Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.08.2020, Az. XIII ZB 101/19

13. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1122

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Gegenstand

Abschiebungshaftsache: Zweifel an der Volljährigkeit des Betroffenen


Leitsatz

1. Kann nicht zuverlässig ausgeschlossen werden, dass der Betroffene minderjährig ist, darf Abschiebungshaft nur unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 3 AufenthG angeordnet werden.

2. Zweifel an der Volljährigkeit des Betroffenen werden nicht bereits dadurch begründet, dass dieser angibt, minderjährig zu sein. Ist diese Angabe aufgrund der Umstände und nach dem Erscheinungsbild des Betroffenen offenkundig falsch, sind weitere Ermittlungen zum Alter des Betroffenen nicht erforderlich. Liegt eine Volljährigkeit des Betroffenen hingegen nicht klar zutage, ist eine weitere Aufklärung erforderlich. Dabei hat sich der Tatrichter insbesondere auch mit von der eigenen Einschätzung abweichenden Einschätzungen fachkundiger Behörden auseinanderzusetzen. Urkundliche Nachweise sind daraufhin zu überprüfen, ob der beurkundete Sachverhalt und dessen Zuordnung zur Person des Betroffenen eindeutig sind.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des [X.] - 2. Zivilkammer - vom 22. Mai 2019 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 6. Dezember 2018 die Betroffene bis zu der am 3. Januar 2019 erfolgten Abschiebung in ihren Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Betroffenen in allen Instanzen werden dem [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000 €.

Gründe

1

I. Die Betroffene reiste nach eigenen Angaben am 3. März 2017 in das [X.] ein und stellte am 21. Juni 2017 einen Asylantrag. Dabei gab sie ihre Identität mit [X.].   , geboren am 12. September 2001 in [X.] ([X.]) an. Nachdem sich anhand ihrer Fingerabdrücke ein Treffer in der [X.] ergeben hatte, wurden die Personalien der Betroffenen geändert in [X.]     Ab.     , geboren am 19. Januar 1992 in [X.] ([X.]). Mit einem auf diese Personalien lautenden [X.] Reisepass hatte die Betroffene am 15. November 2016 von der [X.] Botschaft in [X.] ein Kurzaufenthaltsvisum erhalten.

2

Am 4. April 2017 bestellte das [X.] das [X.] zum Vormund der Betroffenen. Diese Behörde hielt das Geburtsjahr 1992 bei der Betroffenen nicht für schlüssig und ging von ihrer Minderjährigkeit aus.

3

Mit Bescheid vom 28. Februar 2018 lehnte das [X.] den Asylantrag der Betroffenen ab und drohte ihre Abschiebung nach [X.] an. Am 21. März 2018 ordnete das [X.] auf Antrag der Betroffenen die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsanordnung an. Das Verwaltungsgericht folgte der Einschätzung des [X.], als Geburtsjahr der Betroffenen sei 2001 stimmiger als 1992.

4

Anhand einer von der [X.] Botschaft in [X.] übersandten Kopie des bei der Visumserteilung vorgelegten [X.] Reisepasses bat die beteiligte Behörde die dafür zuständige Zentrale [X.] um Feststellung der Identität der Betroffenen. Das [X.] bestätigte mit [X.] vom 27. Juni 2018, dass Ab.     [X.]    , geboren am 19. Januar 1992, [X.] Staatsangehörige sei. Die [X.] Botschaft in [X.] stellte ein Passersatzpapier auf diese Personalien mit Gültigkeit bis zum 4. Januar 2019 aus. Daraufhin hob das [X.] am 30. Juli 2018 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung auf.

5

Eine für den 12. September 2018 geplante Abschiebung nach [X.] scheiterte an erheblichen Widerstandshandlungen der Betroffenen. Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das [X.] am 13. September 2018 [X.] gegen die Betroffene bis längstens 5. Dezember 2018 an. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg.

