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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
GmbH: Zulässigkeit einer Gesellschafterklage für Ansprüche gegen den Fremdgeschäftsführer
Ein Gesellschafter einer GmbH kann Ansprüche der Gesellschaft aus § 43 Abs. 2 GmbHG gegen ihren Fremdgeschäftsführer grundsätzlich nicht im eigenen Namen geltend machen.
Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Urteil [X.]Zivilsenats des [X.]vom24. Januar 2020, berichtigt durch Beschluss vom 10. März 2020, im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als dieser zur Zahlung von 963.780,40 € nebst Zinsen an die [X.]verurteilt wurde. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des [X.]gegen das Urteil der [X.]für Handelssachen des [X.]vom 18. November 2014 zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten und zweiten Rechtszugs tragen der Kläger zu 9/10 und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 1/10. Die Kosten des [X.]trägt der Kläger.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist mit einem Geschäftsanteil von 160.000 € an [X.](im Folgenden auch: Gesellschaft) beteiligt, deren Stammkapital 800.000 € beträgt. Der Beklagte zu 1 war Geschäftsführer der Gesellschaft. Die frühere Beklagte zu 2 ist Mitgesellschafterin der [X.]und hält die restlichen Geschäftsanteile in Höhe von 640.000 €.
Die [X.]exportierte von der [X.]zu 2 geliefertes Schweinefleisch nach Südkorea. Die Kaufpreise sollten durch Teilabtretungen von [X.]eines [X.]beglichen werden, die sich in Höhe von 963.780,40 € als nicht werthaltig erwiesen. Für die Forderungsausfälle macht der Kläger den [X.]zu 1 verantwortlich. Er macht mit der Klage in dieser Höhe einen Schadensersatzanspruch der [X.]aus Geschäftsführerhaftung geltend.
Das [X.]hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Urteil auf die Berufung des [X.]hin abgeändert und den [X.]zu 1 unter anderem zur Zahlung von 963.780,40 € nebst Zinsen an die [X.]verurteilt. Mit der vom erkennenden Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte zu 1 seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Die Revision des [X.]zu 1 hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung des Klägers.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:
Der Kläger könne im Wege der actio pro socio Schadensersatzansprüche der [X.]gegen den [X.]zu 1 geltend machen. Eines [X.]nach § 46 Nr. 8 GmbHG habe es hierzu nicht bedurft. Ein solcher Beschluss sei zum einen entbehrlich gewesen, weil die [X.]liquidiert worden sei und seit 2012 keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltet habe. Eine Beschlussfassung wäre außerdem eine sinnlose [X.]gewesen, weil der Beklagte zu 1 als damaliger Geschäftsführer oder Prokurist anderer Gesellschaften aus dem Konzern der [X.]zu 2 in deren Lager stehe und mit einer Beschlussfassung im Sinne des Klägers angesichts der Mehrheitsverhältnisse nicht zu rechnen gewesen wäre. Der Beklagte zu 1 sei der [X.]auch zum Schadensersatz verpflichtet. Er habe seine Geschäftsführerpflichten bei Durchführung der Exportgeschäfte verletzt, indem er als Gegenleistung für die Fleischlieferungen die Abtretung nicht werthaltiger Forderungen akzeptiert habe.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die Zulässigkeit der zugunsten der [X.]erhobenen Klage bejaht.
1. Für die im eigenen Namen erhobene Klage fehlt dem Kläger die Prozessführungsbefugnis. Die Prozessführungsbefugnis ist eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens und auch in der Revisionsinstanz vorliegen muss (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017 - II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 9 f.).
2. Ein Gesellschafter einer GmbH kann Ansprüche der [X.]aus § 43 Abs. 2 GmbHG gegen ihren Fremdgeschäftsführer grundsätzlich nicht im eigenen Namen geltend machen.
