Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.09.2003, Az. V ZR 70/03

V. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1471

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/03Verkündet am:26. September 2003K a n i k,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: jaBGB § 504 a.F. (§ 463 n.F.)Die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, die dazu berechtigt,ein Grundstück auf die Dauer von 99 Jahren gegen Zahlung eines in zehn [X.] zu zahlenden Entgelts als Steinbruch auszubeuten, stellt keinen kaufähnlichenVertrag dar, der die Ausübung eines Vorkaufsrechts eröffnet.[X.], [X.]. v. 26. September 2003 - [X.]/03 - [X.] Würzburg- 2 -Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 26. September 2003 durch den Vizepräsidenten des [X.]Dr. [X.], [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und dieRichterin Dr. [X.]für Recht erkannt:Auf die Revision der Beklagten wird das [X.]eil des [X.] vom 17. Februar 2003 aufge-hoben.Die Berufung des [X.] gegen das [X.]eil des [X.] vom 20. August 2002 wird zurückgewiesen.Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.Von Rechts [X.]:Die Beklagten zu 1 und 2 sind Miteigentümer einer in [X.]gelege-nen landwirtschaftlichen Fläche, an der der Gemeinschuldnerin ein im Grund-buch eingetragenes Vorkaufsrecht zusteht. Mit notariellem Vertrag vom 18. Juli2001 bestellten die Beklagten zu 1 und 2 den Beklagten zu 3 und 4 eine be-schränkte persönliche Dienstbarkeit, die diese berechtigt, eine Teilfläche [X.] von rund 14.700 qm auf die Dauer von 99 Jahren als [X.]. Als Gegenleistung sind 400.000 DM, zahlbar in Jahresraten zu je- [X.], beginnend mit dem 1. Oktober 2001, vereinbart. Die [X.] und 4 sind nicht verpflichtet, die ausgebeuteten Flächen bei [X.], zu bepflanzen oder zu rekultivieren.Der beurkundende Notar informierte den Kläger Anfang November 2001über die Bestellung der Dienstbarkeit, die zwischenzeitlich in das [X.] worden war. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2001, gerichtet andie Beklagten zu 1 und 2, übte der Kläger das Vorkaufsrecht der Gemein-schuldnerin aus. Er verlangt von den Beklagten zu 1 und 2 die Übertragung [X.] im Umfang des eingeräumten [X.] umZug gegen Zahlung von 204.516,75 3 und 4 dieBewilligung der Löschung der Dienstbarkeit. Das [X.] hat die [X.], das [X.] hat ihr stattgegeben. Mit der von ihm zu-gelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des land-gerichtlichen [X.]eils. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des [X.].Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht sieht in dem Vertrag zur Bestellung des Ausbeute-rechts einen kaufähnlichen Vertrag, der dem Kläger die Ausübung des [X.] der Gemeinschuldnerin eröffne. Angesichts der Vertragslaufzeitvon 99 Jahren und der einem Kaufpreis entsprechenden Gegenleistung [X.] sich der [X.] als Kauf. Die hiervon formal- 4 -abweichende Gestaltung sei nur gewählt worden, um das Vorkaufsrecht zuunterlaufen.[X.] Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nichtstand.1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.].Nach der Rechtsprechung des Senats eröffnet § 504 BGB a.F. nicht nur danndie Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn der Verpflichtete mit einem [X.]formell einen Kaufvertrag über den mit dem Vorkaufsrecht belasteten Gegen-stand geschlossen hat. Vielmehr gebietet eine interessengerechte Auslegungder Norm, sie auch auf solche Vertragsgestaltungen zwischen dem [X.] und dem [X.] anzuwenden, die bei materieller Betrachtung einem Kaufim Sinne des Vorkaufsrechts so nahe kommen, daß sie ihm gleichgestellt wer-den können und in die der [X.] zur Wahrung seines Erwerbs-und [X.] "eintreten" kann, ohne die vom Verpflichteten ausge-handelten Konditionen zu beeinträchtigen (Senat, [X.]Z 115, 335; [X.]. [X.] 1998, [X.], [X.], 1189).2. Rechtsfehlerhaft ist indes die Annahme des [X.], daßdiese Voraussetzungen im konkreten Fall gegeben sind. Allerdings ist [X.] und Würdigung des Vertrages zwischen den Beklagten zu 1 und 2und den Beklagten zu 3 und 4 in erster Linie Sache des Tatrichters. Das [X.] kann dessen Auslegung aber u.a. darauf überprüfen, ob der Aus-legungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist und ob gesetzliche oder all-gemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Er-- 5 -fahrungssätze verletzt sind (st.Rspr. des [X.], vgl. [X.]. v. 25. Februar 1992,X [X.], NJW 1992, 1967, 1968; [X.]. v. 5. Januar 1995, [X.] 1995, 959; [X.]. v. 31. Oktober 1995, [X.], NJW 1996, 248; [X.]. [X.] Dezember 1998, [X.], NJW 1999, 1022, 1023). Gemessen daranerweist sich die Würdigung der Vertragsgestaltung durch das [X.] für den Senat nicht bindend, da sie wesentliche Gesichtspunkte außer achtläßt und den Interessen der Vorkaufsverpflichteten nicht hinreichend Beach-tung schenkt und damit gegen den Grundsatz beiderseits interessengerechterInterpretation verstößt ([X.], [X.]. v. 9. Juli 2001, [X.], NJW 2001,3777, 3778).a) Den "kaufähnlichen Charakter" des Ausbeutungsvertrages will dasBerufungsgericht dem Umstand entnehmen, daß der Steinbruch 99 Jahre [X.] somit über mehr als eine Generation hinweg ausgebeutet werden dürfe.Diese Überlegung trägt nicht. Der Steinbruch kann nur solange ausgebeutetwerden, wie das Vorkommen reicht. [X.] es der Berechtigte innerhalb [X.] als der Vertragslaufzeit aus, fällt der Vorteil für den [X.] fort. Die Ausübung des Rechts wird dauernd unmöglich, so daß [X.] vor Ablauf der vereinbarten [X.] erlischt und der [X.] ihre Löschung verlangen kann (vgl. Senat, [X.]Z 41, 209, 214;Staudinger/[X.], BGB [2002], § 1091 Rdn. 2; [X.]/[X.] Aufl., § 1091 Rdn. 3). Die vereinbarte Vertragslaufzeit ist daher nur bedingtaussagekräftig für das Ausmaß der Bindung, die der Eigentümer eingeht. [X.] dem Berechtigten einen zeitlichen Rahmen für die Ausübung [X.], bestimmt aber nicht allein die Dauer der [X.]) Soweit das Berufungsgericht meint, das Vorkaufsrecht werde [X.] Vertragsgestaltung praktisch unterlaufen, weil es wirtschaftlich uninteres-- 6 -sant geworden sei, verkennt es, daß dies bei jeder Bestellung einer Grund-dienstbarkeit oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit der Fall ist,die den wirtschaftlich wesentlichen Vorteil des belasteten Grundstücks [X.] zuweist. § 504 BGB a.F. dient aber nicht dazu, Vertragsgestaltun-gen zu unterbinden, die dem Grundstückseigentümer an sich zu Gebote stehenund die - wie im vorliegenden Fall - auch durchaus üblich und [X.] sind. Daß Ausbeutungsrechte vertraglich an Dritte veräußert und [X.] gesichert werden, bietet sich an und entspricht der üblichenPraxis. Der Schluß darauf, daß der Grundstückseigentümer