Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2007, Az. X ZR 100/05

X. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 1304

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[X.]BESCHLUSS [X.] vom 23. Oktober 2007 in der [X.] Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja Sachverständigenablehnung II ZPO § 406 Zur Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen im Nichtigkeitsberufungsverfahren.
[X.], [X.]. v. 23. Oktober 2007 - [X.] - [X.]

- 2 - [X.] hat am 23. Oktober 2007 durch [X.] Melullis und [X.] Scharen, [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Das gegen den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. N. gerichtete Ablehnungsgesuch wird zurückgewiesen.

Gründe: 1 [X.] Die Beklagte ist Inhaberin des [X.] 527 (Streitpatents), das eine thermoplastische Zusammensetzung aus kompatibi-lisiertem Polyphenylether-Polyamidharz und elektrisch leitendem Ruß betrifft. Die Klägerin hat vor dem [X.] in Bezug auf das Streitpatent gegen die Beklagte Nichtigkeitsklage erhoben, mit der sie in erster Instanz Erfolg hatte. Im Berufungsverfahren hat der [X.]at Beweiserhebung durch [X.] eines Sachverständigengutachtens angeordnet und Prof. Dr. N. von der –

zum gerichtlichen Sach- verständigen bestellt. Nach Einreichung des schriftlichen Gutachtens hat die Klägerin den Sachverständigen im Wesentlichen mit der Begründung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, dass dieser sein Gutachten über ei-2 - 3 - nen Monat vor dem ursprünglich zugesagten Termin fertig gestellt und [X.] habe, obwohl sie noch einen weiteren Schriftsatz angekündigt habe; dies spreche dafür, dass er sich einer nochmaligen Reflexion der von ihm gewon-nenen Erkenntnisse habe verschließen wollen. Auch habe der [X.] ersichtlich erst nach Eingang des letzten Schriftsatzes der Beklagten große Teile seines Gutachtens erstellt, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit bestanden habe. Weiter habe er wesentliche Argumente der Klägerin unbe-rücksichtigt gelassen, falsch oder sinnentstellend wiedergegeben, [X.]vor-trag der Beklagten unreflektiert übernommen und zuungunsten der Klägerin unterschiedliche Maßstäbe angewendet. Zudem stehe der Sachverständige in geschäftlichen Beziehungen zu den Verfahrensbevollmächtigten der [X.]; so seien diese als Vertreter bei sechs Patentanmeldungen (aus den Jahren 2000 bis 2002) tätig geworden, in denen der Sachverständige als [X.] benannt sei; hierauf habe der Sachverständige nicht hingewiesen. Auch habe er mit der [X.], einer Wettbewerberin der Klägerin, zusam- mengearbeitet, mit der Lieferbeziehungen der Beklagten hinsichtlich zweier Hauptkomponenten des Gegenstands des Streitpatents beständen. Auch [X.] die Beklagte und die [X.]
bei zahlreichen Patentanmeldungen [X.] operiert, die zum Teil in enger Verwandtschaft zum Gegenstand des [X.] ständen. Weiter beständen direkte Geschäftsbeziehungen zwischen der auf dem Campus der –

