Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.08.2011, Az. III R 55/08

3. Senat | REWIS RS 2011, 4183

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Kindergeld für im Inland selbständig tätige polnische Staatsangehörige - § 100 Abs. 3 FGO im zweiten Rechtsgang nicht anwendbar)


Leitsatz

1. Der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 wird im Rahmen der allgemeinen Vorschriften des Titels I in Art. 2 der VO Nr. 1408/71 festgelegt. Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt die Verordnung insbesondere für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.

2. Für die Frage, ob der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet ist, kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bzw. Selbständige auch die Voraussetzungen erfüllt, die in ihrem Anhang I Teil I Buchst. D aufgeführt sind. Die in dieser Bestimmung enthaltenen Einschränkungen gelten nur für die Vorschriften des Titels III Kapitel 7 dieser Verordnung.

3. Erforderlich, aber auch ausreichend für die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der VO Nr. 1408/71 ist, dass eine Person nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der sozialen Sicherheit in irgendeinem Mitgliedstaat der EU versichert ist.

4. Bescheinigt ein ausländischer Versicherungsträger das Bestehen einer Versicherung, so sind deutsche Behörden und Gerichte an diese Bescheinigung grundsätzlich gebunden. Behauptet der Kläger, die bescheinigte Versicherung bestehe zu Unrecht, obliegt ihm der Nachweis, dass die bestehende Versicherung mit Wirkung für den Streitzeitraum tatsächlich rückabgewickelt wurde.

5. Auf einen Familienangehörigen sind, sofern er nicht selbst Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 ist, die Art. 13 ff. dieser Verordnung nicht anwendbar.

6. Soweit es nach den Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 darauf ankommt, in welchem Mitgliedstaat die abhängige Beschäftigung bzw. die selbständige Tätigkeit ausgeübt wird, bestimmt sich dies grundsätzlich nicht danach, in welchem Land die Versicherung besteht, sondern danach, in welchem Mitgliedstaat die Person abhängig beschäftigt ist bzw. eine selbständige Tätigkeit ausübt. Anzuknüpfen ist dabei nur an diejenige(n) Tätigkeit(en), hinsichtlich derer die betreffende Person als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 gilt.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist [X.] Staatsangehöriger. Er ist verheiratet und hat zwei im April 1986 und im Juni 1990 geborene Kinder, die mit seiner Ehefrau in [X.] leben. In [X.] betreibt der Kläger ein Gewerbe.

2

Seinen Antrag, ihm für seine beiden Kinder Kindergeld zu gewähren, lehnte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) im Oktober 2006 ab. Den Einspruch des [X.] wies sie durch Einspruchsentscheidung im Januar 2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger seit 1991 bei der Sozialversicherung der Landwirte in [X.] ([X.]) als Landwirt versichert sei und daher allein den [X.] Rechtsvorschriften unterliege.

3

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren, in dem er beantragte, ihm für seine beiden Kinder ab Januar 2006 Kindergeld zu gewähren, gab der Kläger u.a. an, er sei über seine Ehefrau bei der [X.] sozialversichert.

4

Mit Urteil vom 16. Januar 2008  2 K 623/07 (juris) hob das Finanzgericht ([X.]) den Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung der Familienkasse auf und verwies die Sache nach § 100 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur weiteren Sachaufklärung an die Familienkasse zurück.

5

Mit ihrer Revision rügt die Familienkasse eine unzutreffende Auslegung der Art. 1, 2 und 13 der Verordnung ([X.]) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern ([X.] 1408/71), in ihrer durch die Verordnung ([X.]) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 --[X.] 118/97-- (Amtsblatt der Europäischen [X.]en 1997 Nr. L 28, [X.]) geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung ([X.]) Nr. 647/2005 des [X.] und des Rates vom 13. April 2005 --[X.] 647/2005-- ([X.] --ABlEU-- 2005 Nr. L 117, [X.]).

