Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.10.2010, Az. 4 StR 402/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2010, 1912

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Gegenstand

Erpressung: Rechtswidrigkeit des erstreben Vermögensvorteils


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. Februar 2010 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ferner ausgesprochen, dass von der Freiheitsstrafe drei Monate als verbüßt gelten. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s hatte der Geschädigte wegen eines längere Zeit zurückliegenden Besuchs in einer vom Angeklagten betriebenen [X.] in Höhe von etwa 570 €. Nachdem er in den frühen Morgenstunden des 29. Februar 2008 erneut die Bar des Angeklagten aufgesucht und im weiteren Verlauf erklärt hatte, die während dieses Besuchs aufgelaufene Getränkerechnung in Höhe von 100 € ebenfalls nicht bezahlen zu können, entschloss sich der in der Bar anwesende Angeklagte, ihn nicht gehen zu lassen, ohne ihm zuvor Geld und Wertsachen abgenommen zu haben. In Ausführung dieses Entschlusses bedrohte er ihn mit einer Pistole und schlug ihn sodann mit der Waffe mehrfach wuchtig auf den Kopf und ins Gesicht. Der Geschädigte erlitt dadurch u.a. Frakturen der linken Augen- und Kieferhöhle. Daraufhin befahl der Angeklagte dem Geschädigten in Anwesenheit des nicht revidierenden Mitangeklagten [X.], ihm sein ganzes Geld sowie andere, möglicherweise vorhandene Wertgegenstände ohne Rücksicht darauf, wem sie gehörten, unverzüglich auszuhändigen. Wie vom Angeklagten vorausgesehen, kam der Geschädigte diesem Verlangen unter dem Eindruck der zuvor erlittenen Misshandlungen ohne Zögern nach und legte u.a. 30 € Bargeld sowie die EC-Karte seiner Freundin [X.]         samt Zettel mit zugehöriger PIN auf den Tisch. Die EC-Karte mit dem Zettel hatte er vor Verlassen der Wohnung ohne Wissen und Erlaubnis seiner Freundin mitgenommen, um Geld von ihrem Girokonto abheben und damit die für den Abend geplanten Gaststätten- und [X.] finanzieren zu können. Mangels Kontodeckung war dieses Vorhaben jedoch fehlgeschlagen. Trotz Hinweises des Geschädigten darauf, dass die Berechtigte der EC-Karte seine Freundin sei, ging der Angeklagte davon aus, dass dieser die Karte samt Zettel mit PIN einem Dritten gestohlen hatte, was er auch äußerte. Er vermutete weitere versteckte Wertgegenstände oder gestohlene EC-Karten in der Kleidung des Geschädigten und durchsuchte diese mit dem Mitangeklagten [X.]  , allerdings ohne Erfolg. Sodann beauftragte er [X.], an einem Geldautomat mit der EC-Karte eine Abhebung vorzunehmen, was jedoch wegen der fehlenden Kontodeckung nicht gelang. Der Angeklagte, dem bewusst war, dass er keine Berechtigung zur Geldabhebung von dem fremden Konto hatte, ließ den Geschädigten nach Rückkehr des Mitangeklagten [X.] gehen, behielt aber die EC-Karte mit der auf dem Zettel vermerkten PIN für sich, um später nochmals eine Geldabhebung zu versuchen.

II.

3

Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.

4

Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Dies gilt auch, soweit das [X.] angenommen hat, der Angeklagte habe sich wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung strafbar gemacht. Entgegen der Ansicht des [X.] fehlt es weder an der Absicht der rechtswidrigen Zueignung noch an der der unrechtmäßigen Bereicherung.

5

1. Bei der Erpressung ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der zumindest bedingte Vorsatz des [X.] erstrecken muss (Senatsbeschluss vom 17. Juni 1999 – 4 StR 12/99, [X.], 79). Der Täter will sich dann zu Unrecht bereichern, wenn er einen Vermögensvorteil erstrebt, auf den er keinen rechtlich begründeten Anspruch hat ([X.], Beschluss vom 21. Dezember 1998 – 3 [X.]). Allein der Umstand, dass ein fälliger Anspruch mit Nötigungsmitteln durchgesetzt werden soll, macht den begehrten Vorteil nicht rechtswidrig ([X.]St 20, 136, 137). Entsprechendes gilt für das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit der Zueignung beim Tatbestand des Raubes im Sinne des § 249 StGB ([X.], Beschluss vom 15. Mai 2001 – 3 [X.]/01).

