Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2014, Az. X ZR 104/13

X. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4917

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X
ZR 104/13
Verkündet am:

12. Juni 2014

Wermes

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung
vom 12.
Juni 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck, die Richter Dr.
Grabinski, Dr.
Bacher, [X.] und die Richterin Schuster
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 17. Juli
2013 verkündete Urteil der 12.
Zivilkammer des [X.] wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger verlangen die Leistung von
Ausgleichzahlungen
in Höhe von 500

7 Abs.
1 Buchst.
a, Art.
5 Abs.
1 Buchst.
c der [X.] ([X.]) Nr.
261/2004 des [X.] und des Rates vom 11.
Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs-
und Unter-stützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei [X.] oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr.
295/91 ([X.]. [X.] L
46 vom 17.
Februar 2004, S.
1
ff.; nachfolgend: Fluggastrechteverordnung oder Verordnung).
Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Flugreise von [X.] nach [X.] ([X.])
und zurück. Der Hinflug sollte am 6.
Oktober 2011 um 19.50
Uhr starten, planmäßige Ankunft war 21.55
Uhr. Tatsächlich startete die Maschine erst nach 23.00
Uhr und landete am folgenden Tag nach 1.00
Uhr.
Der Rückflug sollte am 13.
Oktober 2011 um 22.50
Uhr beginnen; die 1
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3
-
Landung
in [X.] war für 0.55
Uhr vorgesehen. Der Flug startete jedoch erst
am 14.
Oktober 2011 gegen 2.00
Uhr und traf nach 4.00
Uhr
in [X.] ein.
Ursache der Verspätung
waren
beim Hinflug eine Überlastung des [X.] Luftraums wegen infolge eines Streiks oder krankheitsbedingt fehlender Flug-lotsen
und
beim Rückflug [X.] im [X.] Luftraum. Diese [X.] betrafen den dem Hinflug der Kläger vorangegangenen Flug des [X.] nach [X.] und die
dem Rückflug vorange-gangenen Flüge
des eingesetzten Flugzeugs von [X.] nach [X.] und zurück.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die geltend gemachten
Ansprüche weiterverfolgen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, den Klägern stehe
kein [X.] auf die begehrte Ausgleichszahlung zu.
Die Verspätung beider
Flüge sei auf außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art.
5 Abs.
3 der Verordnung zurückzuführen, die die
Beklagte nicht habe beeinflussen können.
Sie
habe sich im Rahmen des Zumutbaren
bemüht, ein Subcharterunternehmen zu verpflichten. Infolge des Bedarfs auch anderer Fluggesellschaften nach [X.] sei der Markt für Subcharterflüge ausgeschöpft gewesen. Bei Überprüfung der Zumutbarkeit der zu treffenden Maßnahmen
seien auch die vorangegangenen Flüge des eingesetzten Flug-3
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-
zeugs zu berücksichtigen.
[X.]
habe die Beklagte nicht vorhalten
müssen.
Ein derartiger Aufwand sei unverhältnismäßig und führe
zu einer wirt-schaftlich nicht nachvollziehbaren Verteuerung der Flugpreise.
II.
Die
Beurteilung des Berufungsgerichts hält
der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Den Klägern steht kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art.
7 Abs.
1 Buchst.
a, Art.
5 Abs.
1 Buchst.
c der Verordnung zu. Zwar mussten die Reisenden sowohl beim Hinflug als auch beim Rückflug eine Ankunftsver-spätung von mehr als drei Stunden hinnehmen, was grundsätzlich einen [X.] nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung begründet
([X.], Urteil vom 19.
November 2009
402/07, [X.]. 2009, [X.] = [X.], 43 = [X.], 282
Sturgeon/[X.]; Urteil vom 23. Oktober 2012

