Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2008, Az. IX ZR 100/07

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 3439

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/07 Verkündet am: 12. Juni 2008 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 256 Abs. 1; [X.] § 174 Abs. 2, § 175 Abs. 1, § 179 Abs. 1 Erhebt der Insolvenzverwalter gegenüber der Anmeldung einer Forderung, die aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung hergeleitet wird, einen auf den Rechtsgrund beschränkten Widerspruch, hat der Gläubiger ein rechtliches Interesse daran, die Wirkungslosigkeit dieses Widerspruchs feststellen zu lassen. [X.] § 174 Abs. 2, § 175 Abs. 1, § 302 Nr. 1 Hängt der Bestand der Forderung von einer Vorsatztat nicht ab, steht dem [X.] ein auf den Rechtsgrund der angemeldeten Forderung beschränktes Widerspruchsrecht nicht zu (Fortführung von [X.], 650). [X.], Urteil vom 12. Juni 2008 - [X.]/07 - [X.] AG Göttingen - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2008 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 9. Mai 2007 wird auf Kosten des Beklagten zu 2 zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Beklagte zu 2 ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des in erster Instanz mitverklagten Beklagten zu 1 (fortan: [X.]). Gegen diesen hatte die Klägerin wegen rückständiger Mieten für die [X.] von Juli 1997 bis April 1998 in Höhe von 3.108,65 • zuzüglich Zinsen und Kos-ten einen Titel erstritten. Die Klägerin meldete ihre Forderungen von insgesamt 5.526,43 • zur Tabelle an und bezeichnete sie als Forderungen aus "Mietzins-betrug". Der Beklagte zu 2 teilte dem Insolvenzgericht mit, dass die Forderung in voller Höhe festgestellt werde; der Rechtsgrund der unerlaubten Handlung werde jedoch bestritten. 1 Die Klägerin hat geltend gemacht, dass der Schuldner schon bei [X.] der Wohnung die Absicht gehabt habe, Miete und Kaution nicht zu [X.] - 3 - ten. Dem Insolvenzverwalter stehe nicht das Recht zu, einen isolierten [X.] gegen den Schuldgrund zu erheben. Die Klägerin hat von beiden [X.] die Feststellung begehrt, dass die in der Insolvenztabelle eingetragene Forderung über 5.526,43 • aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners herrühre. Gegen den Schuldner ist im schriftlichen Vorverfahren ein entsprechendes Versäumnisurteil ergangen. Hinsichtlich des Beklagten zu 2 hat das Amtsgericht die beantragte Feststellung im kontradikto-rischen Verfahren ausgesprochen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zu 2 zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt dieser die Abweisung der Klage als unzulässig, jedenfalls als unbegründet. Entscheidungsgründe: Die Revision ist nicht begründet. 3 [X.] Die Vorinstanzen haben die Feststellungsklage der Gläubigerin mit Recht für zulässig gehalten. 4 1. Das Berufungsgericht meint, das Feststellungsinteresse der Klägerin folge aus dem Umstand, dass die von ihr angemeldete Forderung in der [X.] zwar als Forderung aus unerlaubter Handlung vermerkt, gleichzeitig jedoch mit dem Widerspruch des Beklagten zu 2 gegen den Rechtsgrund ver-sehen sei. Hieraus könnten sich Zweifel an der Auslegung des [X.] aus der Insolvenztabelle ergeben, insbesondere bleibe im Dunkeln, ob die Forderung 5 - 4 - von der Restschuldbefreiung gemäß § 301 Abs. 1, § 302 Nr. 2 [X.] ausge-nommen sei. Für den Fall, dass der Schuldner selbst den Widerspruch erhoben habe, sei das Feststellungsinteresse des Gläubigers bereits höchstrichterlich anerkannt. [X.] sich der Insolvenzverwalter gegen die rechtliche Einordnung der Forderung, könne nichts anderes gelten. 2. Dies trifft im Ergebnis zu. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses (§ 256 Abs. 1 ZPO). 