6

Auch die zweite, für den 3. Dezember 2018 geplante Abschiebung mit Arzt- und Sicherheitsbegleitung scheiterte am passiven Widerstand der Betroffenen. Sie musste ins Flugzeug getragen werden und fing nach Einnahme des Sitzplatzes an zu schreien, so dass der Luftfahrzeugführer ihre Mitnahme ablehnte. Die beteiligte Behörde beantragte daraufhin am 4. Dezember 2018 beim [X.], die Anordnung von [X.] bis zum Ablauf des 4. Januar 2019 zu verlängern.

7

Am 6. Dezember 2018 ordnete das Amtsgericht antragsgemäß die Verlängerung der [X.] bis 4. Januar 2019 an. Am 3. Januar 2019 wurde die Betroffene nach [X.] abgeschoben.

8

Das [X.] hat die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 6. Dezember 2018 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

9

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, das Amtsgericht habe zu Recht gegen die Betroffene Haft bis zum 4. Januar 2019 angeordnet. Zweifel an der Volljährigkeit der Betroffenen bestünden nicht. Die von der Betroffenen übergebenen Schulzeugnisse ließen auf ihre Volljährigkeit schließen. Aus der abweichenden Jahreszählung des [X.] Kalenders ergebe sich nichts anderes. Entscheidend sei jedenfalls, dass die Betroffene von ihrem Heimatland unter den in ihrem Reisepass ersichtlichen Daten habe identifiziert werden können. Der über einen im Gerichtsbezirk bekannten, großen persönlichen Erfahrungsschatz in [X.] verfügende Haftrichter habe überzeugend dargelegt, dass und wie er bei der Anhörung der Betroffenen am 6. Dezember 2018 zu dem Ergebnis gelangt sei, die Betroffene sei volljährig. Soweit man dem Einwand der Betroffenen folgen wolle, sie habe zur Erlangung eines Visums fremde Papiere benutzt und sich älter schminken lassen, beweise dies die von ihr begangene Identitätstäuschung. Die von der Betroffenen vorgelegte Geburtsurkunde sei kein geeigneter Identitätsnachweis, da die Umstände ihrer Beantragung unklar seien und [X.] zu den Ländern mit einem unzuverlässigen Urkundenwesen zähle. Die Betroffene sei sowohl durch Lichtbild- als auch durch [X.] identifiziert worden, was eine hohe Qualität der Identifizierung gewährleiste.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht einen Verstoß des [X.] und des [X.] gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG), weil sie keine ausreichenden Ermittlungen zur Frage der Minderjährigkeit der Betroffenen angestellt haben.

a) Sollte Geburtsdatum der Betroffenen, wie von ihr bekundet, der 12. September 2001 sein, wäre sie nach dem gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 [X.] maßgeblichen § 2 BGB bei Haftanordnung am 13. September 2018 noch minderjährig gewesen. [X.] hätte gegen sie nach § 62 Abs. 1 Satz 3 [X.] nur in einem - hier nicht festgestellten - besonderen Ausnahmefall und nur solange angeordnet werden dürfen, wie das unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen gewesen wäre.

Bestehen Zweifel an der Volljährigkeit des Betroffenen, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG den Sachverhalt aufzuklären.

Solche Zweifel werden allerdings nicht bereits dadurch begründet, dass der Betroffene angibt, minderjährig zu sein, oder nur ein Geburtsjahr nennt, aus dem sich auf seine Minderjährigkeit schließen lässt. Ist diese Angabe aufgrund der Umstände und nach dem Erscheinungsbild des Betroffenen offenkundig falsch - was von dem Haftrichter zu begründen ist -, sind weitere Ermittlungen zum Alter des Betroffenen nicht erforderlich ([X.], Beschluss vom 23. Juni 2020 - [X.]/19, juris Rn. 13). Liegt eine Volljährigkeit des Betroffenen hingegen nicht klar zutage, ist eine weitere Aufklärung erforderlich. Dafür sind die nach § 49 Abs. 3 i.V.m. Abs. 6 [X.] vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen, wobei hohe Anforderungen an die Ausfüllung des Amtsermittlungsgrundsatzes zu stellen sind. Im Zweifel ist zugunsten des Betroffenen von seiner Minderjährigkeit auszugehen (st. Rspr., vgl. nur [X.], Beschluss vom 12. Februar 2015 - [X.], [X.] 2015, 238 Rn. 7; Beschluss vom 10. August 2018 - [X.] 123/18, [X.] 2019, 26 Rn. 10).

