Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2009, Az. IX ZB 212/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 4409

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[X.][X.]/08 vom 19. März 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 290 Abs. 1 Nr. 5 Die Erteilung einer unvollständigen Auskunft durch den Schuldner kann als grob fahrlässig zu bewerten sein, wenn bei allgemeiner Fragestellung wesentliche Vermögensveränderungen mitzuteilen sind oder wenn das Auskunftsverlangen durch eine gezielte Fragestellung in einer Weise konkretisiert ist, die bei dem Schuldner keine Unklarheit über die von ihm zu machenden Angaben aufkom-men lassen kann. [X.], [X.]uss vom 19. März 2009 - [X.] 212/08 - [X.] AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Ganter, [X.], Prof. Dr. [X.], Prof. Dr. Gehrlein und [X.] am 19. März 2009 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin werden der [X.]uss des Amtsgerichts [X.] vom 7. Mai 2008, soweit er dem [X.] stattgegeben hat, und der [X.]uss der 11. Zivil-kammer des [X.]s Nürnberg-[X.] vom 26. August 2008 aufgehoben. Der Antrag des Gläubigers auf Versagung der Restschuldbefrei-ung wird abgelehnt. Der Gläubiger trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren. Der Gegenstandswert wird auf 5.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Auf den mit einem Restschuldbefreiungsgesuch verbundenen Eigenan-trag wurde am 26. April 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. 1 - 3 - Der Verwalter forderte die aus [X.] stammende Schuldnerin durch Schreiben vom 5. März 2007 auf, einen Nachweis über das von ihr bezogene monatliche Einkommen vorzulegen. Zugleich bat er um Mitteilung über "weitere Vermögensveränderungen". Im Schlusstermin vom 7. Januar 2008 beantragte der Beteiligte, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen, weil sie - unstreitig - nicht angegeben hatte, dass ihr zuvor studierender [X.] in das Berufsleben eingetreten und damit ihre Unterhaltsverpflichtung entfallen war. Das Arbeitseinkommen der Schuldnerin bewegte sich unabhängig von einer etwaigen Unterhaltspflicht stets unterhalb der Pfändungsfreigrenzen. [X.] und [X.] haben der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt. Dagegen richtet sich ihre Rechtsbeschwerde. 2 I[X.] Das [X.] hat ausgeführt, der Wegfall der Unterhaltspflicht stelle eine Veränderung der Vermögensverhältnisse dar und könne Auswirkungen auf das pfändbare Einkommen haben. Die Schuldnerin habe insoweit bestehende Auskunftspflichten grob fahrlässig verletzt. Da von einem Schuldner, der Rest-schuldbefreiung begehre, erwartet werden könne, dass er seinen Verpflichtun-gen genau nachkomme, sei ein Pflichtverstoß im Zweifel als grob fahrlässig zu bewerten. Die Schuldnerin habe aufgrund vorangegangener Auskunftsverlan-gen wissen müssen, dass Unterhaltsverpflichtungen ihre Vermögensverhältnis-se beträfen und deshalb eine entsprechende Änderung dem Insolvenzverwalter mitzuteilen sei. [X.] Verständnisschwierigkeiten hätte die Schuldnerin durch Einholung einer Aufklärung bei einer sprachkundigen Person abhelfen können. Der Pflichtverstoß sei nicht unwesentlich, weil die Schuldnerin eine 3 - 4 - nicht nur geringfügige Änderung ihrer Vermögensverhältnisse verschwiegen habe. II[X.] Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht hat hier - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht beanstandet [X.] in Anwendung des § 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.] den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt. 4 1. Der von der Schuldnerin unterbreitete [X.], ob die Ver-sagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.] eine Beeinträch-tigung der [X.] der Gläubiger voraussetzt, hat aufgrund der am 8. Januar 2009 ergangenen Senatsentscheidung ([X.] 73/08 z.V.b.) nach Einlegung der Rechtsbeschwerde eine Klärung gefunden. Danach setzt die Verwirklichung dieses [X.] keine Beeinträchtigung der [X.] der Gläubiger voraus. Es genügt vielmehr, dass die Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach ihrer Art geeignet ist, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu gefährden. Bei dieser Sachlage ist im Streitfall man-gels Mitteilung des Wegfalls einer unterhaltsberechtigten Person eine Verlet-zung der Auskunftspflicht gegeben, obwohl damit angesichts der keine Pfän-dung gestattenden Einkommensverhältnisse der Schuldnerin eine Beeinträchti-gung der Befriedigung der Gläubiger nicht verbunden war. 5 2. Jedoch kann der Schuldnerin ein grob fahrlässiger Pflichtverstoß nicht vorgeworfen werden. 6 - 5 - a) Die Rechtsprechung versteht unter grober Fahrlässigkeit ein Handeln, bei dem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare [X.] ([X.], [X.]. v. 9. Februar 2006 - [X.] 218/04, [X.], 1438 Rn. 10; v. 27. September 2007 - [X.] 243/06, [X.], 733, 734). Der Nach-prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt es, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer [X.] gelassen hat ([X.], [X.]