Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.11.2022, Az. VIII R 18/20

8. Senat | REWIS RS 2022, 9019

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Gegenstand

Kein Zufluss von Bonuszinsen aus einem Bausparvertrag bei nur buchmäßigem Ausweis der Zinsen auf einem Bonuskonto


Leitsatz

Bonuszinsen aus einem Bausparvertrag fließen dem Steuerpflichtigen nicht bereits mit dem jährlichen Ausweis der Zinsen auf einem von der Bausparkasse geführten Bonuskonto zu, wenn ein Anspruch auf die Bonuszinsen nur nach einem Verzicht auf das Bauspardarlehen entsteht, die Bonuszinsen erst bei Auszahlung des Bausparguthabens fällig werden und über sie nur in Verbindung mit dem Bausparguthaben verfügt werden kann.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 03.06.2020 - 4 K 242/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über den Zufluss von [X.] aus einem Bausparvertrag.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloss am xx.xx.1995 einen Bausparvertrag "[X.]" bei der [X.] ab. Im [X.] beantragte er die Ausgestaltung des Vertrags als "Renditesystem". Als Bausparsumme gab er einen Betrag in Höhe von 100.000 DM an.

3

In den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge [X.] ([X.]) in der Fassung von Januar 1995, die nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) dem Bausparvertrag zugrunde gelegt wurden, heißt es u.a.:

"Der besondere Vorteil (…) bei [X.] ist, dass Sie weit flexibler als bisher bestimmen können, wie Sie Ihren Bausparvertrag nutzen. Sie können sich zum Beispiel entscheiden für

bequeme monatliche Tilgungsbeiträge ab 3 ‰ der Bauspar-/Zuteilungssumme,

niedrige, kostengünstige Darlehenszinsen ab 1,5 % (…),

ein höheres Bauspardarlehen bis zu 150 % Ihres Bausparguthabens,

eine schnelle Zuteilung,

eine attraktive Rendite mit [X.] bis zu 4,75 %, wenn Sie das Bauspardarlehen nicht benötigen.

Mit [X.] können Sie die unterschiedlichen Ziele erreichen, auch wenn sich diese einmal ändern sollten. Denn alle Wahlmöglichkeiten stehen Ihnen bis zur Zuteilung offen und gelten rückwirkend, so dass eine Änderung Ihnen keine Nachteile bringt."

4

In § 6 [X.] ("Verzinsung des Bausparguthabens") heißt es u.a.:

"(1) Das Bausparguthaben wird mit 2,25 vom Hundert jährlich (…) verzinst.

(2) Die Zinsen werden dem [X.] jeweils am Ende des Kalenderjahres gutgeschrieben, bei Auszahlung des gesamten Bausparguthabens zu diesem Zeitpunkt.

(3) Der Bausparer kann über die Zinsen nur in Verbindung mit dem Bausparguthaben verfügen.

(4) Sind die in § 11a im einzelnen festgelegten Voraussetzungen erfüllt, erhält der Bausparer einen [X.]. Hierdurch erhöht sich die Gesamtverzinsung des Bausparguthabens auf 4,75 vom Hundert jährlich."

5

In § 11a [X.] ("[X.] bei [X.]") heißt es hierzu:

"(1) Der Bausparer erhält einen [X.], sofern er vor der ersten Auszahlung aus dem zugeteilten Bausparvertrag (…) auf das Bauspardarlehen verzichtet und der Bausparvertrag zwei [X.] (…) vor Zuteilung mindestens ein Guthaben von 50 vom Hundert der Bausparsumme und einen Sparverdienst (…) von dem [X.] des durch die Bausparsumme geteilten Bausparguthabens aufweist.

(2) Der [X.] besteht in einer auf den Vertragsbeginn rückbezogenen Erhöhung des Guthabenzinses (…) um 2,5 vom Hundert auf insgesamt 4,75 vom Hundert jährlich.

(3) Der [X.] ist bei der Auszahlung des gesamten Bausparguthabens fällig und wird dem [X.] zu diesem Zeitpunkt gutgeschrieben. Der Bausparer kann über den [X.] nur in Verbindung mit dem Bausparguthaben verfügen."

6

Im Jahr 1995 und in den Folgejahren nahm der Kläger unregelmäßige Einzahlungen auf den Bausparvertrag vor und erreichte damit zum 31.12.2000 ein Bausparguthaben von 86.779,94 DM.

7

[X.] fusionierte die [X.] mit der [X.], die daraufhin in den Bausparvertrag mit dem Kläger eintrat.

