Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2012, Az. 3 StR 232/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4156

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Raubs: Finale Verknüpfung von Nötigung und Wegnahme; Urteilsfeststellungen zur Einsicht des Täters bei Minderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Dezember 2011

a) soweit es den Angeklagten [X.]     betrifft im Fall 3 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben;

b) soweit es den Angeklagten [X.]betrifft insgesamt aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben jedoch bestehen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, wegen räuberischer Erpressung und wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, den Angeklagten [X.]wegen räuberischer Erpressung und wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Dagegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen; der Angeklagte [X.]beanstandet zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung des Angeklagten [X.]wegen versuchten schweren Raubes im Fall 3 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auf die den Strafausspruch in diesem Fall betreffenden Verfahrensrügen des Angeklagten kommt es danach nicht mehr an.

3

Die [X.] hat festgestellt: Der Angeklagte [X.]  und die beiden Nichtrevidenten [X.].     und [X.]schlugen gemeinsam auf den Nebenkläger ein, der Angeklagte [X.]  verwendete dabei eine Eisenstange oder einen Teleskopschlagstock, mit dem er mehrere Schläge gegen den Kopf des [X.] führte. Ein Bekannter des [X.], der Zeuge [X.].   , wandte sich nunmehr an den Angeklagten und die Nichtrevidenten und forderte sie auf, von dem Nebenkläger abzulassen. Daraufhin schlug ihn der Angeklagte [X.]  mit dem Schlagwerkzeug einmal unvermittelt auf den Kopf. Anschließend forderte er den Zeugen [X.].   auf, ihm seine Geldbörse herauszugeben; dieser erklärte, keine Geldbörse bei sich zu haben und floh.

4

Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen versuchten (richtig: "besonders", vgl. [X.], Beschluss vom 5. Mai 2011 - 3 StR 57/11, [X.], 702) schweren Raubes nicht. Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein (vgl. [X.], StGB, 59. Aufl., § 249 Rn. 6 mwN). An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, der Täter den Entschluss zur Wegnahme vielmehr erst nach Abschluss dieser [X.]ndlung fasst ([X.], Beschluss vom 21. März 2006 - 3 StR 3/06, [X.], 508 mwN). Vorliegend ergeben die Feststellungen weder, dass sich der Angeklagte im Moment des Schlages bereits zur Wegnahme entschlossen hatte, noch, dass er dem Zeugen nach dem geführten Schlag - gegebenenfalls durch schlüssiges Verhalten - mit weiteren Gewalthandlungen drohte, um die Wegnahme zu ermöglichen.

5

Soweit der neue Tatrichter - was nach dem sich aus der Äußerung des Angeklagten ergebenden Tatbild näher liegen könnte - eine Verurteilung wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in den Blick nehmen sollte, gilt nichts anderes. Zwischen der begehrten [X.]rausgabe der Geldbörse und dem Einsatz von [X.] müsste auch in diesem Fall ein finaler Zusammenhang bestehen ([X.], aaO, § 253 Rn. 18a).

6

Die Aufhebung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der für diese Tat verhängten Einsatzstrafe und bedingt damit die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Die weitergehende Revision dieses Angeklagten hat aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] keinen Erfolg.

7

2. Die Verurteilung des Angeklagten [X.]begegnet insgesamt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

8

a) Im Fall 2 der Urteilsgründe hat das [X.] aufgrund der errechneten maximalen Blutalkoholkonzentration von 2,68 ‰ zur Tatzeit festgestellt, bei dem Angeklagten sei eine erhebliche Verminderung seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen. In der Beweiswürdigung hat es dazu ausgeführt, der Sachverständige habe eine erhebliche Minderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen können, und sich dieser Bewertung angeschlossen. Damit trägt das Urteil nicht die Annahme der [X.], der Angeklagte sei bei Begehung dieser Tat schuldfähig gewesen (§ 20 StGB). Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen, erheblich vermindert, so kommt es für die Beurteilung seiner Schuldfähigkeit entscheidend darauf an, ob ihm deswegen diese Einsicht fehlt oder ob er gleichwohl über sie verfügt. [X.]t der Täter nicht die Einsicht in das Unerlaubte seines [X.]ndelns und kann ihm dies auch nicht vorgeworfen werden, so handelt er nach § 17 Satz 1 StGB ohne Schuld (vgl. [X.], Beschluss vom 1. März 2011 - 3 [X.]/10; [X.], aaO, § 21 Rn. 3 mwN). Das Urteil verhält sich indes nicht dazu, ob der Angeklagte - für den Fall der erheblichen Beeinträchtigung seiner Einsichtsfähigkeit - das Unerlaubte seines [X.]ndelns gleichwohl erkannte.

9

b) Dieser Rechtsfehler zieht auch die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 1 der Urteilsgründe nach sich. Diese Tat ging derjenigen in Fall 2 der Urteilsgründe unmittelbar voraus. Insoweit hat das [X.] - sachverständig beraten - gleichwohl eine erhebliche Verminderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten abgelehnt. Die Beweiswürdigung, mit der es zu dieser Annahme gelangt, ist nicht frei von [X.]. Das [X.] hat ausgeführt, nach den Angaben des Sachverständigen könne sich der Grad der Alkoholisierung innerhalb weniger Augenblicke erweitern, insbesondere, wenn ein weiterer Alkoholkonsum zwischen den Taten nicht auszuschließen sei. Diese Anknüpfungstatsachen werden durch die Feststellungen des [X.]s jedoch nicht belegt; im Gegenteil spricht die Motivation für den Raub im Fall 1 der Urteilsgründe, die Angeklagten hätten sich weitere Getränke kaufen wollen, hätten dabei aber festgestellt, dass sie kein Geld mehr bei sich führten, sowie der Umstand, dass sich die Tat des Falls 2 der Urteilsgründe unmittelbar an Fall 1 anschloss, gegen einen solchen weiteren Alkoholkonsum zwischen den Taten.

c) Die rechtlich beanstandungsfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen werden durch die aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Für die neue [X.]uptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Die Begründung, mit der die [X.] die Unterbringung des Angeklagten [X.]in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat, begegnet ebenfalls rechtlichen Bedenken. Nach den Feststellungen zur Person hat der Angeklagte "frühzeitig Auffälligkeiten mit seinem eigenen Alkoholkonsum gezeigt". Die Taten beging er, um sich Geld für weiteren Alkoholkonsum zu beschaffen. Angesichts dessen ist die Auffassung des [X.]s, es bestehe kein symptomatischer Zusammenhang zwischen seinem Alkoholkonsum und den Taten, nicht tragfähig begründet.

[X.]     

Hubert     

     Schäfer

Ri'in[X.] Dr. Spaniol befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

Gericke     

[X.]

Meta

3 StR 232/12

31.07.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Rostock, 21. Dezember 2011, Az: 12 KLs 220/11 - 2 - 417 Js 11988/11

§ 17 S 1 StGB, § 20 StGB, § 249 StGB, § 250 StGB, § 253 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2012, Az. 3 StR 232/12 (REWIS RS 2012, 4156)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4156

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