. v. 9. Februar 2006, aaO Rn. 9; v. 27. September 2007, aaO Rn. 10). 7 b) Das [X.] hat bei seiner - schematischen - Bewertung, dass ein Pflichtverstoß im Zweifel grob fahrlässig begangen werde, wesentliche Umstän-de des hier zu beurteilenden Einzelfalles nicht berücksichtigt. 8 aa) Schon im Ansatz kann der von dem [X.] im [X.] an Stimmen des Schrifttums ([X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.] § 290 Rn. 20a; HmbKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 290 Rn. 36) vertretenen Auffassung nicht gefolgt werden, dass eine Verletzung der Auskunftspflicht im Zweifel [X.] als grob fahrlässig zu gewichten ist. Eine solche Beurteilung kann [X.] durchgreifen, wenn bei allgemeiner Fragestellung wesentliche Vermö-gensveränderungen mitzuteilen sind oder wenn das Auskunftsverlangen durch eine gezielte Fragestellung in einer Weise konkretisiert ist, die bei dem Schuld-ner keine Unklarheit über die von ihm zu erteilenden Angaben aufkommen [X.] - 6 - sen kann ([X.] Z[X.] 2001, 330, 332; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 290 Rn. 76; [X.] in [X.]/[X.], [X.] § 290 Rn. 98). [X.]) Eine derartige Spezifizierung des Auskunftsverlangens ist jedoch im Streitfall nicht gegeben, weil an die Schuldnerin lediglich die pauschale Frage nach "weiteren Vermögensveränderungen" gerichtet wurde. Diesem Begriff un-terfallen ohne weiteres Veränderungen der Vermögensverhältnisse, die auf [X.] Erhöhung bzw. Verminderung der Erwerbseinkünfte oder dem Erwerb bzw. Verlust von Vermögenswerten beruhen. Er entbehrt aber aus der Warte eines mit insolvenzrechtlichen Begriffen nicht näher vertrauten Schuldners eines ein-deutigen inhaltlichen Verständnisses, soweit Umstände gemeint sind, die sich wie die Minderung oder Vermehrung von Unterhaltspflichten oder von allgemei-nen Unkosten nur indirekt auf die Vermögensverhältnisse auswirken. 10 Die Schuldnerin, die dem Insolvenzverwalter eine Bescheinigung über ihr die Pfändungsfreigrenzen unterschreitendes Arbeitseinkommen vorlegte, hat [X.] ausgeführt, sie habe sich nicht zu einer Mitteilung über den Wegfall einer unterhaltsberechtigten Person verpflichtet gehalten, weil bei ihr auch unter Berücksichtigung geringerer Unterhaltslasten ohnehin nach der [X.] keine pfändbaren Beträge vorhanden gewesen seien und darum keine Änderung der Vermögensverhältnisse eingetreten sei. Dieses (Fehl-)Ver-ständnis ist vor dem Hintergrund des nicht näher spezifizierten Inhalts des [X.] durchaus begreiflich. Mit Rücksicht auf ihre [X.] durfte die Schuldnerin mangels Leistungsfähigkeit (§ 1603 BGB) von einer bereits dem Grunde nach fehlenden Unterhaltspflicht ausgehen, so dass der Eintritt eines zuvor studierenden [X.]es in das Berufsleben nicht zum Wegfall eines "Unterhaltsberechtigten" führt. Da die Schuldnerin annahm, das Auskunftsbegehren zutreffend erfasst zu haben, war sie, wie der Senat für den 11 - 7 - Fall eines mehrdeutigen gerichtlichen Merkblatts entschieden hat (vgl. [X.], [X.]. v. 9. Februar 2006, aaO), nicht gehalten, sich bei dem Insolvenzverwal-ter über den genaueren Inhalt des Auskunftsverlangens zu erkundigen. [X.] ist nicht festgestellt, dass der Insolvenzverwalter auf eine solche Nachfrage sein Auskunftsverlangen in Richtung auf Unterhaltspflichten konkretisiert hätte. [X.]) Außerdem hatte der Insolvenzverwalter die Schuldnerin am 16. Juli 2004 ausdrücklich um Auskunft über ihre Unterhaltspflichten gebeten; diesem Verlangen hat die Schuldnerin am 6. August 2004 entsprochen. In seinen spä-teren Anfragen hat der Insolvenzverwalter Unterhaltspflichten der Schuldnerin nicht mehr erwähnt, sondern lediglich um [X.] und die Mitteilung "weiterer Vermögensveränderungen" ersucht. Bei dieser Sachlage beruht die unvollständige Auskunft der Schuldnerin möglicherweise auch auf der unpräzisen Anfrage des Verwalters. Dies führt dazu, dass der Pflichtverstoß der Schuldnerin in einem milderen Licht erscheint ([X.], [X.]. v. 20. März 2003 - [X.] 388/02, [X.] 2003, 170, 171 f; v. 23. Juli 2004 - [X.] 174/03, [X.], 1840, 1841 f; v. 17. März 2005 - [X.] 260/03, [X.], 461; v. 7. [X.] - [X.] 11/06, Z[X.] 2007, 96, 97 Rn. 8). 12 - 8 - 3. Bei dieser Sachlage ist für die Annahme grober Fahrlässigkeit kein Raum und der Versagungsantrag als unbegründet zu erachten. Da keine weite-ren Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO). 13 [X.] [X.] Gehrlein [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 07.05.2008 - 5033 IN 114/04 - [X.], Entscheidung vom 26.08.2008 - 11 T 4754/08 -

Meta

IX ZB 212/08

19.03.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2009, Az. IX ZB 212/08 (REWIS RS 2009, 4409)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 4409

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