Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.03.2010, Az. II B 172/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 8618

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Gegenstand

Schuldnerschaft des Insolvenzverwalters für Kraftfahrzeugsteuer bei formloser Mitteilung an das Straßenverkehrsamt


Leitsatz

NV: Die Mitteilung des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders an das Straßenverkehrsamt, ein Fahrzeug werde nicht zur Masse gezogen, kann dessen Schuldnerschaft für die Kraftfahrzeugsteuer nicht beenden. Dies folgt daraus, dass das unwiderlegbar rechtsvermutete Halten des Fahrzeugs nach dem KraftStG auch für das Insolvenzrecht greift und eine Änderung der Halterzuordnung erst eintritt, wenn der Insolvenzverwalter den Mitteilungspflichten nach §§ 13, 14 Fahrzeug-Zulassungsverordnung nachkommt.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Treuhänder über das Vermögen der A (Insolvenzschuldnerin), auf deren Namen seit dem 9. Oktober 2006 ein PKW zugelassen ist und über deren Vermögen am 31. Juli 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Nachdem der Kläger dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) mitgeteilt hatte, das streitbefangene Fahrzeug sei nicht zur Masse gezogen worden, setzte das [X.] gegen den Kläger in seiner Eigenschaft "als Insolvenzverwalter für A" durch Bescheid vom 8. April 2008 Kraftfahrzeugsteuer ab dem 31. Juli 2007 auf jährlich 108 € fest.

2

Einspruch und Klage, mit denen sich der Kläger gegen die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die [X.] ab 9. April 2008 wandte, blieben erfolglos. Das Finanzgericht führte aus, nach § 35 der Insolvenzordnung ([X.]) erfasse das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Insolvenzschuldner zur [X.] der Verfahrenseröffnung gehöre. Dazu gehöre auch die Rechtsposition als Fahrzeughalter. Folglich stelle die Kraftfahrzeugsteuer, die allein durch das Halten des Fahrzeugs kraft Gesetzes entstehe, eine Verbindlichkeit dar, die durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet werde. Durch die insolvenzrechtliche Freigabe ändere sich die Halterzuordnung des Fahrzeugs nicht, weshalb der Kläger als Treuhänder die Kraftfahrzeugsteuer unbeschadet einer Freigabe des Fahrzeugs aus der Masse zahlen müsse.

3

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung wegen der Frage zu, ob die Mitteilung des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders an das Straßenverkehrsamt, das Fahrzeug werde nicht zur Masse gezogen, "die Kraftfahrzeugsteuerpflicht beenden" könne.

Entscheidungsgründe

4

II. [X.] ist unbegründet. Der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage, ob eine Mitteilung des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders an das Straßenverkehrsamt, ein Fahrzeug werde nicht zur Masse gezogen, die Steuerschuldnerschaft beenden kann, kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu. Sie ist bereits höchstrichterlich geklärt.

5

1. Der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des [X.] (KraftStG) das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Die Steuerpflicht dauert bei einem inländischen Fahrzeug, solange das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG), wobei Steuerschuldner bei einem inländischen Fahrzeug die Person ist, für die das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist (§ 7 Nr. 1 KraftStG). Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 der Abgabenordnung die steuerlichen Pflichten zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gemäß § 80 Abs. 1 [X.] das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 35 [X.]) zu verwalten, auf den Insolvenzverwalter über. Zur Insolvenzmasse gehört nach der Rechtsprechung des [X.] --[X.]-- (Urteile vom 29. August 2007 IX R 58/06, [X.], 432, [X.], 322; vom 29. August 2007 IX R 4/07, [X.], 435, [X.] 2007, 2429; vom 16. Oktober 2007 [X.], [X.] 2008, 251; Beschlüsse vom 8. September 2009 [X.]/09, [X.] 2010, 67, und [X.]/09, [X.] 2010, 68) auch die Rechtsposition als Halter eines Kfz, so dass der Insolvenzverwalter die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] schuldet. Da die Kraftfahrzeugsteuer kraft Gesetzes begründet wird, ist sie eine Verbindlichkeit, die durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet wurde (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 [X.]).