6

Die Familienkasse beantragt sinngemäß, das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

8

Zur Begründung trägt er u.a. vor, die [X.] 1408/71 sei auf ihn nicht anzuwenden, da er weder in [X.] noch in [X.] sozialversichert sei. Da er in [X.] keiner Tätigkeit nachgehe, könne er dort nicht versichert sein; dies ergebe sich aus Art. 5a Abs. 1 und Abs. 10 des [X.] Gesetzes über die Sozialversicherung der Landwirte vom 20. Dezember 1990. Richtig sei lediglich, dass er aufgrund eines Fehlers der [X.] bei dieser als Versicherter geführt werde, bis der Fehler entdeckt und das angeblich bestehende Versicherungsverhältnis rückabgewickelt werde. Die Bescheinigung der [X.] sei unrichtig, die Versicherung nichtig und daher als Anknüpfungspunkt ungeeignet.

Entscheidungsgründe

9

I[X.] [X.]ie Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

1. [X.]as [X.] hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass ein etwaiger Anspruch des [X.] auf Kindergeld nach den §§ 62 f. des Einkommensteuergesetzes (EStG) für seine Kinder allenfalls nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (bzw. für das 1986 geborene Kind auch deshalb, weil das Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG noch zu prüfen ist), nicht aber auch nach den vorrangigen Bestimmungen der [X.] 1408/71 ausgeschlossen sein könne. [X.]ie bisherigen Feststellungen des [X.] ermöglichen allerdings keine abschließende Entscheidung dazu, ob der Kläger vom persönlichen Geltungsbereich der [X.] 1408/71 erfasst wird und ob in diesem Fall [X.] oder [X.] Recht auf ihn anzuwenden wäre.

2. Ein Anspruch des [X.] auf Kindergeld nach den §§ 62 f. EStG könnte durch die [X.] 1408/71 und die Verordnung ([X.]) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die [X.]urchführung der [X.] 1408/71 ([X.] 574/72) in ihrer durch die [X.] 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die [X.] 647/2005, ausgeschlossen sein.

a) Auf den Streitfall sind noch diese Verordnungen anzuwenden. [X.]ie [X.] 1408/71 wurde zwar ersetzt durch die Verordnung ([X.]) Nr. 883/2004 des [X.] und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der [X.] Sicherheit --[X.] 883/2004-- ([X.] 2004 Nr. L 166, [X.]). Letztere gilt jedoch nach ihrem Art. 91 Abs. 2 erst ab dem Tag des Inkrafttretens der zu ihrer [X.]urchführung erlassenen Verordnung. [X.]iese --die Verordnung ([X.]) Nr. 987/2009 des [X.] und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die [X.]urchführung der [X.] 883/2004 --[X.] 987/2009-- ([X.] 2009 Nr. L 284, [X.])-- trat nach ihrem Art. 97 Satz 2 erst am 1. Mai 2010 in [X.]. [X.]ie [X.] 574/72 wurde nach Art. 96 Abs. 1 der [X.] 987/2009 erst mit Wirkung vom 1. Mai 2010 aufgehoben. Für den Streitfall gelten demnach noch die [X.] 1408/71 und die hierzu ergangene [X.] 574/72.

b) Als Familienleistung [X.]. 1 Buchst. u Ziff. i der [X.] 1408/71 unterfällt das Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung ihrem sachlichen Geltungsbereich (z.B. Urteil des Gerichtshofs der [X.] --[X.]-- vom 14. Oktober 2010 [X.]/09, [X.], Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht --[X.]-- 2011, 86 Rdnr. 33).

c) [X.]ie bisherigen Feststellungen des [X.] reichen jedoch nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Kläger auch dem persönlichen Geltungsbereich der [X.] 1408/71 unterfällt.

aa) [X.]er persönliche Geltungsbereich der [X.] 1408/71 wird im Rahmen der allgemeinen Vorschriften des Titels I in Art. 2 der [X.] 1408/71 festgelegt. Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt die Verordnung insbesondere für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.

[X.]ie in dieser Vorschrift verwendeten Begriffe "Arbeitnehmer" und "Selbständiger" werden in Art. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 definiert. Sie bezeichnen jede Person, die im Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 aufgeführten Systeme der [X.] Sicherheit gegen die in dieser Vorschrift angegebenen Risiken unter den dort genannten Voraussetzungen versichert ist. Eine Person besitzt somit z.B. die Arbeitnehmereigenschaft i.S. der [X.] 1408/71, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der [X.] Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, und zwar unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (z.B. [X.] vom 7. Juni 2005 [X.]/03, [X.] und [X.], [X.]. 2005, [X.]. 29 ff.; vom 10. März 2011 [X.]/09, [X.], [X.] 2011, 436 [X.]. 28 ff.). Es ist nicht die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit maßgeblich, sondern der Versichertenstatus ([X.]/[X.], [X.], Kommentar, Fach [X.], [X.] Kommentierung, Art. 72 der [X.] 1408/71 Rz 5). [X.]ie [X.] 1408/71 soll also grundsätzlich für alle Personen gelten, die im Rahmen der für Arbeitnehmer und Selbständige bereitgestellten Systeme [X.] Sicherheit oder aufgrund der Ausübung einer Arbeitnehmer- oder Selbständigentätigkeit versichert sind (vgl. ihren Erwägungsgrund Nr. 3).

