 230, 234 ff. - [X.]; BPatG a. a. O. - [X.]; BPatG [X.] PROMA 28 W (pat) 86/87 - 12 Apostoli).

Im Fall der in der angemeldeten Marke enthaltenen [X.] Bezeichnung „agnus dei“ ist zum einen bereits davon auszugehen, dass der durchschnittliche Angehörige der von Bieren und alkoholfreien Getränken angesprochenen Verkehrskreise, einschließlich der Teile des Publikums, die der Bezeichnung im Alltag zufällig begegnen, deren Bedeutung „Lamm Gottes“ in erheblichem Umfang nicht versteht bzw. nicht als die christlich-religiöse Bezeichnung für [X.] Christus, den [X.], kennt oder erkennt. Aber auch Verbraucher, die den Wortbestandteil „agnus dei“ in der angemeldeten Marke im vorgenannten Sinne auffassen, werden – soweit sie eine normal tolerante und durchschnittlich sensible Sichtweise an den Tag legen – vor dem Hintergrund der langjährigen Verwendung einer Vielzahl von [X.] Bezeichnungen im Zusammenhang mit Bieren und alkoholfreien Getränken, auch durch Klöster und kircheneigene Betriebe selbst, an diesem Wortbestandteil der angemeldeten Marke keinen Anstoß nehmen, da es sich bei ihm im Zusammenhang mit den fraglichen Waren auch nicht um eine  herabwürdigende, das religiöse Empfinden [X.] erheblich verletzende Äußerung handelt. Daher ist der Beschwerde der Anmelderin stattzugeben.

Meta

26 W (pat) 525/13

30.04.2014

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.04.2014, Az. 26 W (pat) 525/13 (REWIS RS 2014, 5943)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5943

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