Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.08.2012, Az. 29 W (pat) 30/11

29. Senat | REWIS RS 2012, 4027

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Budenzauber" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 023 780.8

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 8. August 2012 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und die Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Der Beschluss des [X.] vom 13. Dezember 2010 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

Budenzauber

3

ist am 29. Mai 2009 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register angemeldet worden. Nach einer Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren wird die Eintragung noch für nachfolgende Waren und Dienstleistungen begehrt:

4

Klasse 24:

5

Baumwollstoffe; Bettwäsche; Bezüge für Kissen; Brokate; Gardinen aus Textilien oder aus Kunststoff; Gardinenhalter aus Textilstoffen; Gewebe für textile Zwecke; Haushaltswäsche; Heimtextilien; Karaffenuntersetzer (Tischwäsche); Möbelbezuge aus Textilien; Möbelstoffe; Reisedecken; Rollos (aufrollbare Vorhänge) aus Textilien oder aus Kunststoff; Stoffe; Stores aus Textilien oder aus Kunststoff; Textilstoffe; Textiltapeten; Vorhänge aus Textilien oder aus Kunststoff; Wandbekleidungen aus textilem Material; Webstoffe;

6

Klasse 35:

7

Dienstleistungen des Einzelhandels und des [X.]handels, auch über das [X.] und auch über den Versandhandel mit Waren der Klassen 11 und 24 sowie mit den Waren "Möbeln"; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Durchführung von Auktionen und Versteigerungen; Geschäftsführung für Dritte; Hilfe bei der Führung von gewerblichen oder Handelsbetrieben; Werbung; Unternehmensberatung; Veranstaltung von Messen zu gewerblichen oder zu Werbezwecken;

8

Klasse 37:

9

Bauwesen, Installationsarbeiten; Malerarbeiten; Möbelpflegearbeiten; Polstern von Möbeln; Reparatur von Polsterungen; Restaurierung von Möbeln; Restaurierung von Kunstwerken; Tapezierarbeiten; Verlegung, Reinigung und Versiegelung von Bodenbelägen; Innenreinigung von Gebäuden.

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2010 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

Der Begriff "Budenzauber" enthalte einen beschreibenden Hinweis dahingehend, dass es sich um Waren und Dienstleistungen handele, die [X.] oder eine Wohnung auf zauberhafte Weise verschönerten. Auf diese Weise werde der Begriff nachweislich auch bereits verwendet.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

den Beschluss des [X.]es vom 13. Dezember 2010 aufzuheben.

Das Zeichen habe keinen beschreibenden Inhalt für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, sondern bezeichne ein fröhliches Fest im [X.] oder ein Jahrmarkttreiben. Für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen komme ihm daher Unterscheidungskraft zu. Zudem seien mehrere vergleichbare Wortzeichen eingetragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Anmelderin hat gemäß §§ 41, 37 Abs. 1, 33 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 8 [X.] einen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten [X.]. Der Eintragung steht kein absolutes Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs. 2 [X.] in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen entgegen, insbesondere ist das Zeichen unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 – [X.]; [X.], 825, 826 Rn. 133 – [X.]; 935 Rn. 8 – [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 18 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. O. [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411, 412 Rn. 24 Matratzen [X.]/[X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428, 431, Rn. 53 – [X.]). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise ihnen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] a. a. O. – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.], 1101,1102 Rn. 23 – TOOOR!).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe kann dem angemeldeten Zeichen das notwendige Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

1.

Das Wortzeichen "Budenzauber" besteht aus den [X.] Substantiven "Buden" und "Zauber".

a)

"Bude" wird in mehreren Bedeutungen gebraucht ([X.] Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl. 2001):

- [X.], Kiosk;

- Baubude;

- (umgangssprachlich) Haus, das in einem verkommenen, baufälligem Zustand ist;

- (umgangssprachlich) Wohnung, Heim, Stube, möbliertes Zimmer;

- (umgangssprachlich abwertend): Laden, Lokal, Büro.

b)

 "Zauber" kann bezeichnen

- die Handlung des Zauberers,

- die magische Wirkung eines Gegenstands,

- die anziehende Ausstrahlung, Wirkung, Faszination, den Reiz einer Landschaft, Umgebung oder Person;

- oder umgangssprachlich als Abwertung für einen Sachverhalt, den man als übertrieben oder lästig empfindet, benutzt werden ("was kostet der ganze Zauber?").

c)

Das so zusammengesetzte Wort "Budenzauber" bezeichnet umgangssprachlich ein ausgelassenes Fest, das jemand in [X.] oder seiner Wohnung feiert, und daneben den durch Beleuchtung und Dekoration hervorgerufenen traumhaft-unwirklichen Effekt, den die Buden auf einem Weihnachtsmarkt oder Jahrmarkt erzeugen ([X.] Online). Gelegentlich wird das Wort auch im Bereich der Politik benutzt, um eine Maßnahme als kurzfristiges Ablenkungsmanöver ohne inhaltliche Substanz abzuwerten. Außerdem findet sich der Begriff zur Bezeichnung von Sportveranstaltungen in Hallen. In jeder Form der Verwendung kommt ihm dabei etwas [X.], Vorübergehendes zu.

