Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.01.2012, Az. 2 WD 40/10

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2012, 10254

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Doppelzahlung von Kindergeld; Steuerhinterziehung; besonders hoher Schaden; Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen


Leitsatz

Ein Soldat, der es vorsätzlich pflichtwidrig unterlässt, zwei beteiligte Familienkassen über die Doppelzahlung von Kindergeld in der Form der Steuervergütung in Kenntnis zu setzen, begeht dadurch eine außerdienstlich Steuerhinterziehung und ein schweres Dienstvergehen. Fügt ein Staatsdiener dem Staat durch eine Steuerhinterziehung einen besonders hohen Schaden zu, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich die Dienstgradherabsetzung (vgl. Urteil vom 21. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 10.10).

Tatbestand

Ein Berufssoldat im Dienstgrad eines Hauptfeldwebels hatte bei der Familienkasse der [X.] Kindergeld beantragt und eine Einverständniserklärung seiner Ehefrau über seine Kindergeldbezugsberechtigung beigefügt. Danach hatte er im [X.] seiner Ehefrau an die Familienkasse des Arbeitsamtes erklärt, mit dem Kindergeldbezug durch seine Ehefrau einverstanden zu sein. Zwischen März 1994 und Dezember 2008 ist durch beide Familiekassen Kindergeld für das älteste Kind gezahlt worden, ohne dass der Soldat den beteiligten Familienkassen den [X.] mitteilte. Der zu Unrecht gezahlte Betrag belief sich auf mehr als 22 000 €. Im Strafverfahren wegen einer Steuerhinterziehung erging gegen den Soldaten ein Strafbefehl über eine Geldstrafe.

Im gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Truppendienstkammer gegen den Soldaten wegen eines vorsätzlichen Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von vier Jahren verbunden mit einer Gehaltskürzung in Höhe von einem Zwanzigstel für die Dauer von drei Jahren verhängt.

Auf die maßnahmebeschränkte Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft hat das [X.] den Soldaten zum Oberfeldwebel degradiert, jedoch die Wiederbeförderungsfrist auf zwei Jahre herabgesetzt.

Entscheidungsgründe

...

2. Bei der Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme ist von der von [X.] wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. [X.]iese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen [X.]ienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der [X.]isziplin in der [X.]", vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 [X.] 11.07 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 26 m.w.[X.]). Bei Art und Maß der [X.]isziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 [X.] Eigenart und Schwere des [X.]ienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.

a) Eigenart und Schwere des [X.]ienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten [X.]ienstpflichten. [X.]anach wiegt das [X.]ienstvergehen schwer.

Hierbei hat der Senat wegen der zwar rechtsfehlerhaften, aber den Senat gleichwohl bindenden Feststellungen des Truppendienstgerichts von einer Verletzung der Wahrheitspflicht auszugehen. Ein Soldat, der gegenüber Vorgesetzten und [X.]ienststellen der [X.] in dienstlichen Angelegenheiten unwahre Erklärungen abgibt, büßt hierdurch allgemein seine Glaubwürdigkeit ein. [X.]ie Bedeutung der Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG) kommt schon darin zum Ausdruck, dass diese - anders als z.B. bei Beamten - für Soldaten gesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Eine militärische Einheit kann nicht ordnungsgemäß geführt werden, wenn sich die Führung und die Vorgesetzten nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen Untergebener verlassen können. [X.]enn auf ihrer Grundlage müssen im [X.] und erst recht im Einsatzfall gegebenenfalls Entschlüsse von erheblicher Tragweite gefasst werden (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 [X.] 11.07 - m.w.[X.] ). Wer als Soldat in dienstlichen Äußerungen und Erklärungen vorsätzlich unrichtige Angaben macht, lässt unmissverständlich erkennen, dass seine Bereitschaft zur Erfüllung der Wahrheitspflicht nicht im gebotenen Umfang vorhanden ist. Eine solche [X.]ienstpflichtverletzung und die daraus folgende Beschädigung seiner persönlichen Integrität haben damit erhebliche Bedeutung für die militärische Verwendungsfähigkeit des Soldaten (vgl. dazu Urteil vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 [X.] 2.10 - juris Rn. 28 m.w.[X.]).

Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt schwer. [X.]ie Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des [X.] der [X.] und zur Gewährleistung des militärischen [X.]ienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen [X.]ienstes gewährleistet ist. [X.]abei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 [X.] 20.09 - juris m.w.N - und vom 4. Mai 2011 - a.a.[X.] - Rn. 29). [X.]ies war hier der Fall.

Eigenart und Schwere des [X.]ienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat aufgrund seines aktuellen [X.] als Hauptfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis steht (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 [X.]) und auch schon im April 1994 zu Beginn des erfassten Zeitraums als Stabsunteroffizier in einem solchen Verhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 [X.]). Soldaten in [X.] obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner [X.]ienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). [X.]abei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten [X.] an [X.] hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer [X.] aufgrund des [X.] aus (vgl. Urteile vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 [X.] 7.08 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 25 m.w.[X.], vom 13. Januar 2011 - a.a.[X.] und vom 4. Mai 2011 - a.a.[X.] Rn. 30).

Bestimmend für Eigenart und Schwere des [X.]ienstvergehens sind schließlich auch die weiteren Tatumstände: [X.]er Irrtum zweier Familienkassen über den parallelen Bezug von Kindergeld durch beide Ehegatten wurde über einen langen Zeitraum von etwa 14 Jahren aufrechterhalten. Über diesen langen Zeitraum hinweg hat der Soldat kontinuierlich durch die unberechtigte monatliche Auszahlung von doppeltem Kindergeld profitiert und dem Fiskus einen in der Gesamtsumme hohen Schaden von 22.619,70 € zugefügt.

b) [X.]as [X.]ienstvergehen hatte keine nachteiligen Auswirkungen auf den [X.]ienstbetrieb. [X.]er Soldat wird nach wie vor als Lehrfeldwebel bei der ...schule in A. eingesetzt. Nach den Angaben seines früheren [X.]isziplinarvorgesetzten hat sich der Vorfall im [X.] nicht herumgesprochen. Er ist auch in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden. [X.]as Vertrauen seines früheren und gegenwärtigen Vorgesetzten in den Soldaten ist nach deren Aussage unbeschädigt geblieben.

c) [X.] waren nach den den Senat bindenden Feststellungen des Truppendienstgerichts von [X.] geprägt, ging es ihm doch darum, über einen längeren Zeitraum eine unberechtigte [X.]oppelzahlung von Kindergeld zu erreichen und sich so auf Kosten des [X.]ienstherrn zu bereichern.

d) [X.] wird vor allem dadurch bestimmt, dass er nach den bindenden Feststellungen des Truppendienstgerichts vorsätzlich gehandelt hat. [X.] Anhaltspunkte dafür, dass er zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein könnte, sind nach dem Akteninhalt nicht ersichtlich.

Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Soldaten mindern könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Sie wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 [X.] 18.07 m.w. [X.]) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Hierfür gibt es auch unter Berücksichtigung des Vortrages des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung keine hinreichenden Gründe. Insbesondere hat er nicht gehandelt, um einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage abzuhelfen. Zum einen hat er die Schulden seiner Eltern erst 1995 und damit nach dem Beginn des [X.] von Kindergeld übernommen. Zum anderen war die sich hieraus ergebende monatliche, finanzielle Belastung auch nicht so gravierend, dass einer existentiellen Notlage der Familie nicht anders als durch das doppelte Kindergeld hätte abgeholfen werden können. [X.]er Soldat selbst hat dies auch nicht einmal behauptet.

e) Im Hinblick auf die [X.] "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sprechen für den Soldaten seine ihm bereits durch die Beurteilungen attestierten überdurchschnittlichen Leistungen sowie die ihm verliehenen Auszeichnungen und förmlichen Anerkennungen. Sowohl sein ehemaliger als auch sein gegenwärtiger [X.]isziplinarvorgesetzter haben diesen Eindruck durch ihre Angaben zur hohen Qualität der Arbeitsleistung des Soldaten, seiner Zuverlässigkeit und Integrität, seinem hohen Engagement und Pflichteifer bestätigt. [X.]a der Soldat auch unter dem [X.]ruck des laufenden Verfahrens in seinen Leistungen nicht nachgelassen, diese vielmehr noch gesteigert und seinen Leistungswillen auch durch die erfolgreiche Teilnahme an weiteren Lehrgängen zur Förderung seiner Verwendungsbreite nachgewiesen hat, geht der Senat von einer Nachbewährung des Soldaten aus.