bb) Für die Frage, ob der persönliche Geltungsbereich der [X.] 1408/71 eröffnet ist, kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bzw. Selbständige auch die Voraussetzungen erfüllt, die in ihrem Anhang I Teil I Buchst. [X.] aufgeführt sind. [X.]enn die in dieser Bestimmung enthaltenen Einschränkungen gelten, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt ("Ist ein [X.] Träger der zuständige Träger für die Gewährung der Familienleistungen gemäß Titel [X.] der Verordnung, ..."), nur für die Vorschriften des Titels [X.] der [X.] 1408/71, d.h. bei Anwendung ihrer Art. 72 ff. (z.B. [X.] vom 12. Mai 1998 [X.]/96, [X.], [X.]. 1998, I-2691 [X.] 35 ff., 43 f., und vom 4. Mai 1999 [X.]/96, [X.], [X.]. 1999, [X.] [X.]. 89 ff.; ferner [X.] vom 30. Januar 1997 [X.], 5/95, [X.] und [X.], [X.]. 1997, [X.] [X.]. 26 ff.; vom 12. Juni 1997 [X.]/95, [X.], [X.]. 1997, I-3279 [X.]. 21 ff., und vom 5. März 1998 [X.]/96, [X.], [X.]. 1998, [X.] [X.]. 35 f., jeweils zu Art. 73 der [X.] 1408/71; ferner [X.]-Urteil [X.] in [X.] 2011, 86 Rdnr. 34; Vorlagebeschluss des Senats vom 30. Oktober 2008 [X.]/07, [X.], 358, [X.], 923 Rz 16 ff.). [X.]as setzt voraus, dass die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 bereits bejaht wurde.

Sollte sich dem Urteil des [X.] ([X.]) vom 13. August 2002 [X.] ([X.]E 200, 204, BStBl II 2002, 869) zum Anwendungsbereich des Anhangs I Teil I Buchst. [X.] der [X.] 1408/71 etwas anderes entnehmen lassen, könnte der Senat dem aus den oben dargelegten Gründen nicht folgen. Eine Anfrage beim VII[X.] Senat wäre schon deshalb nicht erforderlich, weil dieser Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.] für Fragen betreffend Kindergeld (§§ 62 bis 78 EStG) nicht mehr zuständig ist.

cc) Erforderlich, aber auch ausreichend für die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der [X.] 1408/71 ist, dass eine Person nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der [X.] Sicherheit in irgendeinem Mitgliedstaat der [X.] ([X.]) versichert ist. [X.]ass eine Person die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 in Bezug auf ihre in [X.]eutschland ausgeübte Tätigkeit nicht erfüllt, bedeutet daher noch nicht, dass sie dem persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung nicht unterfällt, denn dieser kann aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dem System der [X.] Sicherheit eines anderen Mitgliedstaats eröffnet sein.

[X.]ie [X.] 1408/71 gilt personen- und nicht tätigkeitsbezogen. Ihr Ziel ist die Koordinierung der Systeme der [X.] Sicherheit. Für Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern, soll jeweils das System der [X.] Sicherheit nur eines Mitgliedstaats gelten, so dass eine Kumulierung anzuwendender innerstaatlicher Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen vermieden werden (vgl. ihren Erwägungsgrund Nr. 8). Um dieses Ziel zu erreichen, ist daher in einem ersten Schritt zu ermitteln, ob eine Person die Versicherteneigenschaft nach den für die [X.] Sicherheit geltenden Rechtsvorschriften (irgend) eines, ggf. auch mehrerer, Mitgliedstaaten besitzt (vgl. auch [X.]-Urteil [X.] in [X.]. 1999, [X.] Rdnr. 85). Ist danach der persönliche Geltungsbereich der [X.] 1408/71 für eine Person eröffnet, ist in einem zweiten Schritt das auf sie anzuwendende Recht nach den Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 zu bestimmen.

dd) Bezogen auf den vorliegenden Fall ist daher zunächst zu prüfen, ob der Kläger in [X.] und/oder in [X.]eutschland als Arbeitnehmer und/oder Selbständiger [X.]. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 gilt.

