Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.03.2010, Az. VIII R 48/07

8. Senat | REWIS RS 2010, 8462

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Wohnungskosten bei doppelter Haushaltsführung eines Selbstständigen - Obergrenze des notwendigen Mehrbedarfs - Fiktive Mietkosten nur ausnahmsweise anzusetzen


Leitsatz

NV: Bei doppelter Haushaltsführung eines selbstständig Tätigen beschränken sich die abzugsfähigen Mietkosten für die Wohnung am Arbeitsort --zumindest für die betreffenden Jahre im Anwendungsbereich der bis 2002 geltenden Übergangsregelung-- auf den durchschnittlichen Mietzins für eine 60 qm-Wohnung.

Tatbestand

1

I. Im Streit ist, in welchem Umfang die Aufwendungen des [[[[[X.].].].].] und Revisionsklägers (Kläger) für eine Zweitwohnung im Rahmen einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung steuerlich zu berücksichtigen sind.

2

Der verheiratete Kläger erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Teilhaber einer Rechtsanwaltssozietät in [[[[X.].].].] (Beigeladene). Im Rahmen des [[[[X.].].].] für das Streitjahr (2001) erklärte die Beigeladene Sonderbetriebsausgaben des [[[[[X.].].].].] wegen Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung, von denen 36.452 DM auf die Miete einer 120 m² großen Wohnung in [[[[X.].].].] entfielen und weitere 4.800 DM auf deren Reinigung (Haushaltshilfe). Nach seinen Angaben unterhält der Kläger einen gemeinsamen Hausstand mit seiner Ehefrau in einer ca. 140 km von [[[[X.].].].] entfernten Gemeinde.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erkannte die Aufwendungen für Familienheimfahrten an, die Aufwendungen für die Wohnung in [[[[X.].].].] einschließlich der für die Haushaltshilfe aber nur zur Hälfte, weil diese nur in der anerkannten Höhe --dem Aufwand für eine 60 m²-Wohnung-- angemessen bzw. notwendig seien.

4

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

5

Das Finanzgericht ([X.]) hat entschieden, dass nach der für das Streitjahr (2001) maßgeblichen Gesetzeslage nur der notwendige Aufwand für eine doppelte Haushaltsführung als Betriebsausgabe zu berücksichtigen ist und damit nur der Aufwand für eine 60 m² große Zweitwohnung am Ort der Berufsausübung.

6

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Nach seiner Auffassung ist der Abzug von Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur insoweit nicht zulässig, als sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind. Die Legaldefinition der Betriebsausgabe in § 4 Abs. 4 EStG kenne keine Beschränkung auf "notwendige" Aufwendungen.

7

Der Kläger beantragt, das [X.]-Urteil vom 27. Juni 2007 1 K 621/05 aufzuheben und abweichend von dem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung vom 13. November 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2005 den Gewinn unter Berücksichtigung weiterer Sonderbetriebsausgaben des [[[[[X.].].].].] in Höhe 20.626 DM (= 10.545,91 €) festzustellen.

8

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG für die Anerkennung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung seien nach allgemeiner Auffassung bei den Gewinneinkünften entsprechend anwendbar. Für eine Unterscheidung bestehe kein sachlicher Grund.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --[[X.].]O--).

Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen materielles Recht. Wegen der gesetzlichen Begrenzung des [[[X.].].] auf die notwendigen Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung kann im Streitjahr kein höherer Aufwand für Miete und Reinigung der Wohnung in [[X.].] des [[X.].] berücksichtigt werden als bereits anerkannt.