Zugunsten des Soldaten ist weiter zu berücksichtigen, dass er bisher weder disziplinar- noch strafrechtlich in Erscheinung getreten war.

Für den Soldaten spricht weiter, dass er glaubhaft Unrechtseinsicht und Reue bekundet hat. [X.]er Soldat hat davon abgesehen, mit rechtlichen Mitteln gegen den Rückforderungsbescheid und den Strafbefehl vorzugehen und dadurch die Übernahme finanzieller Lasten so wenigstens zu verzögern, vielmehr damit begonnen, die Geldstrafe und die Rückforderung überzahlten Kindergeldes in den finanziellen Spielraum der Familie deutlich einschränkenden Raten zu begleichen. [X.]ieses konsequente Verhalten spricht glaubhaft für seine Bereitschaft, Verantwortung für sein Fehlverhalten zu übernehmen. [X.]iese Bereitschaft ist nach dem Eindruck des Senats Ausdruck der moralischen Grundhaltung des Soldaten, die ihn auch zur Übernahme der Schulden seiner Eltern bewegten. Auch der hierin zum Ausdruck kommende Charakterzug spricht nachdrücklich für den Soldaten.

f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 [X.] und die Zweckssetzung des Wehrdisziplinarrechts der Ausspruch einer - gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 62 Abs. 1 Satz 3 [X.] zulässigen - [X.]ienstgradherabsetzung zum Oberfeldwebel erforderlich und angemessen.

Bei der konkreten Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme geht der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. Urteile vom 14. Oktober 2009 - BVerwG 2 [X.] 16.08 - [X.] 449 § 17 SG Nr. 43 Rn. 75 und vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 [X.] 9.09 - juris Rn. 35) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der [X.]isziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägung".

aaa) Fügt ein Staatsdiener dem Staat durch eine schwere [X.], insbesondere eine Steuerhinterziehung, einen besonders hohen Schaden zu, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich die [X.]ienstgradherabsetzung (vgl. Urteil vom 21. Juni 2010 - BVerwG 2 [X.] 10.10 - juris Rn. 41):

Eine Steuerhinterziehung stellt im Hinblick auf den dem Staat verursachten Schaden ein schweres Wirtschaftsdelikt dar (vgl. zum Beamtendisziplinarrecht z.B. [X.], [X.] vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 336/07 - NJW 2008, 3489 <3491>; BVerwG, Urteil vom 9. November 1994 - BVerwG 1 [X.] 57.93 - BVerwGE 103, 184 <186> und Beschluss vom 5. März 2010 - BVerwG 2 [X.] - [X.] 235.2 [X.] Nr. 10 = NJW 2010, 2229 <2230>). Nach der ständigen Rechtsprechung des für Beamtendisziplinarsachen zuständigen [X.]isziplinarsenats (z.B. Urteil vom 8. September 2004 - BVerwG 1 [X.] 18.03 - [X.] 235.1 § 85 B[X.]G Nr. 7 m.w.[X.]) handelt es sich deshalb aus disziplinarischer Sicht bei einer Steuerhinterziehung nicht um ein "Kavaliersdelikt", sondern um eine regelmäßig schwerwiegende Verfehlung. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Beamte durch strafbares Verhalten unter Schädigung des Staates - und damit in der Regel auch des eigenen [X.]ienstherrn - persönlich unberechtigt hohe Steuervorteile verschafft, obwohl er öffentliche Aufgaben wahrzunehmen hat und durch Steuermittel alimentiert wird. In Fällen der Steuerhinterziehung durch Beamte ist demzufolge der Ausspruch einer [X.]ienstgradherabsetzung indiziert, wenn der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch ist - sich im fünf- oder sechsstelligen [X.] bewegt - oder wenn mit dem Fehlverhalten zusätzliche schwerwiegende Straftatbestände oder andere nachteilige Umstände von erheblichem Eigengewicht verbunden sind (vgl. Urteil vom 8. September 2004 a.a.[X.]). [X.]a die allgemeine Gesetzestreue nicht nur bei Beamten, sondern auch bei Soldaten eine wesentliche Grundlage ihres [X.]ienstes bildet, ist aus den genannten Erwägungen auch bei Soldaten die [X.]egradierung Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.

