Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.07.2010, Az. VI R 30/07

6. Senat | REWIS RS 2010, 4359

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Gegenstand

Der gemeine Wert der Aktien lässt sich nicht stets aus weniger als ein Jahr zurückliegenden und im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgten Aktienverkäufen ableiten - Zeitpunkt des Zuflusses des geldwerten Vorteils - Bewertungsmaßstab


Leitsatz

Der gemeine Wert nicht börsennotierter Aktien lässt sich nicht i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG aus Verkäufen ableiten, wenn nach den Veräußerungen aber noch vor dem Bewertungsstichtag weitere objektive Umstände hinzutreten, die dafür sprechen, dass diese Verkäufe nicht mehr den gemeinen Wert der Aktien repräsentieren, und es an objektiven Maßstäben für Zu- und Abschläge fehlt, um von den festgestellten Verkaufspreisen der Aktien auf deren gemeinen Wert zum Bewertungsstichtag schließen zu können     .

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), Eheleute, wurden für das Streitjahr (1999) erklärungsgemäß mit Einkommensteuerbescheid vom 22. Februar 2001 zusammenveranlagt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) änderte mit Änderungsbescheid vom 31. Mai 2005 den Einkommensteuerbescheid vom 22. Februar 2001 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) und erhöhte die Einkünfte des [X.] aus nichtselbständiger Tätigkeit um 3.485.522 [X.].

2

Grundlage der Änderung waren Feststellungen der [X.]. Danach hatte der Kläger am 25. Februar 1999 mit Wirkung zum 28. Februar 1999  385 Aktien der [X.] zum Kaufpreis von 330.000 [X.] erworben. Dem Kaufpreis lag eine Bewertung der [X.] in Höhe von 22 Mio. [X.] zugrunde. Weitere Aktien der [X.] wurden mit Kaufverträgen vom 13. Oktober 1998, 24. Februar 1999, 1. März 1999 und mit zwei Verträgen vom 25. Februar 1999 übertragen. Dabei gingen die [X.] von einem Unternehmenswert in Höhe von 22 Mio. [X.] und beim Kaufvertrag vom 1. März 1999 von einem solchen in Höhe von 30 Mio. [X.] aus. Insgesamt wurden dabei 9,7 % des Aktienkapitals übertragen.

3

Der Kläger wurde am 1. März 1999 Arbeitnehmer der [X.]. Am 22. April 1999 vereinbarten die [X.] und die [X.], dass die [X.] Emissionsberater und [X.] einer angestrebten öffentlichen Erstplatzierung sein sollte. Geplant war eine öffentliche Erstplatzierung eines durch eine Kapitalerhöhung um ca. 35 % erweiterten Grundkapitals auf der Grundlage eines Bookbuildingverfahrens über ein Bankenkonsortium am Kapitalmarkt und die Zulassung des Handels im Geregelten Markt mit Notierung im [X.]. Die Vertragspartner gingen dabei von einem fiktiven Eigenkapitalwert der Gesellschaft bei Börsennotierung vor der Durchführung der geplanten Kapitalerhöhung in Höhe von ca. 130 Mio. [X.] bis 180 Mio. [X.] aus.

4

Am 30. April 1999 beschloss die Hauptversammlung der [X.] eine Kapitalerhöhung des Grundkapitals um 18.190 [X.] auf 146.425 [X.] durch Ausgabe von 3.638 neuen Inhaberaktien im Nennwert von 5 [X.]. Der Kläger war zur Zeichnung von 354 Aktien im Nennwert von insgesamt 1.770 [X.] zzgl. eines Agios in Höhe von 361.377,36 [X.] zugelassen; er zeichnete und übernahm mit [X.] vom 30. April 1999 entsprechend seinem Zeichnungsrecht die neuen Aktien, die in ihrer Bewertung hier streitig sind. Der Vorstand war u.a. ermächtigt, innerhalb von 18 Monaten die neuen Aktien vom [X.]n zu dem Betrag zurück zu erwerben, den der [X.] für den Erwerb aufgewendet hatte. Gleichzeitig wurden Verkaufsbeschränkungen für den Fall des Ausscheidens der [X.]n beschlossen. Die Kapitalerhöhung wurde am 16. Mai 1999 angemeldet und ihre Durchführung am 21. Mai 1999 im Handelsregister eingetragen.