6

2. a) Gemessen daran ist die Würdigung des [X.]s, der Angeklagte habe sich zu Unrecht bereichern wollen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

7

Zwar hatte der Angeklagte gegenüber dem Geschädigten nach den Feststellungen zwei fällige und einredefreie Forderungen in Höhe von insgesamt etwa 670 € aus [X.]. Auch blieb der vom Angeklagten unter dem Druck der Misshandlungen herausgegebene Geldbetrag mit 30 € deutlich unter der im Ergebnis berechtigten Gesamtforderung. Die [X.] hat jedoch ferner festgestellt, dass sich der Angeklagte von dem Geschädigten die EC-Karte sowie die auf einem Zettel vermerkte PIN der Zeugin [X.]            aushändigen ließ, um sie zur Abhebung von Geldbeträgen in nicht näher festgestellter Höhe einzusetzen, und dabei in der Vorstellung handelte, der Geschädigte habe diese Karte einer unbekannten Berechtigten zuvor entwendet. Damit ist die Absicht rechtswidriger Bereicherung hinreichend dargetan, da der Angeklagte, wie das [X.] weiter ausgeführt hat, sich darüber im Klaren war, dass er keine Berechtigung hatte, sich durch Abhebung von einem nicht dem Angeklagten gehörenden Konto im Hinblick auf seine Forderungen gegen diesen schadlos zu halten.

8

b) Auch die subjektive Seite des [X.] ist ausreichend belegt. Der Angeklagte hatte die erforderliche Absicht der rechtswidrigen Zueignung. Das [X.] hat insoweit festgestellt, dass der Angeklagte, der nicht glaubte, dass der Geschädigte seine Taschen vollständig entleert hatte, unter Mitwirkung des Mitangeklagten [X.]    dessen Kleidung – im Ergebnis ohne Erfolg – nach weiteren, möglicherweise versteckten Wertgegenständen und anderen EC-Karten durchsuchte, um sich diese zur Verwertung ohne Rücksicht darauf zuzueignen, in wessen Eigentum sie standen. Dabei ging der Angeklagten insbesondere davon aus, dass die weiteren EC-Karten, nach denen er suchte, vom Geschädigten den jeweils Berechtigten zuvor entwendet worden waren.

9

3. Auch die Annahme von Tateinheit zwischen dem Tatbestand des versuchten Raubes und dem der versuchten schweren räuberischen Erpressung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Es trifft zwar zu, dass für die Abgrenzung des Raubes von der räuberischen Erpressung nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] allein das äußere Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten maßgeblich ist (vgl. nur [X.]St 7, 252, 254; [X.], Beschluss vom 19. Januar 1999 - 4 [X.], [X.]R StGB § 255 Konkurrenzen 4 m.w.N.) und der Tatbestand des (versuchten) Raubes hinter dem der vollendeten räuberischen Erpressung zurücktreten kann, wenn die erzwungene Herausgabe der verlangten Sache und nicht die Duldung ihrer Wegnahme das [X.] prägt (so Senatsbeschluss vom 21. Oktober 1997 – 4 [X.]). Das [X.] hat indes im vorliegenden Fall ein – rechtsfehlerfrei als Tateinheit bewertetes – zweiaktiges Geschehen festgestellt, bei dem der Geschädigte zunächst unter dem Eindruck von erheblichen Misshandlungen verlangte Sachen herausgab und im [X.] (zusätzlich) die – erfolglose – Durchsuchung seiner Kleidung nach weiteren Wertgegenständen durch den Angeklagten und den Mittäter [X.] dulden musste.

[X.]                                       Cierniak

                         [X.]

Meta

4 StR 402/10

28.10.2010

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Münster, 12. Februar 2010, Az: 12 KLs 3/09 - 81 Js 1081/08, Urteil

§ 253 StGB, § 255 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.10.2010, Az. 4 StR 402/10 (REWIS RS 2010, 1912)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1912

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Referenzen
Wird zitiert von

5 StR 136/14

2 StR 163/13

2 StR 163/13

4 StR 402/10

6 StR 312/21

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