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger seine Klagebefugnis nicht auf eine actio pro socio stützen, weil der Beklagte zu 1 nicht Gesellschafter der G. GmbH i.L. ist.
aa) Die vom Berufungsgericht herangezogene Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 224/02, ZIP 2004, 1708) betrifft die von der Zulässigkeit der actio pro socio zu unterscheidende organisationsrechtliche Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Geltendmachungsbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG entbehrlich ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. Juni 1982 - II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203, 1204; Urteil vom 4. Februar 1991 - II ZR 246/89, ZIP 1991, 583; Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 14/03, ZIP 2005, 320, 321).
bb) Als actio pro socio wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die [X.]bezeichnet. Die Befugnis wurzelt im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters (BGH, Beschluss vom 26. April 2010 - II ZR 69/09, ZIP 2010, 1232 Rn. 3; Urteil vom 19. Dezember 2017 - II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 11; Urteil vom 22. Januar 2019 - II ZR 143/17, ZIP 2019, 1008 Rn. 10 mwN). Aufgrund dieser besonderen gesellschaftsrechtlichen Beziehung kann ein Gesellschafter einen Mitgesellschafter im Interesse der [X.]in Anspruch nehmen. Das Gesellschaftsverhältnis vermittelt ihm diese Befugnis aber grundsätzlich nicht gegen Personen, zu denen nur die [X.]in einer Sonderrechtsbeziehung steht (BGH, Urteil vom 22. März 2004 - II ZR 50/02, ZIP 2004, 804, 805).
Auch der Gesellschafter einer GmbH ist bei [X.]Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der [X.]unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, einen Mitgesellschafter aus der gesellschafterlichen Treuepflicht auf Leistung an die [X.]in Anspruch zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 23/74, [X.]65, 15, 21; Urteil vom 28. Juni 1982 - II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203; Urteil vom 14. Mai 1990 - II ZR 185/89, WM 1990, 1240; Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 14/03, ZIP 2005, 320, 321). Auch kann in der Verletzung der Organpflichten eines Gesellschafter-Geschäftsführers zugleich eine Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht liegen (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 1998 - II ZR 175/97, ZIP 1999, 240; Urteil vom29. November 2004 - II ZR 14/03, ZIP 2005, 320, 321).
cc) Die dem Gesellschafter hiernach zukommende Klagebefugnis erstreckt sich jedoch grundsätzlich nicht auf Ansprüche gegen den Geschäftsführer, der nicht auch Gesellschafter der GmbH ist. Ein Gesellschafter ist im Allgemeinen nicht befugt, den Schaden, den ein Dritter, der nicht in einer gesellschaftsrechtlichen Sonderbeziehung zu ihm steht, der GmbH zugefügt hat, als eigenen geltend zu machen (actio pro societate; BGH, Urteil vom 28. Juni 1982 - II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203; Urteil vom 19. Dezember 2017 - II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 14 ff.). Dies gilt auch für den Schaden, den der dem Gesellschafter nicht durch eine solche Sonderbeziehung verbundene Fremdgeschäftsführer verursacht hat (BGH, Urteil vom 28. Juni 1982 - II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203; im Ergebnis - mit teils unterschiedlicher Akzentuierung - ebenso OLG München, GmbHR 2013, 714; Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 43 Rn. 98; MünchHdbGesR/Böhm, 5. Aufl., § 31 Rn. 34; [X.]in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 14 Rn. 101; [X.]in Noack/Servatius/ Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 13 Rn. 38; Kumkar, [X.]2020, 1012, 1016 f.; Lutz, [X.]2015, 424, 427; MünchKommGmbHG/Merkt, 4. Aufl., § 13 Rn. 335; [X.]in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., § 13 Rn. 129; [X.]in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl., § 13 Rn. 77; Weller/Discher in Bork/Schäfer, GmbHG, 4. Aufl., § 13 Rn. 23; Wicke, GmbHG, 4. Aufl., § 13 Rn. 23; Zöllner, [X.]1988, 392, 408 f.).
b) Ein Ausnahmefall, in dem nach der Rechtsprechung des [X.]im Personengesellschaftsrecht die [X.]gegen einen dritten [X.]zulässig ist, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gegeben. Es kann daher auf sich beruhen, ob diese Rechtsprechung auch auf die GmbH anzuwenden und auf den Fremdgeschäftsführer zu erstrecken ist.
