Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.01.2014, Az. VI ZR 78/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8551

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]/13
Verkündet am:

21. Januar 2014

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 839 Abs. 1 Satz 2 (A); BGB § 823 Abs. 1 ([X.]); BGB § 278
a)
Die ärztliche Heilbehandlung erfolgt regelmäßig nicht in Ausübung eines [X.] Amts; eine Amtshaftung kommt in Betracht, wenn der Arzt eine dem Hoheitsträger selbst obliegende Aufgabe erledigt und ihm insoweit ein öffentliches Amt anvertraut ist. Ein Arzt übt nicht deshalb ein öffentliches Amt aus, weil sein Patient im Staatsdienst beschäftigt ist.
b)
Erkennt ein Arzt, dass das unklare klinische Beschwerdebild des Patienten umgehend weitere diagnostische Maßnahmen (hier: Hirndiagnostik) erfor-dert, verschiebt er die wegen unzureichender Ausstattung der Klinik erforder-liche Verlegung in
ein ausreichend ausgestattetes Krankenhaus aber auf den nächsten Tag, liegt ein Befunderhebungsfehler, nicht aber ein Diagnosefeh-ler vor.
c)
Ein Krankenhausträger haftet einem Patienten für Arztfehler eines Konsili-ararztes als seines Erfüllungsgehilfen aus Vertrag (§
278 BGB), wenn der Konsiliararzt hinzugezogen wird, weil es dem Krankenhaus an eigenem fachkundigen ärztlichen Personal mangelt, der Krankenhausträger mit den Leistungen des [X.] seine vertraglichen Verpflichtungen gegen-über dem Patienten (hier: im Rahmen einer Schlaganfalleinheit) erfüllt und die Honorierung des [X.] durch den Krankenhausträger erfolgt.
[X.], Urteil vom 21. Januar 2014 -
VI [X.]/13 -
OLG Schleswig

LG Lübeck

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Der VI. Zivilsenat des [X.]s
hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar
2014
durch den Vorsitzenden Richter [X.], den
Richter Zoll, die Richterin [X.] und die Richter Pauge
und Offenloch

für Recht erkannt:
Die Revisionen
der [X.] gegen
das Urteil des
4. Zivilsenats
des [X.] in Schleswig
vom 31. Januar
2013
werden
zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die [X.] als Gesamtschuldner 95
%, weitere 5
% hat die Beklagte zu 1 zu tra-gen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte zu 1 als Krankenhausträge-rin und der Beklagte zu 2 als in dem Krankenhaus konsiliarisch tätig gewesener Neurologe der Klägerin den Schaden zu ersetzen haben, den sie als Patientin aufgrund einer
Behandlung in dem Krankenhaus in der Nacht vom 12. auf den 13. November 2003 erlitten hat.
Die Klägerin war im Jahr 2003 Beamtin auf Probe im Polizeidienst des [X.]. Sie hatte Anspruch auf Beihilfe und unterhielt we-1
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gen des davon nicht abgedeckten Risikos eine Krankenversicherung bei einem privaten Versicherer.
Am Abend des 12. November 2003 trat bei der Klägerin eine Thrombose der inneren Hirnvenen auf. Aufgrund der vorliegenden Beschwerden wurde sie von einem Arzt in die Klinik der [X.] zu 1 eingewiesen. Der dort konsilia-risch tätige
Beklagte
zu 2 erkannte die Ursache der Beschwerden, nämlich die Thrombose,
nicht. Erst am nächsten Tag erfolgte nach Durchführung weiterer Untersuchungen eine Verlegung der Klägerin in das [X.], wo eine Therapie gegen die Hirnvenenthrombose eingeleitet wurde. Die Klägerin ist unstreitig infolge der Hirnvenenthrombose körperlich und auf-grund eines hirnorganischen [X.] geistig schwerst behindert.
Sie wirft den [X.] vor, dass die Hirnvenenthrombose nicht rechtzeitig erkannt und ihre Einweisung in ein Zentrum für Maximalversorgung nicht rechtzeitig veranlasst worden sei.
Das [X.] hat der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage durch Teilurteil vom 28. Juni 2011 teilweise stattgegeben und die gegen den [X.] zu 2 gerichtete Klage abgewiesen. Mit Urteil vom 27. Oktober 2011 hat das [X.] der
gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage hinsichtlich eines weiteren Betrags stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Rechtsmittel beider Parteien
gegen die beiden Urteile unter teilweiser Klageab-weisung durch Teil-
und Teilgrundurteil der gegen beide Beklagte gerichteten Klage dem Grunde nach und hinsichtlich ausgeurteilter
Teilbeträge
stattgege-ben und die volle Haftung der [X.] festgestellt. Dagegen richten sich die
vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen
der [X.].