b) Nach diesen Grundsätzen bestanden begründete Zweifel an der Volljährigkeit der Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Haftanordnung, die durch die Erwägungen des [X.] nicht ausgeräumt werden.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] reicht eine Einschätzung des [X.], der Betroffene sei volljährig, in der Regel nicht aus, um ein sicheres Bild zu gewinnen, selbst wenn diese Einschätzung auf ein großes Erfahrungswissen gestützt ist ([X.], [X.] 2015, 238 Rn. 7; [X.] 2019, 26 Rn. 10). Diese Regel hatte hier umso mehr Gewicht, als das Jugendamt der beteiligten Behörde im April 2017 von der Minderjährigkeit der Betroffenen ausging und auch das Jugendamt [X.] nach einer Inaugenscheinnahme der Betroffenen am 7. Dezember 2018 ihre Minderjährigkeit nicht zweifelsfrei ausschließen konnte, sondern eine medizinische Alterseinschätzung befürwortete. Diese Einschätzung des [X.] [X.] war darauf gestützt, dass es sich bei der Betroffenen nach äußerem Erscheinungsbild und Gesichtshaut um eine zierliche, jugendlich wirkende Person mit einem schlanken, mädchenhaften Körperbau in einer pubertären Entwicklung handele; auch Interaktion und Kommunikation wirkten kindlich-jugendlich.

bb) Allerdings hat der Haftrichter in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 21. Dezember 2018 ausgeführt, aufgrund der Anhörung der Betroffenen am 6. Dezember 2018 einen anderen Eindruck gewonnen zu haben. Die Betroffene habe sich nicht schüchtern, sondern sehr fordernd auf ihre angebliche Minderjährigkeit beharrend gezeigt. Ihre profunde Kenntnis der ausländerrechtlichen und gerichtlichen Verfahren passe nicht zu dem von ihr behaupteten Alter von 17 Jahren.

cc) Dies entband das Beschwerdegericht jedoch nicht von der Verpflichtung, das Alter der Betroffenen zu ermitteln. Bei der Bewertung der Ausführungen des Amtsgerichts hätte das Beschwerdegericht außer den abweichenden Beurteilungen durch fachkundige Mitarbeiter der [X.] berücksichtigen müssen, dass die Betroffene zum Zeitpunkt ihrer Anhörung durch das Amtsgericht bereits von zwei Rechtsanwälten vertreten worden ist und von diesen oder anderen Unterstützern Informationen zu den ausländerrechtlichen Verfahren erhalten haben konnte. Der Umstand, dass die Betroffene fordernd auf ihrer Minderjährigkeit beharrte, konnte sich auch daraus erklären, dass sie tatsächlich noch minderjährig war. Zudem konnte ein gegenüber in [X.] lebenden jugendlichen Straftätern abweichendes, reiferes Auftreten der Betroffenen auch auf ihren Lebensumständen und Erfahrungen auf der Flucht sowie während der Inhaftierung beruhen.

c) Die danach an der Volljährigkeit der Betroffenen bestehenden Zweifel durfte das Beschwerdegericht nicht aufgrund der Aktenlage als entkräftet ansehen.

aa) Ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht allerdings in der erst im Beschwerdeverfahren vorgelegten Geburtsurkunde keinen geeigneten Identitätsnachweis erkannt. Diese am 28. September 2018 ausgestellte Urkunde bestätigt aufgrund einer am selben Tag erfolgten Anmeldung, dass am 12. September 2001 eine [X.].   geboren worden ist. Es ist unklar, ob und gegebenenfalls welche Nachweise über die bescheinigte Geburt der [X.] Behörde vorgelegen haben und inwiefern diese gegebenenfalls von ihr überprüft worden sind. Entgegen den Angaben der Betroffenen weist die Geburtsurkunde zudem als Geburtsort nicht [X.] in [X.], sondern [X.] in [X.] aus. Das Beschwerdegericht hat sich außerdem auf die Angabe der Betroffenen gegenüber der Polizei am 6. September 2017 gestützt, wonach es ihres Wissens keine Geburtsurkunde gebe. Ferner ist nach den Angaben der Betroffenen die Mutter verstorben und der Vater unbekannten Aufenthalts. Das Beschwerdegericht konnte daher ohne Rechtsfehler annehmen, dass die Geburt im Zusammenhang mit der [X.] aufgrund von Angaben Dritter oder Beauftragter bestätigt worden war und die Geburtsurkunde keine sicheren Schlüsse erlaubt.