6

2. Anders als der Kläger meint, verletzt diese Auffassung nicht die Vorgaben der [X.]. Steuergegenstand ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG das "Halten" von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Da sich das KraftStG insoweit an den jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften orientiert (§ 2 Abs. 2 KraftStG) und die Dauer der (subjektiven) Steuerpflicht davon abhängig macht, wer Adressat der verkehrsrechtlichen Zulassung ist, geht es davon aus, dass derjenige, auf den das Fahrzeug zugelassen ist, auch Halter des Fahrzeuges ist und damit das Kfz für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt. Es kommt deshalb für das KraftStG weder darauf an, ob der Halter das Fahrzeug noch nutzt oder ob das Fahrzeug veräußert wurde, solange nicht eine verkehrsrechtlich vorgeschriebene Veräußerungsanzeige bei der Zulassungsstelle eingeht ([X.]-Urteil in [X.], 435, [X.] 2007, 2429). Das unwiderlegbar rechtsvermutete Halten des Fahrzeugs gilt aber nicht nur für die Anwendung des KraftStG, sondern auch bei der Auslegung der insolvenzrechtlichen Normen (vgl. [X.] in [X.] 2010, 68).

7

a) Ein Vorrang des Insolvenzrechts gegenüber dem Steuerrecht bedeutet nicht, dass das Insolvenzrecht dem Steuerrecht schlechthin vorginge, sondern nur, dass Steuerforderungen gegen den Insolvenzschuldner oder die Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens lediglich nach den Regeln der [X.] geltend gemacht werden können. Hingegen bestimmt allein das Steuerrecht darüber, wann die Steuer als Rechtsgrund im Sinne der [X.] entsteht (vgl. bereits [X.]-Urteil in [X.], 435, [X.] 2007, 2429). Es ist zwar richtig, dass der Fiskus nach dem der [X.] zugrunde liegenden Rechtsgedanken keinen Vorteil gegenüber anderen [X.] erlangen darf, gleichzeitig darf ihm aber auch kein Nachteil auferlegt werden. Deshalb ist die nach Verfahrenseröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer aus der Masse zu befriedigen, wenn das Fahrzeug für die Masse genutzt wird. Dies wird [X.] unwiderlegbar vermutet ([X.]-Urteile vom 18. Dezember 1953 [X.], [X.], 358, BStBl III 1954, 49, und in [X.], 435, [X.] 2007, 2429).

8

b) Anders als der Kläger meint, kann die Mitteilung des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders an das Straßenverkehrsamt, ein Fahrzeug werde nicht zur Masse gezogen, dessen Schuldnerschaft für die Kraftfahrzeugsteuer nicht beenden. Dies folgt daraus, dass das unwiderlegbar rechtsvermutete Halten des Fahrzeugs nach dem KraftStG auch für das Insolvenzrecht greift und eine Änderung der [X.] erst eintritt, wenn der Insolvenzverwalter den Mitteilungspflichten nach §§ 13, 14 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung nachkommt (so bereits [X.]-Urteil in [X.], 435, [X.] 2007, 2429). Würde man die Freigabeerklärung gegenüber der Straßenverkehrsbehörde ausreichen lassen, so würde der Fiskus gegenüber anderen [X.] schlechter gestellt, da das [X.] von sich aus --abgesehen von den Fällen des § 14 KraftStG-- die Dauer der Steuerschuldnerschaft nicht beeinflussen und im Veräußerungsfall den Übergang der Steuerpflicht auf den Erwerber nicht herbeiführen kann. Deshalb hat der [X.] in seinem Urteil in [X.], 435, [X.] 2007, 2429 für den Veräußerungsfall ausgeführt, dass eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter nicht zur Beendigung der Kraftfahrzeugsteuerpflicht führt, weil sie an der rechtsvermuteten [X.] nichts ändert. Das gilt auch für die Mitteilung der Freigabe an die Straßenverkehrsbehörde.

Meta

II B 172/09

10.03.2010

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 16. Oktober 2009, Az: 8 K 2291/08 Verk, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 KraftStG, § 2 Abs 2 KraftStG, § 5 Abs 1 Nr 1 KraftStG, § 7 Nr 1 KraftStG, § 34 Abs 1 AO, § 34 Abs 3 AO, § 35 InsO, § 55 Abs 1 Nr 1 InsO, § 80 Abs 1 InsO, § 13 FZV, § 14 FZV, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.03.2010, Az. II B 172/09 (REWIS RS 2010, 8618)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8618

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