Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.04.2014, Az. III B 138/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 6437

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Gegenstand

Auslegung von Prozesshandlungen, keine rückwirkende Heilung einer durch einen nicht postulationsfähigen Kläger vorgenommenen Prozesshandlung


Leitsatz

1. NV: Ist eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision aufgrund ihres Briefkopfes und der Unterschrift als eigene Prozesshandlung des vor dem Bundesfinanzhof selbst nicht postulationsfähigen Klägers auszulegen, wird sie auch durch den darin enthaltenen Hinweis auf die beabsichtigte Einschaltung eines Steuerberaters und die im Stil einer Erklärung eines Prozessbevollmächtigten erfolgte Formulierung ("...namens und in Vollmacht des Klägers erheben wir...") nicht zu einer wirksamen Prozesshandlung eines Steuerberaters.

2. NV: Durch eine nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO eingegangene und von einem Steuerberater gefertigte Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde tritt keine Heilung der durch den nicht postulationsfähigen Kläger innerhalb der Beschwerdefrist unwirksam eingelegten Beschwerde ein.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wandte sich mit einer Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2009. Er begehrte die Gewährung eines Investitionsabzugsbetrags, die Anerkennung verschiedener Betriebsausgaben und eine Erhöhung des vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) im Wege einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 der Abgabenordnung) berücksichtigten "Büsinger Freibetrages".

2

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Das Urteil wurde dem vom Kläger benannten Prozess- und Empfangsbevollmächtigten am 26. Oktober 2013 zugestellt.

3

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2013, das beim [X.] ([X.]) am 4. November 2013 einging, erhob der Kläger gegen dieses Urteil Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision. Der Beschwerdeschriftsatz wies im Briefkopf den Namen und die Adresse des [X.] aus und wurde nur vom Kläger persönlich unterschrieben. Als Prozessbevollmächtigte benannte der Kläger einen Steuerberater und seinen Vater. Ferner verwies der Kläger darauf, dass die Vollmachten der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beigefügt werden sollen.

4

Mit Schreiben vom 5. November 2013 wies die Geschäftsstelle des erkennenden Senats den Kläger auf den beim [X.] bestehenden Vertretungszwang hin.

5

Mit beim [X.] am 10. Dezember 2013 eingegangenem Schreiben vom 30. November 2013, das den Briefkopf des [X.], hingegen die Unterschrift des vom Kläger benannten Steuerberaters trägt, reichte der Kläger eine Beschwerdebegründung und eine Vollmacht für den vom Kläger benannten Steuerberater ein.

Entscheidungsgründe

6

II. [X.] ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

7

1. Der Kläger hat innerhalb der Beschwerdefrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 [X.]O keine wirksame Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

8

a) Gemäß § 116 Abs. 2 Satz 1 [X.]O ist die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim [X.] einzulegen.

9

Gemäß § 62 Abs. 4 Satz 1 [X.]O müssen sich die Beteiligten vor dem [X.] durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für [X.]en, durch die ein Verfahren vor dem [X.] eingeleitet wird (§ 62 Abs. 4 Satz 2 [X.]O). Als Bevollmächtigte sind nur die in § 62 Abs. 2 Satz 1 [X.]O bezeichneten Personen und Gesellschaften zugelassen. Die Beteiligten können sich danach --sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt-- durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften i.S. des § 3 Nr. 2 und 3 des [X.], die durch solche Personen handeln.

b) Im Streitfall stellt das Schreiben des [X.] vom 31. Oktober 2013 eine [X.] dar, durch die i.S. des § 62 Abs. 4 Satz 2 [X.]O ein Verfahren vor dem [X.] --das Verfahren über die [X.] eingeleitet wird. Die [X.] unterliegt daher dem [X.].

Die [X.] ist unwirksam, da sie nicht von einer der in § 62 Abs. 2 Satz 1 [X.]O als mögliche Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen oder Gesellschaften vorgenommen wurde. Der [X.] vom 31. Oktober 2013 erfüllt bereits in formaler Hinsicht nicht die Anforderungen an eine wirksame [X.], da sie nicht von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten abgegeben wurde. Gemäß § 164 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]) setzt ein wirksames Vertreterhandeln eine eigene Willenserklärung des Vertreters voraus. Da der [X.] nach seinem Briefkopf und der darauf allein vorhandenen Unterschrift eindeutig vom Kläger selbst stammt, wird er auch durch den Hinweis auf die beabsichtigte Einschaltung u.a. eines Steuerberaters und die im Stil einer Erklärung eines Prozessbevollmächtigten erfolgte Formulierung ("...namens und in Vollmacht des [X.] erheben wir...") nicht zu einer wirksamen [X.] eines Steuerberaters.

Der von dem Steuerberater des [X.] unterzeichnete [X.] vom 30. November 2013 und die diesem beigefügte Prozessvollmacht führen nicht zu einer rückwirkenden Heilung der unwirksamen [X.] im Schreiben vom 31. Oktober 2013. Vielmehr kann in einem solchen Fall nur von einer Wiederholung der [X.] ausgegangen werden, der nur Wirkung für die Zukunft beizumessen ist ([X.]-Beschluss vom 16. Juni 1998 XI B 37/98, [X.]/NV 1998, 1368; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 62 Rz 74).

c) Der [X.] vom 30. November 2013 ist außerhalb der Beschwerdefrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 [X.]O eingegangen. [X.] ist daher unzulässig.

Das Urteil des [X.] wurde dem vom Kläger benannten Empfangsbevollmächtigten gemäß der vorliegenden Postzustellungsurkunde am 26. Oktober 2013 zugestellt. Die einmonatige Beschwerdefrist lief daher am Dienstag, den 26. November 2013, ab (§ 54 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 [X.]). Der [X.] vom 30. November 2013 ging indes erst am 10. Dezember 2013 und damit verspätet beim [X.] ein.

d) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 [X.]O) hat der Kläger nicht beantragt. Gründe, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, sind auch anderweitig nicht ersichtlich. Insbesondere kann sich der Kläger nicht auf Unkenntnis vom [X.] berufen, da er in der dem [X.]-Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der [X.] vor dem [X.] bereits für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gilt.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ab.

3. [X.] folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III B 138/13

09.04.2014

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 15. Oktober 2013, Az: 11 K 2626/11, Urteil

§ 62 Abs 2 S 1 FGO, § 62 Abs 4 S 1 FGO, § 62 Abs 4 S 2 FGO, § 116 Abs 2 S 1 FGO, § 164 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.04.2014, Az. III B 138/13 (REWIS RS 2014, 6437)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6437

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