5

Die außerordentliche Hauptversammlung vom 3. Juni 1999 beschloss u.a. die Umstellung des Grundkapitals von [X.] auf €, eine weitere Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln auf 146.425 €, eine Umstellung auf Stückaktien im Wert von 5 € (29.285 Stückaktien), eine Neueinteilung des Grundkapitals in 146.425 Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil von 1 € und eine weitere Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln um 1.653.575 € auf 1.800.000 €. Danach hielt der Kläger insgesamt 45.423 Stückaktien, nämlich 23.665 Stückaktien aus dem [X.] sowie die streitgegenständlichen 21.758 Stückaktien aus der Kapitalerhöhung vom 30. April 1999.

6

Der Börsengang der [X.] am [X.] der [X.] erfolgte zum 1. Juli 1999. Der Ausgabepreis betrug 46 €, [X.] lag bei 70 €. Am Tag der Einbuchung der Aktien des [X.] in dessen Depot am 12. Juli 1999 war der niedrigste Börsenkurs der [X.] an der [X.] mit 90,44 € notiert.

7

Das [X.] qualifizierte auf Grundlage dieser Feststellungen den Erwerb der Aktien im Rahmen der Kapitalerhöhung vom 30. April 1999 als einen im Rahmen des Dienstverhältnisses des [X.] verbilligten Sachbezug gemäß § 19a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) in Form einer Kapitalbeteiligung an seinem Arbeitgeber, der [X.]. Es ermittelte auf Grundlage des Börsenkurses von 90,44 € den streitigen geldwerten Vorteil aus dem Erwerb der 21.758 Aktien mit 3.485.522,14 [X.] und setzte dementsprechend im Änderungsbescheid vom 31. Mai 2005 die Einkommensteuer fest.

8

Nach Einspruch ermittelte das [X.] den geldwerten Vorteil auf Grundlage des [X.] von 46 € mit 1.594.380 [X.], setzte die Einkommensteuer entsprechend herab und wies im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurück.

9

Das Finanzgericht ([X.]) entsprach aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2007, 1508 veröffentlichten Gründen der Klage und hob den geänderten Einkommensteuerbescheid auf. Der Aktienerwerb des [X.] aus der Kapitalerhöhung im April 1999 sei durch das Dienstverhältnis veranlasst. Bei der im April 1999 durchgeführten Kapitalerhöhung seien nur insgesamt neun Mitarbeiter in gehobener Position bezugsberechtigt gewesen, die zu vergleichsweise niedrigen Gehältern zur [X.] gewechselt hätten und einen Teil ihrer Vergütung über das mit der Kapitalerhöhung verbundene [X.] erhalten hätten.

Im Streitfall sei der gemeine Wert der noch nicht börsennotierten Aktien gemäß § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes ([X.]) zu ermitteln.

Denn innerhalb des [X.] seien sechs Kaufverträge über Aktientransaktionen in Höhe von insgesamt 9,7 % des Grundkapitals der [X.] getätigt worden. Soweit der Kläger für die aus der Kapitalerhöhung vom 30. April 1999 erworbenen 354 Aktien insgesamt einen auf Basis einer Unternehmensbewertung von 30 Mio. [X.] berechneten Kaufpreis von 363.147,36 [X.] aufgewandt habe, bleibe für die Annahme einer verbilligten Aktienüberlassung an den Kläger unter Berücksichtigung des § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] kein Raum.

Mit der Revision rügt das [X.] die unrichtige Anwendung der §§ 9, 11 [X.].

Das [X.] verkenne, dass nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) in besonders gelagerten Fällen Ausnahmen vom Grundsatz des § 11 [X.] zugelassen seien, wenn nämlich aufgrund besonderer Umstände die Verkaufspreise eine objektiv korrekte Bestimmung des Wertes nicht ermöglichten.