und der Dritte einim Falle des [X.] drohendes Vorkaufsrecht unterlaufen woll-ten, läßt eine solche Vertragsgestaltung ohne weitere Umstände nicht zu.c) Daß die Gegenleistung die Höhe eines Kaufpreises erreichen mag- wie das Berufungsgericht annimmt -, läßt nicht den Schluß darauf zu, daß [X.] bei wertender Betrachtung einen kaufähnlichen Vertrag [X.] hätten. Der Preis wird durch den Wert bestimmt, den die Parteiendem Ausbeutungsrecht beimessen. Wenn dies der wesentliche Wirtschafts-faktor ist, liegt es nahe, daß der Preis dem Gegenwert des Grundstücks selbstnahekommt. Das hindert die Parteien aber nicht, das Grundstück mit einerDienstbarkeit zu belasten, statt das Vollrecht zu übertragen. Im übrigen wertetdas Berufungsgericht die vereinbarten Zahlungsmodalitäten einseitig zu [X.] Beklagten. Daß die Gegenleistung in zehn Jahresraten zu erbringen ist,entspricht gerade nicht der Üblichkeit eines auf Umsatz ausgerichteten Kauf-geschäfts, sondern läßt eher erkennen, daß es um die Entlohnung für ein zeit-lich bemessenes Recht geht. Dabei ist der Unterschied zwischen [X.]) und Vertragslaufzeit (99 Jahre) weniger auffällig, als das [X.] meint. Es ist durchaus vorstellbar - wird von dem [X.] nicht in den Blick genommen -, daß sich der zeitliche Rahmen für die- 7 -Zahlung mit dem [X.]raum deckt, der für eine konzentrierte und zügige Aus-beutung des Steinbruchs anzusetzen ist.3. Da die Begründung des [X.] das Ergebnis der [X.]sauslegung nicht trägt, kann der Senat die notwendige Würdigung anhanddes [X.] und der getroffenen Feststellungen selbst vornehmen(vgl. Senat, [X.]. v. 20. März 1998, [X.], [X.], 1190, 1191). [X.] ein Vorkaufsfall im Sinne des § 504 BGB a.F. zu verneinen.a) Die Gewährung eines dinglich gesicherten Ausbeutungsrechts gegenZahlung des wirtschaftlichen Gegenwertes stellt keine ungewöhnliche Fallge-staltung dar, die Rückschlüsse darauf zuläßt, daß ein bestehendes [X.] unterlaufen werden sollte und Vorkaufsverpflichteter und Dritter eineVertragsgestaltung gewählt haben, die formal die Kriterien eines Kaufvertragesvermeidet, in materieller Sicht aber einer kaufweisen Übertragung gleich-kommt.Darauf lassen - wie dargelegt - auch weder die Vertragslaufzeit noch [X.] schließen. Daß sich die Beklagten zu 1 und 2 durch [X.] der wirtschaftlich wichtigsten Befugnis, die das Grundstück bietet, [X.] haben, trifft zu, liegt aber an den Möglichkeiten, die eine Dienstbarkeitdem Berechtigten gewähren kann, ohne daß darin eine Umgehung eines- auch denkbaren - Kaufvertrages läge. Von einem solchen unterscheidet sichdie gewählte Vertragsgestaltung entscheidend dadurch, daß die [X.] und 2 ihr Eigentumsrecht, und zwar nicht als bloßes nudum ius, [X.] daß die den Beklagten zu 3 und 4 eingeräumte Rechtsposition weder dau-erhaft noch übertragbar (§ 1092 Abs. 1 BGB) ist. Daß sie auf eine relativ [X.] ausgelegt ist, wird - wie dargelegt - dadurch relativiert, daß ein erheblichfrüheres Erlöschen denkbar und nach dem Vertrag nicht ausgeschlossen [X.] -Die Beklagten zu 3 und 4 erhalten eine Rechtsposition, die mit der eines [X.], der über das ihm übertragene Eigentum frei verfügen kann, inhaltlich nichtvergleichbar ist. Die Beklagten zu 1 und 2 behalten auch aus materieller Sicht- und damit anders als etwa in der der Senatsentscheidung vom 20. März 1998zugrundeliegenden Fallgestaltung ([X.], [X.], 1190) - das [X.]