[X.]as [X.]ienstvergehen des Soldaten wird im Wesentlichen dadurch charakterisiert, dass es seit der Zahlung von Kindergeld als Steuervergütung den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt. Eine Steuerhinterziehung liegt auch im pflichtwidrigen Unterlassen, zwei beteiligte Familienkassen über die für den [X.] erkennbare [X.]oppelfestsetzung und -zahlung von Kindergeld in Kenntnis zu setzen ([X.], Urteil vom 21. Januar 2010 - 4 K 1507/09 - juris, [X.] Finanzgericht, Urteil vom 15. Februar 2011 - 5 K 341/09 - juris). Nach § 31 Satz 3 EStG in der seit dem Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 1996 ([X.] 1995, 1250) am 21. Oktober 1995 - und damit für den ganz überwiegenden Teil des verfahrensgegenständlichen Zeitraums - geltenden Fassung wird Kindergeld im laufenden Kalenderjahr als Steuervergütung monatlich gezahlt. Geschädigter dieses [X.]elikts ist jedenfalls auch der [X.] als [X.]ienstherr des Soldaten, denn nach Art. 106 Abs. 3 und 5 GG kommt die Einkommenssteuer als Gemeinschaftssteuer auch diesem zugute. [X.]ass bei einer Gemeinschaftssteuer der [X.]ienstherr des Soldaten nicht der einzige Geschädigte ist, lässt das [X.]ienstvergehen nicht weniger gewichtig erscheinen. [X.]as besonders Verwerfliche der Tat ist die Schädigung des Staates durch den Staatsdiener. Besonderheiten des föderalen Aufbaus entlasten den Soldaten nicht. [X.]ie Schadenshöhe liegt hier eindeutig im fünfstelligen Bereich.

bbb) [X.]er Senat hält es jedoch nicht für geboten, bei einer durch ein Unterlassen wahrheitsgemäßer Angaben gegenüber dem [X.]ienstherrn begangenen Steuerhinterziehung von der [X.] als Regelmaßnahme auszugehen.

Zwar hat sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteile vom 14. November 2001 - BVerwG 2 [X.] 30.01 - [X.] 236.1 § 7 SG Nr. 44 und vom 31. Mai 2011 - BVerwG 2 [X.] 4.10 - juris Rn. 45 m.w.[X.]) ein Vorgesetzter, der gegenüber seinen Vorgesetzten oder [X.]ienststellen der [X.] unwahre Erklärungen abgegeben hat, in seinem Status disqualifiziert und deshalb grundsätzlich eine [X.]ienstgradherabsetzung verwirkt; hat er sich durch die unwahren Angaben eine ungerechtfertigte berufliche oder finanzielle Besserstellung erschleichen wollen, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Verhängung der disziplinarischen [X.] (so bereits die ständige Rechtsprechung des [X.]esdisziplinarhofs, z.B. Urteil vom 6. Mai 1963 -[X.] 32/63 m.w.[X.]; vgl. auch [X.]au, [X.], 5. Aufl. 2009, § 38 Rn. 26).