[X.], [X.], 671 = [X.], 272

Nelson/[X.]; [X.], Urteil vom 18.
Februar 2010

[X.], [X.], 2281 = [X.] 2010, 93; Urteil vom 7. Mai 2013

[X.], [X.] 2013, 237 = NJW-RR 2013, 1065).
Die Verspätung ist [X.] durch von der Beklagten nicht zu vermeidende außergewöhnliche Um-stände im Sinne von Art.
5 Abs.
3 der Verordnung verursacht worden, die die-sen Anspruch ausschließen.
1.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass ein überlas-teter Luftraum aufgrund Fluglotsenmangels sowie [X.] geeignet [X.], außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art.
5 Abs. 3 der Verordnung zu begründen.
a)
Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände, der weder in Art.
2 noch in sonstigen Vorschriften der Verordnung definiert ist, bedeutet nach [X.] Wortlaut, dass die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichspflicht führenden Umstände außergewöhnlich sind, das heißt nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicher-7
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weise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Es sollen Ereignisse erfasst werden, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als
jedenfalls in der Regel von außen kommen-de
besondere Umstände seine ordnungs-
und planmäßige Durchführung beein-trächtigen oder unmöglich machen können. Umstände, die im Zusammenhang mit einem dem Luftverkehr störenden Vorfall wie einem technischen Defekt [X.], können
nur dann als außergewöhnlich im Sinne von Art.
5 Abs.
3 der Verordnung qualifiziert werden, wenn sie auf ein Vorkommnis zurückgehen, das wie die in Erwägungsgrund
14 der Verordnung aufgezählten nicht Teil der nor-malen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und auf-grund seiner Natur oder Ursache von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen ist ([X.], Urteil vom 22.
Dezember 2008
549/09, [X.], 347 = [X.], 35 Rn.
23
[X.]/[X.]; Urteil
Sturgeon/[X.], aaO;
Urteil vom 31.
Januar 2013