8

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das [X.] gab der Kläger an, neben [X.] in Höhe von 2.397,25 € u.a. einen "[X.]" in Höhe von 2.663,60 € aus dem Bausparvertrag erzielt zu haben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) veranlagte den Kläger erklärungsgemäß und setzte die Einkommensteuer auf 0 € fest.

9

Für die [X.] und 2012 erklärte der Kläger neben den von der [X.] bescheinigten [X.] (1.260,10 € für 2011 und 1.523,74 € für 2012) jeweils einen "[X.]" in Höhe von 2.325 € (2011) und 2.503 € (2012). Das [X.] setzte die Einkommensteuer für 2011 und 2012 ebenfalls in Höhe von 0 € fest.

Mit Schreiben vom 28.06.2013 teilte die [X.] dem Kläger den Stand des zusätzlichen [X.] im Falle der Auflösung des Bausparvertrags "unter [X.]" mit und gab den [X.] zum 31.12.2012 mit 23.222,57 € an.

Am 31.07.2013 wurde dem Kläger von der [X.] ein Betrag in Höhe von 84.491,02 € ausgezahlt. Dabei handelte es sich u.a. um das Bausparguthaben in Höhe von 58.203,65 €, Zinsen für Sparguthaben in Höhe von 763,80 € und einen "[X.]" in Höhe von 24.714,70 €. Darüber hinaus wurden dem Kläger weitere [X.] in Höhe von 247,27 € gutgeschrieben.

In der Steuerbescheinigung 2013 wurden dem Kläger Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 25.725,77 € bescheinigt. Aufgrund einer vom Kläger vorgelegten Nichtveranlagungsbescheinigung behielt die [X.] keine Kapitalertragsteuer auf diese Erträge ein.

In seiner Einkommensteuererklärung für 2013 (Streitjahr) machte der Kläger im Rahmen der Anlage [X.] keine Angaben zu Kapitalerträgen, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben, sondern gab unter der Rubrik "Erträge aus Beteiligungen" einen Betrag in Höhe von 2.914 € an. Er legte seiner Einkommensteuererklärung eine eigene Aufstellung u.a. über Zinsen aus dem [X.] in Höhe von 1.011 € sowie über einen [X.] in Höhe von 1.219 € bei. Belege über diese Zinseinnahmen legte er nicht vor.

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 18.12.2014 setzte das [X.] erklärungsgemäß keine Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Die Einkommensteuer setzte es in Höhe von 0 € fest.

Aufgrund einer Kontrollmitteilung der Oberfinanzdirektion (OFD) [X.] erhielt das [X.] unter dem 21.08.2017 Kenntnis davon, dass der Kläger im Streitjahr Kapitalerträge in Höhe von 25.725 € erhalten hatte, für die kein Abzug von Kapitalertragsteuern durchgeführt worden war.

Daraufhin änderte das [X.] mit Bescheid vom 29.01.2018 die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) ab und legte Kapitalerträge i.S. des § 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) in Höhe von 26.409 € zugrunde. Die Einkommensteuer für das Streitjahr setzte es in Höhe von 6.402 € fest.

Der Einspruch des [X.], der sich gegen die Besteuerung der [X.] in Höhe von 24.714,70 € im Streitjahr richtete, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 19.11.2018 als unbegründet zurückgewiesen. Am 08.01.2019 erließ das [X.] aus vorliegend nicht streitbefangenen Gründen einen Änderungsbescheid, mit dem die Einkommensteuer für das Streitjahr in Höhe von 5.524 € festgesetzt wurde.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das [X.] mit Urteil vom 03.06.2020 aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 941 mitgeteilten Gründen ab.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 03.06.2020 - 4 K 242/18 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 29.01.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.11.2018 und des Änderungsbescheids vom 08.01.2019 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 23.222,57 € reduziert werden und die Einkommensteuer in Höhe von 0 € festgesetzt wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen.

Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das [X.] nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] berechtigt war, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid vom 18.12.2014 zu ändern und die Bonuszinsen im Streitjahr in voller Höhe der Besteuerung zu unterwerfen.

