Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.10.2014, Az. 2 C 38/13

2. Senat | REWIS RS 2014, 1769

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 20. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger beansprucht eine Besoldung nach der höchsten Stufe seiner jeweiligen Besoldungsgruppe, weil er meint, die besoldungsrechtliche Ersteinstufung nach dem Lebensalter benachteilige ihn wegen seines Lebensalters.

2

Der 1985 geborene Kläger steht als Leutnant ([X.] 9 [X.]) im Dienst der [X.]. Ende Dezember 2011 machte der Kläger einen Anspruch auf Gewährung des Grundgehalts aus der Endstufe seiner Besoldungsgruppe für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2009 geltend. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab und wies die dagegen vom Kläger erhobene Beschwerde zurück.

3

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Es könne dahingestellt bleiben, ob die Richtlinie der [X.], auf die der Kläger seinen Anspruch stütze, auf Soldaten überhaupt anwendbar sei. Denn der Kläger könne eine höhere als die ihm nach dem Gesetz zustehende Besoldung jedenfalls deshalb nicht beanspruchen, weil er seinen vermeintlichen Anspruch nicht zeitnah, d.h. innerhalb des laufenden Haushaltsjahrs, geltend gemacht habe.

4

Der Kläger hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt und beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des [X.] vom 20. Februar 2013 und des [X.] vom 23. Oktober 2012 sowie des Bescheids der Wehrbereichsverwaltung [X.] vom 7. Juni 2012 in der Gestalt des [X.] vom 10. Juli 2012 zu verurteilen, an den Kläger 8 948,25 € nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Der Vertreter des [X.] beim [X.] unterstützt die Rechtsauffassung der [X.].

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das Urteil des [X.] verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es den Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung eines Anspruchs innerhalb des laufenden Kalenderjahres pauschal heranzieht, ohne zu prüfen, ob der Anspruch nicht seine Grundlage in einer gesetzlichen Regelung hat und ob deren Voraussetzungen für die rechtzeitige Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs erfüllt sind. Denn der richterrechtlich entwickelte Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung von nicht unmittelbar durch Gesetz begründeten (hier: aus Unionsrecht abgeleiteten) Ansprüchen ist nicht anwendbar, wenn es eine gesetzliche Regelung sowohl des Anspruchs, dessen sich der Kläger berühmt, als auch für dessen fristgerechte Geltendmachung gibt (vgl. die zur Veröffentlichung bestimmten Urteile des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 [X.] 3.13 - und - BVerwG 2 [X.] 6.13 - jeweils Rn. 55, dort zu § 15 Abs. 4 [X.]).

8

Die Entscheidung erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dem Kläger steht kein Zahlungsanspruch zu, und zwar auch dann nicht, wenn zu seinen Gunsten angenommen wird, dass die Besoldung der aktiven Soldaten nicht von der Bereichsausnahme nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (- [X.] 2000/78/[X.] -, [X.] 303 S. 16) erfasst ist. Auch bei Zugrundelegung dieser für ihn günstigen Auslegung stehen dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis Ende Juni 2009 keine Ansprüche zu.

9

1. Im Zeitraum von Januar 2008 bis Ende Juni 2009 richtete sich die Besoldung des [X.] als Soldat nach §§ 27 und 28 [X.] in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (im Folgenden: [X.] a.F. - [X.] 3020). In Bezug auf Beamte führten §§ 27 und 28 [X.] a.F. zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung i.S.v. Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a der [X.] 2000/78/[X.]. Denn die Regelung hatte zur Folge, dass auch ein älterer Beamter ohne jede Berufserfahrung bei seiner erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis allein aufgrund seines höheren Lebensalters höher eingestuft wurde ([X.], Urteil vom 19. Juni 2014 - [X.]. [X.]-501/12, [X.] - NVwZ 2014, 1294 Rn. 50 f.; vgl. dazu ausführlich die Urteile des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 [X.] 3.13 - Rn. 15 und - BVerwG 2 [X.] 6.13 - Rn. 16).