(1) Entgegen der Auffassung des [X.] kann der Anwendungsbereich der [X.] 1408/71 nicht bereits mit der Begründung als nicht eröffnet angesehen werden, dass der Kläger in [X.] keine Tätigkeit ausübe, Art. 13 Abs. 2 Buchst. b der [X.] 1408/71 aber die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit voraussetze. [X.]enn die Frage der Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs beurteilt sich allein danach, ob der Kläger [X.]. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger gilt oder nicht.

(2) In [X.]eutschland war der Kläger zwar im Hinblick auf seine Tätigkeit im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit nicht versichert und auch nicht versicherungspflichtig, so dass er insoweit nicht als Selbständiger [X.]. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 gilt. [X.]ie bisherigen Feststellungen des [X.] ermöglichen jedoch keine Beurteilung, ob der Kläger ggf. in [X.] als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger [X.]. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 gilt.

Nach den Feststellungen des [X.] ist der Kläger in [X.] über seine Ehefrau in der [X.] mitversichert. [X.]iese Feststellung allein reicht jedoch nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Kläger deshalb als Selbständiger [X.]. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 gilt. [X.]enn nicht jede Mitgliedschaft in einem System der [X.] Sicherheit führt zur Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der [X.] 1408/71. [X.]iese knüpft insoweit in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 vielmehr daran an, dass eine Person entweder in einem für Arbeitnehmer und Selbständige bereitgestellten System der [X.] Sicherheit, oder jedenfalls gerade aufgrund einer Arbeitnehmer- oder Selbständigentätigkeit versichert ist (vgl. ihren Erwägungsgrund Nr. 3). [X.]ie Mitgliedschaft in einem System der [X.] Sicherheit eines Mitgliedstaats führt also nur dann zur Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der [X.] 1408/71, wenn sie zugleich die Voraussetzungen des Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung erfüllt. [X.]afür kann ggf. auch die freiwillige Mitgliedschaft eines Selbständigen ausreichen (vgl. Art. 1 Buchst. a Ziff. iv der [X.] 1408/71). [X.]ie erforderlichen Feststellungen zum [X.] System der [X.] Sicherheit und zu dem konkreten Versichertenstatus des [X.] im Rahmen dieses Systems sind daher nun nachzuholen. Insoweit kann auch von Bedeutung sein, ob, wovon das [X.] offenbar ausgeht, der Kläger über seine Ehefrau in der [X.] mitversichert ist, oder ob die in der Kindergeldakte enthaltenen Bescheinigungen der [X.] vom 3. November 2006 nicht stattdessen eine Versicherung des [X.] als Landwirt und eine Mitversicherung seiner Ehefrau belegen.