1. Betriebsausgaben sind die durch den Betrieb veranlassten Aufwendungen (§ 4 Abs. 4 EStG). Zu den Betriebsausgaben gehören auch die Kosten einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung des Unternehmers oder Mitunternehmers. Eine doppelte Haushaltsführung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beruflich tätig ist und auch am Ort der beruflichen Tätigkeit wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG; vgl. Urteil des [[X.].] --[[X.].]-- vom 9. August 2007 [[X.].] R 10/06, [[X.].], 380, [[X.].], 820). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger im Streitjahr die Voraussetzungen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung erfüllt hat.

a) Abziehbar sind nur die notwendigen Aufwendungen, die wegen der doppelten Haushaltsführung entstehen. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG. Die Vorschrift betrifft ihrem Wortlaut und ihrer Stellung im Gesetz nach zwar nur Werbungskosten. Sie ist jedoch im Streitjahr jedenfalls gemäß § 52 Abs. 12 Satz 4 EStG unmittelbar auch auf den Abzug von Betriebsausgaben anwendbar.

b) Bis 1995 einschließlich enthielt das EStG eine ausdrückliche Regelung der doppelten Haushaltsführung nur in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5. Erst durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 ([[X.].] 1995, 1250, [[X.].], 438) fand eine ausdrückliche Regelung zur doppelten Haushaltsführung Eingang in § 4 EStG. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG sollte ein Abzugsverbot gelten für "Mehraufwendungen wegen einer aus betrieblichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung, soweit die doppelte Haushaltsführung über die Dauer von zwei Jahren beibehalten wird". Eine entsprechende zeitliche Beschränkung fand sich auch in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG.

Im [[X.].] an den Beschluss des [[X.].] vom 4. Dezember 2002  2 BvR 400/98 und 1735/00 ([[X.].] 2003, 534) beseitigte der Gesetzgeber das Abzugsverbot für über die Zweijahresfrist hinausreichende Aufwendungen wieder, und zwar generell und rückwirkend für alle noch änderbaren Vorjahresveranlagungen (vgl. [[[X.].].]/[[X.].], EStG, 29. Aufl., § 4 Rz 588). § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG wurde mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2003 aufgehoben (§ 52 Abs. 12 Satz 3 EStG --jetzt Satz 4--). Für noch nicht formell bestandskräftige oder hinsichtlich einer betrieblich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorläufige Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume bis 2002 ordnete § 52 Abs. 12 Satz 4 EStG --jetzt Satz 5-- die Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG i.d.[[X.].] 2003 (Art. 1 des Gesetzes vom 15. Dezember 2003, [[X.].] 2003, 2645, [[X.].], 710) an. Dort heißt es, dass Werbungskosten "auch notwendige Mehraufwendungen (sind), die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird".

Damit ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG jedenfalls im Streitjahr unmittelbar auf die betrieblich veranlasste doppelte Haushaltsführung anzuwenden und beschränkt den Abzug von Betriebsausgaben insoweit auf die berufsbedingten notwendigen Mehraufwendungen.

c) Aus der Fortgeltung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6a EStG für noch offene Einkommensteuerveranlagungen der Zeiträume vor 2003 kann schon deshalb nichts anderes hergeleitet werden, weil in dieser Vorschrift lediglich eine Regelung zur zeitlichen Begrenzung des [[[X.].].] auf zwei Jahre getroffen war und im Falle des [[X.].] wegen der schon lange zuvor bestehenden doppelten Haushaltsführung nach dieser Vorschrift ein Abzug von Betriebsausgaben schon dem Grunde nach nicht mehr in Betracht gekommen wäre. Insoweit wird in Fällen wie denen des [[X.].] die Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 12 Satz 3 EStG a.F. (jetzt § 52 Abs. 12 Satz 4 EStG) durch die des nachfolgenden Satzes verdrängt.

d) Eine Anlegung unterschiedlicher Maßstäbe beim Abzug von Erwerbsaufwendungen für doppelte Haushaltsführung je nach Einkunftsart, wie es der Auffassung des [[X.].] entsprechen würde, ist damit im Streitfall jedenfalls aufgrund der Übergangsregelung in § 52 Abs. 12 Satz 4 EStG --jetzt Satz 5-- ausgeschlossen. Im Übrigen spricht auch das Gebot einer gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dafür, die Abzugsfähigkeit gleichartiger Erwerbsaufwendungen bei den verschiedenen Einkunftsarten wegen fehlender sachlicher Differenzierungsgründe auch (nur) im gleichen Umfang zuzulassen.

