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Bund-Länder-Streit: Schadensersatzforderung des Bundes gegen ein Land wegen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung von Bundesgeldern
Leitsatz:
Zum Beginn der Frist des § 69 i.V.m. § 64 Abs. 3 [X.]
[X.]
- 2 [X.]/95 -
daß der [X.] gegen Artikel 20 Absatz 1, Artikel 85 in Verbindung mit Artikel 87b Absatz 2, Artikel 93 Absatz 1 Nummer 3, Artikel 104a Absatz 5 und Artikel 109 Absatz 1 des Grundgesetzes verstoßen und dadurch Rechte des [X.] [X.] aus dem Grundgesetz verletzt hat, indem - gestützt auf Artikel 104a Absatz 5 des Grundgesetzes als unmittelbare Anspruchsgrundlage -
a) | die [X.]esrepublik Deutschland, vertreten durch den Präsidenten des [X.]esamtes für Zivilschutz, das Land [X.] durch Klage beim [X.]esverwaltungsgericht auf Zahlung von 122.200,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 5. Mai 1992 [X.]um Zug gegen die Abtretung des Schadensersatzanspruchs des [X.]es gegen Herrn [X.] in Anspruch genommen, ein entsprechendes Urteil erstritten und das Land damit der Vollstreckung aus dem Urteil ausgesetzt hat und nunmehr auf der Grundlage dieses Urteils Zahlung verlangt, |
b) | das [X.]esverwaltungsgericht mit Urteil vom 2. Februar 1995 (BVerwG 2 A 5.92) zu Lasten des [X.] [X.] antragsgemäß entschieden hat. |
Antragstellerin: [X.]regierung
[X.],
vertreten durch den Ministerpräsidenten,
Haroldstraße 5, Düsseldorf
Antragsgegnerin: [X.]esregierung, vertreten
durch den
[X.]eskanzler, [X.],
Bonn
hat das [X.] - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der [X.]innen und [X.]
Präsidentin [X.],
Kirchhof,
Winter,
[X.],
Jentsch,
Hassemer,
Broß,
Osterloh
am 20. Januar 1999 gemäß § 24 [X.] beschlossen:
Die Anträge werden verworfen.
Der [X.]-Länder-Streit betrifft die Frage, ob der [X.] das Land [X.] gemäß [ref=5b27f3a7-9042-4279-8244-6ce205c16272]Art. 104a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz [X.]] auf Schadensersatz für eine nicht ordnungsgemäße Verwaltung von [X.]esgeldern in Anspruch nehmen kann.
Beim Amt für Feuer- und Zivilschutz der nordrhein-westfälischen Stadt [X.] war ein Beamter tätig, zu dessen Aufgaben es gehörte, Gelder des [X.]es für Zivilschutzübungen anzufordern, Auszahlungsanordnungen seines Vorgesetzten vorzubereiten, entsprechende Geldbeträge in Empfang zu nehmen und sodann an die jeweiligen Berechtigten weiterzuleiten. Nach der einschlägigen Regelung des Katastrophenschutzgesetzes in der hier anzuwendenden Fassung von Art. 5 des Gesetzes vom 13. Juni 1986 ([X.]) trägt der [X.] die Kosten, die den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden durch das Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes, durch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften aufgrund dieses Gesetzes und durch Weisungen der zuständigen [X.]esbehörde entstehen (ausgenommen persönliche und sächliche Verwaltungskosten).
Der städtische Beamte erstellte in mehreren Fällen Auszahlungsanordnungen, unterschrieb diese mit dem Namen seines Vorgesetzten und ließ sich die jeweiligen Beträge auszahlen. Er veruntreute auf diese Weise vom [X.] zugewiesene Haushaltsmittel in Höhe von 122.200,-- DM und wurde deshalb zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Beamte ist zwischenzeitlich aus dem öffentlichen Dienst entlassen.
Die Stadt erließ zur Durchsetzung der Rückforderungsansprüche gegen den Beamten einen Leistungsbescheid. Die [X.]esrepublik Deutschland erwirkte darüber hinaus gegen ihn einen Mahnbescheid und nachfolgend einen Vollstreckungsbescheid in Höhe des veruntreuten Betrages. Die auf Art. 104a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz [X.] gestützte Regreßforderung des [X.]esamtes für Zivilschutz gegen das Land [X.] auf Zahlung von Schadensersatz wegen Veruntreuung zugewiesener Haushaltsmittel lehnte die [X.]regierung als unbegründet ab.