6 a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist es dem Gläubiger nicht [X.], den Streit über den Charakter der Forderung dem Ausgang eines Rechtsstreits über eine von dem Schuldner zu erhebende [X.] zu überlassen ([X.], Urt. v. 18. Mai 2006 - [X.] ZR 187/04, [X.], 1347, 1348; v. 18. Januar 2007 - [X.] ZR 176/05, [X.], 541, 542). Anders als in jenem Fall ist der Widerspruch vorliegend nicht von einem hierzu Berechtig-ten erhoben worden. Durch die Rechtsprechung des Senats ist in der [X.] geklärt, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, sogar für eine bereits zur Tabelle festgestellte Forderung von dem Gläubiger nachträglich an-gemeldete Tatsachen, aus denen sich nach dessen Einschätzung ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt, in die Tabelle einzutragen ([X.], Urt. v. 17. Januar 2008 - [X.] ZR 220/06, [X.], 650, 652 Rn. 13). Der [X.] kann nur der Schuldner, nicht jedoch der Insolvenzverwalter widersprechen, wenn der Bestand der [X.] von einer Vorsatztat nicht abhängt ([X.] aaO; siehe auch unter I[X.]). Bei objektiver Betrachtung gehen von dem Widerspruch des Beklagten zu 2 daher keine Rechtswirkungen aus. 7 - 5 - b) Der Beklagte zu 2 hat indes seinen wirkungslosen Widerspruch [X.] erhalten und ist von ihm auch nicht abgerückt, nachdem gegenüber dem Schuldner durch Versäumnisurteil festgestellt worden war, dass die [X.] Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrührt. Der Kläger sieht sich deshalb einer Rechtswirkungsbehauptung des Beklagten zu 2 ausgesetzt, der für sich ein in Wahrheit nicht bestehendes Recht in [X.] nimmt. Hiergegen steht ihm gegenüber dem anderen Teil, der sich eines Rechtes berühmt, die [X.] aus § 256 Abs. 1 ZPO zu (vgl. [X.] 164, 249, 254 ff; [X.]/[X.], ZPO 26. Aufl. § 256 Rn. 14 f). So ist das Feststellungsbegehren der Klägerin nach seiner Begründung im [X.] zu verstehen. 8 I[X.] In der Sache selbst haben die Vorinstanzen ein auf den Rechtsgrund der festgestellten Forderung beschränktes Widerspruchsrecht des [X.] rechtsfehlerfrei verneint. 9 1. Das Berufungsgericht führt hierzu aus, dies ergebe sich aus der unter-schiedlichen Schutzrichtung der Widerspruchsrechte des Schuldners und des Insolvenzverwalters. Der Schuldner werde mit seinem Widerspruchsrecht davor geschützt, dass ein im Verfahren nicht vollständig befriedigter Gläubiger einen Tabellenauszug erhalte, aus dem er nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner persönlich vorgehen könne. Hingegen solle das [X.]srecht des Insolvenzverwalters den Schuldner davor schützen, dass [X.] unberechtigten Forderungen an der Verteilung der Masse teilnehmen. Dies bedeute aber, dass der Insolvenzverwalter die angemeldeten Forderungen nur dahin prüfen könne, ob sie aus irgendeinem Rechtsgrund berechtigt seien. Sei 10 - 6 - diese Frage zu bejahen, müsse er sie zur Insolvenztabelle feststellen. Da der Schuldner im Verfahren auf die Möglichkeit eines Widerspruchs hinzuweisen sei, wenn ein Gläubiger eine Forderung aus unerlaubter Handlung angemeldet habe (§ 175 Abs. 2, § 302 [X.]), bedürfe es eines zusätzlichen Schutzes durch ein isoliertes Widerspruchsrecht des Insolvenzverwalters nicht. 2. Diese Begründung ist rechtlich einwandfrei; sie entspricht der jüngst ergangenen Rechtsprechung des Senats (vgl. [X.], Urt. v. 17. Januar 2008, aaO S. 652 Rn. 13). 11 a) Für den Fall der Anspruchskonkurrenz - etwa bei vertraglichen [X.] und Ansprüchen aus unerlaubter Handlung - prüft der [X.] zwar die Forderungsanmeldung unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, die den Forderungsbestand in Frage stellen können. Stützt ein Rechtsgrund jedoch die angemeldete Forderung, hat der Insolvenzverwalter sie in die [X.] als unbestritten einzutragen; über den Rechtsgrund der Forderung hat er keine Entscheidung zu treffen ([X.], Urt. v. 17. Januar 2008, aaO S. 652 Rn. 13; LG Trier Z[X.] 2006, 216, 217; Braun/[X.], [X.] 3. Aufl. § 178 Rn. 3; HmbK-[X.]