Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2000, Az. IV ZR 1/00

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 596

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/00Verkündet am:8. November 2000SchickJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]: ja[X.]Z: nein_____________________[X.] § 2 II Abs. 2 Satz 1Eingriffe am Körper im Sinne des [X.] in der [X.] sind gewollte Handlungen, die zu einer Substanzverletzung des Körpersführen, oder Einwirkungen von außen, die eine Beeinträchtigung körperlicherFunktionen bezwecken.[X.], Urteil vom 8. November 2000 - [X.]/00 - [X.] LG Hamburg- 2 -Der IV. Zivilsenat des [X.] hat durch den [X.] und [X.], Dr. Schlichting,Terno und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 8. November2000für Recht erkannt:Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats desHanseatischen [X.] vom23. November 1999 wird auf Kosten der Klägerin zu-rückgewiesen.Von Rechts [X.]:Die Klägerin verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer Un-falltod-Zusatzversicherung, die ihr am 30. Juli 1998 verstorbener [X.] im Rahmen eines Lebensversicherungsvertrages bei der [X.] hatte. Die Klägerin war als Bezugsberechtigte eingesetzt.In § 3 Abs. 2 der "Bedingungen für die Unfalltod-Zusatzversicherung" (imfolgenden: Bedingungen) ist [X.] von der Versicherung sind [X.]) Gesundheitsschädigungen durch [X.] [X.], die der Versicherte an seinem Körper selbst vor-nimmt oder von einem anderen vornehmen läßt. Das- [X.] und Hornhaut verste-hen wir nicht als solchen Eingriff. ..."Der Ehemann der Klägerin verstarb bei der Vornahme einer soge-nannten autoerotischen Handlung. In der Todesbescheinigung des [X.] ist ausgeführt, daß der Ehemann an einer Türklinke hängendgefunden wurde und der Tod durch Erstickung als Folge einer [X.] eingetreten sei.Die Klägerin verlangt Zahlung von 32.051 DM nebst 4% Zinsen.Die Beklagte lehnt eine Leistung aus der Unfalltod-Zusatzversicherungunter Hinweis auf § 3 Abs. 2c der Bedingungen ab.Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision [X.] die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.Entscheidungsgründe:Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Er-gebnis zutreffend die Berufung zurückgewiesen und in [X.] dem [X.] einen Anspruch der Klägerin verneint.1. a) Das Berufungsgericht sieht in der Handlung des [X.] Klägerin einen Eingriff im Sinne des § 3 Abs. 2c der Bedingungen.Das Merkmal "Eingriff" beinhalte jede äußere physische Einwirkung auf- 4 -die Integrität des Körpers des Versicherten. Diese Voraussetzungen desAusschlußtatbestandes seien dadurch erfüllt, daß der Ehemann der Klä-gerin durch Strangulation seine Sauerstoffzufuhr reduziert habe.b) Nach Auffassung der Revision verkennt das Berufungsgericht,daß Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen seien, wie [X.] durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigungverstehen muß. Ein solcher Versicherungsnehmer werde § 3 Abs. 2c [X.] entnehmen, daß "Eingriffe" mit "[X.]" gleich-gestellt würden. Daraus werde er schließen, daß die Klausel nur solcheUnfälle aus dem Versicherungsschutz auszunehmen bezwecke, die Fol-gen einer medizinischen Behandlung im weitesten Sinne seien. [X.] durchschnittliche Versicherungsnehmer zusätzlich Satz 2 des § 3Abs. 2c zur Kenntnis, so werde er erkennen, daß bestimmte [X.] vom Ausschluß ausgenommen seien. Dies aber lege das [X.] nahe, daß neben [X.] nur solche Eingriffe [X.] erfaßt würden, die kosmetischen Zwecken dienten.Sogenannte autoerotische Handlungen fielen nicht [X.] Diese Angriffe der Revision führen nicht zum Erfolg.a) Was unter "Eingriff" im Sinne des § 3 Abs. 2c der [X.] verstehen ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlichbeurteilt. Überwiegend wird davon ausgegangen, daß jede äußere phy-sische Einwirkung auf die Integrität des Körpers ein Eingriff ist (vgl.Bruck/[X.]/Wagner, [X.]. 1978 [X.] erster Halbbd. [X.]. [X.] 5 -m.w.[X.]). Einige belassen es bei dieser Definition (so das Berufungsge-richt; [X.] VersR 1988, 287; vgl. auch [X.] [X.], 35; [X.] [X.], 99; [X.]/Pürckhauer, AUB6. Aufl. § 2 II Nr. 2 [X.] 78; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. 1988AUB § 3 [X.]. 3). Anderen geht diese Definition zu weit. Sie versuchen,sie in unterschiedlicher Weise enger zu fassen. So wird betont, daß [X.] nur auf Maßnahmen beschränken, die "unmittelbar" auf die kör-perliche Integrität einwirken, der Begriff damit ein finales Element ent-halte (so Bruck/[X.]/Wagner, aaO). Ähnlich wird ausgeführt, es gehenur um Einwirkungen auf die körperliche Integrität, die direkte Körper-funktionen beeinflussen oder lahmlegen oder direkt Körpergewebe ver-ändern sollen ([X.], 949, 951; [X.], [X.]. § 2 [X.] 73). Auch wird dem Gesamtzusammenhang der Rege-lung entnommen, daß der Ausschluß auf medizinische und kosmetischeBehandlungen - diese im weitesten Sinne - zu beschränken sei (Knapp-mann in [X.]/[X.], [X.]. 