1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen.

a) Tatsache im Sinne der Vorschrift ist, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile des [X.] --[X.]-- vom 21.02.2017 - VIII R 46/13, [X.], 198, [X.], 745, und vom 19.02.2013 - IX R 24/12, [X.], 265, [X.], 484, m.w.N.). Wird nachträglich bekannt, dass der Steuerpflichtige nicht erklärte Einkünfte erzielt hat, so stellt die Höhe dieser Einkünfte die steuerlich relevante Tatsache dar, die zu einer Änderung nach § 173 Abs. 1 [X.] führt ([X.]-Urteile vom 01.10.1993 - III R 58/92, [X.], 397, [X.] 1994, 346, und vom 23.04.1991 - VIII R 87/87, [X.] 1992, 75).

b) Eine Tatsache ist nachträglich bekannt geworden, wenn sie das Finanzamt bei Erlass des geänderten Steuerbescheids noch nicht kannte (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 13.01.2011 - VI R 61/09, [X.], 5, [X.] 2011, 479). Insoweit gilt der Inhalt der in der zuständigen Dienststelle geführten Steuerakten als bekannt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt ([X.] vom 14.05.2013 - X B 33/13, [X.], 9, [X.], 997; [X.]-Urteil vom 03.05.1991 - V R 36/90, [X.] 1992, 221, m.w.N.). Bei Tatsachen, die sich nicht aus den Akten ergeben, ist hingegen die positive Kenntnis des zuständigen Bearbeiters erforderlich; ein Kennenmüssen reicht nicht aus (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 13.06.2012 - VI R 85/10, [X.], 295, [X.], 5, und vom 13.01.2011 - VI R 62/09, [X.] 2011, 751, m.w.N.).

c) Hiernach ist der Umstand, dass dem Kläger im Streitjahr [X.] in Höhe von 24.714,70 € von der [X.] ausgezahlt wurden, als Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] anzusehen. Auch der Umstand, dass diese [X.] wegen der von dem Kläger vorgelegten Nichtveranlagungsbescheinigung keinem Kapitalertragsteuerabzug unterlegen hatten, stellt eine Tatsache im Sinne der Vorschrift dar.

d) Diese Tatsachen sind dem [X.] nachträglich bekannt geworden. Denn der Kläger hatte in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr entgegen § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG keine Angaben zu Kapitalerträgen, die nicht dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben, gemacht. Er hatte in der von ihm beigefügten Übersicht lediglich einen Bonus in Höhe von 1.219 € angegeben. Die tatsächliche Höhe der dem Kläger im Streitjahr von der [X.] gutgeschriebenen [X.] war dem [X.] bei Erlass des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr vom 18.12.2014 mithin nicht bekannt. Auch von dem Umstand, dass die [X.] für diese Kapitalerträge keinen Kapitalertragsteuerabzug durchgeführt hatte, erhielt das [X.] erst durch die Kontrollmitteilung der OFD [X.] vom 21.08.2017 Kenntnis.

e) Die nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen waren für die höhere Steuer erheblich.

[X.]) Ein Steuerbescheid darf wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel nur aufgehoben oder geändert werden, wenn das Finanzamt bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen und Beweismittel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte, d.h. die neuen Tatsachen bzw. Beweismittel rechtserheblich sind. § 173 [X.] bietet keine Rechtsgrundlage für die Beseitigung von Rechtsfehlern (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 09.04.2014 - X R 1/11, [X.] 2014, 1499; Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 23.11.1987 - GrS 1/86, [X.]E 151, 495, [X.] 1988, 180).

[X.]) Der Umstand, dass dem Kläger am 31.07.2013 [X.] in Höhe von 24.714,70 € ausgezahlt wurden, war für die höhere Steuer erheblich. Denn diese [X.] waren, wie das [X.] zu Recht entschieden hat, im Streitjahr der Besteuerung zu unterwerfen.

[X.]a) Die [X.] sind Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG.

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des [X.] oder ein Entgelt für die Überlassung des [X.] zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt.

Im Streitfall handelt es sich bei den von der [X.] gutgeschriebenen Bonuszinsen um eine Erhöhung der dem Kläger für die Überlassung des Bausparguthabens gewährten [X.] (vgl. § 11a Abs. 1 [X.]). [X.] stellen deshalb [X.] wie die [X.] ein Entgelt für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG dar. Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil bei einem Bausparvertrag das Sparen in der Regel lediglich [X.] auf dem Weg zur Erlangung eines Bauspardarlehens ist. Denn dies schließt es nicht aus, dass im Einzelfall der [X.] für den Abschluss eines Bausparvertrags (mit-)bestimmend ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn --wie im [X.] die Erwartung einer Rendite aus dem Bausparguthaben im Vordergrund steht. Dabei genügt es, wenn die Absicht, Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erzielen, nur als [X.] verfolgt wird (vgl. [X.]-Urteil vom 08.12.1992 - VIII R 78/89, [X.]E 169, 442, [X.] 1993, 301).

