Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2004, Az. II ZR 14/03

II. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 480

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 29. November 2004 [X.] Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

GmbHG § 46 Nr. 8, § 70

Ein Gesellschafter einer zweigliedrigen, wegen Vermögenslosigkeit im Handels-register gelöschten [X.] kann den Mitgesellschafter, der die Gesellschaft geschädigt haben soll, auch nach Bestellung eines [X.] mit einer [X.] auf Auskunft und Schadensersatzleistung an die [X.] in Anspruch nehmen.

[X.], Urteil vom 29. November 2004 - [X.] - OLG Köln

LG Aachen

- 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2004 durch [X.] h.c. Röhricht und [X.], [X.], [X.] und Caliebe für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 19. Dezember 2002 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als der Hilfsantrag des [X.] zum Hauptantrag Ziff. 1 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Prozeßparteien sind Brüder und Gesellschafter einer

Ingenieurs-GmbH. Alleingesellschafter war zunächst der Beklagte, der im Jahr 1990 die Hälfte seiner Geschäftsanteile auf den Kläger übertrug. Beide waren dann Geschäftsführer bis zum Ausscheiden des Beklagten aus diesem Amt im September 1993. Im Mai 1999 beschlossen sie die Auflösung der Gesellschaft; - 3 - Liquidator wurde der Beklagte; er ließ durch einen Wirtschaftsprüfer den [X.] und eine Liquidationseröffnungsbilanz per 28. bzw. 29. Mai 1999 erstellen. Im August 2000 beantragte er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.] Durch Beschluß vom 25. Mai 2001 lehnte das Amtsgericht den Antrag aufgrund des Berichts des [X.] mangels Masse ab. Am 1. Oktober 2001 wurde die [X.] wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 141 a FGG im Handelsregister gelöscht.
Mit seiner kurz danach erhobenen Klage hat der Kläger von dem [X.] Auskunft sowie die Vorlegung von Unterlagen über den Verbleib und die Verwertung bestimmter von der GmbH entwickelter Computerprogramme ([X.]), weiter die Aufstellung und Vorlage von Jahresabschlüssen mit Lage-berichten zu den Geschäftsjahren 1999 und 2000 begehrt (Antrag zu 2). Nach erstinstanzlicher Klageabweisung hat er in zweiter Instanz den zusätzlichen Hilfsantrag (zu Antrag Ziff. 1) gestellt, den Beklagten zur Erteilung der begehr-ten Auskunft an einen inzwischen bestellten Nachtragsliquidator zu verurteilen, dessen Bestellung der Kläger bereits während des Rechtsstreits in erster In-stanz beantragt hatte. Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.] - unter Abweisung des [X.] als unzulässig - zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] hat der [X.]at die Revision nur hin-sichtlich der Abweisung des (zweitinstanzlichen) [X.] zugelassen, den der Kläger mit seinem Rechtsmittel weiterverfolgt. Entscheidungsgründe:

