Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2012, Az. 5 StR 1/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4971

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Betrugstatbestand: Vermögensschaden bei Erschleichen von Rabatten für Medikamente


Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. September 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen Betruges in 43 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihre hiergegen gerichtete Revision hat den sich aus der [X.] ergebenden Erfolg.

I.

2

Die Angeklagte, die seit 1986 einen Pharmagroßhandel betreibt, hat über zwei Apotheker, die für ihre Apotheke von verschiedenen Pharmaherstellern Medikamente für die Versorgung von Krankenhäusern bezogen, zwischen 2004 und 2008 in 43 Fällen für Klinikbedarf bestimmte Medikamente erworben, diese aber außerhalb des Klinikbereichs an andere Pharma-Großhändler oder Apotheken gewinnbringend verkauft.

3

Das [X.] hat dieses Verhalten als Betrug der Angeklagten angesehen, den diese in Mittäterschaft mit zwei Apothekern begangen habe. Tathandlung sei jeweils die von den Apothekern vorgenommene und mit der Angeklagten inhaltlich abgesprochene Bestellung von verschreibungspflichtigen wie auch nur apothekenpflichtigen Arzneimitteln, die vorgeblich für den Klinikbetrieb geliefert werden sollten. Als den von ihr mit mindestens 315.000 € bezifferten Schaden im Sinne des § 263 StGB hat die [X.] den Betrag angesehen, der zwischen dem "[X.]" ([X.]) und dem Verkaufspreis an den Pharmagroßhandel der Angeklagten lag.

II.

4

Während die Beanstandungen der Angeklagten gegen den Schuldspruch ohne Erfolg bleiben, kann der Strafausspruch keinen Bestand haben, weil das [X.] den [X.] nicht zutreffend bestimmt hat.

5

1. Hinsichtlich der verschreibungspflichtigen Medikamente trifft allerdings zu, dass diese preisgebunden sind. Für diese werden nach § 78 [X.] i.V.m. der Arzneimittelpreisverordnung Preise und Spannen durch Rechtsverordnung festgelegt (vgl. zur Entstehungsgeschichte [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2012, § 78 Rn. 2 ff.). Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 dieser Verordnung (AMPreisV) gelten die durch die Verordnung vorgegebenen Spannen nicht für die Abgabe an Krankenhäuser. Dies ist Ausfluss des [X.], nach der die [X.] seit jeher deutlich unter dem für öffentliche Apotheken geltenden Bezugspreisen beliefert werden, die [X.] ihrerseits aber nicht berechtigt sind, diese Packungen außerhalb von Krankenhäusern zum Zwecke des Einzelverkaufs zu veräußern ([X.], Urteil vom 12. Oktober 1989 – [X.], [X.], 1010 – [X.]; vgl. auch Urteil vom 22. April 2004 – [X.], [X.], 701 – [X.] II). Insoweit beschwert es die Angeklagte jedenfalls auch nicht, dass die [X.] bei der Schadensbestimmung den Verkaufspreis an den Großhandel der Angeklagten und nicht den (höheren) Herstellerabgabepreis für Fertigarzneimittel, die nicht an Krankenhäuser geliefert werden, der Berechnung des Mindestschadens zugrunde gelegt hat. Insoweit hat sie – aus praktischen Erwägungen sinnvoll – darauf verzichten können, mögliche Rabatte nach § 78 Abs. 3, 3a [X.] näher zu prüfen.

6

2. Durchgreifend bedenklich ist allerdings die Schadensberechnung des [X.]s, soweit nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel betroffen sind. Für diese gilt nach § 78 Abs. 2 Satz 3 [X.] i.V.m. § 1 Abs. 4 AMPreisV grundsätzlich keine Preisregulierung (vgl. [X.] aaO Rn. 38).

7

Insofern erfolgt eine Rabattgewährung für Kliniken nach den von den jeweiligen Herstellern aufgestellten (im Übrigen aber verhandelbaren) Preislisten. Unter Berücksichtigung eines dem Risiko fehlender Treffgenauigkeit angemessenen [X.] hätte deshalb ermittelt werden müssen, welche Bedingungen für die [X.] einerseits für Kliniken und andererseits für den freien Verkauf in Apotheken gegolten haben und welche Preise zu erzielen waren. Dabei ist zu beachten, dass – da eine bloße unterlassene Vermögensmehrung kein Schaden im Sinne des [X.] ist – der höhere Preis gegenüber den Abnehmern, die keine Krankenhäuser sind, sich mit Wahrscheinlichkeit durchsetzen lassen muss (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juni 2004 – 5 [X.], [X.]R StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 64).

8

3. Dieser Fehler führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs, weil sich die fehlende Unterscheidung zwischen verschreibungs- und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf die Bestimmung des [X.]s ausgewirkt hat. Obwohl das [X.] keine näheren Umstände bezüglich des Inhalts der einzelnen Bestellungen mitgeteilt hat, schließt der Senat aus, dass der Schuldspruch auch nur in einem Einzelfall betroffen sein könnte, weil ein Übergewicht an verschreibungspflichtigen Arzneimitteln besteht und es fernliegt, dass der Pharmahersteller nicht zwischen Krankenhäusern und sonstigen Abnehmern unterschieden haben sollte.

III.

9

Für das neue tatrichterliche Verfahren weist der Senat darauf hin, dass nach § 154 [X.] ausgeschiedene Taten nur dann strafschärfend gewürdigt werden dürfen, wenn diese Taten in den Urteilsgründen hinreichend konkret dargestellt werden und die Angeklagte hierauf im Falle des § 154 Abs. 2 [X.] hingewiesen wurde (vgl. Schoreit in KK, [X.], 6. Aufl., § 154 Rn. 48).

Basdorf                               Raum                              Schaal

                      Dölp                               [X.]

Meta

5 StR 1/12

05.07.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Lübeck, 23. September 2011, Az: 6 KLs 15/11

§ 263 Abs 1 StGB, § 78 Abs 2 S 3 AMG, § 1 Abs 4 AMPreisV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2012, Az. 5 StR 1/12 (REWIS RS 2012, 4971)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4971

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 1/12 (Bundesgerichtshof)


5 StR 581/12 (Bundesgerichtshof)

Betrug: Vermögensschaden bei täuschungsbedingter Erzielung niedrigerer Preise für preisgebundene Medikamente


I ZR 21/02 (Bundesgerichtshof)


5 StR 405/13 (Bundesgerichtshof)

Strafbarkeit eines Apothekers wegen Betruges: Täuschungshandlung durch Verwendung von Importarzneimitteln bei patientenindividuellen Zytostatika-Zubereitungen


5 StR 136/14 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Inverkehrbringens falsch gekennzeichneter und nicht zugelassener Arzneimittel: Erfordernis der Täuschungseignung der falschen Herkunftsangabe


Referenzen
Wird zitiert von

5 StR 581/12

5 StR 136/14

5 StR 136/14

5 StR 581/12

5 StR 1/12

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.