[X.]b) [X.] sind, wie das [X.] zu Recht angenommen hat, dem Kläger in voller Höhe erst im Streitjahr zugeflossen.

(1) Dem Steuerpflichtigen sind Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen, wenn er die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden ([X.]-Urteil vom 22.07.1997 - VIII R 13/96, [X.]E 184, 46, [X.] 1997, 767). Das Innehaben von (fälligen) Ansprüchen oder Rechten führt nach ständiger Rechtsprechung dagegen noch nicht zum Zufluss der Kapitaleinkünfte, da dieser grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben ist ([X.]-Urteile vom 20.10.2015 - VIII R 40/13, [X.]E 252, 260, [X.] 2016, 342, und vom 21.11.1989 - IX R 170/85, [X.]E 159, 72, [X.] 1990, 310). Ob der Steuerpflichtige im Einzelfall tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt hat, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und -würdigung, die dem [X.] obliegt (z.B. [X.]-Urteil vom [X.], [X.]E 229, 141, [X.] 2014, 147).

(2) Nach diesen Grundsätzen sind die Bonuszinsen dem Kläger erst im Streitjahr zugeflossen. Die Würdigung des [X.] in tatsächlicher Hinsicht, der Kläger habe vor dem Streitjahr noch keine wirtschaftliche Verfügungsmacht über die [X.] erlangt, ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens möglich und daher für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindend.

(a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] wurden die Bonuszinsen zusammen mit dem Bausparguthaben erst am 31.07. des [X.] dem Bausparkonto gutgeschrieben und an den Kläger ausgezahlt.

(b) Entgegen der Auffassung des [X.] führte der jährliche Ausweis der Bonuszinsen auf dem Bonuskonto noch nicht zu einem Zufluss i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG.

([X.]) Ein Zufluss durch Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten kommt nur in Betracht, wenn und soweit eine Zahlungsverpflichtung besteht. Aus der Art und Weise der Verbuchung kann der Gläubiger keine Ansprüche herleiten; ein Anspruch muss vielmehr vorausgesetzt werden, wenn es darum geht, ob der Schuldner durch eine bestimmte Buchung auf diesen Anspruch leisten und die Zahlung bewirken wollte ([X.]-Urteil vom 30.11.2010 - VIII R 40/08, [X.] 2011, 592, Rz 24). Im Streitfall wurde ein solcher Anspruch nicht dadurch bewirkt, dass die Bonuszinsen bei der Bausparkasse jährlich auf einem Bonuskonto "vermerkt" wurden. Denn nach den Feststellungen des [X.] entstand ein Anspruch auf die Bonuszinsen frühestens mit der Zuteilungsreife des Bausparvertrags und erforderte insbesondere einen Verzicht auf die Inanspruchnahme des Bauspardarlehens (§ 11a Abs. 1 [X.]). Der Kläger hat jedoch erst im Streitjahr auf die Inanspruchnahme des Bauspardarlehens verzichtet. Insbesondere liegt nach den Feststellungen des [X.] auch kein Verzicht schon bei Abschluss des Bausparvertrags vor. Ein vom Kläger schon zu diesem Zeitpunkt ausgesprochener Verzicht auf die Inanspruchnahme des Darlehens kann angesichts der in den Vertragsbedingungen enthaltenen Regelung, wonach dem Bausparer alle Wahlmöglichkeiten einschließlich der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens bis zur Zuteilung offen stünden, nicht unterstellt werden. Das [X.] hat bei seiner Würdigung insoweit rechtsfehlerfrei auf das Schreiben der [X.] vom 28.06.2013 an den Kläger abgestellt, wonach dem Kläger die Bonuszinsen in der angegebenen Höhe zustünden, wenn der Vertrag unter Verzicht auf das Bauspardarlehen aufgelöst werde, denn daraus ging hervor, dass der Kläger den Verzicht auf das Bauspardarlehen zu diesem Zeitpunkt noch nicht erklärt hatte.

