Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2012, Az. IX ZB 264/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4766

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 264/11

vom

12. Juli
2012

in dem Insolvenzeröffnungsverfahren

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.] Dr. Gehrlein, [X.], Grupp und
die Richterin Möhring

am 12. Juli 2012
beschlossen:

Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden die Beschlüsse
der 12.
Zivilkammer des [X.] vom 23.
August 2011 und des [X.] vom 26. Juli 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung -
auch über die Kosten der
Rechtsmittelverfahren
-
an das [X.] zurück-verwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 5.000

Gründe:

I.

Das Finanzamt

(fortan: Gläubiger) hat wegen offenste-hender Steuerforderungen einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des

K.

(fortan: Schuldner)
gestellt. Das [X.] hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die sofortige 1
-

3

-
Beschwerde hat keinen Erfolg
gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde will der Gläu-biger weiterhin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erreichen.

II.

Der angefochtene Beschluss ist nicht mit Gründen versehen; bereits dies nötigt zu seiner Aufhebung (§
4 [X.], §
576 Abs.
3, §
547 Nr.
6, §
577 Abs.
4 Satz
1 ZPO).

Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen (§§
6, 7, 34 Abs.
1 [X.], Art.
103f
EG[X.], §
574 Abs.
1
Satz
1
Nr.
1 ZPO), müssen den maßgeb-lichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben. Denn das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt [X.], den das Beschwerdegericht festgestellt hat (§
577 Abs.
2 Satz
4, §
559 ZPO). Fehlen tatsächliche Feststellungen, so ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des [X.], die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinne. Dies hat das Rechtsbeschwerdegericht auch ohne Rüge von Amts we-gen zu berücksichtigen ([X.], Beschluss vom 26.
April 2012 -
IX ZB 34/11, Rn.
9; vom 21.
Juli 2011 -
IX ZB 148/10, [X.], 714 Rn.
6; vom 15.
Dezember 2011 -
IX [X.], Rn.
3).

Das Landgericht hat seinen [X.] keinen Sachverhalt vorangestellt. Eine ausdrückliche
Bezugnahme auf die erstinstanzliche Ent-scheidung ist nicht erfolgt und wäre auch unbehelflich, weil auch die Entschei-dung des Insolvenzgerichts keine
hinreichenden, aus sich heraus verständli-chen Tatbestandsangaben
enthält. Im Übrigen bezöge eine solche Verweisung 2
3
4
-

4

-
sich nicht auf den Vortrag des Gläubigers im Beschwerdeverfahren. Insoweit gilt im Beschwerdeverfahren nichts anderes als gemäß §
540 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO im Berufungsverfahren ([X.], Beschluss vom 9.
März 2006 -
IX ZB 17/05, [X.], 481 Rn.
7). Auch aus den [X.] in der Be-schwerdeentscheidung wie auch in der amtsgerichtlichen Entscheidung kann der maßgebliche Sachverhalt nicht hinreichend sicher erschlossen werden.

III.

Aufgrund des fehlenden Sachverhalts ist der Senat zu einer eigenen Sachentscheidung nicht in der Lage. Die Sache ist deswegen gemäß §
577 Abs.
4 Satz
1 ZPO zurückzuverweisen, und zwar an das Insolvenzgericht. Das hält der Senat für sachgerecht, weil eine
erschöpfende Prüfung der Zu-lässigkeit des [X.] sowie der [X.] noch nicht stattgefunden hat (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
Juli 2004 -
IX
ZB 161/03, [X.]Z 160,176, 185).

Für den weiteren Verfahrensgang weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Grundsätzlich ist der Insolvenzantrag eines [X.] nur zuläs-sig, wenn Steuerbescheide und gegebenenfalls etwaige Steueranmeldungen des Schuldners (§§
150, [X.], 18 UStG; vgl. [X.]/Dürrwächter/Stadie, UStG, 2011, §
18 Rn.
113) vorgelegt werden. Eine Liste der in der Vollstre-ckung befindlichen Rückstände reicht regelmäßig nicht aus. Eine Glaubhaft-machung der Forderungen durch das Finanzamt durch Vorlage der [X.] oder
der Steueranmeldungen kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn das Finanzamt die ausstehenden Steuern genau beschreibt und der 5
6
7
-

5

-
Schuldner diese Forderungen nicht bestreitet (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Juli 2009 -
IX ZB 86/09, Z[X.] 2009, 1533 Rn.
3; vom 13.
Juni 2006 -
IX
ZB 214/05, Z[X.] 2006, 828 Rn.
8
ff).

2.
Bei der Frage, ob der Steuerschuldner nach den beiden erfolgten Zahlungsaufforderungen Steuerschulden zurückgeführt hat, wird das [X.] den hierzu wegen eines unterlassenen gerichtlichen Hinweises (Art.
103 Abs.
1 GG) erst im Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgten neuen Sachvortrag des Gläubigers berücksichtigen müssen, dass die Geltendma-chung nur der Umsatzsteuerforderungen im Insolvenzantrag nicht auf einer Zahlung des Steuerschuldners, sondern darauf beruht, dass für die Eintrei-bung der rückständigen Einkommensteuer nunmehr ein anderes Finanzamt
zuständig ist.

3.
Die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes muss nicht notwendig durch Vorlage einer Bescheinigung über einen fruchtlosen Vollstreckungs-versuch oder durch die Erklärung des [X.], erfolglos gegen den Steuerschuldner vollstreckt zu haben, erfolgen.
Der antragstellende [X.] kann den Eröffnungsgrund auch auf andere Weise glaubhaft machen
([X.], Beschluss vom 23.
Oktober
2008 -
IX ZB 7/08, [X.], 144 Rn.
3). Die schlichte Nichtbegleichung einer unbestrittenen Forderung kann im Einzelfall eine weitere Glaubhaftmachung entbehrlich machen (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
April 2008 -
II
ZR 51/07, Z[X.] 2008, 1019 Rn.
5; FK-[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
14 Rn.
125; [X.], [X.], 13.
Aufl., §
14 Rn.
81). Ein Indiz für die fehlende Zahlungsfähigkeit kann sein, wenn der

8
9
-

6

-
Schuldner auf Zahlungsaufforderungen durch das Finanzamt nicht reagiert und dem angekündigten [X.] weder entgegentritt
noch den Zugang zur Wohnung ermöglicht.

Kayser
Gehrlein
Fischer

Grupp
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.07.2011 -
35 IN 556/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 23.08.2011 -
12 T 406/11 -

Meta

IX ZB 264/11

12.07.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2012, Az. IX ZB 264/11 (REWIS RS 2012, 4766)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4766

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZB 264/11 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzeröffnungsverfahren: Glaubhaftmachung der Forderungen und der Zahlungsunfähigkeit durch das Finanzamt


IX ZB 256/10 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 92/10 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 256/10 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzeröffnungsverfahren: Anforderungen an die Tatsachenfeststellungen des Beschwerdegerichts


IX ZB 194/11 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IX ZB 264/11

IX ZB 148/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.