Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.05.2010, Az. I R 65/09

1. Senat | REWIS RS 2010, 6488

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Gegenstand

Rechnungsabgrenzung für Kfz-Steueraufwand - Berichtigung eines objektiv falschen Bilanzansatzes


Leitsatz

Für in einem Wirtschaftsjahr gezahlte Kfz-Steuer ist ein Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren, soweit die Steuer auf die voraussichtliche Zulassungszeit des Fahrzeugs im nachfolgenden Wirtschaftsjahr entfällt .

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für [X.] ([X.]) ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten ([X.]) gebildet werden muss, soweit die gezahlte Steuer auf die voraussichtliche Zulassungszeit von Fahrzeugen im nachfolgenden Wirtschaftsjahr entfällt.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt eine Spedition in der Rechtsform der GmbH. Für das Streitjahr 2002 machte sie in ihrem Jahresabschluss 97.984,94 € [X.] als Betriebsausgaben geltend. Davon entfielen rechnerisch 43.797 € auf die Zulassungszeit der Fahrzeuge im nachfolgenden Wirtschaftsjahr.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) war der Auffassung, in Höhe des Betrags von 43.797 € sei ein aktiver [X.] zu bilden, so dass er den Gewinn der Klägerin im Streitjahr entsprechend erhöhte.

4

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg (Urteil des [X.] --FG-- vom 25. Februar 2009 I 443/06, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 1738).

5

Das [X.] rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Für die gezahlten [X.] ist ein aktiver [X.] in Höhe des Betrages zu bilden, der auf das Halten der Fahrzeuge zum Verkehr auf öffentlichen Straßen im nachfolgenden Wirtschaftsjahr entfällt.

8

1. Gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 i.V.m. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) ist ein [X.] zu aktivieren, wenn und soweit Ausgaben vor dem Abschlussstichtag vorliegen, die Aufwand für eine bestimmte [X.] nach diesem Tag darstellen. Dies gilt gemäß § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes auch für Zwecke der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags.

9

Die Entrichtung der [X.] war in dem vom [X.] angenommenen Umfang Aufwand der Klägerin für eine bestimmte [X.] nach diesem Tag. "Aufwand für eine bestimmte [X.]" ist grundsätzlich in dem Sinne zu verstehen, dass einer Vorleistung eine noch nicht erbrachte zeitraumbezogene Gegenleistung gegenübersteht (vgl. [X.]surteil vom 4. Mai 1977 [X.], [X.], 20, [X.] 1977, 802; Urteile des [X.] --[X.]-- vom 6. April 1993 VIII R 86/91, [X.], 221, [X.] 1993, 709; vom 19. Juni 1997 [X.], [X.], 484, [X.] 1997, 808, jeweils m.w.[X.]). § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 betrifft zwar typischerweise Vorleistungen im Rahmen eines gegenseitigen [X.] ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs; die Vorschrift ist aber nicht auf synallagmatische schuldrechtliche Leistungen beschränkt (vgl. [X.]surteile vom 24. Juli 1996 [X.], [X.], 64, [X.] 1997, 122; vom 29. November 2006 [X.], [X.], 159, [X.] 2009, 955; [X.]sbeschluss vom 7. April 2010 [X.], [X.], 1339, [X.], 533, m.w.[X.]). Vielmehr reicht es für eine Rechnungsabgrenzung aus, wenn mit der Vorleistung ein Verhalten erwartet wird, das wirtschaftlich als Gegenleistung für die Vorleistung aufgefasst werden kann (vgl. [X.]-Urteile vom 17. September 1987 [X.], [X.], 386, [X.] 1988, 327; vom 5. April 1984 IV R 96/82, [X.], 31, [X.] 1984, 552; [X.]sbeschluss in [X.], 1339).

Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist auch die gezahlte Kfz-Steuer, soweit sie auf die voraussichtliche Zulassungszeit von Fahrzeugen im nachfolgenden Kalenderjahr entfällt, aktiv abzugrenzen (ebenso Urteil des [X.] vom 6. November 2008  9 K 2244/04, [X.]Entscheidungsdienst 2010, 329; [X.], Unternehmensteuern und Bilanzen 2010, 81; [X.]. auch [X.], [X.] 2010, 160).

a) Der Kfz-Steuer unterliegt grundsätzlich das Halten inländischer Fahrzeuge zum Verkehr auf öffentlichen Straßen (zu Sonderfällen vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 4 des [X.]), das mit der verkehrsrechtlichen Zulassung des Fahrzeugs beginnt und nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG bis zu dessen verkehrsrechtlicher Abmeldung andauert. Der [X.] wird durch das fortdauernde Halten des Kraftfahrzeugs verwirklicht. Die Kfz-Steuer entsteht vorbehaltlich des § 5 Abs. 1 Nr. 1 letzter Halbsatz KraftStG tageweise (vgl. zum Ganzen [X.]-Urteil vom 16. November 2004 [X.]/03, [X.], 371, [X.] 2005, 309). Von dem Entstehen der [X.] unterscheidet die Rechtsprechung die Steuerzahlungsschuld, die mit Beginn des jeweiligen [X.] (§ 6 KraftStG) entsteht. [X.] ist nach § 11 Abs. 1 KraftStG ein Jahreszeitraum, da die Steuer grundsätzlich für die Dauer eines Jahres im Voraus zu leisten ist (zu Sonderfällen vgl. § 11 Abs. 2 bis 4 KraftStG). Es handelt sich um eine gesetzlich vorgeschriebene Vorauszahlung auf eine noch nicht entstandene Steuer (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 371, [X.] 2005, 309).

Aus dieser Systematik des [X.] wird deutlich, dass es sich bei der im Streitfall für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG entrichtete Kfz-Steuer in Höhe von 43.797 € um Ausgaben vor dem Abschlussstichtag 31. Dezember 2002 handelt, die Aufwand für eine bestimmte [X.] nach diesem Tag darstellen. Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] lässt sich die [X.]bestimmung auch bei der Kfz-Steuer feststellen, da es nicht auf die zeitlich unbegrenzte Festsetzung der Steuer, sondern auf die zeitlich begrenzte Festsetzung der [X.] für die Dauer eines Jahres im Voraus ankommt.

b) Soweit das [X.] die Aktivierung eines [X.] ablehnt, weil einer Steuer i.S. des § 3 der Abgabenordnung ([X.]) keine Gegenleistung gegenüber stehe, ist dies unerheblich. Es kommt allein darauf an, dass die Kfz-Steuer für das berechtigte Halten von Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen [X.] auf die Dauer der Zulassung des Fahrzeugs und jährlich im Voraus erhoben wird. Dieser Zusammenhang reicht für die Bilanzierung eines [X.] aus. Es bedarf keiner unmittelbaren zivil- oder öffentlich-rechtlichen Verknüpfung der gezahlten Abgaben mit einer Leistung der öffentlichen Hand. Unerheblich ist daher, dass weder die Zulassung eine rechtliche Gegenleistung für die Zahlung der Kfz-Steuer ist noch die öffentliche Hand durch die Zahlung der Steuer eine rechtliche Verpflichtung gegenüber dem Steuerpflichtigen eingeht. Allerdings kann die Zulassung nach § 14 KraftStG entzogen werden, wenn die Steuer nicht entrichtet wird. Auch hat der Steuerpflichtige im Falle der vorzeitigen Beendigung der Steuerpflicht gemäß § 37 Abs. 2 [X.] einen Anspruch auf Rückzahlung der auf die nach Beendigung der Steuerpflicht entfallenden Beträge (Neufestsetzung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG). Dies verdeutlicht, dass die Zahlung der Kfz-Steuer mit dem berechtigten Halten von Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang steht (vgl. [X.], Die steuerliche Betriebsprüfung --[X.]-- 1970, 249, 259; vgl. auch [X.], [X.] --[X.]-- Fach 17a, S. 735 f.; [X.] in [X.] [X.], EStG, § 5 Rz [X.]).

Dass auch die widerrechtliche Benutzung von Fahrzeugen zur Besteuerung führt, ist für die Rechnungsabgrenzung im Streitfall unerheblich, da es sich insofern um einen anderen Steuergegenstand handelt.

