Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2005, Az. IX ZR 221/01

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1679

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 221/01
Verkündet am: 22. September 2005 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2005 durch [X.] [X.], die [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 8. Zivil-senats des [X.] vom 19. Juli 2001 und das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 21. Februar 2001 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter der H.

GmbH (fortan: GmbH) und Inhaber eines Einzelunternehmens, das als Besitzunter-nehmen an die GmbH verpachtet war. Mit notariellem Vertrag vom [X.] 1995 übertrug er 90 % der GmbH-Anteile an seinen [X.]. Mit diesem zu-sammen gründete er außerdem eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (fortan: GbR), in die er sein Einzelunternehmen einbrachte und an der sein [X.] zu 90 % und er selbst zu 10 % beteiligt war. Geschäftsführung und Vertretung - 3 - standen allein dem [X.] des [X.] zu, der sich aber hinsichtlich aller [X.], die über die laufenden Geschäfte hinausgingen, intern mit dem Kläger abzustimmen hatte. Schließlich übertrug der Kläger das im Grundbuch von [X.]

auf Blatt 862 eingetragene Betriebsgrundstück unentgeltlich auf seinen [X.], behielt sich aber den Nießbrauch daran vor. Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1997 stellte sich das zuständige Finanzamt auf den Standpunkt, mit der Abtretung der GmbH-Anteile, der Gründung der GbR und der Übertragung des Betriebsgrundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt sei die Betriebsaufspaltung beendet worden. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1997 wurden gegen die Klä-ger - gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute - wegen eines zu versteuernden Aufgabegewinns von 844.560 DM zusätzliche Einkommen- und Kirchensteuer sowie ein zusätzlicher Solidaritätszuschlag von insgesamt 240.941,87 DM festgesetzt. Auf den Einspruch der Kläger hin wurde die Voll-ziehung des Bescheides ausgesetzt.

Die Kläger werfen dem Beklagten vor, ihnen nicht den sichersten Weg zur Erreichung der von ihnen angestrebten Ziele vorgeschlagen und sie insbe-sondere nicht auf die Gefahr hingewiesen zu haben, dass die Verträge vom 27. Dezember 1995 das Ende der Betriebsaufspaltung und die Auflösung stiller Reserven bedeuten könnten. Sie haben die Feststellung beantragt, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihnen den Schaden zu ersetzen, der ihnen in Form von zusätzlicher Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Umsatzsteuer entstanden sei. Die Vorinstanzen haben der Klage im jetzt noch streitigen Umfang - hinsichtlich der erhöhten Einkommen- und Kirchen-steuer sowie des erhöhten Solidarzuschlags - stattgegeben. Kurz nach Verkün-digung des Berufungsurteils ist der Steuerbescheid vom 22. Dezember 1997 aufgehoben worden. Die Kläger haben den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragen, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits - 4 - aufzuerlegen. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen. Mit seiner Revision verfolgt er seinen ursprünglichen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage.

[X.]

Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung ist als Antrag auf Feststel-lung der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage bis zum Eintritt des [X.] - des Erlasses des Änderungsbescheides - auszulegen.