aa) Der einzelne Gesellschafter einer [X.]bürgerlichen Rechts kann allerdings immer dann eine Gesellschaftsforderung einklagen, wenn er an der Geltendmachung ein berechtigtes Interesse hat, die anderen Gesellschafter die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und zudem der verklagte [X.]an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist. Den klagenden Gesellschafter in einem solchen Fall auf den umständlichen Weg zu verweisen, zunächst die anderen Gesellschafter auf Mitwirkung an der Geltendmachung der Forderung zu verklagen, wäre bei Beteiligung des [X.]am gesellschaftswidrigen Verhalten ein unnötiger Umweg (BGH, Urteil vom 10. Januar 1963 - II ZR 95/61, [X.]39, 14, 16 f.; Urteil vom 30. Oktober 1987 - V ZR 174/86, [X.]102, 152, 154 f.; Urteil vom 19. Juni 2008 - III ZR 46/06, ZIP 2008, 1582 Rn. 37; Urteil vom 7. Juli 2021 - VIII ZR 52/20, ZIP 2021, 1913 Rn. 38).
bb) Eine Beteiligung des [X.]zu 1 an dem behaupteten gesellschaftswidrigen Verhalten der Mehrheitsgesellschafterin, der [X.]zu 2, ihn nicht wegen der unzureichenden Besicherung der Schweinefleischlieferungen haftbar zu machen, hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Ebensowenig hat es beurkundet, dass der Kläger dahingehenden Vortrag gehalten hat (§ 314 ZPO). Die pauschale Feststellung allein, dass der Beklagte zu 1 im Lager der Zweitbeklagten gestanden habe, erfüllt den Beteiligungstatbestand nicht.
c) Eine Öffnung der [X.]für Ansprüche der [X.]gegen den Fremdgeschäftsführer im Allgemeinen ist auch nicht angezeigt.
aa) Die Zulässigkeit einer [X.]gegen den Fremdgeschäftsführer lässt sich nicht mit einer treuhänderischen Sonderrechtsbeziehung (Raiser in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 14 Rn. 69; ders., [X.]1989, 1, 12 f.) oder organstreitähnlichen Binnenbeziehung (v. Gerkan, [X.]1988, 441, 448 f.) zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer begründen. Der Fremdgeschäftsführer ist als Gesellschaftsorgan allein der [X.]gegenüber treupflichtig (BGH, Urteil vom 25. Februar 1982 - II ZR 174/80,[X.]83, 122, 134, für AG; Urteil vom 12. März 1990 - II ZR 179/89, [X.]100, 323, 334, für Verein; Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 43 Rn. 35; MünchKommGmbHG/Fleischer, 3. Aufl., § 43 Rn. 157; [X.]GmbHG/Pöschke, Stand: 1. August 2021, § 43 Rn. 397; Scholz/Verse, GmbHG, 12. Aufl., § 43 Rn. 178; Zöllner, [X.]1988, 392, 408). Die Zuständigkeit der Gesellschafter für Bestellung und Anstellung des Geschäftsführers nach § 46 Nr. 5 GmbHG führt zu keiner rechtlichen Bindung an den einzelnen Gesellschafter (aA Bochmann, GmbHR 2018, 289, 294 f.). Ansprüche der [X.]gegen ihren Geschäftsführer mögen auch als Sozialansprüche bezeichnet werden (Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 12. Aufl., § 46 Rn. 161; ders., JZ 2018, 365, für GmbH & Co. KG), ohne dass mit dieser begrifflichen Festlegung etwas über die Reichweite des mitgliedschaftlichen Klagerechts des Gesellschafters zugunsten der [X.]ausgesagt wird. Die [X.]dient auch nicht dazu, Gleichbehandlung zwischen verklagbaren Gesellschafter-Geschäftsführern mit Fremdgeschäftsführern herzustellen (aA Grunewald, Die [X.]in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 90; Grunewald, Enforcement im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2015, S. 209, 221; Lönner, Die actio pro socio im Recht der Kapital- und Personengesellschaften, 2011, S. 213).
bb) Aus § 148 AktG lässt sich für die [X.]gegen den Fremdgeschäftsführer nichts gewinnen (aA Scholz/Verse, GmbHG, 12. Aufl., § 43 Rn. 363; ders., in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 14 GmbHG Rn. 124; ders., Festschrift Schneider, 2011, S. 1325, 1334; Werner, GmbHR 2017, 849, 853; Krieger, [X.]Jahrestagung 1998, S. 111, 122 f., für § 147 AktG aF). Die Vorschrift ist auf die Aktiengesellschaft zugeschnitten und schließt außerhalb ihres Anwendungsbereichs eine actio pro socio im Aktienrecht aus (statt vieler Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 148 Rn. 2; Grigoleit/Rachlitz, AktG, 2. Aufl., § 148 Rn. 4; jeweils mwN). Sie kann schon deshalb kein Argument dafür liefern, die [X.]im GmbH-Recht unter Verzicht auf ihre Anwendungsvoraussetzungen gegen die Geschäftsleitung zuzulassen. Die Gesellschafter einer GmbH sind zudem nicht in vergleichbarer Weise schutzbedürftig wie die Aktionäre, da jene über deutlich stärkere Mitwirkungs-, Kontroll- und Informationsrechte verfügen als die Aktionäre (BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18, [X.]220, 354 Rn. 28).