([X.]) Entgegen der Auffassung des [X.] lässt sich ein jährlicher Zufluss der Bonuszinsen auch nicht aus der vereinbarten Verzinsung ableiten. Denn auch diese Verzinsung sollte erst im Falle eines Darlehensverzichts zum Tragen kommen (§ 11a Abs. 1 [X.]). Die Ausgestaltung der Verzinsung als eine auf den Vertragsbeginn rückbezogene Erhöhung der [X.] lässt deshalb nicht den Schluss zu, dass dem Kläger die Bonuszinsen auch bereits seit Vertragsschluss zustanden. Vor diesem Hintergrund ist die Würdigung des [X.], auch unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Bausparvertrags als Renditevertrag könne nicht davon ausgegangen werden, dass bereits zu Beginn der Laufzeit des Bausparvertrags ein Verzicht auf das Bauspardarlehen vereinbart worden sei und der Kläger über die Bonuszinsen bereits mit dem jährlichen Ausweis der [X.] auf dem Bonuskonto habe verfügen können, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis des [X.] auf das [X.]-Urteil vom 28.09.2011 - VIII R 10/08 ([X.]E 235, 361, [X.] 2012, 315) zum Zufluss von [X.] im Falle einer Gutschrift auf einem Sperrkonto. In dem der [X.]-Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die Klägerin Verfügungsberechtigte hinsichtlich des gutgeschriebenen Betrags ([X.]-Urteil in [X.]E 235, 361, [X.] 2012, 315, Rz 19). Im Streitfall hingegen bestand eine solche Verfügungsbefugnis des [X.] über die jährlich auf dem Bonuskonto vermerkten Beträge vor einem Verzicht auf die Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens und einer Auszahlung des Bausparguthabens nicht.

(c) Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass die Bonuszinsen dem Kläger auch nicht aufgrund einer Novation schon vor dem Streitjahr zugeflossen sind.

([X.]) Der Zufluss kann durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll. In einer solchen Schuldumwandlung (Novation) kann, wenn sie im Interesse des Gläubigers liegt, eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerrechtlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die [X.] durch Zahlung beglichen und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag in Erfüllung des neu geschaffenen [X.] dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte. Eine solche Novation kann auch dann in Betracht kommen, wenn der Steuerpflichtige die Wahl zwischen Auszahlung und Wiederanlage bereits vor der Entstehung und Fälligkeit der Kapitalerträge getroffen hat. Eine entsprechende Vereinbarung wirkt als "Vorausverfügung" auf die Zeitpunkte der späteren Wiederanlage fort (vgl. [X.]-Urteil vom [X.], [X.]E 171, 191, [X.] 1993, 499).

([X.]) Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Es fehlt bereits an dem Vorliegen einer Novationsvereinbarung zwischen dem Kläger und der [X.]. Außerdem führte der bloße Ausweis der [X.] auf dem Bonuskonto für den Fall des Verzichts des [X.] auf das Bauspardarlehen noch nicht zu einem Zinszahlungsanspruch, weshalb auch keine Veranlassung für eine Schuldumschaffung bestand. Der Kläger hat auch nicht bereits bei Vertragsabschluss im Wege einer "Vorausverfügung" eine Entscheidung über die Wiederanlage zukünftiger Zinsgutschriften getroffen. Denn dafür hätte er zumindest die Möglichkeit haben müssen, sich frei zwischen der jährlichen Auszahlung und der Wiederanlage der Bonuszinsen zu entscheiden (vgl. [X.]-Urteil in [X.] 2011, 592). Das war vorliegend nicht der Fall. Nach den Feststellungen des [X.] bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Möglichkeit hatte, den Bausparvertrag mit einem anderen als dem von der [X.] angebotenen Inhalt abzuschließen. Der konkrete Vertragsinhalt war durch die vorformulierten allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgegeben. Danach hatte der Kläger nicht die Wahl zwischen Sparverträgen mit oder ohne Auszahlung jährlich fällig werdender Bonuszinsen.

ccc) [X.] unterlagen danach in Höhe von 24.714,70 € im Streitjahr der Besteuerung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (vgl. § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG). Sie waren gemäß § 32d Abs. 3 EStG mangels [X.] zu erklären und im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des [X.] zu berücksichtigen.

2. Der Einkommensteuerbescheid vom 18.12.2014 erging auch, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, rechtzeitig innerhalb der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Denn diese begann im Streitfall gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] mit Ablauf des 31.12.2014 und endete gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] mit Ablauf des 31.12.2018.

3. Die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge einer unzureichenden Sachaufklärung durch das [X.] (§ 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) hat der Senat geprüft. Er erachtet sie nicht für durchgreifend und sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 [X.]O).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 18/20

15.11.2022

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 3. Juni 2020, Az: 4 K 242/18, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2009, § 173 Abs 1 Nr 1 AO, EStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.11.2022, Az. VIII R 18/20 (REWIS RS 2022, 9019)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9019

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