Nach Art. 3 Abs. 4 der [X.] 2000/78/[X.] können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass diese Richtlinie hinsichtlich von Diskriminierungen wegen einer Behinderung und des Alters nicht für die [X.] gilt. Diese Bereichsausnahme geht zurück auf einen Vorschlag der [X.], der sich wohl an der Formulierung des [X.] Gesetzes gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts („Sex Discrimination Act") orientiert. Es handelt sich um eine Reaktion auf Urteile des [X.] betreffend den Zugang von Frauen zu den [X.]n der Mitgliedstaaten in Anwendung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen ([X.] 39, [X.]), die eine solche Bereichsausnahme nicht kennt ([X.], Urteile vom 26. Oktober 1999 - [X.]. [X.]-273/97, [X.]. [X.] und vom 11. Januar 2000 - [X.]. [X.]-285/98, [X.]. [X.]). Mit dem [X.] Vorschlag, der schließlich in Art. 3 Abs. 4 Eingang in die [X.] 2000/78/[X.] fand, sollte eine vergleichbare Entwicklung, d.h. eine Erstreckung der Richtlinie auf die [X.] der Mitgliedstaaten, ausgeschlossen werden (vgl. [X.], [X.] 2003, Sonderbeilage Heft 5, S. 11 <12>; Schiek, [X.], S. 873 <876>).

Von der Ermächtigung des Art. 3 Abs. 4 der [X.] 2000/78/[X.] hat die Beklagte umfassend Gebrauch gemacht. Das auch der Umsetzung der [X.] 2000/78/[X.] dienende [X.] vom 14. August 2006 (- [X.] -, [X.]), das nach seinem § 1 auch Benachteiligungen wegen des Alters erfasst, gilt nach seinem § 24 nicht für Soldaten. Maßgeblich ist vielmehr das Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten vom 14. August 2006 ([X.] - [X.] -, [X.] <1904>). In § 1 Abs. 1 und 2 [X.] kommt klar zum Ausdruck, dass dieses Gesetz für Soldatinnen und Soldaten, anders als das [X.], keinen Schutz vor Benachteiligungen aus Gründen des Alters oder einer Behinderung bietet; das Merkmal Alter wird hier gerade nicht genannt und § 18 [X.] erfasst lediglich solche Personen, die ihre Schwerbehinderung im [X.] erlitten haben (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/1780, [X.]). Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 [X.] verdeutlicht entsprechend der Vorgabe in Erwägungsgrund Nr. 19 Satz 2 der [X.] 2000/78/[X.], den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung festzulegen, auch, dass die Beklagte die Bereichsausnahme für die gesamten [X.] in Anspruch nimmt (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/1780, S. 27).

Aufgrund des Wortlauts des Art. 3 Abs. 4 der [X.] 2000/78/[X.] und seiner Entstehungsgeschichte spricht Einiges für die Annahme, dass diese Bereichsausnahme umfassend zu verstehen ist und auch die Besoldung der Soldaten erfasst. Denn die Richtlinie nimmt nicht einzelne Handlungen oder bloße Teilbereiche aus, sondern bezieht sich - grundsätzlich - auf die [X.] des Mitgliedstaates als Ganzes. Andererseits könnte der Erwägungsgrund Nr. 19 Satz 1 der Richtlinie Anlass für eine einschränkende Auslegung dahingehend geben, dass die Besoldung der Soldaten nicht erfasst sein soll, weil insoweit kein Bezug zur Einsatzfähigkeit und der Schlagkraft der [X.] bestehe, um deren Sicherung es bei der Bereichsausnahme geht. Dementsprechend wären auch Soldaten hinsichtlich ihrer Besoldung vor einer ungerechtfertigten Benachteiligung wegen des Alters geschützt. Hiergegen ließe sich wiederum einwenden, dass eine als unzureichend angesehene Besoldung sehr wohl Bedeutung auch für die Einsatzfähigkeit (etwa der Motivation) der [X.] haben könne.

2. Die Frage der Reichweite der Bereichsausnahme nach Art. 3 Abs. 4 der [X.] 2000/78/[X.] ist im Streitfall jedoch nicht entscheidungserheblich. Denn selbst bei der für den Kläger günstigen Auslegung ist ein Anspruch auf Zahlung eines höheren Grundgehalts im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeschlossen.

a) Eine Eingruppierung des [X.] in eine höhere oder gar in die höchste Dienstaltersstufe zum Ausgleich seiner - hier insoweit unterstellten - Benachteiligung wegen seines Alters scheidet aus. Eine derartige „modifizierende" Anwendung des Besoldungsgesetzes kommt nicht in Betracht, weil das Bezugssystem der §§ 27 und 28 [X.] a.F. insgesamt diskriminierend wirkt und nicht mehr herangezogen werden kann (vgl. dazu ausführlich die Urteile des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 [X.] 3.13 - Rn. 17 bis 20 und - BVerwG 2 [X.] 6.13 - Rn. 18 bis 21).