Das [X.] beantragt sinngemäß,

das Urteil des Hessischen [X.] vom 30. Mai 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Die Feststellungen des [X.] tragen nicht dessen Würdigung, dass der Kläger mit dem ihm eingeräumten Recht, im Rahmen der am 30. April 1999 beschlossenen [X.] weitere 354 Aktien zeichnen zu können, keinen aus dem Arbeitsverhältnis stammenden steuerpflichtigen Vorteil erlangt habe. Da die Feststellungen des [X.] zur Höhe des geldwerten Vorteils jedoch nicht ausreichen, um in der Sache selbst entscheiden zu können, führt die Revision zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG gehört auch der Vorteil aus der verbilligten Überlassung von Aktien, wenn der Vorteil dem Arbeitnehmer "für" seine Arbeitsleistung gewährt wird (vgl. [X.]-Urteile vom 1. Februar 2007 [X.], [X.] 2007, 898; vom 23. Juni 2005 [X.], [X.], 549, [X.] 2005, 766; jeweils m.w.N.). Die Anwendung dieser Grundsätze war zwischen den Beteiligten zu Recht ebenso wenig streitig wie die Würdigung des [X.], dass der Aktienerwerb des [X.] auf Grundlage der [X.] vom 30. April 1999 durch das Dienstverhältnis veranlasst war (vgl. dazu [X.]-Urteil vom 19. Juni 2008 [X.], [X.], 353, [X.] 2008, 826). Zutreffend hat das [X.] insoweit gewürdigt, dass nur neun Mitarbeiter in gehobener Position zum Bezug der Aktien berechtigt gewesen waren, die Mitarbeiter zu vergleichsweise niedrigen Gehältern zur [X.] gewechselt waren und einen Teil ihrer Vergütung über das mit der [X.] verbundene [X.] erhalten sollten.

2. Zu Unrecht ging das [X.] allerdings bei der Bewertung des Vorteils allein von den sechs vor dem 2. März 1999 erfolgten Aktienverkäufen aus. Es ließ dabei insbesondere den selbst festgestellten und bei der Beurteilung und Würdigung des Veranlassungszusammenhangs zwischen der Zeichnungsberechtigung und dem Arbeitsverhältnis auch berücksichtigten Umstand außer Betracht, dass der zeichnungsberechtigte Kläger einen Teil seiner Vergütung über das mit der [X.] verbundene [X.] hatte erhalten sollen und die mit der Durchführung der [X.] beauftragten Beteiligten dabei von deutlich höheren Bewertungen ausgegangen waren.

a) Die vom Arbeitgeber des [X.] ausgegebenen Aktien der [X.] gelten als Vermögensbeteiligung i.S. von § 19a Abs. 3 Nr. 1 EStG. Diese sind gemäß § 19a Abs. 8 Satz 1 EStG mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen.

aa) Bewertungsstichtag ist der [X.]punkt, zu dem dem Arbeitnehmer der Vorteil zufließt. Liegt der Vorteil darin, dass der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber im Rahmen einer [X.] verbilligt Aktien erhält, fließt der Vorteil nicht schon dann zu, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den verbilligten Erwerb im Rahmen der [X.] zusagt, sondern erst, wenn der Arbeitnehmer auch die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Aktien erlangt. Denn das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten begründet regelmäßig noch keinen Zufluss von Einnahmen. Der Zufluss ist grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben. Arbeitslohn fließt nicht bereits mit der wirksamen Zusage, sondern erst in dem [X.]punkt zu, in dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das wirtschaftliche Eigentum verschafft (vgl. Senatsurteil vom 20. November 2008 [X.], [X.], 419, [X.] 2009, 382, m.w.N.). Dem entspricht es, wenn der erkennende Senat den Zufluss eines geldwerten Vorteils nicht bereits in der Einräumung eines Optionsrechts gegen den Arbeitgeber, sondern erst nach Ausübung der Option mit dem preisgünstigen Erwerb der Aktien selbst annimmt, weil der für den Zufluss von Arbeitslohn maßgebliche geldwerte Vorteil in Form eines auf die Aktien gewährten Preisnachlasses auch erst mit der Ausübung der Option in das wirtschaftliche Eigentum des Arbeitnehmers gelangt (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 419, [X.] 2009, 382, sowie Senatsurteile vom 3. Mai 2007 [X.], [X.], 118, [X.] 2007, 647; in [X.], 549, [X.] 2005, 766; vom 23. Juni 2005 [X.], [X.], 559, [X.] 2005, 770), solange der Arbeitnehmer nicht anderweitig darüber verfügt und so deren Wert realisiert ([X.]-Urteil in [X.], 353, [X.] 2008, 826).