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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Berufung der Klägerin habe dem Grunde nach Erfolg. Der Beklagte zu 2 hafte als Gesamtschuldner neben der [X.] zu 1 für die Gesundheits-beschädigung der Klägerin. Die Berufung der [X.] zu 1
gegen das ange-fochtene Teilurteil sei zum Grunde der geltend gemachten Ansprüche unbe-gründet. Zur
Höhe der Schadensersatzansprüche der Klägerin seien die Beru-fungen der [X.] zu
1
im Wesentlichen unbegründet, jedoch sei der Rechtsstreit insoweit noch nicht vollumfänglich entscheidungsreif.
Der Beklagte zu 2
hafte aus Delikt für die der Klägerin entstandenen Schäden. Ihm sei
ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen. Die schwersten Ge-sundheitsschäden der Klägerin seien
dem Unterlassen des [X.] zu 2 auf-grund der nach der Rechtsprechung zum Befunderhebungsfehler veranlassten Beweislastumkehr zuzurechnen. Den gegenteiligen Darlegungen des Landge-richts im Teilurteil könne nicht gefolgt werden. Zwar sei trotz der im Hause der [X.] zu 1 technisch nur eingeschränkt möglichen Diagnostik und aufgrund der fachspezifisch eingeschränkten Kenntnisse des [X.] zu 2, der nur Neurologe und nicht Radiologe oder Neuroradiologe sei, ein Erkennen der vor-liegenden Hirnvenenthrombose möglich und geboten gewesen. Weil die [X.] jedoch nur eingeschränkt gewesen seien und jedenfalls der Verdacht auf eine Hirnvenenthrombose bestanden habe, habe der Beklagte zu 2 nicht die Empfehlung aussprechen dürfen, die Klägerin an Ort und Stelle zu behandeln. Die vom [X.] zu 2 empfohlene weitere Liquordiagnostik, die toxikologische Untersuchung, das MRT des [X.] und die [X.] beim Neurologen hätten für den [X.] zu 2 erkennbar alle 5
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erst am folgenden Tag realisiert werden können; in Anbetracht der von ihm [X.] Sachlage habe er aber sofort eine Überweisung der Klägerin in ein Neurozentrum veranlassen müssen.
Insoweit sei dem [X.] zu 2 kein Di-agnosefehler, sondern ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen.
Die Beklagte zu 1
hafte als Krankenhausträger für die der Klägerin ent-standenen Schäden aus Vertrag und aus Delikt. Sie sei
passivlegitimiert. Sie sei bei der Behandlung der Klägerin nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig geworden. Ob dem [X.] darin gefolgt werden könne, dass die Klä-gerin unwidersprochen vorgetragen habe, beihilfeberechtigt und privatversichert zu sein, was darauf schließen lasse, dass sie von der Wahlmöglichkeit des §
112 Abs.
3 LBG Schleswig-Holstein Gebrauch gemacht und keinen Anspruch auf Heilfürsorge gehabt habe, könne dahinstehen. Jedenfalls seien die vom [X.] zur ärztlichen Behandlung von Zivildienstleistenden entwi-ckelten Grundsätze entsprechend anwendbar. Die Beklagte zu 1 hafte nach §
278 BGB für die Fehler des [X.] zu 2. Die Beklagte zu 1
habe mit [X.] eines [X.] ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin erfüllt. Da sie in der Nacht nicht in der Lage gewesen sei, ein [X.] fachkundig zu befunden, habe sie eine vertragliche Regelung mit externen Ärz-ten getroffen, die zur Befundung hinzugezogen worden seien. [X.] seien Erfüllungsgehilfen, auch wenn bei Privatpatienten mit dem Konsiliararzt gegebenenfalls ein Arztzusatzvertrag geschlossen werde.
Die Beklagte zu 1 hafte ferner aufgrund eigenen Organisationsver-schuldens. Den Träger des Krankenhauses treffe eine primäre Organisations-pflicht dahingehend, eine an den Aufgaben orientierte, zweckmäßige Organisa-tion der Klinik zu schaffen. Zu den Organisationspflichten gehöre die personelle Ausstattung, die die Aufgabenerfüllung gewährleiste. Richte ein Krankenhaus-träger -
wie hier
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eine Schlaganfalleinheit ein, müsse sie technisch und auch 8
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personell so ausgestattet sein, dass Patienten, bei denen ein Schlaganfall vor-liegen könne, rechtzeitig medizinisch richtig versorgt werden könnten. Dies sei hier nicht dadurch gewährleistet gewesen,
dass die Beklagte zu 1 mit dem [X.] zu 2 einen Neurologen als Konsiliararzt vertraglich verpflichtet habe, der zur Befundung von [X.]-Aufnahmen nicht die erforderliche Fachkunde besessen habe.

