Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.08.2014, Az. VII B 116/14

7. Senat | REWIS RS 2014, 3423

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Aussetzung des Klageverfahrens bei Antrag auf verwaltungsinternes Überdenkungsverfahren


Leitsatz

NV: Hat der Prüfling gegen den Bescheid über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung Anfechtungsklage erhoben, hat das Gericht auch ohne einen entsprechenden Antrag des Klägers die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen, wenn der Kläger substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistung erhoben und einen Antrag auf Durchführung des verwaltungsinternen Überdenkungsverfahrens nach § 29 DVStB gestellt hat.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat gegen den Bescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzministerium) über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung Anfechtungsklage erhoben und zugleich einen Antrag auf Durchführung des verwaltungsinternen Überdenkungsverfahrens gemäß § 29 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften gestellt. Zur Begründung hat er substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen erhoben. Zur Durchführung des Überdenkungsverfahrens hat das Finanzgericht ([X.]) das gerichtliche Verfahren nach § 74 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) ausgesetzt.

2

Dagegen richtet sich die vom Kläger erhobene Beschwerde, zu deren Begründung ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird. Unter Berufung auf den Senatsbeschluss vom 10. August 1993 VII B 68/93 ([X.], 273, [X.] 1994, 50) ist der Kläger der Ansicht, dass eine Aussetzung des Verfahrens nur auf Antrag des Prüflings in Betracht kommt. Im Streitfall sei weder ein Hinweis des [X.] nach § 76 Abs. 2 [X.]O erfolgt, noch sei ein entsprechender Antrag gestellt worden, weshalb der angefochtene Beschluss des [X.] verfahrensfehlerhaft sei.

Entscheidungsgründe

3

II. [X.] ist nicht begründet, denn der behauptete Verfahrensfehler liegt nicht vor.

4

1. Nach § 74 [X.]O kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen ist. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens sind im Streitfall erfüllt. Der Kläger hat gegen die Prüfungsentscheidung substantiierte Einwendungen erhoben und die Durchführung des verwaltungsinternen [X.] beantragt. Zwar steht die Aussetzung des Klageverfahrens nach § 74 [X.]O grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, doch verengt sich dieses Ermessen dahin, dass das Gericht das Klageverfahren --auch ohne einen diesbezüglichen ausdrücklichen Antrag des [X.] aussetzen und der Prüfungsbehörde Gelegenheit zur Durchführung des verwaltungsinternen [X.] geben muss, wenn der Prüfling substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung der Prüfungsleistung erhoben hat (Senatsurteil vom 12. Juni 2001 VII R 49/00, [X.], 93, [X.] 2001, 736). Von der Anordnung der Aussetzung des Verfahrens kann das Gericht nur dann absehen, wenn der Prüfling auf das Überdenkungsverfahren --ausdrücklich oder sinngemäß-- verzichtet und eine sofortige Entscheidung des Gerichts begehrt (Senatsbeschluss in [X.], 273, [X.] 1994, 50). Das Gericht ist demnach daran gehindert, dem Prüfling, dem offensichtlich an einer schnellen gerichtlichen Entscheidung gelegen ist, das verwaltungsinterne Kontrollverfahren ohne einen entsprechenden Antrag aufzuzwingen.

5

Im Streitfall hat der Kläger mit seinem Antrag deutlich zu erkennen gegeben, dass er die Durchführung des Überdenkungsverfahrens begehrt, so dass die Anordnung der Aussetzung des Verfahrens durch das [X.] naheliegend, wenn nicht sogar geboten war. Denn durch das verwaltungsinterne Kontrollverfahren kann unabhängig von der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßig-keit der Prüfungsentscheidung vorrangig von den Prüfern selbst beurteilt werden, ob die Einwände des Prüflings berechtigt sind. Es liegt auf der Hand, dass der Fortgang des gerichtlichen Verfahrens vom Ausgang des Überdenkungsverfahrens abhängt. Daher erweist sich die Entscheidung des [X.] frei von Ermessensfehlern.

6

2. Entgegen der Auffassung des [X.] bedurfte es keines ausdrücklichen Hinweises des [X.] auf die Möglichkeit einer Verfahrensaussetzung nach § 74 [X.]O, zumal der Kläger anwaltlich vertreten ist (hierzu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 74 [X.]O Rz 64) und durch seinen Antrag auf Durchführung des Überdenkungsverfahrens zu erkennen gegeben hat, dass ihm das Institut des verwaltungsinternen [X.] bekannt ist, und eine Aussetzung des Verfahrens nahelag. Im Übrigen kann die Frage, ob das [X.] den Beteiligten vor Erlass des angefochtenen Beschlusses rechtliches Gehör hätte geben müssen, auf sich beruhen, denn ein solcher Mangel wäre dadurch geheilt, dass der Kläger sich im Beschwerdeverfahren rechtliches Gehör verschaffen konnte (Beschluss des [X.] --BFH-- vom 29. Juli 1996 III B 47/96, [X.] 1997, 51, m.w.N.). In der Beschwerdebegründung hat er indes nicht dargelegt, ob und aus welchen Gründen ihm an einer schnellen Entscheidung des Gerichts ungeachtet des Ausganges des verwaltungsinternen [X.] gelegen ist.

7

3. Eine Kostenentscheidung ist in diesem unselbständigen Nebenverfahren nicht zu treffen; über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist im Rahmen der Entscheidung über die Hauptsache zu befinden ([X.] vom 21. Dezember 2005 III B 145/05, [X.] 2006, 1103, und vom 10. Februar 1995 III B 73/94, [X.], 435, [X.] 1995, 415).

Meta

VII B 116/14

20.08.2014

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 30. Juni 2014, Az: 13 K 249/14, Beschluss

§ 74 FGO, § 29 StBDV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.08.2014, Az. VII B 116/14 (REWIS RS 2014, 3423)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3423

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII R 10/20 (Bundesfinanzhof)

Anonymitätsgrundsatz und Überdenkungsverfahren in der schriftlichen Steuerberaterprüfung


VII R 15/21 (Bundesfinanzhof)

Unzulässigkeit einer gemeinsam abgestimmten Überdenkung durch mehrere Prüfer im Überdenkungsverfahren


VII R 24/22 (Bundesfinanzhof)

Anonymitätsgrundsatz und Überdenkungsverfahren in der Steuerberaterprüfung


Au 3 K 15.1425 (VG Augsburg)

Überdenkungsverfahren bei Prüfungsanfechtung


4 K 580/14 (FG München)

Umfang der gerichtlichen Überprüfung der mündlichen Steuerberaterprüfung: Nachholung der Begründung der Prüfungsentscheidung im Überdenkungsverfahren - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.