Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2010, Az. VIII ZR 270/09

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8097

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.] ZR 270/09
vom 24. März 2010 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 24. März 2010 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] Frellesen, die Richterinnen [X.] und [X.] und [X.] Bünger beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 28. Sep-tember 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das [X.] zurückverwiesen. Der Streitwert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens wird auf 244.231,16 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die Parteien streiten um die Kaufpreiszahlung aus der Lieferung von [X.]n (Klage) und um Schadensersatz wegen eines behaupteten [X.] in der Anlage des [X.] durch die gelieferten Fische (Widerklage). 1 Der Kläger betreibt eine Fischzucht. Er züchtet unter anderem Koi-Karpfen und verkauft diese an andere Händler, so auch an die Beklagte. Im Rahmen dieses Geschäftsbetriebs veräußerte und lieferte der Kläger an die Beklagte am 5. April 2005, am 13. April 2005 und am 21. April 2005 [X.] - Karpfen. Die Lieferungen vom 5. April und 13. April 2005 wurden von der [X.] bezahlt. Die Rechnung für die Lieferung vom 21. April 2005 über 11.766,46 • brutto, die Gegenstand der Klageforderung ist, bezahlte die [X.] nicht. Sie beruft sich darauf, dass die vom Kläger am 5. April gelieferten Koi-Karpfen mit dem [X.] befallen gewesen seien und ihre Fische infiziert hätten. Hierdurch sei ihr ein Schaden von bislang 227.646,70 • ent-standen. Mit dieser Schadensersatzforderung rechnet die Beklagte teilweise gegen die Klageforderung auf und macht den überschießenden Betrag im We-ge der Widerklage geltend. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Lieferung des [X.] die Infektion der Koi-Karpfen der [X.] verursacht hat. Das [X.] hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie mündlicher Anhörung der Sachverständigen der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das Urteil des [X.]s aufgehoben und in einem Grundurteil einen Anspruch der [X.] gegen den Kläger auf Ersatz des durch die Liefe-rung von mit dem Herpesvirus befallenen Koi-Karpfen im April 2005 entstande-nen Schadens bejaht. Zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs unter Berücksichtigung eines eventuellen Mitverschuldens der [X.] wegen mangelnder Quarantänehaltung hat es die Sache an das Land-gericht zurückverwiesen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwer-de des [X.]. 3 I[X.] Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zuläs-sig (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2, § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie ist auch begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des [X.] 4 - fochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt. 5 Das Berufungsgericht hat die Sachverständige entgegen § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 Abs. 1, § 402 ZPO nicht erneut angehört, obwohl es deren Ausfüh-rungen anders gewürdigt hat als das [X.], und dadurch den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Se-natsbeschluss vom 14. Juli 2009 - [X.] ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291, [X.]. 4 im [X.] an [X.], NJW 2005, 1487; [X.], Beschluss vom 5. April 2006 - [X.], [X.], 946, [X.]. 1; jeweils zur unterbliebenen Neuver-nehmung eines Zeugen in der Berufungsinstanz). Eine Entscheidung des [X.] ist daher zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfor-derlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 ZPO). 1. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner [X.] und Entscheidung die vom Gericht des ersten [X.] festge-stellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht - wie vorliegend - das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz ([X.]Z 162, 313, 317; Senatsurteil vom 25. April 2007 - [X.] ZR 234/06, [X.], 2919, [X.]. 34). Wenn sich das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung nicht zu überzeugen vermag, so ist es an die erstinstanzliche Beweiswürdigung, die es aufgrund konkreter Anhaltspunkte nicht für richtig hält, nicht gebunden, sondern zu einer 6 - 5 - erneuten Tatsachenfeststellung nicht nur berechtigt, sondern, was das [X.] verkannt hat, sogar verpflichtet ([X.]Z 162, 313, 317). 