Für Fehler ihrer eigenen angestellten Ärzte hafte die Beklagte zu 1 nicht. Diese Ärzte hätten sich auf die Empfehlungen des [X.] zu 2 verlassen dürfen.

II.
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Zur Revision des [X.] zu 2
Ohne Rechtsfehler bejaht das Berufungsgericht die Haftung des [X.] zu 2.
a) Die Auffassung der Revision, die Haftung des [X.] zu 2 scheite-re am Verweisungsprivileg des §
839 Abs.
1 Satz 2 BGB in Verbindung mit Art.
34 Satz 1 GG, ist verfehlt.
Die Klägerin hatte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als Beamtin
auf Probe
im Polizeidienst Anspruch auf Beihilfe des Dienstherrn und hatte sich hinsichtlich der dadurch nicht abgedeckten Kosten privat zusatzversi-chert. Bei dieser Sachlage wurde sie wegen ihrer Beschwerden in die
Klinik der [X.] zu 1 eingeliefert
und dort von dem Oberarzt Dr. S. als Notarzt in die [X.] der Klinik eingewiesen, wo sie unter Mitwirkung des [X.] zu 2 10
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behandelt wurde. Zutreffend weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass unter diesen Umständen bereits im Ansatz nicht zu erkennen ist, wieso Dr. S. oder der Beklagte zu 2 die Behandlung der Klägerin in Ausübung eines öffentli-chen Amts übernommen und durchgeführt haben sollen. Ein Arzt übt nicht des-halb ein öffentliches Amt aus, weil sein Patient im Staatsdienst beschäftigt ist. Die ärztliche Heilbehandlung erfolgt im Übrigen regelmäßig nicht in Ausübung eines öffentlichen Amts; eine Amtshaftung kommt in Betracht, wenn der Arzt eine dem Hoheitsträger selbst obliegende Aufgabe erledigt und ihm insoweit ein öffentliches Amt anvertraut ist (vgl. Senatsurteile vom 9.
Dezember 2008 -
VI
ZR 277/07, [X.]Z 179, 115
Rn.
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Heilbehandlungsarzt der [X.]; vom 26. Oktober 2010 -
VI
ZR 307/09, [X.]Z 187, 194 Rn.
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Zivildienstleistender; [X.], Urteil vom 9. Dezember 1974 -
III
ZR 131/72, [X.]Z 63, 265, 270 -
Durchgangsarzt; [X.]/[X.]/Hugemann, Der [X.], [X.].
2 Rn.
396). Dass die angestellten Ärzte der [X.] zu 1 und der Beklagte zu 2 seinerzeit als Truppenarzt, als Amtsarzt, im Dienst einer Krankenversicherung, als Durchgangsarzt oder als Notarzt eines öffentlich-rechtlich organisierten Rettungsdienstes (zu diesen Ausnahmen vgl. [X.]/[X.]/Hugemann, aaO, Rn.
396 ff., 404
mwN)
gehandelt hätten, ist weder festgestellt noch ersichtlich. Ob die Klägerin aufgrund der Vorschriften des [X.]
grundsätzlich verpflichtet war, den [X.] in Anspruch zu nehmen, ist unerheblich. Im Übrigen trägt die Revi-sion selbst vor, dass die hier notwendige
Notfallbehandlung einen Ausnahmefall darstellt und dass in solchen Fällen der polizeiärztliche Dienst lediglich unver-züglich zu benachrichtigen ist, damit er so bald wie möglich die Behandlung übernimmt. Daraus kann offensichtlich nicht hergeleitet werden, dass die im Notfall von Privatärzten
bzw. -kliniken
übernommene ärztliche
Versorgung in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgt.
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b) Ohne Rechtsfehler bejaht das Berufungsgericht eine Haftung des [X.] zu 2 nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat für den [X.] aufgestellt hat.