bb) Fehlerhaft hat das Beschwerdegericht jedoch die von der Betroffenen vorgelegten Schulzeugnisse als Widerlegung ihrer Altersangaben gewertet. Das Beschwerdegericht ist von der Echtheit der von der Betroffenen vorgelegten Schulzeugnisse ausgegangen und hat angenommen, sie ließen auf ihre Volljährigkeit schließen, weil sie einen Grundschulbesuch zwischen 2002 und 2007 sowie ein Alter der Betroffenen von 13 Jahren im Jahr 2007 bestätigten. Zugleich hat das Beschwerdegericht allerdings festgestellt, dass die Jahreszählung nach dem [X.] Kalender dem gregorianischen Kalender um etwa sieben Jahre und acht Monate nachläuft. Die Annahme des [X.], die Betroffene habe nicht plausibel dargestellt, dass und welche abweichende Zeitrechnung [X.] verwende, steht damit in Widerspruch zu seinen Feststellungen.

Zudem hätte das Beschwerdegericht berücksichtigen müssen, dass die Annahme fernlag, die Betroffene habe zum Nachweis ihrer Minderjährigkeit eine Schulbescheinigung vorgelegt, nach der sie bei dem von ihr angegebenen Geburtsjahr 2001 bei Einschulung im Jahr 2002 erst ein Jahr alt gewesen wäre. Das Beschwerdegericht stützt sich auf die Beurteilung des [X.], die Betroffene habe bei ihrer Anhörung sehr verständig gewirkt und profunde Kenntnis über ihre ausländerrechtlichen Verfahren gezeigt. Unter diesen Umständen musste es sich dem Beschwerdegericht aufdrängen, dass die Erklärung für die Jahreszahlen in der Abweichung des [X.] vom gregorianischen Kalender zu suchen sein könnte. Dann hätte sich ergeben, dass das [X.] Jahr 2007 dem gregorianischen [X.] entspricht, so dass das für das [X.] Jahr 2007 bescheinigte Alter von 13 Jahren mit dem von der Betroffenen angegebenen Geburtsdatum im Jahr 2001 übereinstimmt. Demgegenüber gibt es keine erkennbare Grundlage für die Annahme des [X.], es wäre eine konsequente Ausstellung sowohl der Schulzeugnisse als auch der Personaldokumente nach dem [X.] Kalender zu erwarten gewesen. Vielmehr ist es ohne weiteres möglich und ohne weitere Aufklärung jedenfalls nicht auszuschließen, dass [X.] [X.]r Behörden in typischerweise für den Rechtsverkehr mit dem Ausland bestimmten Dokumenten, wie etwa Pässen, entsprechend dem international üblichen gregorianischen Kalender erfolgen, während in erster Linie für den persönlichen Gebrauch und den Rechtsverkehr im Inland bestimmte Dokumente - wie etwa [X.] - mit [X.] [X.] ausgestellt werden.

Danach war die von der Betroffenen vorgelegte Schulbescheinigung allenfalls geeignet, Zweifel an ihrer Volljährigkeit zu begründen, und nicht, wie das Beschwerdegericht fehlerhaft angenommen hat, im Gegenteil zu widerlegen.

d) Das Beschwerdegericht durfte auch nicht aufgrund einer Identitätsfeststellung die Volljährigkeit der Betroffenen als erwiesen ansehen.

aa) Das Beschwerdegericht führt aus, anhand der Fingerabdrücke der Betroffenen habe über die [X.] ermittelt werden können, dass der Betroffenen am 15. November 2016 durch die [X.] Botschaft in [X.] aufgrund eines gültigen, für Ab.       [X.]    mit dem Geburtsdatum 19. Januar 1992 ausgestellten [X.] Reisepasses ein Kurzaufenthaltsvisum erteilt worden sei. Auch ein [X.] Visum sei mit diesem Pass beantragt worden.