I[X.]
Die Klage war von Anfang unbegründet, weil dem Beklagten objektiv [X.] Pflichtverletzung vorzuwerfen ist.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe nicht den si-chersten Weg zu dem von den Klägern erstrebten steuerlichen Ziel aufgezeigt und keine sachgerechten Vorschläge zu dessen Verwirklichung unterbreitet. Durch die Übertragung der GmbH-Anteile, die Gründung der GbR und die Über-tragung des Betriebsgrundstücks gegen einen Nießbrauchsvorbehalt sei die Gefahr begründet worden, dass die für eine echte Betriebsaufspaltung erforder-- 5 - liche Beherrschungsidentität zwischen der Besitzgesellschaft und der [X.]; denn der [X.] der Kläger als Mehrheitsgesellschafter der [X.] habe wegen des [X.] nicht ohne Absprache mit dem Kläger über das der Besitzgesellschaft zuzuordnende Betriebsgrund-stück verfügen können.
2. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der - mittlerweile geänderte - Bescheid über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für das [X.] vom 22. Dezember 1997 war unrichtig, ohne dass der Beklagte mit einer solchen Entscheidung rechnen und Vorsorge gegen sie treffen musste. Die Übertragung der GmbH-Anteile, die Gründung der GbR und die Übereignung des Betriebsgrundstücks unter Vorbehalt eines Nießbrauchs am 27. Dezember 1995 beendeten die [X.] nicht.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] (grundlegend [X.], 440 ff) ist eine Betriebsaufspaltung anzunehmen, wenn ein wirt-schaftlich einheitliches Unternehmen in zwei der Rechtsform nach verschiedene Betriebe gegliedert ist, der [X.] wesentliche Grundlagen ihres Betriebes von dem Besitzunternehmen überlassen werden (sachliche Verflech-tung) und die hinter dem Besitzunternehmen stehenden Personen ihren Willen auch in der [X.] durchsetzen können (personelle Verflechtung). b) Am Vorliegen einer sachlichen Verflechtung hat weder die Finanzver-waltung noch eine der Parteien des jetzigen Prozesses Zweifel geäußert. Das Betriebsgrundstück stellte eine wesentliche Grundlage des Betriebs der GmbH dar.
- 6 - c) Die ebenfalls erforderliche personelle Verflechtung war schon deshalb anzunehmen, weil der Kläger und sein [X.] im gleichen Verhältnis an der [X.] und an der [X.] beteiligt waren. In einem solchen Fall der Beteiligungsidentität tritt der Umstand, dass Besitz- und Betriebsunternehmen von einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen getragen werden, [X.] deutlich hervor ([X.], 440, 444; 165, 420, 421; 191, 295, 297; [X.]/Wacker, EStG 24. Aufl. § 15 Rn. 820; [X.]/[X.]/[X.]/Gluth, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz § 15 EStG Rn. 796). [X.], welche die Vermutung der Gleichrichtung der Interessen der beiden Ge-sellschafter widerlegen könnten (vgl. dazu Gluth, aaO), sind weder vorgetragen noch aus den sonstigen Umständen des Falles ersichtlich. Im Gegenteil: Alle hier maßgeblichen Verträge wurden am 27. Dezember 1995 geschlossen. Die GbR bildete zusammen mit der GmbH eine bewusst gestaltete Doppelgesell-schaft, die eine zwischen den Gesellschaftern abgestimmte Willensbildung er-forderte; es war damit vom Vorliegen und der tatsächlichen Maßgeblichkeit gleichgerichteter Interessen auszugehen.

d) Überdies hätte selbst dann eine ausreichende personelle Verflechtung beider Gesellschaften angenommen werden müssen, wenn die Grundsätze der Rechtsprechung des [X.] zur Beherrschungsidentität bei nicht personengleichen Gesellschaften anzuwenden gewesen wären.

aa) Beherrschungsidentität bedeutet, dass eine Person oder Personen-gruppe in der Lage ist, in beiden Gesellschaften ihren Willen durchzusetzen. Maßgeblich sind die den Gesellschaftern zustehenden Stimmrechte. [X.]) Das zuständige Finanzamt hat - wie sich aus dem Bericht über die Betriebsprüfung ergibt - zunächst für ausschlaggebend gehalten, dass der - 7 - Mehrheitsgesellschafter der Betriebs-GmbH infolge des Vorbehaltsnießbrauchs von der Ausübung der üblichen Eigentumsrechte an dem Betriebsgrundstück ausgeschlossen gewesen sei. Die Geschäftsführungsbefugnis des [X.] nach § 5 des Gesellschaftsvertrages der Besitzgesellschaft [X.] nicht die Verwaltung und Nutzung der wesentlichen [X.], sondern sei auf den laufenden Geschäftsverkehr beschränkt.

cc) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] reicht jedoch aus, dass Beherrschungsidentität in Bezug auf die Geschäfte des täglichen Le-bens besteht ([X.], 401, 406; 171, 490, 491; 181, 284, 287; 187, 570, 572; ausf. [X.], GmbHR 2005, 317 ff). Das war hier der Fall. Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vom 27. Dezember 1995 zwischen dem Kläger und seinem [X.] war allein der [X.] der Kläger zur Geschäftsführung und Vertretung der [X.] und verpflichtet (Abs. 1). Nur solche Geschäftsführungsmaßnahmen, die über die laufenden Geschäfte hinausgingen, waren im Innenverhältnis mit dem Kläger abzustimmen (Abs. 2). Im Übrigen war der [X.] des [X.] allein ge-schäftsführungs- und vertretungsbefugt und damit in der Lage, seinen geschäft-lichen Willen in der GbR durchzusetzen. Gleiches galt gemäß § 47 GmbHG auch für die GmbH, in der er über die Mehrheit der Anteile verfügte.

e) Wer Eigentümer des Betriebsgrundstücks oder Inhaber des Nieß-brauchs an diesem war, war für die Frage der personellen Verflechtung der [X.] und der [X.] ohne Bedeutung. Die GbR konnte der [X.] auch solche Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlassen, die nicht in ihrem Eigentum standen.

- 8 - II[X.]

Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, hat der Senat selbst eine Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist insgesamt abzuweisen.

[X.] Raebel [X.]

[X.] [X.]

Meta

IX ZR 221/01

22.09.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2005, Az. IX ZR 221/01 (REWIS RS 2005, 1679)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1679

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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