LG Offenburg, Beschluss vom 21.04.2023, Az. 5 O 2/23 KfH

Kammer für Handelssachen | REWIS RS 2023, 4422

ZUSTELLUNG BGB AT WILLENSERKLÄRUNGEN

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Gegenstand

Wirksamer Zugang einer Abmahnung per E-Mail


Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten nach übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kostentragung in einem von [X.] anhängig gemachten wettbewerbsrechtlichen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Die Antragsgegnerin vertrieb unter der Produktbezeichnung „[...] Probiotische Kapseln“ Nahrungsergänzungsmittel, für die sie im [X.] auf der Plattform [...] unter Verwendung gesundheitsbezogener Begriffe warb.

Der Antragsteller, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, unter anderem zu Fragen des lauteren [X.] zu beraten und zu informieren und der als qualifizierter Wirtschaftsverband beim [X.] registriert ist, mahnte daraufhin die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30.01.2023 ab unter gleichzeitiger Aufforderung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Hierfür wurde eine Frist bis 08.02.2023 gesetzt. Bis zum Ablauf der Frist erfolgte keine Reaktion der Antragsgegnerin, insbesondere ging die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht beim Antragsteller ein.

Daraufhin beantragte der Antragsteller unter dem 13.02.2023 bei dem erkennenden Gericht im Wege der einstweiligen Verfügung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Unterlassung der Werbung mit den unzulässigen gesundheitsbezogenen Begriffen.

Unter dem 21.02.2023 gab die Antragsgegnerin dann eine modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Der Antragsteller ist der Auffassung, die Antragsgegnerin habe Veranlassung gegeben, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen. Er behauptet, das Abmahnschreiben mit der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 30.01.2023 sei der Antragsgegnerin nicht nur auf dem Postweg, sondern am Tag der Abfassung per E-Mail zugestellt worden. Dabei haben sich der [X.] und die strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht in einer Anlage zur Mail, sondern in deren originärem Textteil befunden. Die Mail sei daher der Antragsgegnerin auch am selben Tag zugegangen.

Der Antragsteller beantragte:

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Die Antragsgegnerin beantragte,

dem Antragsteller die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 a ZPO aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass sie keine Veranlassung zur Stellung des verfahrenseinleitenden Antrages gegeben habe.

Sie behauptet, das Abmahnschreiben vom 30.01.2023 mit der strafbewehrten Unterlassungserklärung erst am 13.02.2023 erhalten zu haben. Daraufhin habe sie unverzüglich die abgemahnten Werbeaussagen abgeändert und eine modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Eine E-Mail des Antragstellers mit dem Inhalt des Schreibens vom 30.01.2023 habe sie nicht erhalten, bzw. diese sei möglicherweise in einem Spam-Ordner gelandet.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und streiten nunmehr nur noch über die Kostentragungspflicht.

II.

Gemäß § 349 Abs. 2 Nr. 6 ZPO ist der Vorsitzende berechtigt, alleine über die Kosten nach Erledigungserklärung gemäß § 91a ZPO zu entscheiden.

Eine Verfahrenserledigung mit anschließender Entscheidung gemäß § 91a ZPO kommt auch im vorliegenden Eilverfahren in Betracht, obwohl der verfahrenseinleitende Antrag der [X.] vom 13.02.2023 der Antragsgegnerin noch nicht förmlich zugestellt worden war (vgl. [X.], ZPO, 34. Aufl. 2022, Rn. 5 vor § 916 und Zöller-Althammer, a.a.[X.], Rn. 6 zu § 91 a.).

Die Kostenentscheidung ergibt sich in der Sache aus § 91a ZPO.

Die Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin ist das Ergebnis der summarischen Prüfung aufgrund der Erledigungserklärungen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes.

Dabei ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller Veranlassung gegeben hat, den Antrag vom 13.02.2023 bei Gericht anhängig zu machen. Dies ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin auf das Abmahnschreiben mit der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 30.01.2023 nicht innerhalb der gesetzten Frist bis 08.02.2023 reagierte.

Die Antragsgegnerin kann sich im Ergebnis auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr das Abmahnschreiben erst nach Fristablauf am 13.02.2023 zugegangen sei. Es ist davon auszugehen, dass das an die Antragsgegnerin adressierte Schreiben vom Antragsteller an die Antragsgegnerin per E-Mail am 30.01.2023 abgelassen wurde und am selben Tag zeitnah auf dem Server der Antragsgegnerin einging.

Der Antragsteller hat durch Vorlage der Anlage [X.] glaubhaft gemacht, dass er das Abmahnschreiben vom 30.01.2023 am selben Tag als E-Mail an die Antragsgegnerin absandte und dass der vollständige Text des Abmahnschreibens in der E-Mail und nicht in einer Anlage hierzu enthalten war.

Es ist auch davon auszugehen, dass unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des [X.] die E-Mail der Antragsgegnerin wirksam im Sinne von § 130 Abs. 1 BGB zugegangen ist. Nach der genannten Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass eine E-Mail dem Empfänger grundsätzlich in dem [X.]punkt zugeht, in dem sie ihm im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf seinem Mailserver abrufbereit zur Verfügung gestellt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und/oder zur Kenntnis genommen wurde. Der von einem Empfänger für den Empfang von E-Mail-Nachrichten genutzte Mailserver ist jedenfalls dann, wenn der Empfänger durch Veröffentlichung der E-Mail-Adresse oder sonstige Erklärungen im Geschäftsverkehr zum Ausdruck bringt, Rechtsgeschäfte mittels elektronischer Erklärungen in Form von E-Mails abzuschließen, als sein Machtbereich anzusehen, in dem ihm Willenserklärung in elektronischer Form zugehen können (vgl. [X.], [X.] [X.] 895/21 - juris, Rn. 19 und 20).