bb) Die Betroffene hat dazu in ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht erklärt, die falschen Personalien müssten über ihren Schleuser in die Akten gekommen sein. Als Minderjährige hätte sie sonst in [X.] keinen Pass bekommen. Das Beschwerdegericht hat der Ausländerakte weiter entnommen, die Betroffene habe mitgeteilt, zur Erlangung der Visa falsche Angaben gemacht zu haben und für Fotos geschminkt worden zu sein, um älter zu wirken; das Foto in dem [X.] Reisepass erkenne sie, es sei bei dieser Gelegenheit gemacht worden.

cc) Unter diesen Umständen durfte das Beschwerdegericht nicht ohne weitere Aufklärung die Möglichkeit ausschließen, dass die Betroffene die [X.] und [X.] aufgrund eines gefälschten oder durch falsche Angaben gegenüber den [X.] Behörden erschlichenen Passes erhalten hat.

dd) Das Beschwerdegericht hat es als entscheidend angesehen, dass die Betroffene von ihrem Heimatland unter den in ihrem Reisepass ersichtlichen Daten identifiziert werden konnte und deshalb von der [X.] Botschaft in [X.] am 5. Juli 2018 für sie ein Passersatzpapier mit den Personalien Ab.       [X.]    , geboren 19. Januar 1992, ausgestellt wurde. Das Beschwerdegericht verweist dazu auch auf ein Schreiben des [X.] an die beteiligte Behörde vom 12. Oktober 2018, wonach die zuständige Stelle im [X.] Innenministerium die Identifizierung der Betroffenen anhand der Passnummer und des [X.] bestätigt habe.

Entgegen der Ansicht des [X.] konnte jedoch auch damit eine Volljährigkeit der Betroffenen nicht belegt werden. Ein Schreiben des [X.] Innenministeriums findet sich in den Akten nicht. Die darin befindliche [X.] des Außenministeriums lässt nicht erkennen, auf welcher Grundlage die Prüfung der Staatsangehörigkeit durchgeführt worden ist. Im Beschluss des Amtsgerichts heißt es, die [X.] an das [X.] [X.] sei anhand der ermittelten [X.] gestellt worden; von Lichtbildern oder Fingerabdrücken ist dort nicht die Rede. Die [X.] nimmt nur allgemein Bezug auf eine "Data Base", also offenbar eine Personendatenbank. Dass dabei ein Vergleich mit den der Betroffenen in [X.] abgenommenen Fingerabdrücken vorgenommen worden ist, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist erkennbar, dass vom [X.] Außenministerium ein Lichtbildabgleich überhaupt und gerade mit aus [X.] übersandten Lichtbildern durchgeführt worden ist. Das Beschwerdegericht hätte deshalb in Erwägung ziehen müssen, dass sich die [X.] Behörden darauf beschränkt haben könnten, zu überprüfen, ob eine Person mit den Personalien des in Kopie vorgelegten Reisepasses bei ihnen registriert ist.

e) Unter diesen Umständen waren eine weitere Aufklärung und Ermittlungen zum tatsächlichen Alter der Betroffenen geboten.

3. Eine Zurückverweisung an das Beschwerdegericht zur Nachholung der Feststellungen kommt nicht in Betracht. Die Betroffene müsste zu neuen Feststellungen des [X.] nach § 420 FamFG persönlich angehört werden; angesichts der erfolgten Abschiebung ist dies aber nicht mehr möglich ([X.], Beschluss vom 19. Januar 2017 - [X.] 99/16, [X.] 2017, 147 Rn. 15).

4. [X.] beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

[X.]     

      

Schmidt-Räntsch     

      

[X.]

      

Tolkmitt     

      

[X.]     

      

Meta

XIII ZB 101/19

25.08.2020

Bundesgerichtshof 13. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Ingolstadt, 22. Mai 2019, Az: 22 T 2423/18

§ 62 Abs 1 S 3 AufenthG, § 26 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.08.2020, Az. XIII ZB 101/19 (REWIS RS 2020, 1122)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1122

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