7 a) Hierzu bedarf es beim Zeugenbeweis nicht in jedem Fall einer erneu-ten Vernehmung des bereits erstinstanzlich vernommenen Zeugen. Anerkannt ist jedoch, dass das Berufungsgericht einen Zeugen nochmals vernehmen muss, wenn es dessen Glaubwürdigkeit anders beurteilen oder den [X.] des Zeugen eine andere Tragweite oder ein anderes Gewicht geben, sie also anders verstehen oder würdigen will als die Vorinstanz (vgl. [X.], Ur-teile vom 20. November 1984 - [X.], NJW 1985, 3078, unter [X.]; vom 12. November 1991 - VI ZR 369/90, NJW 1992, 741, unter [X.] b bb; Urteil vom 19. Februar 1998 - [X.], NJW-RR 1998, 1601, unter [X.] a; Urteil vom 15. September 2005 - [X.], NJW-RR 2006, 267, [X.]. 23; Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 - [X.] ZR 340/98, [X.], 1199, unter [X.] a). Die erneute Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Voll-ständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (Senatsbe-schluss vom 14. Juli 2009, aaO, [X.]. 5; [X.], Urteil vom 10. März 1998 - [X.], NJW 1998, 2222, unter [X.]; Senatsurteil vom 19. Juni 1991 - [X.] ZR 116/90, NJW 1991, 3285, unter [X.] [X.]). Dieser Grundsatz ist Ausprägung der pflichtgebundenen Ausübung des dem Berufungsgericht nach § 398 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens ([X.], Urteil vom 15. September 2005, aaO; Senatsurteil vom 8. Dezember 1999, aaO). b) Beim [X.] gilt im Grundsatz nichts anderes (§ 402 ZPO). Auch dort bedarf es einer erneuten Anhörung des [X.] durch das Berufungsgericht dann, wenn es dessen Ausführungen abwei-chend von der Vorinstanz würdigen will, insbesondere ein anderes Verständnis 8 - 6 - der Ausführungen des Sachverständigen zugrunde legen und damit andere Schlüsse aus diesen ziehen will als der Erstrichter ([X.], Urteile vom 3. De-zember 1985 - VI ZR 106/04, NJW 1986, 1540, unter [X.]; vom 8. Juni 1993 - [X.], NJW 1993, 2380, unter [X.] a; vom 12. Oktober 1993 - [X.], NJW 1994, 803 unter II). 9 c) Eine abweichende Würdigung im vorgenannten Sinne ist jedenfalls dann gegeben, wenn - wie hier - das Berufungsgericht die von der Sachver-ständigen vorgenommene zusammenfassende Würdigung ihrer komplexen Ausführungen, die das erstinstanzliche Gericht aus dem unmittelbaren Eindruck einer persönlichen Anhörung heraus als Einschränkung der vorherigen Anga-ben angesehen hat, anders verstehen will als das Erstgericht. Die Sachverständige hat sich in zwei schriftlichen Gutachten unter Ver-wendung eines abgestuften Systems von [X.] zu Einzel-aspekten der Kausalität der klägerischen Lieferung für die Erkrankung der [X.] bei der [X.] geäußert. Im Rahmen der mündlichen Anhörung vor dem [X.] hat die Sachverständige eine zusammenfassende Beurteilung der Ursächlichkeit vorgenommen und hierzu ausgeführt, dass eine Wahrschein-lichkeit für die Ursächlichkeit der klägerischen Lieferung für den Ausbruch des [X.] in der Fischteichanlage der [X.] spreche. Die Beurteilung des [X.] sei jedoch schwierig, da es sich um ein erst vor kurzer Zeit identifiziertes [X.] handele. 10 Das [X.] hat diese zusammenfassende Bewertung durch die Sachverständige als Relativierung ihrer vorherigen Angaben gewürdigt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Kausalität der klägerischen Lieferung für die Erkrankung der Fische bei der [X.] nicht mit der für die richterliche Überzeugungsbildung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne. 11 - 7 - Das Berufungsgericht hat demgegenüber der zusammenfassenden Be-wertung der Sachverständigen keine relativierende Bedeutung beigemessen. Insofern hat das Berufungsgericht einen zentralen Punkt der Ausführungen der Sachverständigen anders gewichtet als das [X.]. Diese abweichende Würdigung durfte das Berufungsgericht nicht ohne Anhörung der [X.] vornehmen. 12 2. Bei dem aufgezeigten Fehler des Berufungsgerichts handelt es sich nicht nur um einen einfachen Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften, der für sich genommen noch nicht zum Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde führen würde (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juni 2005 - [X.], NJW 2005, 2624, unter [X.] b). Mit der vorstehend genannten, von der Vorinstanz abweichenden Würdigung des Sachverständigengutachtens hat das Berufungsgericht vielmehr das Verfahrensgrundrecht des [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Juli 2009, aaO, [X.]. 4). 13 3. Das angefochtene Urteil beruht auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer ab-
14 - 8 - weichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es die Sachverständige erneut angehört hätte. [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 11.12.2008 - 14 O 2209/05 - [X.], Entscheidung vom 28.09.2009 - 4 U 9/09 -

Meta

VIII ZR 270/09

24.03.2010

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2010, Az. VIII ZR 270/09 (REWIS RS 2010, 8097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8097

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