Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.01.2017, Az. VI ZR 146/16

6. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 16885

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Gegenstand

Schadensersatz bei Verkehrsunfall: Ersatzfähigkeit der Kosten für eine Reparaturbestätigung bei fiktiver Schadensabrechnung


Leitsatz

Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten einer Reparaturbestätigung für sich genommen nicht ersatzfähig. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 30. März 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die [X.] für eine [X.].

2

Die Klägerin nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 22. Juli 2014 in Anspruch. Die volle Haftung des Beklagten für den Unfallschaden steht dem Grunde nach außer Streit. Ein [X.] ermittelte die Kosten für die Reparatur des Unfallschadens am Fahrzeug der Klägerin mit netto 4.427,07 €. Die Klägerin rechnete auf Gutachtenbasis mit dem Beklagten ab, der den ermittelten Betrag erstattete. Die Reparatur ließ die Klägerin von ihrem Lebensgefährten, einem gelernten Kfz-Mechatroniker vornehmen. Die Ordnungsgemäßheit der Reparatur ließ sie sich von dem Sachverständigen bestätigen, der für die Erstellung der [X.] 61,88 € in Rechnung stellte.

3

Das Amtsgericht hat die auf Erstattung dieser 61,88 € zuzüglich Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Das [X.] hat die vom Amtsgericht zugelassene Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin bei der von ihr gewählten fiktiven Abrechnungsmethode kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Erstellung der [X.] zustehe. Die Entscheidung der Klägerin, den Unfallschaden fiktiv abzurechnen, sei Ausfluss ihrer Dispositionsfreiheit. Die Klägerin habe es dann aber auch hinzunehmen, dass bei dieser Schadensabrechnung keine Reparaturrechnung einer Fachwerkstatt vorliege, die Art und Umfang der vorgenommenen Reparaturen beschreibe. Wenn die Klägerin gleichwohl im Hinblick auf eine eventuelle spätere Veräußerung des Unfallwagens oder einen möglichen erneuten Unfall im selben Fahrzeugbereich einen Nachweis der ordnungsgemäßen Reparatur wünsche, müsse sie diesen Nachweis auf eigene Kosten einholen. Entgegen der Auffassung der Klägerin folge eine Erstattungsfähigkeit auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin dem Beklagten aufgrund der fiktiven Abrechnungsart die Umsatzsteuer auf die Reparaturkosten erspart habe. Die Klägerin vermische insoweit die konkrete und die fiktive Schadensabrechnung.

II.

5

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin bei der von ihr gewählten fiktiven Schadensberechnung keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die [X.] hat. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig.

6

1. Der Geschädigte eines Kraftfahrzeugsachschadens hat bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Wahl, ob er fiktiv nach den Feststellungen eines Sachverständigen oder konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten abrechnet (st.Rspr., vgl. Senatsurteile vom 19. Juni 1973 - [X.], [X.], 56, 58; vom 29. Oktober 1974 - [X.], [X.], 182, 184; vom 23. März 1976 - [X.], [X.], 239, 241 ff.; vom 20. Juni 1989 - [X.], [X.], 1056; vom 29. April 2003 - [X.], [X.], 395, 398; vom 17. Oktober 2006 - [X.], [X.], 263 Rn. 15). Bei fiktiver Abrechnung ist der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte, der im Gegenzug nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer objektiven Grundlage zufrieden gibt (Senatsurteil vom 3. Dezember 2013 - [X.], [X.], 214 Rn. 10).

7

Entscheidet sich der Geschädigte für die fiktive Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten nicht (zusätzlich) ersatzfähig. Der Geschädigte muss sich vielmehr an der gewählten Art der Schadensabrechnung festhalten lassen; eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2003 - [X.], [X.], 1575; vom 15. Februar 2005 - [X.], [X.], 170, 175; vom 30. Mai 2006 - [X.], [X.], 2320, 2321 Rn. 11; vom 17. Oktober 2006 - [X.], [X.], 263 Rn. 15; vom 13. September 2016 - [X.], [X.], 27 Rn. 17). Übersteigen die konkreten Kosten der - ggf. nachträglich - tatsächlich vorgenommenen Reparatur einschließlich der Nebenkosten wie tatsächlich angefallener Umsatzsteuer den aufgrund der fiktiven Schadensabrechnung zustehenden Betrag, bleibt es dem Geschädigten - im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung - im Übrigen unbenommen, zu einer konkreten Berechnung auf der Grundlage der tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten überzugehen (vgl. Senatsurteile vom 18. Oktober 2012 - [X.], [X.], 50; vom 17. Oktober 2006 - [X.], [X.], 263; vom 20. April 2004 - [X.], [X.], 388, 391 f.).