aa) Das Berufungsgericht entnimmt den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, der auch von dem Privatsachverständigen des [X.] zu
2, Dr. H., befragt wurde, dass der Beklagte zu 2 die Notwendigkeit weiterer Befunderhebung erkannt hatte und dass er im Hinblick auf die unzureichenden Möglichkeiten in der Klinik der [X.] zu 1 und auf den Zustand der Klägerin eine umgehende Verlegung in eine ausreichend
ausgestattete Klinik hätte [X.] müssen. Es entnimmt ferner den Ausführungen des [X.] zu 2 bei seiner Anhörung, die Verlegung der Klägerin in eine Neuroklinik
am Auf-nahmetag sei nicht einmal diskutiert und es sei
nicht explizit darüber gespro-chen worden, dass bei einer Verlaufsverschlechterung eine Verlegung der Pati-entin zu prüfen sei.
Der Beklagte zu 2 sei vielmehr davon ausgegangen, dass auf einer Intensivstation eine intensive Verlaufsbeobachtung stattfinde und [X.] darauf reagiert werde. Nach den Aussagen der vernommenen [X.] ist das Berufungsgericht davon überzeugt, dass der Beklagte zu 2 trotz der ihm erkennbaren Notwendigkeit einer sofortigen weiteren Hirndiagnostik nicht nur keine Verlegung veranlasst, sondern auch keine Empfehlungen an die an-deren Ärzte
für eine spezifische Überwachung der Klägerin gegeben hat.
Bei dieser Sachlage macht die Revision ohne Erfolg geltend, der [X.] habe eine Überwachung als Alternative für eine sofortige Verlegung für ausreichend gehalten. Dies lässt sich, worauf die Revisionserwiderung hin-weist, den Ausführungen des Sachverständigen schwerlich entnehmen
und wird auch von der Revision der [X.] zu 1 so nicht gesehen. Jedenfalls entspricht aber das Verständnis, das das Berufungsgericht den Ausführungen 16
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des Sachverständigen beimisst, einer möglichen tatrichterlichen Bewertung des Beweisergebnisses, die keinen Rechtsfehler erkennen lässt.
bb) Damit liegt entgegen der Auffassung der Revision kein Diagnosefeh-ler, sondern ein Befunderhebungsfehler vor. Nach den Ausführungen des Sachverständigen machten der erkennbare [X.]-Befund, die [X.], die ein entzündliches Geschehen ausschloss, und das unklare klinische Beschwerdebild (Babinski-Zeichen rechts, was auf eine Betroffenheit der linken [X.] hinwies, und eine minimale Facialisschwäche rechts) eine sofortige weitere Hirndiagnostik zwingend erforderlich. Da diese nicht in der Klinik der [X.] zu 1 vorgenommen werden konnte, hatte eine Verlegung der Kläge-rin in ein Neurozentrum zu erfolgen, was der Beklagte zu 2 als Konsiliararzt an-zuordnen oder jedenfalls den Ärzten der [X.] zu 1 zu empfehlen hatte.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Beklagte zu 2 die dringende Notwendigkeit weiterer diagnostischer Maßnahmen erkannt, gleich-wohl aber nicht für eine umgehende Verlegung der Klägerin gesorgt.
cc) Die Revision zieht letztlich nicht ernsthaft in Zweifel, dass das [X.] eine Beweislastumkehr zu Lasten des [X.] zu 2 im Fall des anzunehmenden [X.] mit Recht bejaht hat. Dies gilt auch, sofern nicht bereits das Unterlassen der Verlegung als solches als grober Feh-ler anzusehen sein sollte. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats erfolgt bei der Unterlassung der gebotenen Befunderhebung eine Beweis-lastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität, wenn bereits die Unterlassung einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung einen groben ärztlichen Fehler darstellt. Zudem kann aber auch eine nicht grob