12/11, [X.], 921 = [X.] 2013, 81

[X.]/[X.]). Der [X.] hat hieraus abgeleitet, dass technische Defekte,
wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise [X.], grundsätzlich keine außergewöhnliche Umstände begründen, sondern
Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind ([X.], Urteil vom 12.
November 2009
X
ZR
76/07, [X.], 1070 = [X.] 2010, 34 Rn.
23; Urteil vom 21.
August 2012
X
ZR
138/11, [X.]Z 194, 258 Rn.
16; Ur-teil vom 24.
September 2013
X
ZR
160/12, NJW 2014, 861 = [X.] 2014, 25 Rn.
10).
Dabei unterliegt die Prüfung, ob ein technisches Problem auf ein Vor-kommnis zurückzuführen ist, das nicht Teil der normalen Ausführung der Tätig-keit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist, [X.] ([X.]
[X.]/[X.], aaO
Rn.
27); sie ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters ([X.]Z 194, 258 Rn.
17; [X.], NJW 2014, 861 Rn.
11).
Die für technische Defekte entwickelten Maßstäbe sind auch dann her-anzuziehen, wenn Vorkommnisse wie etwa die in Erwägungsgrund 14 [X.]
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-
haft genannten Fälle politischer Instabilität, mit der Durchführung eines Flugs nicht zu vereinbarende Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken und den Betrieb eines Luftfahrtunternehmens beeinträchtigende Streiks als Ursache außerge-wöhnlicher Umstände in Betracht kommen (zum Fall der Ankündigung eines [X.] als Ursache außergewöhnlicher Umstände vgl. [X.]Z 194, 258 Rn. 17).
b)
Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht zu Recht ange-nommen, dass sowohl eine Überlastung des
Luftraums als auch
ein weitrei-chender Radarausfall in diesem Sinne außergewöhnliche Umstände begründen
konnten.
(1)
Bei der Überlastung des [X.] Luftraums wegen fehlender Fluglotsen und den eingetretenen [X.]n, die zu Verspätungen bei den Griechenlandflügen und infolgedessen auch zu Verzögerungen bei nachfolgend vorgesehenen Umläufen führten, handelt es sich um Umstände, die die Luftver-kehrsabläufe im europäischen Luftraum beeinträchtigten, da die Sicherheit des Luftverkehrs trotz der gegebenen widrigen Umstände aufrechterhalten werden musste und Verspätungen bei den unmittelbar betroffenen Flügen mithin jeden-falls von den Luftverkehrsunternehmen nicht verhindert werden konnten. (Pri-märe) Ursache der Verspätungen
waren
folglich von außen auf den gesamten Flugbetrieb und auf die normale Tätigkeit der Luftverkehrsunternehmen ein-wirkende
Umstände. Wie sonstige Ausfälle und Beeinträchtigungen bei der Überwachungs-
und Sicherungstätigkeit der Fluglotsen und bei dem für den sicheren Flugbetrieb unerlässlichen Einsatz der Radaranlage konnten die [X.] Gegebenheiten von dem einzelnen Luftverkehrsunternehmen we-der beherrscht noch beeinflusst werden (vgl. grundsätzlich zu den Auswirkun-gen eines Streiks [X.]Z 194, 258 Rn. 19, 20).
(2)
Dem steht auch nicht entgegen, dass die
von den Klägern gebuchten
Flüge
von
dem Ausfall der Fluglotsen und der [X.] nicht unmittelbar 12
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7
-
betroffen waren. Entgegen der Auffassung der Revision sind jedenfalls Störun-gen, die am
selben Tag bei vorangegangenen Flügen des eingesetzten Flug-zeugs auftreten, bei der Annahme außergewöhnlicher Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung zu berücksichtigen.
Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift rechtfertigen die Annahme, außergewöhnliche Umstände müssten unmittelbar (auch) denjenigen Flug betreffen, bei dem sich die außergewöhnlichen Umstände in Gestalt einer notwendig werdenden Annullierung oder einer großen Verspätung auswirken. Denn bei Flugzeugen, die auf Kurz-