b) Auch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch kann der Kläger für den Zeitraum bis Ende Juni 2009 keine Ansprüche herleiten. Denn dessen Voraussetzungen sind erst mit der Verkündung des Urteils des [X.] in Sachen [X.] und Mai am 8. September 2011 (- [X.]. [X.]-297/10 und [X.]-298/10 - Slg. [X.]) erfüllt (vgl. dazu ausführlich die Urteile des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 [X.] 3.13 - Rn. 25 bis 30 und - BVerwG 2 [X.] 6.13 - Rn. 25 bis 30).

c) Ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 12 Abs. 1 [X.] scheidet aus, weil die Beklagte den Verstoß der §§ 27 und 28 [X.] a.F. gegen das auf das Alter erstreckte Benachteiligungsverbot nach § 7 Satz 1 [X.] im Zeitraum von Anfang Januar 2008 bis Ende Juni 2009 noch nicht zu vertreten hatte. Ein Vertretenmüssen i.S.v. § 12 Abs. 1 [X.] kann erst für den Zeitraum ab Bekanntgabe des Urteils des [X.] vom 8. September 2011 (- [X.]. [X.]-297/10 und [X.]-298/10, [X.] und Mai -) angenommen werden (vgl. dazu ausführlich die Urteile des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 [X.] 3.13 - und - BVerwG 2 [X.] 6.13 - jeweils Rn. 40 bis 43).

d) Auch der verschuldensunabhängige Anspruch auf Entschädigung nach § 12 Abs. 2 [X.] steht dem Kläger nicht zu. Bei der Antragstellung durch sein Schreiben von Ende Dezember 2011 hat der Kläger die Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 [X.] nicht eingehalten.

§ 12 Abs. 3 [X.] bestimmt - vergleichbar § 15 Abs. 4 [X.] -, dass ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 12 Abs. 1 [X.] oder der Anspruch auf angemessene Entschädigung nach § 12 Abs. 2 [X.] innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden muss. Die Frist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem die berechtigte Person von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

Ist eine Rechtslage unsicher und unklar, beginnt auch die Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 [X.] erst mit der objektiven Klärung der Rechtslage durch eine höchstrichterliche Entscheidung (vgl. dazu ausführlich das Urteil des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 [X.] 6.13 - Rn. 51 ff.).

Die entscheidungserhebliche Rechtslage ist hier durch die Verkündung des Urteils des [X.] in Sachen [X.] und Mai am 8. September 2011 geklärt worden. Denn in diesem Urteil ist den Mitgliedstaaten der Bedeutungsgehalt von Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 [X.] 2000/78/ [X.] in Bezug auf ein mit §§ 27 und 28 [X.] a.F. vergleichbares Besoldungssystem verdeutlicht worden ([X.], Urteil vom 19. Juni 2014 a.a.[X.] Rn. 104). Das Schreiben des [X.] vom 27. Dezember 2011, mit dem er seinen Anspruch auf Bemessung seines Grundgehalts nach der höchsten Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, lässt deutlich erkennen, dass dieses Urteil des [X.] für die Antragstellung maßgeblich war.

3. Ergänzend und vorsorglich merkt der Senat an, dass das Urteil des [X.] vom 11. November 2014 - [X.]. [X.]-530/13, [X.] - (NVwZ-RR 2015, 43, ergangen in einem Fall aus [X.]) an der vorstehenden Beurteilung nichts ändert. Diese Entscheidung betrifft eine andere, mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbare Fallkonstellation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die dort Betroffenen durch eine Verlängerung des für eine „Vorrückung" erforderlichen Zeitraums zusätzlich benachteiligt wurden ([X.], Urteil vom 11. November 2014 a.a.[X.] Rn. 31 und Ziff. 1 des Tenors). Letzteres hat der [X.] als nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung beanstandet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 30. Oktober 2014

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG auf 8 948,25 € festgesetzt.

Meta

2 C 38/13

30.10.2014

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 20. Februar 2013, Az: 10 A 11217/12.OVG, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.10.2014, Az. 2 C 38/13 (REWIS RS 2014, 1769)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1769

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 C 36/13 (Bundesverwaltungsgericht)

Entschädigungsanspruch gemäß § 12 Abs. 2 SoldGG


2 C 39/13 (Bundesverwaltungsgericht)


2 C 47/13 (Bundesverwaltungsgericht)


M 21 K 15.2367 (VG München)

Erfolglose Klage auf Neuberechnung der Besoldung eines Majors


M 21 K 15.5318 (VG München)

Schadensersatz wegen Altersdiskriminierung eines Soldaten


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.