cc) Die Öffnung der [X.]für Ansprüche gegen den Fremdgeschäftsführer ist in rechtsformvergleichender Perspektive auch sonst nicht veranlasst. Das am 1. Januar 2024 in [X.]tretende Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz - MoPeG) vom 10. August 2021 ([X.]I S. 3436) lässt mit § 715b Abs. 1 Satz 2 BGB zwar zu, dass jeder Gesellschafter einen Anspruch der [X.]gegen einen Dritten geltend machen kann, wenn es der dazu berufene geschäftsführungsbefugte Gesellschafter pflichtwidrig unterlässt und der Dritte an dem pflichtwidrigen Unterlassen mitwirkte oder es kannte. Der Gesetzgeber will mit dieser Regelung aber lediglich an die vom [X.]bereits aufgestellten Rechtsgrundsätze anknüpfen ([X.]eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, BT-Drucks.19/27635, [X.]und oben b)). Für die [X.]bürgerlichen Rechts erhält der durch die Rechtsprechung bereits bestimmte Anwendungsbereich der [X.]dadurch eine gesetzliche Ausformulierung (vgl. Bachmann, NJW 2021, 3073, 3076; Fleischer, [X.]2021, 430, 436; K. Schmidt, [X.]2021, 16, 35). Das mag durchaus als Beitrag zur Institutionenbildung verstanden werden, der aber jedenfalls nicht für eine weitergehende Zulassung der [X.]gegen Fremdgeschäftsführer im GmbH-Recht spricht (vgl. Fleischer, [X.]23, 2020, 1, 20 und 26).
dd) Mehr Gewicht haben die für die Einbeziehung des Fremdgeschäftsführers in die [X.]angeführten Effektivitäts- und Praktikabilitätserwägungen (etwa Bäcker, GmbH-Steuerpraxis 2021, 74, 77; Banerja, Die [X.]im GmbH- und Aktienrecht, 2000, S. 190; [X.]in Lutter/Hommelhoff, 20. Aufl., § 13 Rn. 53; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 143; Wiedemann, [X.]I, § 8 IV 1, S. 462; Ziemons in Oppenländer/Trölitzsch, Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, 3. Aufl., § 22 Rn. 95). Mit der dem einzelnen Gesellschafter nach dieser Auffassung im Interesse effektiver Anspruchsdurchsetzung zuzubilligenden Klagekompetenz geht allerdings zwangsläufig die Entwertung der Kompetenzen der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG einher, die gute Gründe dafür haben mag, von der Verfolgung vermeintlicher, fragwürdiger und sogar zweifelsfreier Ansprüche gegen den Fremdgeschäftsführer abzusehen. § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG macht die Verfolgung derartiger Ansprüche von einem Beschluss der Gesellschafter abhängig, weil dem obersten Gesellschaftsorgan überlassen werden soll, ob ein Geschäftsführer wegen einer Pflichtverletzung belangt und die damit verbundene Offenlegung innerer Gesellschaftsverhältnisse trotz der für Ansehen und Kredit der [X.]möglicherweise abträglichen Wirkung in Kauf genommen werden soll (BGH, Urteil vom 20. November 1958 - II ZR 17/57, [X.]28, 355, 357; Urteil vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 224/02, ZIP 2004, 1709, 1710).