und Mittelstrecken eingesetzt werden, sind mehrere Umläufe an demselben Tag üblich, um eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Flugzeugs zu ermöglichen. Die Fluggastrechteverordnung setzt diese wie andere übliche wirtschaftliche und technische Gegebenheiten des Luftverkehrs voraus und will sie weder unterbinden noch steuern. Wenn daher auch bei Aufbietung aller zumutbaren Maßnahmen nicht verhindert werden kann, dass außergewöhnliche Umstände eine Annullierung erforderlich machen oder die erhebliche Verspätung von Flügen verursachen, kann es nicht darauf ankommen, ob die betreffenden Umstände unmittelbar auf den betroffenen Flug einwirken oder sich als Auswirkung einer Beeinträchtigung bei einem der [X.] Umläufe darstellen.
Dieses Normverständnis wird durch Erwägungsgrund 15 der Verordnung gestützt. Danach soll von außergewöhnlichen Umständen ausgegangen wer-den, wenn eine Entscheidung des "[X.]" zu einem ein-zelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Ver-spätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt. Danach legt auch der Verordnungsgeber zugrunde, dass ein Flugzeug üblicherweise an einem Tag bei mehreren Flügen eingesetzt wird und dass sich 15
16
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außergewöhnliche Umstände in einem solchen Fall auch
auf
Folgeflüge auswir-ken können.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache [X.]/[X.] ([X.], Urteil vom 4.
Oktober 2012 -
C22/11, [X.], 361
= [X.], 281 Abs. 37 -
[X.]/[X.]). In dem dort entschiedenen Fall hatte das Luftverkehrsunternehmen mehrere Flüge an mehreren, einem bereits beendeten Streik nachfolgenden Tagen umorganisiert und dem Kläger die Beförderung verweigert, weil es
an seiner Stelle einen von dem Streik betroffenen Fluggast befördern wollte. Der Gerichtshof hat hierin keine Rechtfertigung für die [X.] gesehen und ausgesprochen, dass einem Luftverkehrsunternehmen nicht [X.] werden könne, unter Berufung auf das Interesse anderer Fluggäste, in angemessener Zeit befördert zu werden, den Kreis der Fälle, in denen es [X.] wäre, einem Fluggast die Beförderung zu verweigern, erheblich zu er-weitern (Rn. 34). Abgesehen davon, dass Art. 4 der Verordnung
ohnehin eine [X.] aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht vor-sieht, war der von dem Kläger [X.] gebuchte Flug von den außergewöhnli-chen Umständen auch nicht betroffen.
2.
Gegebenheiten wie der in Rede stehende Ausfall der [X.] begründen nicht zwangsläufig außergewöhnliche Umstände, auf die die Annullierung oder große Verspätung zurückgeht. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn das Luftverkehrsunternehmen trotz Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen die Annullierung oder große Verspätung nicht verhindern kann oder sie auch mit diesen Maßnahmen nicht hätte verhindern können ([X.], [X.]/[X.] Rn. 22; [X.]Z 194, 258 Rn. 11). Das [X.] muss mithin alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, um zu ver-meiden, dass es durch Umstände wie den im Streitfall zu beurteilenden Ausfall von Personal oder einer sicherheitsrelevanten Flughafeneinrichtung
genötigt ist, 17
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-
einen Flug zu annullieren, oder der Flug nur mit einer großen Verspätung durchgeführt werden kann, deren Folgen für den Fluggast einer Annullierung gleichkommen.
a)
Die Vielzahl denkbarer außergewöhnlicher Umstände sowie die [X.] des Ausmaßes und der Dauer der hierdurch verursachten [X.] machen es dabei unmöglich, von den [X.] zu verlangen, für jede denkbare Störung des Luftverkehrs in einer Weise gerüstet zu sein, die es erlaubt, durch den Einsatz zusätzlicher Flugzeuge und gegebenenfalls auch zusätzlichen Personals dafür zu sorgen, dass [X.] und diesen in den Folgen gleichkommende große Verspätungen stets vermieden werden können. Denn dies erforderte einen unwirtschaftlichen Auf-wand, der von den Luftverkehrsunternehmen zu Lasten der Verbraucher über die [X.] gedeckt werden müsste und im Übrigen Art. 5 Abs. 3 der Verordnung
im Wesentlichen seines Anwendungsbereichs beraubte. Wenn die Fluggastrechteverordnung nach Erwägungsgrund 1 ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherstellen soll und Erwägungsgrund 12 das Ärgernis und die Unannehmlichkeiten anspricht, die durch eine Annullierung

