Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.07.2004, Az. KVR 2/03

Kartellsenat | REWIS RS 2004, 2348

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]BESCHLUSS [X.] 2/03 Verkündet am: 13. Juli 2004 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der [X.]

Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja
Sanacorp/[X.] [X.] § 19 Abs. 2, § 36 Abs. 1 a) Bei der Heranziehung regionaler Teilmärkte zur räumlichen Marktabgrenzung dürfen die Teilmärkte jedenfalls dann nicht durch einen bundeseinheitlichen Kreisradius bestimmt werden, wenn dieser gerade in den Gebieten, in denen eine marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens in Betracht kommt, die tatsächlich bestehenden und zu erwartenden regionalen [X.] nicht hinreichend widerspiegelt. b) Ein über mehrere Jahre hinweg unangefochten bestehender hoher Marktan-teil stellt ein besonders aussagekräftiges und bedeutsames Indiz für eine marktbeherrschende Stellung dar. c) Die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung kann auch dann zu bejahen sein, wenn zu erwarten ist, daß die Wettbewerber ihre bestehenden Marktanteile trotz des Zusammenschlusses verteidigen [X.]. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob sie noch zu einer Ver-änderung der bestehenden Marktverhältnisse durch vorstoßenden Wettbe-werb in der Lage sein werden. [X.], Beschluß vom 13. Juli 2004 - [X.] 2/03 - [X.]