feh-lerhafte Unterlassung der Befunderhebung dann zu einer Umkehr der Beweis-last hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden führen, wenn sich bei der gebotenen Abklärung mit hin-19
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reichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis ge-zeigt hätte und sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die [X.] hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde. Es ist nicht erforder-lich, dass der grobe Behandlungsfehler die einzige Ursache für den Schaden ist. Es genügt, dass er generell geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; wahrscheinlich braucht der Eintritt eines solchen Erfolgs nicht zu sein. Eine Umkehr der Beweislast ist nur ausgeschlossen, wenn jeglicher [X.] [X.] äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. Senatsurteile vom 27. April 2004 -
VI
ZR 34/03, [X.]Z 159, 48, 56
f.; vom 7.
Juni 2011 -
VI
ZR 87/10, VersR
2011, 1148 Rn.
7; vom 13. September 2011 -
VI
ZR 144/10, [X.], 1400 Rn.
8; vom 2. Juli 2013 -
VI
ZR 554/12, [X.], 1174 Rn.
11). Die zweitgenannte Fallgestaltung liegt hier zweifel-los vor.
dd) Die Zulassungsfrage des Berufungsgerichts ist damit hinsichtlich des [X.] zu 2 fallbezogen beantwortet. Dass dieser unabhängig davon, wie seine "Konsiliartätigkeit" rechtlich einzuordnen ist, für sein fehlerhaftes [X.] Handeln selbst aus Delikt haftet, kann nicht zweifelhaft sein (vgl. etwa [X.], [X.], 401, 403; [X.], NJW-RR 2003, 1031; [X.]/[X.], [X.], 6.
Aufl., Rn.
[X.]; [X.]/[X.], aaO, [X.]. 2 Rn.
58).
2. Zur Revision der [X.] zu 1
Ohne Rechtsfehler bejaht das Berufungsgericht auch die Haftung der [X.] zu 1.
a) Auch die Revision der [X.] zu 1 macht geltend,
die Behandlung der Klägerin sei in Ausübung eines öffentlichen Amts erfolgt. Dies ist aus den vorstehend genannten Gründen unrichtig (oben 1 a).
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b) Der Auffassung der Revision, das Berufungsgericht habe den Fehler des [X.] zu 2 zu Unrecht der [X.] zu 1 zugerechnet, die Vorschrift des §
278 BGB finde im Verhältnis der [X.] zu 1 zu dem konsiliarisch zu-gezogenen [X.] zu 2 keine Anwendung, ist nicht zu folgen.
Der Begriff des [X.] ist legal nicht definiert (vgl. Wen-zel/[X.]s, aaO, Rn.
57; [X.]/[X.], aaO, Rn.
587 ff.). Je nach Aufgaben-
und Vertragsgestaltung ist der Konsiliararzt nach der bisherigen Rechtsprechung häufig nicht als Erfüllungsgehilfe des auftraggebenden Arztes bzw. der auftraggebenden Klinik anzusehen. Dies gilt insbesondere, wenn zwi-schen dem Konsiliararzt und dem Patienten eine (weitere) vertragliche Bezie-hung zustande kommt, so dass die Faustregel anzuwenden ist, dass haftet, wer liquidiert (vgl. [X.]/[X.], aaO, [X.] ff. mwN).
Eine Fallgestaltung, bei der dieser Grundsatz anzuwenden ist, liegt hier nicht vor. Dass die Beklagte zu 1 bei der Beauftragung des [X.] zu 2 davon ausgegangen wäre, zwischen diesem und den Patienten, zu deren Behandlung er zugezogen wurde, komme ein selbstständiges
Vertragsverhältnis zustande, ist weder festgestellt noch er-sichtlich. Das Berufungsgericht stellt fest, dass der Beklagte zu 2 gegenüber der Klägerin nicht gesondert abgerechnet hat.