Im Streitfall floss dem Kläger der Vorteil im [X.]punkt der Eintragung der Durchführung der [X.] am 21. Mai 1999 zu. Denn nach § 189 des Aktiengesetzes ([X.]) ist mit der Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals das Grundkapital erhöht. Die neuen Mitgliedsrechte entstehen kraft Gesetzes zum [X.]punkt der Eintragung; der Zeichner wird, ohne dass es eines besonderen Aktes bedarf, Aktionär der Gesellschaft (vgl. [X.] in: [X.]/[X.] (Hrsg.), [X.], 2008, § 189 [X.], [X.]; [X.] in Großkomm. [X.], § 189 Rz 13; [X.] in KK-[X.], 2. Aufl., § 189 Rz 4; [X.] in [X.]/Stilz, § 189 Rz 3). Mit der Verschaffung der Aktien und der damit verbundenen aktienrechtlichen Mitgliedschafts- und Statusrechte erfüllt sich der arbeitsrechtliche Anspruch des [X.] auf verbilligte Überlassung der Aktien.

bb) [X.] der noch nicht börsennotierten Aktien ist gemäß § 11 Abs. 2 [X.] in der im Streitjahr geltenden Fassung zu ermitteln (vgl. dazu Senatsurteil in [X.] 2007, 898, sowie [X.]-Urteile vom 5. März 1986 II R 232/82, [X.], 460, [X.] 1986, 591, und vom 9. März 1994 II R 39/90, [X.], 561, [X.] 1994, 394; Thüringer [X.], Urteil vom 9. April 2003 III 313/02, E[X.] 2004, 334). Danach ist der gemeine Wert von Aktien grundsätzlich aus Verkäufen abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Lässt sich so der gemeine Wert der Aktien nicht feststellen, ist er nach § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 460, [X.] 1986, 591). § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] regelt das Rangverhältnis der beiden Methoden der Ermittlung des gemeinen Werts in der Weise, dass der gemeine Wert vorrangig aus der Wertbestätigung am Markt abzuleiten ist, also von dem Preis, der bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (§ 9 Abs. 2 Satz 1 [X.]) tatsächlich erzielt wurde (vgl. [X.]-Urteil vom 22. Januar 2009 II R 43/07, [X.], 272, [X.] 2009, 444, m.w.N.).

Aus dem Tatbestandsmerkmal "ableiten" in § 11 Abs. 2 [X.] folgt indessen nicht, dass der gemeine Wert zwingend mit den tatsächlich vorliegenden Kaufpreisen übereinstimmen muss und die Kaufpreise --auch wenn im gewöhnlichen Geschäftsverkehr und unter drittüblichen Bedingungen zustande gekommen-- unbesehen und pauschal der Wertfindung zugrunde zu legen sind. Ableiten bedeutet vielmehr, dass der tatsächlich erzielte Kaufpreis als Ausdruck des gemeinen Wertes zu ändern ist, wenn Umstände vorliegen, die eine Änderung gebieten ([X.]-Urteile vom 23. Februar 1979 [X.], [X.], 254, [X.] 1979, 618; in [X.], 561, [X.] 1994, 394). Solche zu berücksichtigende Umstände hatte der [X.] etwa angenommen, wenn nur Kurswerte für Vorzugsaktien vorlagen, aber Stammaktien zu bewerten waren ([X.]-Urteile in [X.], 561, [X.] 1994, 394; vom 21. April 1999 II R 87/97, [X.]E 188, 431, [X.] 1999, 810), wenn eine Minderheitsbeteiligung nach dem Verkaufspreis für eine Mehrheitsbeteiligung zu bewerten war ([X.]-Urteil in [X.], 254, [X.] 1979, 618) oder wenn die Kapitalgesellschaft eigene Anteile hält ([X.]-Urteil vom 2. November 1988 [X.], [X.]E 155, 121, [X.] 1989, 80). Liegen solche besonderen Umstände vor, sind nach der vorgenannten Rechtsprechung des [X.] die festgestellten und weniger als ein Jahr zurückliegenden Verkaufspreise nicht unbesehen als gemeiner Wert zu übernehmen, sondern Ausgangspunkt des zu schätzenden gemeinen Wertes. Grundlage der Schätzung sind in diesen Fällen die festgestellten [X.], die durch schätzweise zu ermittelnde Zu- und Abschläge unter Berücksichtigung der besonderen Umstände zu bestimmen sind.