Daraufhin erhob die [X.]esrepublik Deutschland (vertreten durch den Präsidenten des [X.]esamtes für Zivilschutz) am 5. Mai 1992 gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Klage zum [X.]esverwaltungsgericht und beantragte, das [X.][X.] zur Zahlung von 122.200,-- DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen die Abtretung ihres Schadensersatzanspruchs gegen den betreffenden Beamten zu verurteilen. Das [X.]esverwaltungsgericht entsprach dem Begehren antragsgemäß (Urteil vom 2. Februar 1995 - BVerwG 2 A 5.92). Es stützte sein Erkenntnis in dem für den vorliegenden Verfassungsrechtsstreit maßgeblichen Begründungsteil auf die Erwägung, [[X.]-4421-4d28-9cef-e85c1a46d46c]Art. 104a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz [X.]] enthalte - ohne das nicht ergangene Gesetz nach Satz 2 - einen mit unmittelbarer Geltungskraft ausgestalteten Haftungskern. Hiernach könnten aber nur schwerwiegende, vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Pflichtverletzungen erfaßt sein. Das sei vorliegend der Fall.
1. Am 30. Juli 1995 leitete die Antragstellerin gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 [X.] einen [X.]-Länder-Streit beim [X.] mit den im Rubrum aufgeführten Anträgen ein.
a) Zur Rechtzeitigkeit der Anträge (§ 69 i.V.m. § 64 Abs. 3 [X.]) trägt sie vor: Die Frist für den Antrag zu a) beginne nicht vor Verkündung des angegriffenen Urteils des [X.]esverwaltungsgerichts. Erst durch die antragsgemäße Verurteilung des [X.] sei eine endgültige Verletzung seiner Rechte eingetreten. Die Klageerhebung entfalte hingegen nur vorläufige Rechtswirkungen.
[X.]) angegriffene Urteil des [X.]esverwaltungsgerichts sei am 2. Februar 1995 verkündet worden. Auch dieser Antrag sei sonach rechtzeitig gestellt.
b) Die Anträge beträfen rechtserhebliche Maßnahmen des [X.]es. Der Antrag zu a) richte sich gegen die Klageerhebung und das Erstreiten des Urteils des [X.]esverwaltungsgerichts sowie gegen das hierauf gestützte Zahlungsverlangen des [X.]es. Soweit der Klageerhebung für sich genommen erst vorbereitender Charakter zukomme, entfalle dieser, sobald das mit der Klageerhebung angestrengte materielle Ziel durch eine antragsgemäße Verurteilung erreicht sei. Jedenfalls aber liege eine rechtserhebliche Maßnahme spätestens darin, daß der [X.] - gestützt auf den erstrittenen Titel - Zahlung begehrt habe.
Das gemäß dem Antrag zu b) der Klage stattgebende Urteil des [X.]esverwaltungsgerichts könne ebenfalls zum Gegenstand eines [X.]-Länder-Streits gemacht werden.
Dieser Rechtsstreit sei verfassungsrechtlicher Natur. Sein Gegenstand betreffe nicht allein den konkret vom [X.] geltend gemachten Ersatzanspruch, sondern auch das Verhalten des [X.]es, Schadensersatzansprüche gemäß [ref=f1b4cfaa-3d56-4b16-ae7e-f809e3e3b352]Art. 104a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz [X.]] für eine angeblich nicht ordnungsmäßige Verwaltung der Länder im Auftrag des [X.]es vor dem [X.]esverwaltungsgericht zu erstreiten, ohne daß für einen solchen Anspruch die nach Art. 104a Abs. 5 Satz 2 [X.] notwendige gesetzliche Grundlage bestehe. [X.] und [X.]stritten sonach über einen Anspruch, dessen rechtliche Grundlage im Verfassungsrecht wurzele. Der konkrete verwaltungsrechtliche Anlaß für die Streitigkeit trete demgegenüber in den Hintergrund. Es sei zwar zutreffend, daß Streitigkeiten über derartige Ersatzansprüche aus einer nicht ordnungsmäßigen Verwaltung [X.] angehörten. Solange der [X.]esgesetzgeber jedoch das von Verfassungs wegen gemäß Art. 104a Abs. 5 Satz 2 [X.] zwingend vorgesehene [X.]esgesetz zur näheren Regelung dieser Haftung nicht erlassen habe, gehe es allein um die Frage, ob der [X.] überhaupt - gestützt auf diese Verfassungsnorm - eine Haftung des [X.] durchsetzen könne. Eine solche Meinungsverschiedenheit über die Reichweite grundgesetzlicher Regelungen zu den Rechtsbeziehungen zwischen [X.] und Ländern sei verfassungsrechtlicher Natur. Entgegen der vom [X.]esverwaltungsgericht vertretenen Auffassung biete [ref=00860756-9b1e-4126-a792-cd2ff08a6eee]Art. 104a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz [X.]] keine unmittelbare Anspruchsgrundlage für die Schadensersatzforderung des [X.]es.