. Der Vertrag ist gerade nicht darauf angelegt, es ihnen letztlich zu nehmenoder sie in den wesentlichen Befugnissen, die nicht durch die Dienstbarkeitausgeschieden sind, inhaltlich zu beschränken.b) Ob die Möglichkeit der Verfüllung des ausgebeuteten Grundstücksnach Beendigung des [X.] abhängt, derenErteilung aus Gründen des Umweltschutzes und wegen der schwer einzu-schätzenden Bedingungen als fraglich angesehen werden muß - wie das [X.] meint -, ist ohne Bedeutung. Zum einen erwägt auch das [X.], daß aus heutiger Sicht die Verfüllung mit Aushubmaterial lukrativsein und einen wirtschaftlichen Vorteil für den [X.] könne. Wenn aber die Parteien von dieser Sicht ausgegangen sind - undgegenteilige Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen -, dannhaben sie dieser Nutzung eine wirtschaftliche Bedeutung zugemessen, die [X.] zu 1 und 2 nach der Ausbeutung des Steinbruchs verbliebe und diedeutlich gegen die Wertung der Vertragsgestaltung als kaufähnlichen Ge-schäfts spräche. Aber auch wenn die Parteien diese konkrete Verwendungs-möglichkeit nicht ins Kalkül gezogen haben, so liegt in der Verpflichtung [X.] einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zur Ausbeutung [X.] ohne Hinzutreten besonderer Umstände kein kaufähnlicher [X.]. Es bleibt grundsätzlich dem Eigentümer überlassen, ob er den wirtschaf-ten Wert seines Grundstücks durch Verkauf oder in anderer seinen Bedürfnis-sen entsprechender Weise realisieren will. Nur wenn ein [X.] der gewählten Vertragsgestaltung zu dem Ergebnis führt, daß al-len formellen Vereinbarungen zum Trotz der Wille der Vertragsschließendenauf eine Eigentumsübertragung gegen Zahlung eines bestimmten [X.] war, kann von einem kaufähnlichen Geschäft ausgegangen werden, dasdie Wirkungen des § 504 BGB a.F. auslöst (vgl. Senat, [X.]. v. 20. März 1998,[X.], [X.], 1190, 1192). Das ist hier auch dann nicht der Fall,wenn die Beklagten zu 1 und 2 ein Grundstück zu Eigentum behalten, das ausheutiger Sicht seinen wesentlichen Wert verloren haben wird, wenn es die [X.] zu 3 und 4 vertragsgemäß ausnutzen. Es bleibt auch dann dabei, daßdie Beklagten zu 3 und 4 nach [X.] gestaffelt einen Preis für das Recht [X.] zahlen. Dem Kläger gäbe dies nur dann ein Recht, wenn ihm ein"Eintrittsrecht" in einen solchen Ausbeutevertrag zustünde. Das ist nicht derFall, und ein solches Recht regelt § 504 BGB a.F. nicht. Dies wird nicht zuletztauch daran deutlich, daß die Rechtsprechung des Senats dem [X.] nur die Möglichkeit gibt, zur Wahrung seines Erwerbs- und Abwehr-interesses in den Vertrag "einzutreten", ohne die vom Verpflichteten ausge-handelten Konditionen zu beeinträchtigen ([X.]Z 115, 335). Das aber ist hiergerade nicht möglich und auch nicht gewollt. Der Kläger erstrebt nicht [X.] gegen auf 10 Jahre gestaffelte Zahlungen, sondern die [X.] gegen Zahlung eines Kaufpreises. Dies entspricht nichtden Vereinbarungen zwischen den Beklagten zu 1 und 2 und den [X.] und 4.- 10 -III.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.[X.] [X.] [X.]Gaier [X.]

Meta

V ZR 70/03

26.09.2003

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.09.2003, Az. V ZR 70/03 (REWIS RS 2003, 1471)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1471

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