2. Das [X.] ist nicht an die von der Klägerin bei der Bilanzaufstellung vertretene Rechtsauffassung, ein [X.] sei nicht zu aktivieren, gebunden. Zwar ist Ausgangspunkt für die steuerliche Gewinnermittlung die von der Klägerin beim [X.] eingereichte ([X.]. Von dieser darf (und muss) das [X.] nur abweichen, wenn und soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002) oder den zwingenden bilanzrechtlichen Vorgaben des Einkommensteuergesetzes nicht entspricht (vgl. [X.]surteil vom 5. Juni 2007 [X.], [X.], 221, [X.] 2007, 818; [X.]sbeschluss vom 7. August 2008 [X.]/07, [X.], 2053). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein objektiv falscher [X.] nur unter der weiteren Voraussetzung fehlerhaft, dass der Steuerpflichtige den Fehler nach den Erkenntnismöglichkeiten eines ordentlichen Kaufmanns im [X.]punkt der Bilanzaufstellung --bezogen auf die am Bilanzstichtag objektiv bestehenden Verhältnisse-- erkennen konnte. Dieser sog. subjektive Fehlerbegriff gilt nach bisheriger Rechtsprechung nicht nur für Tatsachenerkenntnisse, sondern auch für die Beurteilung von Rechtsfragen (z.B. [X.]-Urteile vom 14. August 1975 IV R 30/71, [X.]E 117, 44, [X.] 1976, 88; vom 12. November 1992 IV R 59/91, [X.]E 170, 217, [X.] 1993, 392, sowie [X.]surteile vom 5. April 2006 [X.], [X.]E 213, 326, [X.] 2006, 688; vom 23. Januar 2008 [X.]/07, [X.]E 220, 361, [X.] 2008, 669). Für die Fälle, in denen die Rechtslage zum [X.]punkt der Bilanzaufstellung ungeklärt ist, weil noch keine Rechtsprechung zu der in Rede stehenden Bilanzierungsfrage ergangen ist, hat der [X.] deshalb entschieden, dass dann jede der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende Bilanzierung als "richtig" anzusehen ist (vgl. [X.]surteile in [X.]E 213, 326, [X.] 2006, 688; in [X.], 221, [X.] 2007, 818; vom 17. Juli 2008 [X.]/07, [X.]E 222, 418, [X.] 2008, 924). An den in diesem Sinn zum [X.]punkt der Bilanzaufstellung subjektiv "richtigen" [X.] ist das [X.] gebunden, auch wenn die Rechtsfrage nach diesem [X.]punkt durch eine höchstrichterliche Entscheidung im gegenteiligen Sinne entschieden worden ist ([X.]surteil in [X.], 221, [X.] 2007, 818).

Ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist (dazu [X.]sbeschluss in [X.], 1339), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn nach Maßgabe dieser Rechtsprechung hat die Klägerin durch das Unterlassen der Bildung eines aktiven [X.] eine der kaufmännischen Sorgfalt nicht entsprechende Entscheidung getroffen. Bis zum Ergehen des angefochtenen [X.]-Urteils war die Frage der Aktivierung eines [X.] für vorausbezahlte Kfz-Steuer nicht streitig, sondern entsprach im [X.] an das [X.]-Urteil vom 10. Juli 1970 III R 112/69 ([X.]E 100, 110, [X.] 1970, 779) der gängigen Bilanzierungspraxis (vgl. [X.], [X.] 1969/70, [X.], 262; [X.], Der Betrieb 1970, 1798; [X.], [X.] 1970, 249, 259; [X.], [X.] Fach 17a, S. 735 f.; [X.], Betriebs-Berater 1984, 246, 247; [X.], Steuer und Studium 1985, 131, 136; [X.], Praxishandbuch der Rechnungslegung und Prüfung, 2. Aufl., 1995, S. 1354; [X.] in [X.][X.], a.a.[X.], § 5 Rz [X.]; [X.] in [X.] Kommentar zum [X.], 2. Aufl., 2003, § 250 HGB Rz 12; a.A. nur [X.]/Walz, HGB, 2. Aufl., 1999, § 250 Rz 6). Angesichts dessen kann für den [X.]punkt der von der Klägerin aufgestellten Bilanz am 22. August 2003 davon ausgegangen werden, dass die Pflicht zur Aktivierung eines [X.] für vorausbezahlte Kfz-Steuer nicht zweifelhaft war.

Meta

I R 65/09

19.05.2010

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 25. Februar 2009, Az: I 443/06, Urteil

§ 5 Abs 5 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 4 Abs 2 S 1 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.05.2010, Az. I R 65/09 (REWIS RS 2010, 6488)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6488


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I K 1/10

Bundesfinanzhof, I K 1/10, 12.01.2011.


Az. I R 65/09

Bundesfinanzhof, I R 65/09, 19.05.2010.


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