Entscheidend sind letztlich folgende Feststellungen
des Berufungsge-richts:
Die Beklagte zu 1
erfüllte mit Hinzuziehung eines [X.] ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin. Weil die Beklagte zu 1
in der Nacht nicht in der Lage war, ein [X.] fachkundig von angestellten Ärzten be-funden
zu lassen, hatte sie eine vertragliche Regelung mit externen Ärzten
ge-troffen, die zur Befundung hinzugezogen wurden. Der Beklagte zu 2 wurde
da-her
im Rahmen der Erfüllung einer Verbindlichkeit der [X.] zu 1 tätig, die eingelieferte Klägerin fachkundig ärztlich zu versorgen. Dies oblag primär der [X.] zu 1, weil sie mit Einrichtung einer Schlaganfalleinheit die Vorausset-25
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zungen dafür geschaffen hatte, dass spezifisch gefährdete Patienten bei ihr eingeliefert wurden. Da sie die fachkundige ärztliche Versorgung von Schlagan-fallpatienten nicht allein mit eigenen angestellten Ärzten vollziehen konnte, musste sie sich externer Ärzte bedienen, hier des [X.] zu 2, der mithin
nicht im Rahmen einer eigenen Leistungspflicht der Klägerin gegenüber tätig
wurde.
Aufgrund dieser Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2 für ein umfassend zuständiges -
bzw. sich als solches nach außen darstel-lendes
-
Krankenhaus tätig und von diesem auch honoriert wurde. Jedenfalls in einem solchen Fall muss sich der Krankenhausträger einen Fehler des zugezo-genen [X.] nach §
278 BGB zurechnen lassen (vgl. [X.]/Spickhoff, Medizinrecht, 6.
Aufl., Rn.
397; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 5.
Aufl., Rn.
18; [X.]/[X.], aaO, Rn.
[X.]; [X.]/[X.],
aaO, [X.].
2 Rn.
1063).
c) Da die Beklagte zu 1 danach aufgrund ihrer vertraglichen Beziehung zu der Klägerin für den Fehler des [X.] zu 2 gemäß §
278 BGB einzu-stehen hat, kommt es nicht darauf an, ob den Ausführungen des Berufungsge-richts zur Haftung der [X.] zu 1 wegen eines Organisationsmangels zu folgen ist. Dazu sei allerdings bemerkt, dass die Annahme eines Organisati-onsmangels naheliegt, wenn ein Krankenhausträger eine Schlaganfalleinheit einrichtet, diese aber technisch und personell unzulänglich ausstattet, so dass die dort eingelieferten Patienten nicht rechtzeitig richtig versorgt werden [X.]. Der Annahme des Berufungsgerichts, ein solcher Organisationsmangel liege vor, wenn die radiologischen Aufgaben nicht einem Radiologen, sondern einem Neurologen zugewiesen werden, der zur Befundung von [X.]-Aufnahmen nicht die erforderliche Fachkunde besitzt, vermag die Revision nichts Überzeu-gendes entgegenzuhalten.
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d) Auf die Ausführungen des Berufungsurteils dazu, dass die Beklagte zu
1 nicht für Fehler ihrer eigenen angestellten Ärzte hafte, kommt es für die Entscheidung nicht an.
[X.]
Zoll
[X.]

Pauge
Offenloch

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.06.2011 -
5 O 3/11 -

OLG Schleswig, Entscheidung vom 31.01.2013 -
4 [X.] -

30

Meta

VI ZR 78/13

21.01.2014

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.01.2014, Az. VI ZR 78/13 (REWIS RS 2014, 8551)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8551

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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