Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.02.2021, Az. 6 StR 431/20

6. Strafsenat | REWIS RS 2021, 8518

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Gegenstand

Sexueller Missbrauch von Kindern: Abgrenzung von Befund- und Zusatztatsachen bei der Exploration für ein aussagepsychologisches Sachverständigengutachten


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. Juli 2020 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend zur Antragsschrift des [X.] bemerkt der [X.]:

1. Soweit das [X.] die Angaben der Nebenklägerin gegenüber ihrer„     H.    “ als Beleg für die Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen zum Tatgeschehen herangezogen hat, begründet dies keinen Rechtsfehler. Denn es hat seine Überzeugung von der Wahrheit dieser Angaben gesondert begründet (vgl. [X.]). Angesichts der sehr sorgfältigen Beweiswürdigung nach den für Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen geltenden Maßstäben kann der [X.] im Übrigen auch ausschließen, dass das Urteil auf diesem lediglich zusätzlich genannten Einzelgesichtspunkt beruhen könnte.

2. Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg.

Mit ihr macht der Angeklagte geltend, das Tatgericht habe die Angaben der Nebenklägerin bei der Exploration durch die Sachverständige „in der falschen Beweisart entgegengenommen“ und damit § 261 StPO verletzt. Es habe die Sachverständige nämlich nur als solche und nicht auch als Zeugin vernommen. Dies sei jedoch erforderlich, weil es sich bei den Angaben der Nebenklägerin in der Exploration nicht um [X.], sondern um Zusatztatsachen handele (vgl. [X.], Urteil vom 26. Oktober 1962 - 4 [X.], [X.]St 18, 107).

a) Die Rüge ist bereits unzulässig. Auf der Grundlage des [X.] kann nicht beurteilt werden, ob der behauptete Verstoß gegen § 261 StPO vorliegen könnte. Danach wurde die Sachverständige vor ihrer Vernehmung darüber belehrt, „aus welchen Gründen Sachverständige zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind und dass sie ihr Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten habe, [sowie] auf die Möglichkeit der Vereidigung und die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen und unvollständigen Aussage hingewiesen“   ([X.]). Diese Wiedergabe der Belehrung lässt nicht zweifelsfrei erkennen, dass die Sachverständige nicht auch gemäß § 57 StPO als Zeugin belehrt und demnach nicht auch als solche vernommen wurde.

b) Soweit die Revision darüber hinaus vorträgt, am Ende der Vernehmung der Sachverständigen sei nicht über ihre Vereidigung auch als Zeugin entschieden worden, kann dies allenfalls einen Verstoß gegen die Pflicht zur Entscheidung nach § 59 StPO über die - hiernach regelmäßig nicht notwendige - Vereidigung begründen. Der [X.] vermag aber ein Beruhen des Urteils hierauf auszuschließen. Denn es spricht nichts dafür, dass es bei einer ordnungsgemäßen Entscheidung zu einer Vereidigung der Zeugin gekommen wäre und sie in diesem Falle andere, wesentliche Angaben gemacht hätte (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. August 2005 - 2 [X.], [X.], 114; vom 31. Juli 2013 - 4 StR 276/13, [X.], 348).

c) Im Übrigen neigt der [X.] dazu, die im Rahmen der Exploration für ein aussagepsychologisches Gutachten erhobenen Tatsachen grundsätzlich als [X.] anzusehen, zu denen der Sachverständige in seiner nämlichen Funktion vernommen werden kann (vgl. in der Tendenz bereits [X.], Beschlüsse vom 1. Dezember 1992 - 1 [X.], Rn. 7, [X.], 245 f.; vom 10. November 1998 - 5 StR 505/98, [X.]R StPO § 59 Satz 1 Sachverständigen-    frage 3).

Zwar kann auch das nicht fachkundige Gericht eine Zeugin über an ihr vorgenommene sexuelle Handlungen und die von ihr dabei wahrgenommenen Umstände befragen (vgl. [X.], Urteil vom 26. Oktober 1962, aaO). Zieht es jedoch im konkreten Fall einen aussagepsychologischen Sachverständigen hinzu, so nimmt es gerade dessen besondere Sachkunde zur Erhebung und Bewertung der Zeugenaussage in Anspruch. Dessen Bekundungen über Zeugenangaben im Rahmen der Exploration stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit seinem Auftrag der Glaubhaftigkeitsbeurteilung. Eine Exploration zur Sache ist dabei weder in der Zielsetzung noch in der Methodik mit einer Vernehmung gleichzusetzen (vgl. [X.], Steller, [X.], in: [X.] u.a. [Hrsg.], Psychiatrische Begutachtung, 7. Aufl., [X.], 783). Denn in ihrem Vordergrund steht nicht die Rekonstruktion des infrage stehenden Geschehens, sondern die Gewinnung von Indikatoren für die Einschätzung innerpsychischer Vorgänge beim Zeugen (z.B. Erlebnisbezug, Suggestion oder Lüge als Grundlage der Sachverhaltsdarstellung). Die Exploration dient somit der Gewinnung von Material für die aussagepsychologische Qualitätsanalyse und demnach grundsätzlich der Erhebung von [X.].

Sander     

        

Schneider     

        

König 

        

Fritsche     

        

von [X.]     

        

Meta

6 StR 431/20

23.02.2021

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Braunschweig, 17. Juli 2020, Az: 2 KLs 17/19

§ 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.02.2021, Az. 6 StR 431/20 (REWIS RS 2021, 8518)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8518

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