Jedoch ist bei typisierender Betrachtung der das [X.]ienstvergehen charakterisierenden Umstände die Fallgruppe einer Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen mit dem Erschleichen einer Leistung der [X.] durch wahrheitswidrige Angaben nicht vergleichbar. [X.]as Verschweigen rechtserheblicher wahrer Angaben hat - unabhängig davon, dass es schon nicht unter § 13 Abs. 1 SG fällt - nicht dasselbe Gewicht wie eine etwa durch die Vorlage ge- oder verfälschter Unterlagen ins Werk gesetzte Lüge, da dahinter ein Weniger an "krimineller Energie" steht. [X.]enn die Hemmschwelle zur aktiven Lüge ist höher als die zum Unterbleiben einer Meldung und daher nur durch ein Mehr an "krimineller Energie" zu überwinden. [X.]er finanzielle Vorteil besteht hier anders als in den oben angeführten Fällen auch nicht in einer Leistung der [X.] aus den ihr zur unmittelbaren Erfüllung ihrer Aufgaben zugewiesenen Haushaltsmitteln wie z.B. im Fall von Trennungsgeld oder [X.]ienstbezügen. [X.]urch die Unwahrheit wurde hier - jedenfalls über den überwiegenden Zeitraum - eine Steuervergütung erwirkt, die nur verwaltungstechnisch über die Familienkasse der [X.] als Zahlstelle abgewickelt wurde. Es handelt sich weder um einen Teil der [X.]ienstbezüge noch um eine Aufwandsentschädigung. Zudem sind zur Rechtfertigung der Verhängung der [X.] unwahre Angaben gerade gegenüber den Vorgesetzten des Soldaten oder den [X.]ienststellen der [X.] verlangt, an denen es hier fehlt, waren die Angaben des Soldaten gegenüber der Familienkasse der [X.] doch zutreffend und im Zeitpunkt ihrer Abgabe auch vollständig. [X.]ie Leistungen der Familienkasse der [X.] sind demzufolge auch nicht zurückgefordert worden.

bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 [X.] normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen.

aaa) [X.]abei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des [X.]ienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende [X.]isziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Für die "Eigenart und Schwere des [X.]ienstvergehens" kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene [X.]ienststellung hatte, einmalig oder wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den [X.]ienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der [X.] in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des [X.]" hat der Senat neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den [X.] in Betracht zu ziehen.

bbb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist eine nach § 62 Abs. 1 Satz 3 [X.] zulässige [X.]ienstgradherabsetzung um eine Stufe geboten, aber auch ausreichend.

Zuungunsten des Soldaten sind der sehr lange Zeitraum des strafrechtlich relevanten [X.] und das vorsätzliche, von [X.] motivierte Handeln durchgängig in [X.] einzubeziehen. [X.]ie hohe Schadenssumme wurde bereits auf der ersten Stufe der Zumessungserwägungen berücksichtigt und soll nicht doppelt zulasten des Soldaten in die Bemessungsentscheidung eingestellt werden.

[X.]ie zu Gunsten des Soldaten sprechenden Aspekte - insbesondere die guten Leistungen in der Vergangenheit, die Nachbewährung, Reue und Wiedergutmachungsbemühungen - sind zwar in Abwägung mit den erschwerenden Gesichtspunkten nicht so hoch bewerten, dass man von einem insgesamt leichten Fall ausgehen könnte, der eine weniger einschneidende Maßnahmeart als die [X.]ienstgradherabsetzung ausreichend erscheinen lässt. Jedoch sind sie hinreichend gewichtig, um die rechtlich mögliche [X.]egradierung zum Feldwebel noch nicht für erforderlich zu halten.

Generalpräventive Erwägungen machen eine nach außen sichtbare Maßnahme erforderlich. [X.]em besonderen Gewicht einer über mehr als zehn Jahre währenden, kontinuierlichen Bereicherung zulasten des Staates durch einen diesem besonders verpflichteten Angehörigen des öffentlichen [X.]ienstes muss nach außen sichtbar durch eine Herabsetzung im [X.]ienstgrad Rechnung getragen werden. Zum einen ist durch eine solche Maßnahme das Bewusstsein für das Gewicht der verletzten Pflicht wachzuhalten. Weil die gerechte Verteilung knapper staatlicher Mittel auf die Kooperation der Leistungsbezieher angewiesen ist und ein umfassender, anlassloser Abgleich mit [X.]aten anderer Behörden an rechtliche und tatsächliche Grenzen stößt, muss durch eine Androhung gewichtiger Sanktionen die Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Pflicht zur Meldung veränderter Umstände gesichert werden. Zum anderen kann durch eine deutlich fühlbare Maßnahme auch dem dem Ansehen der [X.] in der Öffentlichkeit abträglichen Eindruck eines nachsichtigen Umganges mit über einen langen Zeitraum fortgesetzten Bereicherung auf Kosten der Gesamtheit der Steuerzahler entgegengewirkt werden. Unter spezialpräventiven Gesichtspunkten ist eine [X.]egradierung zum Oberfeldwebel als Mahnung zur künftigen Einhaltung von [X.]ienstpflichten an den Soldaten vor allem angesichts des Persönlichkeitsbildes des Soldaten jedoch ausreichend.