1998, [X.] § 2 [X.] 34).Schließlich wird aus dieser Unterschiedlichkeit der Auffassungen gefol-gert, der Versicherungsnehmer werde über die genauen Voraussetzun-gen des Ausschlußtatbestandes objektiv im Unklaren gelassen. Es [X.] des Versicherers, für eindeutige Formulierungen zu sorgen. [X.] nicht geschehen sei, müsse von der für den Versicherungsnehmergünstigsten Auslegung ausgegangen werden. Danach handele es [X.] und diesen gleichkommenden Verhaltensweisen nichtum Eingriffe im Sinne der Ausschlußregelung (so [X.], 40 = [X.], 1128).- 6 -b) Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung kommt es bei [X.] Allgemeiner Versicherungsbedingungen darauf an, wie eindurchschnittlicher Versicherungsnehmer die [X.] verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichti-gung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß ([X.]Z 123,83, 85 m.w.[X.]). Darauf weist die Revision zu Recht hin. Da der [X.] mit der Formulierung "Eingriffe, die der Versicherte an seinem [X.] vornimmt oder von einem anderen vornehmen läßt" sich der [X.] des täglichen Lebens bedient hat, die einem durchschnittlichen Ver-sicherungsnehmer geläufig ist, kann zunächst nicht gesagt werden, dieRegelung sei unverständlich oder unklar. Sie enthält auch keine Wider-sprüche in sich. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird aucherkennen, daß der Versicherer mit dieser Regelung besonders gefahr-trächtige Handlungen des Versicherten oder eines [X.] aus dem Ver-sicherungsschutz herausnehmen will. Dabei ist entsprechend dem [X.] Sprachgebrauch mit "Eingriff" erkennbar nur eine solcheHandlung gemeint, die gezielt vorgenommen wird und im allgemeinenauf einen bestimmten Zweck gerichtet ist. Damit fallen ungewollte Zu-fallshandlungen nicht unter den Ausnahmetatbestand. Ferner sind [X.] nach dem Wortlaut der Klausel darauf beschränkt, daß siean dem Körper des Versicherten vorgenommen sein müssen. Ausge-schlossen aus dem Versicherungsschutz sind damit jedenfalls die Folgengewollter Substanzverletzungen des Körpers. Zweifelhaft ist aber, ob eindurchschnittlicher Versicherungsnehmer darunter auch jede andere Ein-wirkung auf die "Integrität" des Körpers versteht. Schon der Begriff [X.] ist seinerseits unscharf und dürfte sich dem konkreten Vor-stellungsvermögen eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers [X.] -ziehen. Die Verwendung des Begriffs der Integrität führt auch nicht zueinem weiteren Erkenntniszuwachs. Andererseits sind auch [X.] Versicherten oder eines [X.] denkbar, die zwar nicht zu einerSubstanzverletzung des Körpers führen, dennoch im Verständnis einesdurchschnittlichen Versicherungsnehmers einen Eingriff am Körper be-deuten. Dies ist der Fall, wenn eine Handlung am Körper diesen zwarnicht verletzt, die Einwirkung aber eine Beeinträchtigung körperlicherFunktionen bezweckt.Insgesamt ergibt sich damit die Auslegung, daß Eingriffe am Kör-per solche gewollten Handlungen sind, die zu einer Substanzverletzungdes Körpers führen oder Einwirkungen von außen sind, die eine Beein-trächtigung körperlicher Funktionen bezwecken.Für eine Reduktion allein auf medizinische oder kosmetische Be-handlungen bietet der Wortlaut aus der Sicht eines durchschnittlichenVersicherungsnehmers keinen hinreichenden Anlaß. Zwar sind nach [X.] auch Unfälle vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, [X.] von Gesundheitsbeschädigungen durch [X.] sind, [X.] klargestellt ist, daß bestimmte kosmetische Behandlungen (Schnei-den von Nägeln, Hühneraugen und Hornhaut) keine Eingriffe im Sinnedes Ausschlußtatbestandes sind. Der Begriff des Eingriffs kann aberüber [X.] und kosmetische Behandlung weit hinausgehen.Auch insoweit soll erkennbar kein Versicherungsschutz bestehen, wennes sich um Eingriffe am Körper des Versicherten [X.] 8 -3. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts,das die Ausführungen des [X.]s in Bezug nimmt, hat der [X.] der Klägerin einen Eingriff im Sinne der oben dargelegten Ausle-gung vorgenommen. Dabei ist nicht entscheidend, daß Gegenstand [X.] eine sogenannte autoerotische Handlung ist. Es kommt [X.] darauf an, ob der Ehemann der Klägerin mit den Handlungen so aufseinen Körper eingewirkt hat, daß er damit die körperlichen Funktionenzu beeinträchtigen beabsichtigte. Das ist hier der Fall.Der Ehemann der Klägerin hat das Halstuch seiner Ehefrau umseinen Hals geschlungen und die Schlinge über die [X.]. Damit wirkte er von außen auf seinen Körper ein. Da er mit [X.] die Sauerstoffzufuhr zu verringern beabsichtigte, um sein Or-gasmusempfinden zu steigern, bezweckte er, seine körperlichen Funk-tionen zu beeinträchtigen. Dieses Vorgehen steht auch in adäquatemZusammenhang mit dem später eingetretenen Tod des Ehemannes, mager auch nicht gewollt gewesen sein.Dr. [X.] Prof. [X.] Dr. Schlichting Terno [X.]

Meta

IV ZR 1/00

08.11.2000

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2000, Az. IV ZR 1/00 (REWIS RS 2000, 596)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 596

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