und eine ihr in den Folgen gleichkommende Ankunftsverspätung

entstehen und gegebenenfalls durch eine Ausgleichszahlung verringert
werden sollen, will der [X.] lediglich sicherstellen, dass die Luftverkehrsunternehmen auch unter [X.] Umständen alle ihnen in dieser Situation zur Verfügung ste-henden und zumutbaren Möglichkeiten ausschöpfen, um ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Fluggästen möglichst uneingeschränkt nachzukommen und Annullierungen oder große Verspätungen zu vermeiden.
b)
Welche Maßnahmen einem Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer erheblichen Verspätung eines Fluges führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben, be-stimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Zumutbarkeit ist situati-19
20
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-
onsabhängig zu beurteilen ([X.], [X.]/[X.], aaO
Rn.
40, 42; Urteil vom 12. Mai
2011

C-294/10, NJW 2011, 2865 = [X.] 2011, 125

und [X.]/Air [X.] Rn.
30). Zum einen kommt es darauf an, welche [X.] ein Luftverkehrsunternehmen nach guter fachlicher Praxis treffen muss, damit nicht bereits bei gewöhnlichem Ablauf
des Luftverkehrs geringfügi-ge Beeinträchtigungen das Luftverkehrsunternehmen außer Stande setzen, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und den Flugplan im [X.] einzuhalten (nachfolgend zu (1)). Zum anderen muss das Luftver-kehrsunternehmen, wenn eine mehr als geringfügige Beeinträchtigung tatsäch-lich eintritt oder erkennbar einzutreten droht, alle ihm in dieser Situation zu [X.] stehenden Maßnahmen ergreifen, um nach Möglichkeit zu verhindern, dass hieraus eine Annullierung oder große
Verspätung resultiert (nachfolgend zu (2)). Hingegen begründet die Fluggastrechteverordnung keine Verpflichtung der Luftverkehrsunternehmen, ohne konkreten Anlass Vorkehrungen wie etwa das Vorhalten von [X.] zu treffen, um den Folgen außergewöhnli-cher Umstände begegnen zu können (nachfolgend zu (3)).
(1)
Ein Luftverkehrsunternehmen muss seinen Flugplan so ausgestalten, dass es unter gewöhnlichen Umständen in der Lage ist, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und seine Fluggäste auf den gebuchten Flü-gen ohne wesentliche Verzögerungen zu befördern ([X.], NJW 2014, 861 = [X.] 2014, 25 Rn.
20, 21). Das Luftverkehrsunternehmen muss mithin eine Flotte vorhalten, mit der es, sofern keine außergewöhnlichen Umstände auftre-ten, in der Lage ist, den Flugplan einzuhalten. Da mit kleineren Beeinträchti-gungen der Betriebsabläufe stets zu rechnen ist, bedarf es dabei einer gewis-, aaO
Rn.
28). Da die Maßnahmen für das betroffene Luftverkehrsunternehmen in persönlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar sein müssen ([X.], [X.]/[X.], aaO
Rn.

[X.], aaO
Rn.
29), muss die [X.] indessen nicht so bemessen sein, 21
-
11
-
dass sich mit ihr auch jede außergewöhnliche Beeinträchtigung auffangen lässt , aaO
Rn.
31); dies wäre wirtschaftlich unsinnig, und hierfür gäbe es angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Kons-tellationen auch keinen praktisch handhabbaren Maßstab.
(2)
Treten jedoch außergewöhnliche Umstände auf oder zeichnet sich hinreichend konkret ab, dass solche Umstände demnächst auftreten werden, muss das Luftverkehrsunternehmen versuchen, gravierende Beeinträchtigun-gen des [X.] nach Möglichkeit zu vermeiden. Es kann daher in dieser Si-tuation etwa gehalten sein, verfügbare Flugzeuge Dritter zu chartern, um die vorgesehenen Flüge ohne wesentliche Verzögerungen durchführen zu können. Auch insoweit gilt, dass die Maßnahmen zumutbar sein müssen.
(3)
Vom Einzelfall losgelöste Vorsorgemaßnahmen für den eventuellen Eintritt außergewöhnlicher Umstände müssen hingegen grundsätzlich nicht er-griffen werden. Wenn der [X.] betont, dass die zu treffenden Maßnahmen der Situation angepasst und zu dem Zeitpunkt, zu dem die außer-gewöhnlichen Umstände auftreten, für das betroffene Luftverkehrsunternehmen tragbar sein müssen ([X.], [X.]/[X.], aaO
Rn.