Die Revision führt im Umfang ihrer Zulassung zur Aufhebung und Zu-rückverweisung. - 4 - [X.] Das Berufungsgericht hält die zweitinstanzliche Klageerweiterung um den Hilfsantrag zwar für sachdienlich (§ 533 ZPO), diesen aber für unzulässig, weil dem Kläger die Klagebefugnis zur Geltendmachung des allenfalls der [X.] zustehenden Auskunftsanspruchs fehle. Eine [X.] sei gegenüber einer möglichen Klage der Gesellschaft subsidiär und komme hier nach Bestellung des [X.] nicht (mehr) in Betracht, zumal das Auskunftsbegehren dem Zweck einer weitergehenden Verfolgung von Scha-densersatzansprüchen der Gesellschaft dienen solle und dafür der [X.] zuständig sei. Ihn könne der Kläger auch durch [X.] nach § 46 Nr. 8 GmbHG, bei dem der Beklagte gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG kein Stimmrecht habe, zu der Rechtsverfolgung veranlassen. Die zweitinstanzliche Behauptung des [X.], die GmbH verfüge laut Auskunft des [X.] über keine finanziellen Mittel für die Prozeßführung, sei gemäß § 531 Abs. 2 ZPO "präkludiert" und überdies im Hinblick auf §§ 114 ff. ZPO unerheblich.
I[X.] Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. a) Nach der Rechtsprechung des [X.]ats kann ein Gesellschafter einer GmbH unter noch zu erörternden Voraussetzungen berechtigt sein, einen Mit-gesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen (vgl. [X.] 65, 15, 19 ff.), was namentlich dann in Betracht kommt, wenn dieser sei-ne zwischen den Gesellschaftern bestehende Treuepflicht verletzt und durch eine damit verbundene Schädigung des Vermögens der Gesellschaft mittelbar auch dasjenige des klagenden Gesellschafters geschädigt hat (vgl. [X.] 65, 15 "[X.]"; [X.].Urt. v. 28. Juni 1982 - [X.], [X.], 1203; v. 14. Mai 1990 - [X.], [X.], 1240). Auch in der Verletzung der [X.] - ten eines Gesellschaftergeschäftsführers oder eines Gesellschafters als [X.] kann zugleich eine Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht liegen (vgl. [X.].Urt. v. 14. September 1998 - [X.], [X.], 240; v. 28. Juni 1982 - [X.], [X.], 1073). Entsprechendes macht der Kläger im vor-liegenden Fall sinngemäß mit der Behauptung geltend, der Beklagte habe sich unter Verstoß gegen seine Pflichten als Liquidator und Gesellschafter die von dem Auskunftsbegehren betroffenen Computerprogramme der [X.] an-geeignet und diese verwertet.
b) Gegenüber einer [X.] besteht allerdings ein grundsätz-licher Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft (vgl. [X.].Urt. v. 28. Juni 1982 aaO; v. 4. Februar 1991 - [X.], [X.], 582; mißverständlich [X.].Urt. v. 14. Mai 1990 aaO), der aber jedenfalls dann entfällt, wenn eine Klage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse in der [X.] ist, daß es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer [X.] wäre, müßte er die Gesellschaft erst zu einer Haftungsklage zwingen (dazu [X.] 65, 15, 21; [X.].Urt. v. 28. Juni 1982 aaO). Weiter hat der [X.]at im Urteil vom 4. Februar 1991 (aaO) eine [X.] im Fall einer im Handels-register gelöschten zweigliedrigen GmbH mit Rücksicht darauf zugelassen, daß ihr ein Vertretungsorgan fehlte und das Erfordernis eines Gesellschafterbe-schlusses gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG hier wegen des Stimmrechtsausschlusses des in Anspruch zu nehmenden Gesellschafters (§ 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG) eine überflüssige Formalität bedeuten würde.
c) Im vorliegenden Fall verfügt die [X.] zwar nach Bestellung des [X.] wieder über ein Vertretungsorgan. Sie verfügt aber nicht über die Mittel für die Prozeßführung, was - zumindest prima facie - schon [X.] 6 - grund ihrer Löschung im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit anzuneh-men ist, ohne daß es insoweit auf den vom Berufungsgericht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als "präkludiert" angesehenen Vortrag des [X.] ankommt. [X.] könnte die [X.] - entgegen der Ansicht des Berufungsge-richts - gemäß § 116 Nr. 2 ZPO nicht beanspruchen, weil die Kosten von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten Prozeßparteien auf-gebracht werden könnten und der Rechtsstreit allgemeine Interessen nicht be-rührt. Ein Anspruch der [X.] gegen den Kläger auf [X.] folgt aber weder aus § 116 Nr. 2 ZPO noch aus dem GmbH-Recht. Auf die Möglichkeit, ihr die Prozeßkosten gleichwohl vorzustrecken, um ihr damit die Prozeßführung zu Lasten der eigenen bereits begonnenen zu ermöglichen, muß sich der Kläger nicht verweisen lassen. Maßgebend ist vielmehr, daß die [X.] von sich aus zur Klageerhebung nicht in der Lage und der Beklagte deshalb - im vorliegenden Fall einer zweigliedrigen Gesellschaft auch ohne förmlichen Gesellschafterbeschluß gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG (vgl. [X.].Urt. v. 4. Februar 1991 aaO) - zu der [X.] befugt ist.
Die Interessen der Gesellschaft und ihrer Gläubiger werden durch die [X.] nicht berührt, weil mit ihr grundsätzlich nur eine Leistung an die Gesellschaft begehrt werden kann. Letzteres gilt auch für den hier geltend gemachten Anspruch auf Auskunft zur Bestimmung und als Annex eines etwai-gen Schadensersatzanspruchs. Ebenso wie der ggf. in das Gesellschaftsver-mögen zu leistende Schadensersatz steht auch das Ergebnis der begehrten Auskunft primär der Gesellschaft zu. Von ihr kann der Kläger gemäß § 51 a GmbHG ggf. die Weitergabe der für eine [X.] auf [X.] erforderlichen Informationen verlangen. - 7 - 2. Sonach scheitert die Zulässigkeit des [X.] des [X.] - ent-gegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht daran, daß inzwischen ein Nachtragsliquidator für die [X.] bestellt worden ist, zu dessen Händen die von dem Kläger begehrte Auskunft ggf. zu erteilen ist (vgl. [X.].Urt. v. 4. Februar 1991 aaO). Das angefochtene Urteil kann daher mit der ihm von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bestehenbleiben.
I[X.] Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist der Hilfsantrag des [X.] auch nicht deshalb unzulässig, weil er dazu in seiner Berufungsbe-gründung nichts ausgeführt, sondern erst in einem späteren Schriftsatz vorge-tragen hat, der Nachtragsliquidator sei auf die im Rechtsstreit begehrten [X.] angewiesen. Wie die Revisionserwiderung selbst sieht, gilt § 520 ZPO für eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nicht, weil es sich insoweit nicht um eine Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils handelt (vgl. Musielak/ Ball, ZPO 3. Aufl. § 520 Rdn. 27 m.w.Nachw.). Die Begründung für den Hilfsan-trag als solchen ergibt sich ohnehin aus den Ausführungen des [X.] zu sei-nem Hauptantrag auf Auskunftserteilung in Zusammenhang mit den Grundsät-zen der [X.] von selbst.
II[X.] Eine abschließende Sachentscheidung ist dem [X.]at verwehrt. Sie käme in dem hier gegebenen Fall fehlerhafter vorinstanzlicher Abweisung einer Klage als unzulässig nur dann in Betracht, wenn die getroffenen Feststellungen ein abschließendes Urteil erlaubten und bei Zurückverweisung ein anderes Er-gebnis nicht möglich erschiene (vgl. [X.] 123, 137, 141 f.; [X.], Urt. v. 29. September 1993 - [X.], NJW-RR 1994, 175 f. jew. m.w.Nachw.). Das ist hier nicht der Fall, weil das Berufungsgericht zum Grund des [X.] und zu dem von dem Beklagten erhobenen Einwand sachfremder - 8 - Rechtsverfolgung, worauf die Revisionserwiderung hinweist, keine Feststellun-gen getroffen hat.
Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegen-heit, die noch erforderlichen Feststellungen - ggf. nach ergänzendem Vortrag der Parteien - zu treffen. Röhricht Goette [X.]

Strohn

Caliebe

Meta

II ZR 14/03

29.11.2004

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2004, Az. II ZR 14/03 (REWIS RS 2004, 480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 480

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