Ausweislich der Mailadresse des Empfängers auf der Anlage [X.] ist davon auszugehen, dass es sich bei dieser Mailadresse um eine im Sinne der Rechtsprechung des [X.] von der Antragsgegnerin im unternehmerischen Geschäftsverkehr zur Verfügung gestellte E-Mail-Adresse handelt. Die Mail wurde ausweislich der Anlage [X.] um 11.06 Uhr abgeschickt, sodass bei dieser [X.] auch davon auszugehen ist, dass es sich um eine übliche Geschäftszeit handelt, zu der sie bei der Antragsgegnerin eingegangen ist.

Zwar kann ein Zugang im Sinne von § 130 Abs. 1 BGB trotzdem ausscheiden, wenn der Empfänger der E-Mail nachweisen kann, dass die E-Mail mit der Abmahnung nicht in seiner Mailbox eingegangen, sondern von der Firewall oder einem Spam-Filter abgefangen wurde. In diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass den Abgemahnten das Risiko des Verlusts der E-Mail trifft (vgl. [X.]/[X.]/[X.], UWG, 41. Aufl. 2023, Rn. 47 zu § 13 UWG, str.).

Nach Auffassung der Kammer gelang der Antragsgegnerin jedoch nicht der Nachweis, dass die E-Mail des Antragstellers in diesem Sinne von einem Spam-Filter abgefangen wurde und dadurch nicht in den Kenntnisbereich der Antragsgegnerin gelangte. Die insoweit von [X.] vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sind nicht hinreichend tauglich, den erforderlichen Nachweis zu führen.

Soweit die Antragsgegnerin mit der eidesstattlichen Versicherung vom 22.02.2023 (Anlage [X.]) pauschal erklärt, das Abmahnschreiben vom 30.01.2023 sei bis heute nicht per E-Mail zugestellt worden, ist dieses pauschale Bestreiten nicht hinreichend qualifiziert, um damit gegen den substantiierten, qualifizierten und unter [X.] erfolgten Vortrag des Antragstellers durchzudringen. Die pauschale Aussage ist unsubstantiiert und nichtssagend.

Auch die weitere eidesstattliche Versicherung vom 24.03.2023 (Anlage [X.]) ist nicht geeignet, den Nachweis zu führen, dass die E-Mail des Antragstellers vom 30.01.2023 bei der Antragsgegnerin nicht im Sinne von § 130 Abs. 1 BGB zugegangen ist. In der eidesstattlichen Versicherung wird wiederum pauschal ausgeführt, dass sich im Januar/Februar 2023 das Unternehmen der Antragsgegnerin in einer Phase interner Umstrukturierung befunden habe. Daher könne nicht gesagt werden, ob die E-Mail des Antragstellers in einem Spamordner eingegangen sei oder weswegen diese nicht an den Geschäftsführer weitergeleitet wurde. Unabhängig davon, dass die Frage der firmeninternen Umstrukturierung für die Frage einer ordnungsgemäßen Eingangskontrolle von E-Mails unbehelflich ist und als Organisationsverschulden mit der Antragsgegnerin heimgehen muss, enthält die eidesstattliche Versicherung im Übrigen keine konkreten Tatsachenbehauptungen, sondern lediglich Spekulationen und Annahmen. Die eidesstattliche Versicherung sagt gerade nicht aus, dass die E-Mail in einem Spamordner eingegangen und deswegen nicht in den Kenntnisbereich des Geschäftsführers der Antragsgegnerin gelangt ist, sondern lediglich, dass dies alles im [X.]punkt der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unklar war und weiterer Abklärung bedarf. Das bedeutet jedoch nichts anderes, als dass gerade keine konkreten Tatsachenbehauptungen aufgestellt und mittels eidesstattlicher Versicherung glaubhaft gemacht werden, sondern dass lediglich Mutmaßungen geäußert werden, die wiederum auch nicht geeignet sind, den qualifizierten Vortrag der [X.] zu entkräften.

Demnach bleibt es im Ergebnis dabei, dass zur Überzeugung des Gerichts die Mail vom 30.01.2023 taggleich bei der Antragsgegnerin eingegangen ist.

In der Sache wäre dem Antrag der [X.] auch Erfolg beschieden gewesen, da es sich bei den angegriffenen Werbeaussagen der Antragsgegnerin um wettbewerbswidrige und unzulässige Werbung mit medizinischem Bezug ohne hinreichende wissenschaftliche Tatsachengrundlage handelt (vgl. statt aller: [X.], Urteil vom 06.02.2013 - [X.]/11 - juris, Rn. 15 f).

Darüber hinaus ist die Behauptung der Antragstellerin einer Werbung mit unzulässigem gesundheitsbezogenen Inhalt auch unstreitig. Die Antragsgegnerin räumte dies faktisch dadurch ein, dass sie nach Erhalt der Abmahnung sofort ihre diesbezügliche Werbung umstellte.

Der festgesetzte Streitwert ergibt sich aus dem geltend gemachten Interesse der [X.]. Er entspricht darüber hinaus ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts bei vergleichbaren Rechtsstreitigkeiten.

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Meta

5 O 2/23 KfH

21.04.2023

LG Offenburg Kammer für Handelssachen

Beschluss

Sachgebiet: O

§ 91a ZPO, § 130 BGB

Zitier­vorschlag: LG Offenburg, Beschluss vom 21.04.2023, Az. 5 O 2/23 KfH (REWIS RS 2023, 4422)

Papier­fundstellen: GRUR-RS 2023, 13986 MD 2023, 737 REWIS RS 2023, 4422

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