Beklag- ten und der [X.]Die Beklagte hat dem Ablehnungsgesuch, das sie bereits für verfristet hält, widersprochen. Sie meint, dass die Klägerin nicht rechtzeitig [X.] über die Beziehungen des Sachverständigen zu den [X.]en und ihren Vertretern angestellt habe. Es habe kein direktes Mandatsverhältnis zu dem Sachverständigen bestanden und die Patentanwälte, die als Vertreter tätig geworden seien, seien längst aus ihrer Sozietät ausgeschieden. 3 - 4 - I[X.] [X.] bleibt ohne Erfolg. 4 Ein Sachverständiger kann nach § 406 ZPO, der auch im Berufungs-verfahren in [X.]n anwendbar ist, abgelehnt werden, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die in den Augen einer vernünftigen [X.] geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der gerichtlich beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hegt. Maßgeblich ist vielmehr, ob für die das Ablehnungsgesuch anbringende [X.] der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit besteht. Dies kann unter anderem in Betracht kommen, wenn der Sachverständige in ei-nem aktuellen Mandatsverhältnis zu den Prozessbevollmächtigten des [X.] oder in näheren Beziehungen zu einer der [X.]en steht ([X.].[X.]. v. [X.] - [X.], in juris; [X.]. v. 4.12.2001 - [X.]/00, [X.], 369 - Sachverständigenablehnung; [X.]. v. 13.1.1987 - [X.], [X.], 350 f. - Werkzeughalterung). 5 Die geltend gemachten Gründe rechtfertigen, ihre rechtzeitige Anbrin-gung zugunsten der Klägerin unterstellt, bei verständiger Würdigung nicht die Annahme, der gerichtliche Sachverständige werde nicht die erforderliche Un-parteilichkeit aufbringen. 6 Soweit die Klägerin geltend macht, dass der gerichtliche [X.] sein Gutachten verfrüht eingereicht habe, ist zu bemerken, dass der [X.] den gerichtlichen Sachverständigen bereits im März 2007 zur alsbaldigen Abgabe des Gutachtens angehalten und sodann im Mai 2007 nachgefragt hat, wann mit der Abgabe des Gutachtens zu rechnen sei. Dass sich der Sachverständige daraufhin mit der Abgabe des Gutachtens beeilt hat, kann 7 - 5 - deshalb bei verständiger Würdigung für sich nicht die Besorgnis der Befan-genheit begründen, dies umso mehr, als der Sachverständige immer seine Bereitschaft bekundet hat, noch auf nachträgliches Vorbringen zu reagieren. Der von der Klägerin noch angekündigte weitere Schriftsatz ist im Übrigen bis zum Erlass dieser Entscheidung nicht bei Gericht eingegangen. Dass der Sachverständige nicht zu einer Reflexion seiner Meinung bereit sei, ist eine lediglich auf Vermutungen gestützte Annahme der Klägerin, die zudem im Widerspruch zu den Erklärungen des Sachverständigen steht; sie kann daher bei verständiger Würdigung nicht die Annahme begründen, der [X.] sei befangen. Etwaige inhaltliche Mängel des Gutachtens wird der [X.]at in seine Beweiswürdigung einzubeziehen haben. Auch sie wären für sich nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen ([X.].[X.]. v. 5.11.2002 - [X.], [X.] PatG 110-122 Nr. 59 - [X.] sowie [X.] vom selben Tag - [X.]/01 und [X.], [X.] 2003 Sonderheft 1, 107, Leitsatz auch in [X.]. 2003, 333 - Sachverständigenablehnung 09). 8 Dass der Sachverständige bei Erfindungen als Miterfinder benannt ist, bei denen die Anwaltssozietät die Vertretung übernommen hatte, die [X.] die Beklagte vertritt, könnte - unabhängig davon, dass die Anwälte, die im jeweiligen Fall tätig geworden sind, wie dem [X.]at bekannt ist, Anfang 2003 aus der Kanzlei ausgeschieden und in anderer Sozietät tätig sind - die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nur dann begründen, wenn es sich um gegenwärtige oder doch um nicht lange zurückliegende [X.] handeln würde (vgl. [X.]., aaO, [X.], 350 f. - Werkzeughalterung), regelmäßig aber nicht schon dann, wenn es sich um bereits längere [X.] zu-rückliegende Mandatsverhältnisse handelt (vgl. [X.].[X.]. v. [X.] - [X.]). Dass dies der Fall sei, wird aber von der Klägerin nicht einmal behauptet; es ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Unterlagen, die [X.] 6 - weisen, dass die Vertretung, soweit im Inland Anwälte eingeschaltet wurden, zwar jedenfalls 1997 (Patentanmeldung [X.] –

) und 2000 bis 2002 durch die Sozietät der Beklagtenvertreter erfolgt ist, seit 2003 aber durch die aus der Sozietät der Beklagtenvertreter ausgeschiedenen Anwälte der nunmehrigen Sozietät [X.]

oder durch Anwälte der Kanzlei [X.]

, und nicht mehr durch die Sozietät, die die Beklagte vertritt. Daraus kann nur geschlossen werden, dass etwaige Beziehungen des Sach-verständigen zur Sozietät der Beklagtenvertreter spätestens im Jahr 2003 und damit bereits vor geraumer [X.] geendet haben. Zudem fällt ins Gewicht, dass es sich nicht um eigene Anmeldungen des Sachverständigen handelt, sondern durchwegs um Anmeldungen der B.