Weder § 16 Abs. 1 [X.] noch § 17 Abs. 2 bis 4 [X.] stehen einer [X.]egradierung entgegen. [X.]ie Verhängung einer milderen [X.]isziplinarmaßnahme ist auch nicht mit Rücksicht auf die sachgleiche strafrechtliche Verurteilung des früheren Soldaten geboten. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 [X.] der Zulässigkeit des Ausspruchs einer [X.]isziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen [X.] für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen [X.]ienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und [X.]isziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. [X.]ie Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der [X.]isziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren [X.]ienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden [X.]ienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem [X.]ienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene [X.] ausspricht (vgl. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 [X.] 20.09 - juris, m.w.[X.] und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 [X.] 2.10 - juris Rn. 51).

g) Um den Besonderheiten der Situation des Soldaten Rechnung zu tragen, ist zusätzlich die Frist, nach deren Ablauf eine Wiederbeförderung möglich ist, nach § 62 Abs. 3 Satz 3 [X.] von drei auf zwei Jahre herabzusetzen. Besondere Gründe hierfür liegen zum einen in der [X.]auer des Berufungsverfahrens, das jedenfalls faktisch der rechtlich seit dem Oktober 2010 bestehenden Beförderungsmöglichkeit entgegensteht und wegen der Ungewissheit über die zu verhängende Maßnahme den Betroffenen belastet. Zum anderen ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Tat als der Persönlichkeit des Soldaten insbesondere nach seinem Eindruck auf den Senat in der Berufungshauptverhandlung völlig fremd darstellt. Sowohl der ehemalige als auch der gegenwärtige [X.]isziplinarvorgesetzte haben den besonderen Pflichteifer und die Zuverlässigkeit und persönliche Integrität des Soldaten herausgestellt, nach denen die Vorwürfe für sie völlig überraschend gekommen seien. Gerade die Übernahme von Schulden der Eltern, zu der sich der Soldat nach seinen glaubhaften Angaben moralisch verpflichtet sah, lässt [X.] zulasten [X.]ritter in finanziellen Angelegenheiten als einen dem Soldaten fremden Charakterzug erscheinen. [X.]ie mit dieser Einschätzung verbundene Erwartung künftiger Pflichttreue rechtfertigt es, jedenfalls die rechtlichen Hürden für eine Wiedererlangung des bisherigen [X.] herabzusetzen.

...

Meta

2 WD 40/10

11.01.2012

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Urteil

Sachgebiet: WD

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 6. Oktober 2010, Az: S 2 VL 06/10

§ 38 Abs 1 WDO 2002, § 58 Abs 7 WDO 2002, § 62 Abs 3 S 3 WDO 2002, § 10 Abs 1 SG, § 13 Abs 1 SG, § 17 Abs 2 S 1 SG, § 31 S 3 EStG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.01.2012, Az. 2 WD 40/10 (REWIS RS 2012, 10254)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10254

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 WD 10/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Wiederholte versuchte und vollendete Steuerhinterziehung; Zigarettenschmuggel; Maßnahmebemessung


2 WD 2/14 (Bundesverwaltungsgericht)

Fernbleiben vom Dienst; Dienstgradherabsetzung


2 WD 35/09 (Bundesverwaltungsgericht)

Disziplinarische Ahndung des Besitzes und der Verschaffung kinderpornografischer Schriften/Dateien; unterschiedliche Pflichtenkreise; Maßnahmebemessung; Einstellung des Strafverfahrens


2 WD 2/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Maßnahmebemessung bei Fernbleiben eines Soldaten von einer Maßnahme der Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung


2 WD 44/09 (Bundesverwaltungsgericht)

Erwerb und Konsum von Betäubungsmitteln; Bemessung der Disziplinarmaßnahme; Einstellung des Strafverfahrens


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.