2. Das [[X.].] hat den danach als Betriebsausgabe abzugsfähigen Aufwand zutreffend bestimmt. Zu den notwendigen Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung gehören insbesondere Kosten der Wohnung am Arbeitsort. Zu Recht ist das [[X.].] im Streitfall davon ausgegangen, dass sich der notwendige Aufwand insoweit auf die Anmietung einer Wohnung von 60 m² mit einem Durchschnittsmietzins beschränkt.

Als Unterkunftskosten am Beschäftigungsort sind grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Aufwendungen als Erwerbsaufwand anzusetzen. Die Ermittlung fiktiver (Miet-)Kosten ist allerdings dann geboten, wenn die tatsächlichen Kosten so hoch sind, dass es sich beim Gesamtbetrag nach objektiven Maßstäben nicht mehr um notwendige Mehraufwendungen für die Unterkunft i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG handelt ([[X.].]-Urteil in [[X.].], 380, [[X.].], 820, m.w.N.).

Da im Rahmen der doppelten Haushaltsführung nur die zu den Wohnungsaufwendungen des [[X.].] hinzukommenden Wohnkosten abziehbar sind, hat sich das Merkmal "notwendig" am [[X.].] der Berücksichtigung eines zusätzlichen [[X.].] des Steuerpflichtigen am Beschäftigungsort zu orientieren. Es geht also darum, welcher Wohnungszuschnitt für einen Steuerpflichtigen als Einzelperson objektiv angemessen ist, der von dort seiner Arbeit nachgeht, aber an einem anderen Ort seinen [[X.].] beibehalten hat.

In seiner Entscheidung in [[X.].], 380, [[X.].], 820 hat der [[X.].]. Senat des [[X.].] in diesem Zusammenhang als Obergrenze notwendiger Mehraufwendungen die Kosten angesehen, die sich für eine Wohnung mit einer Wohnfläche bis zu 60 m² bei einem ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung ergeben (ebenso [[X.].]-Urteil vom 9. August 2007 [[X.].] R 23/05, [[X.].], 376, [[X.].] 2009, 722). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Das angefochtene Urteil des [[X.].] weicht von dieser Rechtsprechung zur Höhe notwendiger Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nicht ab. Einwendungen gegen die vom [[X.].] angewandte Schätzungsmethode sind nicht erhoben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die flächenanteilige Umrechnung der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung in [[X.].] auf eine Wohnung von nur 60 m² zu einer zulasten des [[X.].] ausschlagenden unzutreffenden Bestimmung des erforderlichen Bedarfs und damit der notwendigen Mehraufwendungen geführt hätte.

Meta

VIII R 48/07

16.03.2010

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 27. Juni 2007, Az: 1 K 621/05, Urteil

§ 4 Abs 4 EStG 2002, § 4 Abs 5 S 1 Nr 7 EStG 2002, § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 S 1 EStG 2002 vom 15.12.2003, § 52 Abs 12 S 4 EStG 2002 vom 30.07.2004, § 18 Abs 1 EStG 2002, § 15 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.03.2010, Az. VIII R 48/07 (REWIS RS 2010, 8462)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8462

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI R 10/08 (Bundesfinanzhof)

Dreimonatsfrist für Verpflegungsmehraufwand bei doppelter Haushaltsführung ist verfassungsgemäß


VI R 11/08 (Bundesfinanzhof)

Dreimonatsfrist für Verpflegungsmehraufwand bei doppelter Haushaltsführung ist verfassungsgemäß


VIII R 29/16 (Bundesfinanzhof)

Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung für beiderseits beruflich tätige Ehegatten, die mit den Kindern am Beschäftigungsort …


VI R 2/11 (Bundesfinanzhof)

Doppelter Mietaufwand als beruflich veranlasste Umzugskosten - Familienheimfahrten und Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten


VI R 25/11 (Bundesfinanzhof)

Berufliche Veranlassung der doppelten Haushaltsführung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.