Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.06.2013, Az. 2 StR 189/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5308

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Gegenstand

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern: Minder schwerer Fall bei Bestehen einer Liebesbeziehung zwischen einer 13-Jährigen und einem 20-Jährigen


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Januar 2013 im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat gegen den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen unter Einbeziehung zweier Urteile des [X.] eine Jugendstrafe von zwei Jahren verhängt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s bestand zwischen dem zur Tatzeit 20jährigen Angeklagten und der 13jährigen Geschädigten eine zunächst rein freundschaftliche Beziehung. Der Angeklagte besuchte die Geschädigte und ihre Familie regelmäßig, wobei er wiederholt auch dort übernachtete. Zwischen beiden entwickelte sich schließlich "zumindest" aus der Sicht der Geschädigten eine Liebesbeziehung, im Rahmen derer es in vier Fällen auch zu einvernehmlichem und geschütztem Geschlechtsverkehr kam.

3

Die [X.] hat den Angeklagten in diesen vier Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gesprochen, einen minderschweren Fall abgelehnt und wegen schädlicher Neigungen und Schwere der Schuld des Angeklagten eine Jugendstrafe verhängt.

4

2. [X.] hat keinen Bestand.

5

Die Erwägungen, mit denen die [X.] sowohl im Sinne der gebotenen Parallelwertung nach Erwachsenenstrafrecht (vgl. [X.], Beschluss vom 21. August 2012 - 4 [X.]; Beschluss vom 4. November 1987 - 3 [X.], [X.]R [X.] § 18 Abs. 1 Satz 3 mwN) einen minderschweren Fall abgelehnt als auch die Schwere der Schuld des Angeklagten im Sinne des § 17 Abs. 2, [X.]. [X.] bejaht hat, sind gleichermaßen rechtsfehlerhaft.

6

a) Das [X.] hat jeweils schulderhöhend gewertet, dass zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten ein intensives und freundschaftliches Verhältnis bestand, was diesen eher zum Schutz der Geschädigten hätte veranlassen müssen. Auch habe dem Angeklagten als einem bereits seit zwei Jahren volljährigen Erwachsenen die Verantwortung oblegen, die Taten zu unterlassen. Der Angeklagte habe indes nicht nur den Wunsch der Mutter der Geschädigten, weiteren Geschlechtsverkehr wegen des zwischen ihm und der Geschädigten bestehenden großen Altersunterschieds zu unterlassen, ignoriert, sondern auch den Willen des Gesetzgebers "zum Schutze von Kindern auf eine sexuell unbelastete Entwicklung".

7

b) Mit diesen Erwägungen stellt das [X.] indes rechtsfehlerhaft darauf ab, dass der Angeklagte die Taten überhaupt begangen hat. Das Gericht hat es zudem versäumt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob nicht die Schuld des Angeklagten wegen des zwischen ihm und der Geschädigten bestehenden besonderen Verhältnisses gemindert sein könnte. Hierzu bestand insofern Anlass, als nach den Feststellungen "zumindest" aus Sicht der Geschädigten eine Liebesbeziehung bestand, zwischen beiden stets einvernehmlicher und geschützter Geschlechtsverkehr stattfand, die Geschädigte zur Tatzeit bereits 13 Jahre alt war und es sich bei dem Angeklagten um einen erst 20jährigen jungen Erwachsenen handelte (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 5. April 2005 - 4 [X.], [X.], 387; Urteil vom 26. Juli 2006 - 1 StR 150/06, [X.], 339; Beschluss vom 12. November 2008 - 2 StR 355/08, [X.], 72). So hat zwar die [X.] festgestellt, dass die Geschädigte in ihrer Entwicklung nicht anders als der Durchschnitt von Mädchen bis zu 14 Jahren zu beurteilen sei. Allein aber der Umstand, dass die vorliegende Fallkonstellation damit nicht exakt der in den Gesetzesmaterialien zu § 176a StGB als Beispiel eines minderschweren Falls genannten Konstellation einer "Liebesbeziehung zwischen einem körperlich und geistig-seelisch weit über den altersgemäßen Zustand hinaus entwickelten Kind (etwa einem knapp 14 Jahre alten Mädchen) und einem jungen (etwa 21 Jahre alten) Erwachsenen" entspricht (BT-Drucks. 13/8587 S. 32), entbindet nicht von der Erörterung ähnlich gelagerter schuldmindernder Umstände.

8

Die Annahme der Schwere der Schuld des Angeklagten (§ 17 Abs. 2, [X.]. [X.]) begegnet darüber hinaus auch insoweit Bedenken, als die [X.] nicht erörtert hat, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Insbesondere wird nicht deutlich, dass die [X.] dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat nur insofern Bedeutung zugemessen hat, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des [X.] und die Höhe der Schuld gezogen werden können (vgl. [X.], Beschluss vom 19. November 2009 - 3 [X.], [X.], 281 mwN).

9

3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Gericht unter Berücksichtigung der vorgenannten Erwägungen zu einem verringerten Schuldumfang gelangt wäre und daher auf eine insgesamt niedrigere Jugendstrafe erkannt hätte.

Die Feststellungen werden von dem aufgezeigten Rechtsfehler, der allein die Bewertung der festgestellten Umstände betrifft, nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Dies schließt ergänzende Feststellungen, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus.

[X.]

                 [X.]

Meta

2 StR 189/13

05.06.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Gera, 10. Januar 2013, Az: 432 Js 32527/12 - 2 KLs jug

§ 17 Abs 2 Alt 2 JGG, § 18 JGG, § 176a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.06.2013, Az. 2 StR 189/13 (REWIS RS 2013, 5308)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5308

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