www.dw.de: Er erfreut Groß – und [X.]. Der Budenzauber. Aber wie fast jeder Zauber ist auch der Budenzauber meist nicht von langer Dauer. Zum Beispiel auf Weihnachtsmärkten verzaubern sie Erwachsene und Kinder: die kleinen Holzhäuschen, Buden genannt …";

www.mopo.de: [X.], Mittwoch fällt die Entscheidung über das Alstereisvergnügen… Für einen offiziell genehmigten Budenzauber müsste die Eisdecke mindestens 20 Zentimeter dick sein…";

www.tagesspiegel.de: [X.]: [X.] wütend: "Die Parteistrategen um [X.] haben sich zwar darauf festgelegt, bis zur Wahl in [X.] Budenzauber zu machen…";

25.08.2008: [X.] droht mit "[X.]" gegen die [X.]: "Die Schwesterparteien veranstalteten einen "antikommunistischen Budenzauber".";

www.sve -juniorteam.de: Sieg im Finale gegen Höltinghausen beim "Emsteker Budenzauber";

www.eintracht-lueneburg.de: "Willkommen zum 19. Budenzauber der SV Eintracht!".

2.

Das Zeichen ist für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht unmittelbar beschreibend und enthält auch keinen engen Sachbezug zu ihnen.

a)

Die beanspruchten Textilien der Klasse 24 sind nicht erforderlich, um einen Budenzauber, also ein ausgelassenes Fest in einer Wohnung, zu veranstalten. Auch werden sie nicht typischerweise auf Jahrmärkten oder Weihnachtsmärkten verkauft und dienen nicht dazu, die Glanzwirkung eines weihnachtlichen Budenzaubers hervorzurufen.

b)

Die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 stehen ebenfalls nicht mit ausgelassenen Festen, Jahrmärkten oder Hallenveranstaltungen im Zusammenhang. Nachdem die Beschwerdeführerin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis auf die Dienstleistungen des Einzelhandels und [X.]handels für die Klassen 11 und 24 sowie Möbel beschränkt hat, sind hier keine Waren mehr enthalten, die Weihnachts- und Jahrmärkten ihre typische Prägung verleihen oder zur Veranstaltung von ausgelassenen Festen in der eigenen Wohnung erforderlich sind. Auch Auktionen und Versteigerungen werden bei solchen Veranstaltungen üblicherweise nicht durchgeführt. Eine branchenübliche Verwendung des Begriffs im Zusammenhang mit Beratungs- oder Hilfsleistungen für Handelsbetriebe, die etwa auf Jahrmärkten tätig sind, lässt sich nicht nachweisen. Gleiches gilt für die Dienstleistung Werbung. Die Dienstleistung "Veranstaltung von Messen" bezieht sich auf Messen im Sinne von § 64 [X.] und erfasst Jahrmärkte im Sinne von § 68 [X.] nicht.

c)

Auch die in Klasse 37 beanspruchten Dienstleistungen stehen nicht in einem engen Zusammenhang mit dem Begriff "Budenzauber" Zwar sind zur Veranstaltung von Weihnachts- und Jahrmärkten Bau-, Installations-, Maler- und Verlegearbeiten erforderlich. Nach der Veranstaltung eines Budenzaubers können Restaurierungs-, Reinigungs- und Renovierungsarbeiten anfallen. Dies genügt jedoch nicht, um einen hinreichend engen Sachzusammenhang des Zeichens mit diesen Dienstleistungen herzustellen, da der in ihm zum Ausdruck kommende zauberhafte Effekt nicht unmittelbar aus diesen Tätigkeiten resultiert.

In der Auslegung des [X.], nämlich als Hinweis auf Waren, die dazu dienen können, einer Wohnung ein zauberhaftes Aussehen zu verleihen, wird das Wort "Budenzauber" üblicherweise nicht verwendet. Auch findet sich kein Nachweis des Wortes zur Bezeichnung der besonders attraktiven Ausstattung von Wohnräumen. Bei den diesbezüglich im Amtsverfahren zitierten Nachweisen handelt es sich um markenmäßige Verwendungen des Wortes, die nicht als Beleg für eine warenbezogene Verwendung geeignet sind. Um zu einem solchen von dem üblichen Gebrauch abweichenden Verständnis des Wortes zu kommen, bedürfte es weiterer Gedankenschritte, die die angesprochenen Verbraucher bei der flüchtigen Wahrnehmung einer Marke in ihrer Gesamtheit nicht anzustellen pflegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Wort "Zauber" in der Zusammensetzung mit Wörtern aus dem Einrichtungsbereich lexikalisch nicht üblich ist, wie sich aus eine Recherche des Senats ergeben hat. Auch der Begriff "Bude" wird nicht vorrangig in der Bedeutung "Wohnung", sondern in der Bedeutung als einfacher gewerblicher Verkaufsstand verwendet ([X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] etc.). Daher ist davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise, hier die allgemeinen Verbraucher und der Fachhandel, auch dann, wenn ihnen die lexikalische Bedeutung des Begriffs "Budenzauber" nicht geläufig ist, keinen Sachbezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herstellen, sondern den Begriff als betrieblichen Herkunftshinweis erkennen.

Das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] greift ebenfalls nicht ein, da das angemeldete Zeichen zur Merkmalsbeschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht geeignet ist.

Meta

29 W (pat) 30/11

08.08.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.08.2012, Az. 29 W (pat) 30/11 (REWIS RS 2012, 4027)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4027

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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