und [X.]/Air [X.], aaO
Rn.
29), trägt er damit dem Umstand Rechnung, dass sich nur mit Blick auf eine konkrete Situation abschätzen lässt, in welchem Umfang und mit welcher Zielrichtung Maßnahmen erforderlich sind, um trotz außergewöhnlicher Umstände Beeinträchtigungen des [X.] nach [X.] zu vermeiden oder zumindest zu mildern. Da Art und Umfang der sinnvollen Maßnahmen von der Natur und der Reichweite des eingetretenen oder drohen-den außergewöhnlichen Umstands und damit auch von Umfang und Dauer der Betroffenheit der Fluggäste abhängen, lässt sich mit Blick hierauf auch ein deut-lich zuverlässigerer Maßstab für die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit [X.] Maßnahmen gewinnen. Für postulierte vom Einzelfall unabhängige Vorkehrungen gegen die Folgen außergewöhnlicher Umstände fehlte es hinge-22
23
-
12
-
gen an einem handhabbaren Maßstab. Die Fluggastrechteverordnung enthält hierzu keine Vorgaben, und es stünde im Widerspruch zu
der unionsrechtlich gebotenen flexiblen und situationsabhängigen Beurteilung der Zumutbarkeit, würden sie gleichwohl für geboten erachtet.
Dies verdeutlicht insbesondere der von den Parteien im Streitfall disku-tierte Gesichtspunkt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Luftver-kehrsunternehmen [X.] vorhalten muss. Für die Formulierung von Anforderungen an die Vorhaltung fehlt nicht nur ein aus der Verordnung oder sonstigen Rechtsvorschriften ableitbarer Maßstab. Es müsste vielmehr auch der Versuch scheitern, einen solchen Maßstab aus der betrieblichen Praxis der Luftverkehrsunternehmen abzuleiten, da Art und Umfang der sinnvollen perso-nellen und sachlichen betrieblichen Reserven vom Zuschnitt des einzelnen [X.], der Zusammensetzung der Flotte und einer Vielzahl weiterer Umstände abhängen. Eine Beeinträchtigung des von der Fluggastrechteverordnung ange-strebten hohen Schutzniveaus ergibt sich hieraus nicht, da dieses nicht durch erhöhte Anforderungen an die Organisation und Zuverlässigkeit des Flugbe-triebs erreicht werden soll, sondern dadurch, dass den Fluggästen in den in der Verordnung geregelten Fällen Unterstützungsleistungen und gegebenenfalls Ausgleichszahlungen zustehen. Hat etwa ein technischer Defekt eine Annullie-rung oder große Verspätung zur Folge, hat das Luftverkehrsunternehmen [X.] unabhängig davon einzustehen, ob es etwa durch größere sachliche [X.] die Annullierung oder Verspätung wegen dieses Defekts hätte vermei-den können. Umgekehrt gilt aber auch
in den Fällen außergewöhnlicher Um-stände, dass allein die vorhandenen oder in der gegebenen Situation erreichba-ren Ressourcen den Maßstab für die zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung einer Annullierung oder großen Verspätung bilden.
3.
Die Würdigung des
Berufungsgerichts, die Beklagte habe alle zu-mutbaren Maßnahmen im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung ergriffen, um 24
25
-
13
-
die Verspätung der
von den Klägern gebuchten Flüge
zu vermeiden, hält [X.] der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
a)
Zu
der Möglichkeit, Aushilfsgerät und [X.] einzusetzen, hat das Berufungsgericht
unter Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss vom 16. April 2013
festgestellt, dass die Beklagte
den Folgen der
beeinträchtigten Kontrolle des Luftverkehrs
im [X.]
Luftraum durch Beschaffung eines Ersatzflugzeugs zu begegnen versuchte, was jedoch nur für zwei weitere Flüge, nicht aber für die
hier in Rede stehenden
Flüge
gelang, nicht zuletzt deswegen, weil durch die Ausfälle im [X.] Luftraum ein Mangel an verfügbaren Flugzeugen herrschte. Diese Auswirkung des Fluglotsenmangels auf den gesamten Flugverkehr kann der Beklagten nicht angelastet werden. Soweit die Revision beanstandet, die Beklagte habe zu ihren Bemühungen um die [X.] eines Flugzeugs nicht ausreichend vorgetragen, setzt sie sich zu der nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts in Widerspruch, dass der Beklagten die Beschaffung weiterer [X.] nicht möglich war.
b)
Zur Vorhaltung von [X.] als Reserve für den Störfall war die Beklagte wie ausgeführt nicht verpflichtet.
26
27
-
14
-
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck

Grabinski

Die Richter Dr.
Bacher und

[X.] können wegen

Urlaubsabwesenheit nicht

unterschreiben.

Meier-Beck

Schuster
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.01.2013 -
533 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 17.07.2013 -
12 S 18/13 -

28

Meta

X ZR 104/13

12.06.2014

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2014, Az. X ZR 104/13 (REWIS RS 2014, 4917)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4917

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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