(3) Soweit der Kläger vorträgt, dass er in [X.] nicht versichert sein könne, weil er in [X.] keine Tätigkeit ausübe, und dass er lediglich aufgrund eines Fehlers der [X.] bei dieser als Versicherter geführt werde, obliegt es ihm, den Nachweis zu erbringen, dass er im Streitzeitraum tatsächlich nicht versichert war, die bestehende Versicherung also rückabgewickelt wurde. [X.] ein ausländischer Versicherungsträger wie hier die [X.] das Bestehen einer Versicherung, so sind [X.] Behörden und Gerichte an diese Bescheinigung grundsätzlich gebunden, sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Bescheinigung als solche fehlerhaft ist (vgl. [X.]-Urteil vom 26. Januar 2006 C-2/05, [X.], [X.]. 2006, I-1079 [X.]. 18 ff.). [X.] ein ausländischer Versicherungsträger also z.B. (weiterhin) das Bestehen einer Versicherung als Landwirt, weil ein vormals in [X.] als Landwirt tätiger und als solcher Versicherter es unterlässt, dem zuständigen Versicherungsträger mitzuteilen, dass er diese Tätigkeit aufgegeben hat und nunmehr im Ausland eine Tätigkeit ausübt, so muss sich der so Versicherte --entsprechend der tatsächlich (noch) bestehenden und insoweit zutreffend bescheinigten [X.] an diesem Versichertenstatus festhalten lassen mit der Folge, dass er (weiterhin) so behandelt wird, als ob er (weiterhin) als selbständiger Landwirt in [X.] tätig ist. In diesem Fall gilt er daher nicht nur [X.]. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger, sondern --entsprechend der tatsächlich noch bestehenden [X.] auch als ein Arbeitnehmer bzw. Selbständiger, der [X.]. 13 Abs. 2 Buchst. a bzw. b der [X.] 1408/71 in [X.] eine Tätigkeit ausübt. Es ist Aufgabe des Versicherten, seiner Versicherung gegenüber rechtzeitig Änderungen mitzuteilen, die für sein Versicherungsverhältnis von Bedeutung sind, und auf diese Weise einen seinen tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Versichertenstatus zu erreichen. Solange daher der Kläger nicht den Nachweis erbracht hat, dass er im Streitzeitraum tatsächlich nicht mehr bei der [X.] versichert war und die bestehende Versicherung tatsächlich rückabgewickelt wurde, muss er sich für Zwecke der Anwendung der [X.] 1408/71 entsprechend seines von der [X.] bescheinigten, tatsächlich bestehenden Versichertenstatus behandeln lassen.

ee) [X.]ahinstehen kann, ob die Ehefrau des [X.] als Arbeitnehmerin bzw. Selbständige [X.]. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 und der Kläger als ihr Familienangehöriger (Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 der [X.] 1408/71) anzusehen sind, weil dies entgegen der Auffassung der Familienkasse nicht dazu führen würde, dass das auf den Kläger anzuwendende Recht sich nach den Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 richten würde. [X.]enn diese Bestimmungen knüpfen nicht an den Familienangehörigen eines Arbeitnehmers bzw. Selbständigen, sondern an diesen selbst an (vgl. [X.]-Urteil vom 3. Juni 1999 [X.]/97, [X.], [X.]. 1999, [X.] [X.]. 22 ff.).

3. Sollten die noch erforderlichen Ermittlungen des [X.] ergeben, dass der Kläger vom persönlichen Geltungsbereich der [X.] 1408/71 erfasst wird, ist das auf ihn anzuwendende Recht nach den Vorschriften des Titels II dieser Verordnung (Art. 13 ff.) zu bestimmen.

a) Soweit es nach den Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 darauf ankommt, in welchem Mitgliedstaat die abhängige Beschäftigung bzw. die selbständige Tätigkeit ausgeübt wird (so z.B. in Art. 13 Abs. 2 Buchst. a und b der [X.] 1408/71), bestimmt sich dies entgegen der Auffassung der Familienkasse grundsätzlich nicht danach, in welchem Land die Versicherung besteht, sondern --entsprechend dem insoweit eindeutigen Wortlaut der jeweiligen Bestimmung-- danach, in welchem Mitgliedstaat die Person abhängig beschäftigt ist bzw. eine selbständige Tätigkeit ausübt. [X.]abei ist grundsätzlich von dem bescheinigten Versichertenstatus des Versicherten auszugehen (vgl. oben unter I[X.]2.c dd (3)).

Anzuknüpfen ist allerdings nur an diejenige(n) Tätigkeit(en), hinsichtlich derer die betreffende Person als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger [X.]. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 gilt. [X.]ie Vorschriften des Titels II der [X.] 1408/71 beziehen sich zwar ihrem Wortlaut nach auf Personen, die abhängig beschäftigt sind bzw. eine selbständige Tätigkeit ausüben, und nicht auf Arbeitnehmer oder Selbständige. Eine kohärente Auslegung des persönlichen Geltungsbereichs dieser Verordnung und des durch sie geschaffenen Systems von [X.] gebietet es aber, die fraglichen Begriffe des Titels II der [X.] 1408/71 im Lichte der [X.]efinitionen ihres Art. 1 Buchst. a auszulegen (vgl. [X.]-Urteil vom 30. Januar 1997 [X.]/95, Hervein, [X.]. 1997, I-609 [X.]. 19 f.). Für den Kläger kann sich die Anwendung der [X.]n Rechtsvorschriften daher nicht aus Art. 13 Abs. 2 Buchst. b der [X.] 1408/71 ergeben, denn hinsichtlich seiner in [X.]eutschland ausgeübten gewerblichen Tätigkeit gilt er nicht als Selbständiger [X.]. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71.

