Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.05.2018, Az. 3 StR 486/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 8467

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Gegenstand

Überlange Feststellungen in einem Strafurteil: Anforderungen an die Abfassung der Urteilsgründe und den Umfang der Beweiswürdigung


Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. Januar 2017 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Zur Abfassung von Urteilsgründen hat der [X.] - wie vom [X.] und von einigen der Verteidiger zu Recht aufgeführt - bereits mehrfach entschieden, dass die Urteilsgründe nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben müssen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden; die Sachverhaltsschilderung soll kurz, klar und bestimmt sein und alles Unwesentliche fortlassen. Gleiches gilt entsprechend für die Beweiswürdigung, in der das Beweisergebnis nur so weit erörtert werden soll, wie es für die Entscheidung von Bedeutung ist, nicht aber eine Dokumentation der Beweisaufnahme vorgenommen werden soll. Ebenso wenig ist es angezeigt, zu jeder Feststellung, mag sie in Bezug auf den Tatvorwurf noch so unwesentlich sein, einen Beleg in den Urteilsgründen zu erbringen (vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 23. Januar 2018 - 3 StR 586/17, juris; vom 4. Oktober 2017 - 3 [X.], juris; vom 25. Juli 2017 - 3 [X.], juris; [X.]. mwN).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung nötigt das angefochtene, knapp 1.300 Seiten lange Urteil zu dem Hinweis, dass mit dieser Rechtsprechung nicht bloß unverbindliche stilistische Maßgaben aufgestellt werden sollen, sondern dass es sich insoweit um die einzuhaltenden gesetzlichen Vorgaben des § 267 Abs. 1-3 StPO handelt. Die Urteilsgründe werden diesen nicht gerecht und offenbaren schwerwiegende handwerkliche Schwächen sowie grundsätzliche Verständnismängel, wenn - wie beispielsweise hier –

•       

in den Feststellungen zur Sache, die von Blatt 32 bis Blatt 414 der Urteilsgründe reichen, über mehr als 220 Seiten Mitschnitte von Telefongesprächen und [X.] ausführlich und teils wörtlich wiedergegeben werden;

                 

•       

sich weitere 57 Seiten der Feststellungen zur Sache mit dem "Verfahrensgang" befassen, ohne dass - mit Ausnahme weniger Ausführungen zu den Bemühungen einiger Angeklagter um einen Täter-Opfer-Ausgleich - ersichtlich wird, welche Konsequenzen sich daraus für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch ergeben könnten;

                 

•       

in der "Beweiswürdigung" die Einlassungen der Angeklagten auf mehr als 120 Seiten nicht nur inhaltlich, sondern auch hinsichtlich ihrer Entstehung umfassend - einschließlich der Nachfragen von Verfahrensbeteiligten - dokumentiert werden;

                 

•       

diese Einlassungen alsdann in der Würdigung der "Beweisaufnahme im engeren Sinne" zur Bandenstruktur, den Motiven der Bandendiebstähle sowie zu den [X.] erneut wiedergegeben werden;

                 

•       

die bereits in den Feststellungen dokumentierten Telefongespräche und [X.] nunmehr in der Beweiswürdigung ebenfalls erneut umfänglich zitiert werden;

                 

•       

die ohnehin entbehrlichen Feststellungen zum Verfahrensgang auf 50 Seiten auch noch belegt werden;

                 

•       

für jeden Halbsatz der übermäßig ausführlichen Feststellungen auch zu gänzlich unwichtigen Details ein Beweismittel benannt und dessen Inhalt wiedergegeben wird.

Angesichts der zur Verurteilung gelangten zwölf [X.] und der allenfalls durchschnittlich schwierigen Beweislage - die Angeklagten haben die ihnen zur Last gelegten Taten ganz überwiegend gestanden und lediglich die [X.] sowie die [X.] (Unterstützung islamistischer bzw. jihadistischer Bestrebungen in [X.]) bestritten - lässt der Umfang der Feststellungen mit gut 400 Seiten sowie der "Beweiswürdigung", die insgesamt mehr als 720 Seiten lang ist, nur den Schluss zu, dass die [X.] nicht die notwendige gedankliche Vorarbeit verrichtet haben, eine wertende Auswahl zwischen [X.] und [X.] zu treffen. Gerade darin liegt aber die unverzichtbare geistige Leistung, die von [X.] zu verlangen ist (vgl. [X.]/[X.], [X.], 29. Aufl., Rn. 270a). Im Übrigen zeigt sich in der dargelegten Vorgehensweise auch ein bedenklicher Umgang mit den Ressourcen der Justiz.

Das Urteil hat gleichwohl Bestand, weil es dem Senat letztlich doch noch möglich war, aus der Vielzahl überflüssiger Ausführungen diejenigen herauszufiltern, derer es zum Beleg der [X.]eiligen Schuld- und Rechtsfolgenaussprüche bedurfte.

[X.]     

      

Gericke     

      

Spaniol

      

Berg     

      

Leplow     

      

Meta

3 StR 486/17

30.05.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 30. Januar 2017, Az: 101 KLs 13/15

§ 267 Abs 1 S 1 StPO, § 267 Abs 2 StPO, § 267 Abs 3 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.05.2018, Az. 3 StR 486/17 (REWIS RS 2018, 8467)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8467

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