2. Die Antragsgegnerin hält die Anträge für unzulässig und beantragt deren Verwerfung.
Sie vertritt die Auffassung, die Antragsfrist habe mit der Klageerhebung begonnen und sei deshalb inzwischen abgelaufen. Im übrigen handele es sich um keine verfassungsrechtliche Streitigkeit; denn ihre Grundlage liege im einfachen Gesetzesrecht. Der Rechtsstreit betreffe allein die Frage, welche Rechtsfolgen sich in einem konkreten Fall aus dem fehlerhaften Vollzug des Katastrophenschutzgesetzes durch einen [X.]bediensteten ergäben. Zudem enthalte [ref=77464558-0721-419b-a454-3c93404254e1]Art. 104a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz [X.]] eine unmittelbar anwendbare Anspruchsgrundlage für die Schadensersatzforderung des [X.]es.
3. Das [X.] hat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die [X.]regierung von [X.] teilt die Auffassung der Antragstellerin. Der Präsident des [X.]esverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des [X.] des [X.]esverwaltungsgerichts übersandt. In dieser wird auf die Erwägungen des hier auch angegriffenen Urteils sowie auf die des Urteils vom 18. Mai 1994 in [X.], 45 ff. verwiesen.
Die Anträge sind unzulässig; die Antragstellerin hat die in § 69 i.V.m. § 64 Abs. 3 [X.] bestimmte Frist zur Stellung der Anträge versäumt. Andere Fragen der Zulässigkeit, insbesondere die der Überprüfbarkeit von Gerichtsentscheidungen im [X.]-Länder-Streit, bedürfen deshalb nicht der Erörterung.
1. Die Antragstellerin hat versäumt, den Antrag binnen sechs Monaten zu stellen, nachdem ihr die beanstandete Maßnahme bekanntgeworden ist. Die gesetzliche Frist begann am [X.] durch die [X.]esrepublik Deutschland im [X.]-Länder-Streit vor dem [X.]esverwaltungsgericht, sonach am 5. Mai 1992, und war deshalb bei Eingang der Antragsschrift vom 30. Juli 1995 beim [X.] am 1. August 1995 abgelaufen.
2. Eine rechtserhebliche Maßnahme im Sinne des § 69 i.V.m. § 64 Abs. 1 [X.] ist allenfalls die Klageerhebung gegen die Antragstellerin zum [X.]esverwaltungsgericht; denn der [X.] berühmt sich hiermit eines auf Art. 104a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz [X.] gestützten und damit im Verfassungsrecht wurzelnden Anspruchs gegen die Antragstellerin. Schon mit der Klageerhebung zum [X.]esverwaltungsgericht ist zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin ein konkretes Prozeßrechtsverhältnis begründet worden. Verfassungsrechtlich hat die Antragstellerin insoweit die Frage aufgeworfen, ob [[X.]-4655-bcf5-773e573b07a4]Art. 104a Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz [X.]] eine unmittelbare Anspruchsgrundlage für das Begehren des [X.]es bietet, obwohl ein Gesetz gemäß Art. 104a Abs. 5 Satz 2 [X.] nicht ergangen ist. Eine Verletzung der von der Antragstellerin für sich in Anspruch genommenen Verfassungsrechtsposition wäre deshalb schon mit der Einleitung des Rechtsstreits beim [X.]esverwaltungsgericht und nicht erst mit dem jenen Rechtsstreit abschließenden Urteil oder durch weitere nachfolgende Maßnahmen der Antragsgegnerin eingetreten (vgl. hierzu [X.] 94, 351 <364>).
Dem Zahlungsbegehren, einer etwaigen Vollstreckung aus dem der Antragsgegnerin günstigen Urteil und diesem selbst kommt keine Bedeutung für einen verfassungsrechtlichen [X.]-Länder-Streit zu. Insoweit geht es nur um einen verwaltungsrechtlichen Anspruch auf Schadensersatz und seine Durchsetzung, nicht aber um verfassungsrechtliche Fragen, die zum Gegenstand eines [X.]-Länder-Streits im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gemacht werden könnten. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch über 122.200,-- DM nebst Zinsen fußt wegen seiner Voraussetzungen im übrigen ausschließlich auf Regelungen des einfachen Rechts, so etwa auf den Vorschriften des Katastrophenschutzgesetzes in Verbindung mit den hierzu erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Mit solchen Fragen hat sich das [X.] nicht zu befassen ([X.] 18, 85 <92 f.>).
Die Frist des § 69 i.V.m. § 64 Abs. 3 [X.] ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s eine Ausschlußfrist, nach deren Ablauf Rechtsverletzungen
nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl. hierzu [X.] 24, 252 <257 ff.>; 71, 299 <304>; 92, 80 <89>).
[X.] | Kirchhof | Winter |
[X.] | Jentsch | Hassemer |
Broß | Osterloh |
Meta
20.01.1999
Sachgebiet: BvG
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 20.01.1999, Az. 2 BvG 2/95 (REWIS RS 1999, 29)
Papierfundstellen: REWIS RS 1999, 29 BVerfGE 99, 361-366 REWIS RS 1999, 29
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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