Daher ist es vorzugswürdig, den Streit, ob die Anspruchsverfolgung im wohlverstandenen Interesse der [X.]liegt oder ihm widerspricht, zwischen den Gesellschaftern auszutragen. [X.]sich die Gesellschafterversammlung, einen Anspruch gegen den Fremdgeschäftsführer zu verfolgen, kann jeder Gesellschafter die Rechtsverfolgung durch Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage erzwingen (vgl. Beurskens in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 43 Rn. 74; Kowalski, ZIP 1995, 1315, 1316 f.; Kumkar, [X.]2020, 1012, 1016 f.; Lutz, [X.]2015, 424, 427). Mit der Anfechtungsklage und der positiven Beschlussfeststellungsklage kann ein die Rechtsverfolgung billigender Beschluss der Gesellschafterversammlung erreicht (§ 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG) und ein besonderer Vertreter zur Durchsetzung des Anspruchs gegen den Fremdgeschäftsführer bestellt werden (§ 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG). Durch die Bestellung eines besonderen Vertreters kann sichergestellt werden, dass der Anspruch mit dem nötigen Nachdruck verfolgt wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2021 - II ZR 8/21 unter 2. a) bb), [X.]in BGHZ). Diese Möglichkeit ist jedem Gesellschafter insbesondere dann eröffnet, wenn die Stimmabgabe gegen die Inanspruchnahme des Fremdgeschäftsführers missbräuchlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1983 - II ZR 87/83, [X.]88, 320, 329 f.).
Soweit hingegen auch Vertreter der Auffassung, die die [X.]gegen den Fremdgeschäftsführer zulassen wollen, hierfür grundsätzlich an dem Erfordernis eines Geltendmachungsbeschlusses festhalten (etwa [X.]in Lutter/Hommelhoff, 20. Aufl., § 13 Rn. 55; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 12. Aufl., § 46 Rn. 161; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 144), büßt die [X.]ihren prozessökonomischen Vorteil gegenüber der Gesellschaftsklage ein, weil im Streitfall ebenfalls zwei Prozesse erforderlich werden. Wird die klageweise Erwirkung eines solchen Beschlusses, wie bei der [X.]gegen einen Gesellschafter denkbar (BGH, Urteil vom 28. Juni 1982 - II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203, 1204; Urteil vom 4. Februar 1991 - II ZR 246/89, ZIP 1991, 583; Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 14/03, ZIP 2005, 320, 321), im Einzelfall als unzumutbarer Umweg und deshalb als entbehrlich angesehen (vgl. [X.]in Lutter/Hommelhoff, 20. Aufl., § 13 Rn. 55; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 12. Aufl., § 46 Rn. 161), begegnet dies wiederum dem Bedenken, dass der Streit über die Anspruchsverfolgung bei der Klage gegen den Fremdgeschäftsführer dem Regelungskonzept des § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG zuwider nicht zwischen den Gesellschaftern ausgetragen werden würde.
Der [X.]kann zudem, wenn die Gesellschaftermehrheit es treuwidrig unterlässt, Ansprüche der [X.]geltend zu machen, Schadensersatz im Wege der actio pro socio gegen die Mehrheitsgesellschafter geltend machen (BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 23/74, [X.]65, 15; Urteil vom 14. Mai 1990 - II ZR 125/89, WM 1990, 1240, 1241).
Danach noch verbleibende Erschwernisse gegenüber der gegen das Organ gerichteten Direktklage rechtfertigen sich grundsätzlich daraus, dass jeder Gesellschafter die Mitgliedschaft und das sie vermittelnde Klagerecht bereits mit den sich aus der gesellschaftsrechtlichen Binnenverfassung ergebenden Beschränkungen seiner Mitgliedschaftsrechte erworben hat (Kowalski, ZIP 1995, 1315, 1316 f.).
ee) Ob Fallgestaltungen denkbar sind, in denen die Rechtsverfolgung über die Verbindung von Anfechtungs- und positiver Beschlussfeststellungsklage hinter den Erfordernissen effektiven Rechtsschutzes zurückbleibt und dem Gesellschafter deshalb die Klage gegen den Fremdgeschäftsführer eröffnet ist, ist hier nicht zu entscheiden. Ein solcher Fall liegt nicht vor.
III. Das Berufungsurteil ist danach im Umfang der Revisionszulassung aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.]kann in der Sache selbst entscheiden, da sie zur Endentscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).
Drescher |
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Wöstmann |
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Bernau |
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von Selle |
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C. Fischer |
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Meta
25.01.2022
Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: ZR
vorgehend BGH, 2. November 2021, Az: II ZR 50/20, Beschluss
§ 43 Abs 2 GmbHG, § 46 Nr 8 GmbHG
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.01.2022, Az. II ZR 50/20 (REWIS RS 2022, 1799)
Papierfundstellen: WM 2022, 622 MDR 2022, 581 REWIS RS 2022, 1799
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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