/Streck, 2. Aufl. § 302 Rn. 5; MünchKomm-[X.]/[X.], § 302 Rn. 15; [X.] Z[X.] 2005, 16, 18 f; [X.] NZI 2003, 480, 485; a.A. FK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 174 Rn. 27; [X.] Z[X.] 2006, 523, 525). 12 b) Hängt der Bestand der Forderung von einer Vorsatztat nicht ab, schei-det auch ein hierauf beschränkter Widerspruch aus. 13 aa) Für das Insolvenzverfahren selbst ist der [X.] ohne Be-deutung, wenn er - wie hier - weder die Höhe der Hauptforderung noch die der Zinsen in Frage stellt. Mit dem den Rechtsgrund isoliert erfassenden [X.] wird insbesondere die Verteilung (§§ 187 ff [X.]) nicht beeinflusst. Es gehört grundsätzlich nicht zum Aufgabenkreis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 [X.], die Rechte des Schuldners für die [X.] nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (vgl. § 201 Abs. 1 [X.]) wahrzunehmen. Die Verpflichtung des Insolvenzgerichts in den Fällen, in denen eine Forderung von Restschuld-befreiung ausgeschlossen ist, den Schuldner auf die Rechtsfolgen des § 302 [X.] und auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen (§ 175 Abs. 2 [X.]), hat ihren Grund darin, dass insoweit keine Rechte und Pflichten des [X.] berührt werden, sondern ausschließlich rechtliche Interessen des Schuldners selbst. Durch die in § 175 Abs. 2 [X.] verankerte - individuelle - Belehrung (vgl. hierzu näher MünchKomm-[X.]/[X.], § 302 Rn. 12 ff) wird auch der rechtlich und wirtschaftlich überforderte Schuldner in die Lage ver-setzt, seine Rechte im Feststellungsverfahren wahrzunehmen. Ein Tätigwerden ist ihm insoweit auch zuzumuten. [X.]) Entgegen der Auffassung der Revision kann der [X.] ein Widerspruchsrecht des Insolvenzverwalters beschränkt auf den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht entnom-men werden. Dort wird allerdings ausgeführt, dass sich das "Privileg" des Gläu-bigers aus § 302 Nr. 1 [X.] (neu) verfahrensrechtlich wie das eines Konkurs-vorrechts nach altem Recht behandeln lasse. Damit wird einerseits auf die auch dort den Gläubiger treffende Obliegenheit verwiesen, das beanspruchte [X.] unter Angabe von Tatsachen, auf die es gestützt werde, anzumelden. Fehle die Feststellung in der Tabelle, so könne sich der Gläubiger im Verfahren nach der [X.] auf einen angeblichen Ausschluss seiner Forderung von der Restschuldbefreiung nicht mehr berufen (BT-Drucks. 14/5680 S. 28). Andererseits wird auf die positive Rechtskraftwirkung des Feststellungsver-merks rekurriert: [X.] der Schuldner nach neuem Recht nicht, so wer-15 - 8 - de der Vortrag des Gläubigers, die Forderung stamme aus einer unerlaubten Handlung, in die Tabelle eingetragen, was nach § 178 Abs. 3 [X.] wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenz-gläubigern wirke (BT-Drucks. aaO S. 27 f). Dagegen ergibt sich aus der Entste-hungsgeschichte kein Hinweis auf ein zusätzliches Widerspruchsrecht des [X.]. In diesem Punkt ist das Verfahren mit der Behandlung der Konkursvorrechte nach altem Recht auch nicht vergleichbar. Diese betrafen nämlich das Konkursverfahren unmittelbar und dort insbesondere die abschlie-ßende Verteilung, so dass die Beachtung und Zurückweisung von Vorrechten zu den wesentlichen Aufgaben des Konkursverwalters gehörte. Kayser [X.] [X.]

Fischer Pape Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 26 C 147/05 - [X.], Entscheidung vom [X.]/06 -

Meta

IX ZR 100/07

12.06.2008

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2008, Az. IX ZR 100/07 (REWIS RS 2008, 3439)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 3439

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