cc) [X.] nicht börsennotierter Aktien lässt sich allerdings auch dann nicht i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 [X.] aus Verkäufen ableiten, wenn nach den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgten Veräußerungen aber noch vor dem Bewertungsstichtag weitere objektive Umstände hinzutreten, die dafür sprechen, dass diese Verkäufe nicht mehr den gemeinen Wert der Aktien zum Bewertungsstichtag repräsentieren, und es an objektiven Maßstäben für Zu- und Abschläge fehlt, um von den festgestellten Verkaufspreisen der Aktien auf deren gemeinen Wert schließen zu können. In diesem Fall lässt sich aus den zuvor erfolgten Verkäufen innerhalb des [X.] ebenso wenig der gemeine Wert der Aktien zum streitigen [X.]punkt ableiten, wie aus Verkäufen, die mehr als ein Jahr zurückliegen, um entsprechend dem Grundsatz des § 11 Abs. 2 Satz 2  1. Alternative [X.] von den festgestellten Verkaufspreisen auf den gemeinen Wert als Ausdruck der Wertbestätigung am Markt schließen zu können.

In diesem Fall kommt § 11 Abs. 2 Satz 2  2. Alternative [X.] zur Anwendung. [X.] der Anteile ist dann unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen.

b) So liegt der Fall hier. Auch im Streitfall liegen besondere Umstände vor, die es nicht gestatten, den gemeinen Wert der Aktien zum Stichtag der Eintragung der Durchführung der [X.] aus zuvor erfolgten Verkäufen abzuleiten. Diese besonderen Umstände bestehen darin, dass der Arbeitgeber des [X.] und die mit der Steuerung und Platzierung der Emission als verantwortliche Konsortialführerin beauftragte Bank ([X.]) von einer Bewertung der Anteile ausgegangen waren, die deutlich, nämlich um mehr als 800 % von den zuvor erzielten Verkaufspreisen abwich. Die Bank legte sowohl bei der Präsentation des Börsengangs am 6. März 1999 als auch bei ihrer Bestellung als Konsortialführerin am 22. April 1999 nicht mehr einen Unternehmenswert in Höhe von 22 bis 30 Mio. DM, sondern einen solchen zwischen 130 und 180 Mio. DM zugrunde und präsentierte diese Werte auch [X.], insbesondere künftigen Anlegern am Kapitalmarkt.

Darüber hinaus vereinbarten der Kläger und sein Arbeitgeber auch vor dem für die Zuwendung des Vorteils entscheidenden Stichtag eine relativ geringe laufende Lohnzahlung, aber eine hohe Wertzuwendung in Form von Aktien im Rahmen der [X.] und machten dies zur Geschäftsgrundlage ihres Arbeitsverhältnisses. Denn der Kläger und sein Arbeitgeber gingen nach den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] übereinstimmend davon aus, dass der Kläger als zeichnungsberechtigter Arbeitnehmer einen Teil seiner Vergütung durch das mit der [X.] verbundene [X.] erhalten sollte.

Angesichts dessen lässt sich im Streitfall der gemeine Wert der vom Kläger im Rahmen der [X.] am 21. Mai 1999 erlangten streitgegenständlichen Aktien nicht aus den in der [X.] zwischen dem 13. Oktober 1998 und dem 1. März 1999 erfolgten Veräußerungen ableiten. Es ist auch kein objektiver Maßstab erkennbar, der mittels Zu- und Abschlägen von den festgestellten Verkaufspreisen auf den gemeinen Wert der Aktien kurz vor dem Gang an den Kapitalmarkt schließen ließe. [X.] der Aktien ist daher nach § 11 Abs. 2 Satz 2  2. Alternative [X.] unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen.

3. Das [X.] hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Schätzung des [X.] zutreffend war. Die nicht spruchreife Sache geht daher an das [X.] zurück. Im zweiten Rechtsgang wird das [X.] den Wert der vom Kläger erworbenen Aktien der [X.] unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze festzustellen haben.

Meta

VI R 30/07

29.07.2010

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 30. Mai 2007, Az: 2 K 841/06, Urteil

§ 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 1997, § 19a Abs 8 S 1 EStG 1997, § 11 Abs 2 S 2 Alt 2 BewG 1991, § 19a Abs 3 Nr 1 EStG 1997, § 9 Abs 2 S 1 BewG 1991, § 11 Abs 2 S 2 Alt 1 BewG 1991, § 189 AktG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.07.2010, Az. VI R 30/07 (REWIS RS 2010, 4359)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4359

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