8

2. Nach diesen Grundsätzen hat die fiktiv abrechnende Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der im Rahmen der konkret durchgeführten Reparatur angefallenen Kosten für die [X.]. Bei den geltend gemachten Kosten für die [X.] des Sachverständigen handelt es sich nicht um Kosten, die nach der gewählten fiktiven Berechnungsweise zur Wiederherstellung des [X.] erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB waren. Es handelt sich vielmehr um eine Position, die ursächlich auf der freien Entscheidung der Klägerin beruht, ihr Fahrzeug nicht in einem Fachbetrieb, sondern in Eigenregie reparieren zu lassen ([X.], [X.] 24/2015 [X.]. 2; [X.]., [X.] 3/2014 [X.].1). Auf die Motivation der Klägerin, im Hinblick auf eine mögliche spätere Veräußerung des Fahrzeugs oder einen eventuellen weiteren Unfallschaden an [X.]elben Fahrzeugstelle den Nachweis einer ordnungsgemäß durchgeführten Reparatur vorzuhalten, kommt es in diesem Zusammenhang nach der eigenen Disposition der Klägerin nicht an (vgl. Heßeler, NJW 2015, 2744; [X.], Urteil vom 23. August 2013 - 2 O 75/12, juris Rn. 27; [X.], Urteil vom 25. Juli 2016 - 14 C 453/16, juris Rn. 3; [X.], NJW 2015, 2743 Rn. 13 f.; [X.], Urteil vom 20. Februar 2015 - 44 C 5090/14, juris Rn. 15).

9

Entgegen der Auffassung der Revision ändert hieran auch der Umstand nichts, dass die Klägerin dem Beklagten durch ihre Entscheidung für eine fiktive Schadensberechnung den Ersatz von Umsatzsteuer erspart hat, die bei einer konkreten Berechnungsweise auf die tatsächlich durchgeführte Reparatur angefallen wäre. Die [X.] tatsächlich nicht angefallener Umsatzsteuer ist vielmehr direkte Folge der gesetzlichen Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB und der darin liegenden Begrenzung der Dispositionsfreiheit des Geschädigten (vgl. hierzu zuletzt Senatsurteil vom 13. September 2016 - [X.], [X.], 27 Rn. 11 mwN).

3. Etwas anderes könnte gelten, wenn die [X.] aus Rechtsgründen zur Schadensabrechnung erforderlich gewesen wäre, etwa im Rahmen der Abrechnung eines zusätzlichen Nutzungsausfallschadens (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juli 2015 - 235 C 11335/14, juris Rn. 18; [X.], Urteil vom 22. November 2012 - 2 C 999/12, juris Rn. 5 ff.; [X.], Urteil vom 15. Mai 2012 - 86 C 113/12, juris Rn. 12; [X.], Urteil vom 3. Februar 2011 - 29 C 2624/10, juris Rn. 97 ff.). Die [X.] wäre - ihre Eignung im Übrigen vorausgesetzt - dann als Nachweis der tatsächlichen Gebrauchsentbehrung (vgl. zu dieser Anspruchsvoraussetzung Senatsurteile vom 23. März 1976 - [X.], [X.], 239, 249; vom 10. März 2009 - [X.], [X.], 697 Rn. 9; [X.]/Knerr, [X.], 27. Aufl., [X.]. 3 Rn. 96; [X.]/Zoll, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., [X.]. 41 Rn. 90) erforderlich zur Rechtsverfolgung im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Entsprechendes kann im Fall der den Wiederbeschaffungsaufwand überschreitenden fiktiven Reparaturkosten für den Nachweis der verkehrssicheren (Teil-)Reparatur des [X.] und damit des tatsächlich bestehenden Integritätsinteresses des Geschädigten (vgl. hierzu Senatsurteile vom 29. April 2008 - [X.]/07, [X.], 1941; vom 29. April 2003 - [X.], [X.], 395; [X.]/Knerr, aaO, Rn. 35; [X.]/Zoll, aaO, Rn. 10 f.) gelten.

Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall.

Galke      

        

Wellner      

        

v. [X.]

        

Oehler      

        

Klein      

        

Meta

VI ZR 146/16

24.01.2017

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Mühlhausen, 30. März 2016, Az: 1 S 93/15

§ 249 Abs 2 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.01.2017, Az. VI ZR 146/16 (REWIS RS 2017, 16885)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1664 REWIS RS 2017, 16885

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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11 C 1684/17 (AG Ingolstadt)

Kein Ersatz für Kosten einer Reparaturbestätigung


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