Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2018, Az. 3 StR 408/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 2685

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafverurteilung wegen Mordes: Feststellung der besonderen Schwere der Schuld; Prüfung einer verminderten Steuerungsfähigkeit aufgrund affektiver Erregung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Juni 2018 hinsichtlich der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat lediglich hinsichtlich der Feststellung besonderer Schuldschwere Erfolg, im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

I. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen schlug der Angeklagte seiner Ehefrau, die sich keines Angriffs versah und deshalb in ihrer Verteidigung stark eingeschränkt war, plötzlich in das Gesicht und trat ihr, nachdem sie zu Boden gefallen war, in Tötungsabsicht mit seinen stabilen Treckingschuhen wiederholt kräftig und mit voller Wucht gegen den Körper, ins Gesicht und von oben auf den Hals und den Kopf. Dem zur Hilfe eilenden [X.]     gelang es nicht, den Angeklagten von der später Getöteten wegzuziehen; während des [X.] mit dem [X.]      stellte sich der Angeklagte wiederholt auf den Hals seiner am Boden liegenden Ehefrau, um ihr so die Möglichkeit zum Atmen zu nehmen. Als der Angeklagte nach minuten-langem Ringen dem [X.]      schließlich erschöpft gegenüberstand und bemerkte, dass sich seine Ehefrau seit einiger Zeit nicht mehr regte, rief er mit seinem Handy zweimal die Polizei an, konnte sein Anliegen jedoch wegen mangelnder Kenntnisse der [X.] nicht hinreichend verständlich machen, sodass er das Handy schließlich dem [X.]     übergab, der die Anforderung eines Rettungswagens veranlasste. Trotz notärztlicher und intensivmedizinischer Versorgung kam die Geschädigte nicht wieder zu Bewusstsein und verstarb infolge der Gewaltanwendung einige Tage später im Krankenhaus an einem Multiorganversagen.

3

II. Das [X.] hat das Mordmerkmal der Heimtücke angenommen und den Angeklagten ohne durchgreifenden Rechtsfehler wegen Mordes gemäß § 211 StGB zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

4

1. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

5

Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schuldschwere zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. [X.], Urteil vom 2. März 1995 - 1 StR 595/94, [X.]St 41, 57, 62; Beschlüsse vom 22. November 1994 - [X.], [X.]St 40, 360, 370; vom 20. August 1996 - 4 StR 361/96, [X.]St 42, 226, 227). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Wertung eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; insbesondere ist es gehindert, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen ([X.], Urteil vom 12. Februar 1998 - 4 StR 617/97, [X.], 352, 353). Es hat jedoch zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat ([X.], Urteil vom 1. Juli 2004 - 3 [X.], [X.], 88). Daran fehlt es.

6

Die [X.] hat die Gesamtwürdigung in der Weise vorgenommen, dass sie zunächst die schuldmindernden und danach die schulderhöhenden Umstände aufgeführt, ein Übergewicht der schulderhöhenden Faktoren und als Ergebnis die besondere Schuldschwere festgestellt hat. Dabei hat sie unter anderem zugunsten des Angeklagten bedacht, dass dieser "vor Beginn der Tatausführung affektiv erregt gewesen ist" und es sich um eine Spontantat handelte; in besonderem Maße schulderhöhend hat sie gewürdigt, dass der Angeklagte die Tat mit großer Brutalität und Heftigkeit vor den Augen seiner drei Kinder ausgeführt hat.

7

Diese Bewertung wird den [X.] und der Persönlichkeit des Angeklagten nicht gerecht. Sie lässt außer [X.], dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht nur vor, sondern auch während der Tatausführung als - wenngleich nicht erheblich im Sinne von § 21 StGB - vermindert angesehen wurde und das [X.] aufgrund der hochgradigen Erregung des Angeklagten bei der Tatbegehung das Vorliegen des [X.] der niedrigen Beweggründe verneint hat. In anderem Zusammenhang führt das Urteil aus, dass der Angeklagte aufgrund seiner Persönlichkeit und seiner desolaten Lebenssituation "nicht in der Lage" war, "sein eigenes Verhalten zu reflektieren".

8

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Gewichtung der Strafzumessungsgründe und abschließende Bewertung der [X.] als nicht tragfähig. Dies gilt insbesondere für die besonders erschwerende Berücksichtigung der brutalen Vorgehensweise des Angeklagten über einen längeren Zeitraum und die Tatbegehung vor den Augen seiner drei Kinder. In diesem Zusammenhang war die Erörterung geboten, ob dieses Verhalten zumindest teilweise auch durch die infolge hochgradiger affektiver Erregung geminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten beeinflusst war (vgl. [X.], Beschluss vom 27. August 2003 - 5 [X.], juris Rn. 4). Zudem hat die [X.] sein Nachtatverhalten, insbesondere den Versuch, unmittelbar nach der Tat die Polizei zu verständigen, nicht in die Erwägungen zur Schwere der Schuld einbezogen, obwohl dies angesichts der darin möglicherweise zum Ausdruck gebrachten Reue geboten gewesen wäre.

9

2. Das Urteil beruht auf den aufgezeigten Fehlern, da nicht auszuschließen ist, dass das [X.] bei zutreffender rechtlicher Würdigung von der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld abgesehen hätte.

[X.]     

        

Spaniol     

        

Tiemann

        

Berg     

        

Hoch     

        

Meta

3 StR 408/18

18.10.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hildesheim, 8. Juni 2018, Az: 17 Js 306/18 - 12 Ks

§ 21 StGB, § 57a Abs 1 S 1 Nr 2 StGB, § 211 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2018, Az. 3 StR 408/18 (REWIS RS 2018, 2685)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2685

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 637/13 (Bundesgerichtshof)

Mord: Besondere Schuldschwere bei Verwirklichung mehrerer Mordmerkmale


4 StR 170/21 (Bundesgerichtshof)

Beschränkung der Revision auf die Frage der besonderen Schwere der Schuld beim Mord: Tötung zur …


1 StR 238/19 (Bundesgerichtshof)

Feststellung der Schuldschwere bei nicht erwiesener Heimtücke im Rahmen der Tötung


5 StR 341/03 (Bundesgerichtshof)


5 StR 60/14 (Bundesgerichtshof)

Schuldschwereabwägung bei der Aussetzung des Strafrestes der lebenslangen Freiheitsstrafe: Berücksichtigung der Bezeichnung eines völlig Unschuldigen …


Referenzen
Wird zitiert von

6 StS 2/23

1 StR 370/19

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.