b) Sollte die Prüfung der Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 gleichwohl ergeben, dass auf den Kläger [X.] Rechtsvorschriften anzuwenden sind, müsste --neben der Frage, ob auch das 1986 geborene Kind die Voraussetzungen des § 32 EStG erfüllt-- noch ermittelt werden, ob und ggf. für welche Monate des [X.] für die Kinder des [X.] in [X.] ein Anspruch auf Familienleistungen bestand. Soweit ein solcher Anspruch bestand, wäre die dann gegebene Anspruchskumulierung nach den Antikumulierungsvorschriften der [X.] 1408/71 bzw. der [X.] 574/72 zu klären. [X.]abei wären bei Anwendung des Art. 76 der [X.] 1408/71 bzw. des Art. 10 der [X.] 574/72 die Einschränkungen des Anhangs I Teil I Buchst. [X.] der [X.] 1408/71 zu berücksichtigen.

c) Sollten nach den Bestimmungen der Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 die [X.]n Rechtsvorschriften nicht anzuwenden sein, stellte sich die Frage, ob [X.]eutschland als der nach der [X.] 1408/71 dann nicht zuständige Mitgliedstaat gleichwohl befugt wäre, Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG zu zahlen, und ob in einem solchen Fall der Anwendung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unionsrechtliche Vorschriften entgegenstünden. Insoweit handelte es sich um die gleichen Fragestellungen, die bereits Gegenstand der Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 21. Oktober 2010 [X.]/09 ([X.]E 231, 183) und [X.]/10 ([X.]E 231, 194) sind, so dass eine Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens bis zur Entscheidung des [X.] in den bei diesem anhängigen Verfahren [X.]/10 und [X.]/10 in Betracht kommen könnte.

4. Sollte der persönliche Geltungsbereich der [X.] 1408/71 für den Kläger nicht eröffnet sein, richtete sich sein Kindergeldanspruch allein nach den §§ 62 ff. [X.] Insoweit wäre, worauf das [X.] bereits selbst hingewiesen hat, insbesondere noch zu klären, ob und ggf. für welche Monate des [X.] in [X.] für die Kinder des [X.] ein Anspruch auf Familienleistungen bestand. Zudem wäre noch zu prüfen, ob auch das 1986 geborene Kind die Voraussetzungen des § 32 EStG erfüllt.

5. [X.]ie Sache ist im Rahmen des [X.] danach nicht spruchreif und war deshalb nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O an das [X.] zurückzuverweisen. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine (erneute) Anwendung des § 100 Abs. 3 [X.]O im zweiten Rechtsgang nicht in Betracht kommt (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 18. Februar 1997 [X.], [X.]E 182, 287, BStBl II 1997, 409; Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 100 [X.]O Rz 105, 121), so dass dahinstehen kann, ob diese Bestimmung auf den hier gegebenen Fall der Verpflichtungsklage überhaupt anwendbar ist (ablehnend z.B. Lange in [X.], § 101 [X.]O Rz 36, m.w.N.; für eine analoge Anwendung z.B. [X.] in [X.], [X.]O § 101 Rz 20 ff.).

Meta

III R 55/08

04.08.2011

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 16. Januar 2008, Az: 2 K 623/07, Urteil

§§ 62ff EStG 2002, Art 1 Buchst a EWGV 1408/71, Art 2 Abs 1 EWGV 1408/71, Art 13 EWGV 1408/71, Art 76 EWGV 1408/71, Anh I Teil I Buchst D EWGV 1408/71, Art 10 EWGV 574/72, § 100 Abs 3 FGO, § 62 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.08.2011, Az. III R 55/08 (REWIS RS 2011, 4183)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4183

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III R 66/08 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 04.08.2011 III R 55/08 - Kindergeld für im Inland …


III R 36/08 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 04.08.2011 III R 55/08 - Kindergeld für im Inland …


III R 40/08 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 04.08.2011 III R 55/08 - Kindergeld für im Inland …


III R 81/08 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 04.08.2011 III R 55/08 - Kindergeld für im Inland …


III R 41/08 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 04.08.2011 III R 55/08 - Kindergeld für im Inland …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

III R 35/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.