und dabei um solche, bei denen der Sachverständige lediglich als Miterfinder benannt ist. 9 Dass der Sachverständige unmittelbar mit der Beklagten zusammen-gearbeitet haben soll, macht die Klägerin nicht geltend. Schon aus diesem Grund erweist sich der von ihr genannte [X.]uss des [X.] vom 24.7.2001 - 14 W 99/01 (soweit ersichtlich unveröffentlicht) als unergiebig. Dass er mit einer Wettbewerberin der Klägerin zusammengear-beitet haben mag, füllt einen Ablehnungsgrund ebenfalls nicht aus. [X.] als solche sind, wie der [X.]at erst kürzlich für Industrietätigkei-ten allgemein entschieden hat ([X.].[X.]. v. 18.9.2007 - [X.]), bei Hochschullehrern auf dem Gebiet der Technik und der Naturwissenschaften allgemein zu erwarten und schon deshalb für sich allein nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Sie sind sogar im Interesse der Qualifikation des Sachverständigen erwünscht ([X.].[X.]. v. 26.7.2005 - [X.], Umdruck S. 5, im Druck nicht veröffentlicht). Dies gilt [X.]. Ob außerhalb dieser Verfahrensart für eine Zusammenarbeit mit Wettbewerbern etwas anderes zu gelten hat (vgl. den ebenfalls von der Klägerin vorgelegten [X.]uss des [X.] - [X.] vom 23.10.1997 - 6 W 2270/97, soweit ersichtlich unveröf-fentlicht), bedarf deshalb keiner weiteren Erörterung. Auch eine Tätigkeit für einen nicht am Verfahren beteiligten und auch nicht mit einem Verfahrensbeteiligten verflochtenen Konkurrenten (zu diesem Fall [X.].[X.]. v. 10.12.1998 - [X.], abgedruckt bei [X.], [X.] in [X.] 1994 - 1998, 551 - Sachverständigen-ablehnung 05; [X.]. v. [X.] - [X.]) rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch nicht ([X.].[X.]. v. 18.9.2007, aaO; vgl. [X.].[X.]. v. 11.7.1995 - [X.], [X.] PatG 26-29 Nr. 39 - Sachverständigenablehnung 01; vgl. weiter [X.].[X.]. v. 5.11.2002 - [X.], [X.] PatG 110-122 Nr. 59 - [X.], Umdruck S. 5, und zwei Entscheidungen vom selben Tag - [X.]/01 und [X.], [X.] 2003 Sonderheft 1, 107, Leitsatz auch in [X.]. 2003, 333 - Sachverständigenablehnung 09). Derartige [X.] hat die Klägerin indessen nicht ausreichend dargelegt, selbst wenn zu ih-ren Gunsten davon ausgegangen wird, dass das Streitpatent einen Ge-schäftsbereich betrifft, auf dem sowohl die Klägerin als auch die Beklagte und das Konkurrenzunternehmen, mit dem der Sachverständige zusammengear-beitet haben soll, tätig sind. Objektiv greifbare Anhaltspunkte, die bei verstän-diger Würdigung die Annahme stützen können, dass der Sachverständige befangen sei, ergeben sich hieraus nicht. 10 Schließlich ist der Umstand, dass die Beklagte (oder jedenfalls ein mit dieser verbundenes Konzernunternehmen) eine Niederlassung auf dem Campus der Hochschule unterhält, der der Sachverständige angehört, nicht geeignet, aus der Sicht einer verständigen [X.] die Besorgnis der Befan-genheit zu begründen. Zwar wird eine Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände bei Forschungskooperationen zwischen der organisatorischen 11 - 8 - Einheit der Hochschule, der der Sachverständige angehört, und einer Pro-zesspartei oder einem mit dieser verbundenen Unternehmen zu dem [X.] führen können, dass der Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangen-heit ausgefüllt ist (vgl. [X.].[X.]. v. 10.12.1998 - [X.] bei [X.] [X.] 1994 - 1998, 551 - Sachverständigenablehnung 05; [X.]. v. [X.] - [X.], im Druck nicht veröffentlicht; zur Gesamtabwägung [X.].[X.]. v. 25.2.1997 - [X.], bei [X.] [X.] 1994-1998, 559 - Sachverständigenablehnung 03). Solche Kontakte des Instituts, dem der Sachverständige angehört, sind hier indessen nicht einmal vorgetragen; blo-ße Beziehungen der [X.] oder zu einem [X.] der Beklagten, auf die sich die Klägerin stützt, reichen nicht dafür aus, einen hinreichenden Anlass für die Besorgnis der Befangenheit zu bieten (vgl. [X.].[X.]. v. 1.2.2005 - [X.]; v. 26.7.2005 - [X.], beide nicht im Druck veröffentlicht). - 9 - Auch aus der Summierung der von der Klägerin geltend gemachten Umstände ergibt sich kein hinreichender Anlass für eine Besorgnis der Be-fangenheit. Die heterogenen Aspekte, auf die sich die Klägerin stützt, erlau-ben bei verständiger Würdigung keine Summenbildung. 12 [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 01.03.2005 - 3 Ni 23/03 ([X.]) -

Meta

X ZR 100/05

23.10.2007

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2007, Az. X ZR 100/05 (REWIS RS 2007, 1304)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 1304

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