- 2 - [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 11. Mai 2004 durch den Präsidenten des [X.] Prof. Dr. [X.] und [X.] Dr. Goette, Prof. [X.], Dr. Raum und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der [X.] des [X.] vom 23. Dezember 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 15 Mio. • festgesetzt. Gründe: [X.] Beteiligte zu 1 (im folgenden: [X.]), eine eingetragene Ge-nossenschaft mit mehr als 6.500 Apothekern aus dem gesamten [X.] als Mitgliedern, läßt ihr operatives Geschäft, den Großhandel mit pharma-zeutischen Produkten und zugehörige Dienstleistungen, durch die "[X.] AG" (im folgenden: [X.]) ausüben. Von deren Grundkapital hält sie 75 %, die übrigen - stimmrechtslosen - Vorzugsaktien befinden sich in Streubesitz. Nicht nur regional tätig im pharmazeutischen Großhandel sind neben der [X.] die Beteiligte zu 2 (im folgenden: [X.]) und die Beigeladenen zu 1 - 3. - 3 - Der Großhandel mit pharmazeutischen Produkten in [X.] hatte im Jahr 1999 ein Volumen von rund 32,3 Mrd. DM, von dem 13 % (3,8 Mrd. DM) auf die [X.], 16 % (4,9 Mrd. DM) auf [X.], 28 % auf die Beigeladene zu 1 (im folgenden: [X.]), 19,5 % auf die Beigeladene zu 2 (im folgenden: [X.]), 7 % auf die Beigeladene zu 3 (im folgenden: [X.]) und der Rest von 16,5 % auf zwölf nur regional tätige Pharmagroßhandlungen mit [X.] entfielen. Bundesweit sind elektronische Bestellsysteme eingerichtet, über welche die mehr als 21.500 Apotheken ihre Lieferaufträge erteilen und sogleich die Rückmeldung erhalten, wann die Ware bei ihnen eintrifft. Dem Apotheker ist zugleich die Möglichkeit eröffnet, ohne besonderen Aufwand oder Kosten sofort einen anderen Großhändler zu beauftragen, wenn er z.B. nicht in der etwa gewünschten kurzen Frist beliefert werden kann. Durch dieses Order-system hat sich der unerläßlich notwendige Zeitraum zwischen dem Eingang der Bestellung bei der jeweiligen Niederlassung des Großhändlers und dem möglichen Start der [X.] auf 30 Minuten verringert. Üblicherweise stehen die Apotheken mit mindestens zwei Großhändlern in Lieferbeziehungen (sog. "Dual-supply"-Strategie), von denen der eine die Funktion des Erst- und der andere die des Zweitlieferanten wahrnimmt. Mit Rücksicht auf das ausge-feilte Bestell- und Liefersystem im pharmazeutischen Großhandel besteht bei den Apothekern die Erwartung, tagsüber mindestens zweimal - je nach Lage der Apotheke auch öfter - mit den von ihnen bestellten Produkten beliefert zu werden, so daß [X.] und Lieferzuverlässigkeit die von allen Phar-magroßhändlern gewährleistete Grundvoraussetzung für deren Beauftragung sind. Aus der Sicht des die Ware bestellenden Apothekers spielt - wenn diese für ihn selbstverständliche Grundbedingung von den verschiedenen Anbietern gleichermaßen erfüllt wird - bei der Auswahl des Großhändlers der Preis für die Belieferung die entscheidende Rolle. Er wird wegen der nicht veränderbaren Endpreise für die Kunden durch [X.] und Zahlungskonditionen bestimmt, - 4 - die die [X.] aus der ihnen von den Herstellern eingeräumten Marge - bei Zugrundelegen einheitlicher Abgabepreise - erwirtschaften müssen. Außer im [X.] [X.], in dem schwerpunktmäßig die [X.] tätig ist, versorgt die [X.] in allen Bundesländern Apotheken mit pharmazeutischen Produkten. Sie unterhält hierfür insgesamt 14 Niederlassungen, während die anderen bundesweit tätigen Pharmagroß-handelsunternehmen, nämlich [X.] sowie [X.] und [X.] über 23 bzw. 18 bzw. 20 Niederlassungen verfügen. Die 10.678.430 Stückaktien der [X.] liegen zu je 24,99998 % bei der [X.] und der [X.], zu 25,0000234 % bei der Beteiligten zu 3 (im folgenden: [X.]) und im übrigen bei zwei [X.] Unterneh-men. Die [X.] beabsichtigt, selbst oder über die [X.] die bisher von der [X.] gehaltene Beteiligung mit der Folge zu übernehmen, daß sie dann in Höhe von 50,0000034 % am Grundkapital der [X.] beteiligt ist. Dieses von den Beteiligten angemeldete Vorhaben hat das [X.]. Das Beschwerdegericht hat die Untersagungsverfügung aufgehoben und die Rechtsbeschwerde zugelassen ([X.] WuW/[X.] 1033). Mit ihr erstrebt das [X.] unter Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung die Zurückweisung der Beschwerde der [X.]. B. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. [X.] Zutreffend gehen die Parteien davon aus, daß sich das Verfahren nicht dadurch erledigt hat, daß die [X.] zwischenzeitlich ihr Aktienpaket je - 5 - zur Hälfte an [X.] und [X.] veräußert hat. Denn der [X.] bleibt mit Rücksicht auf die ihr eingeräumte Call-Option und das der [X.] einge-räumte Wiederkaufrecht die Möglichkeit erhalten, die 2.669.610 [X.]-Aktien zu erwerben, sofern dies kartellrechtlich nicht untersagt wird. I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluß [X.] sowohl hinsichtlich der von dem [X.] gezogenen Markt-abgrenzung als auch bezüglich der Hilfsbegründung durchgreifenden rechtli-chen Bedenken. 1. a) Das Beschwerdegericht hat angenommen, sachgerecht seien die regionalen Teilmärkte für den Pharmagroßhandel in [X.] nicht - wie das [X.] für richtig erachtet - anhand der von der [X.] selbst gezogenen Grenzen der Absatzgebiete ihrer 14 Niederlassungen zu ermitteln, erforderlich sei vielmehr eine Abgrenzung, die eine Fläche zugrundelegt, die durch einen Radius von 150 km - und nicht, wie [X.] für richtig hält, von 70 km - um die einzelnen Niederlassungen gebildet wird. b) Dies greift die Rechtsbeschwerde mit Erfolg an. [X.]) Mit Recht - und auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage ge-stellt - hat das Beschwerdegericht allerdings für die Bestimmung des räumli-chen Marktes auf das Bedarfsmarktkonzept abgestellt und - bei dem hier vorlie-genden [X.] - geprüft, welche [X.] aus der Sicht der Apotheker, die im Versorgungsgebiet der jeweiligen Niederlassung der [X.] liegen, zur Deckung ihres Bedarfs in Betracht kommen, also eine Ausweichmöglichkeit gegenüber einer Belieferung durch die Betroffene bieten. - 6 - [X.]) Zutreffend im Ausgangspunkt ist ferner, daß das Beschwerdegericht bei seiner tatrichterlichen Würdigung die danach gebotene Marktabgrenzung des [X.] als ungeeignet verworfen hat, weil sie den tatsächlichen Gegebenheiten auf dem [X.] nicht gerecht wird. Da für die Apotheker die regelmäßige, pünktliche und mehrmals täglich stattfindende Belieferung mit den bestellten Waren des Vollsortiments wesentlich ist, hat das Beschwerdegericht im Ansatz zutreffend alle diejenigen Großhändler den [X.] regionalen Märkten zugeordnet, die dieser Erwartung der Apotheker ent-sprechen und nach vernünftigen kaufmännischen Erwägungen imstande sind, die Bestellung auszuführen. Zu diesem Kreis gehören nicht nur die Großhänd-ler, deren Sitz in dem Gebiet der jeweiligen Niederlassung der [X.] liegt, wie das [X.] für richtig hält. Dessen Auffassung, die [X.] Niederlassungen der [X.] seien derart zugeschnitten, daß sie in nicht weiter zu verbessernder Weise den Lieferwünschen der Apotheken nach-kommen können, hat das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler nicht als mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmend feststellen können: [X.] alle Apotheken unterhalten Lieferbeziehungen zu mindestens zwei Liefe-ranten, nach Zahl und Umsatz wird derselbe Apotheker in nennenswertem [X.] von mehreren Niederlassungen der [X.] gleichzeitig beliefert. Demgemäß betrifft das von der [X.] aufgebaute Verbundliefersystem nicht, wie das [X.] gemeint hat, ausschließlich sog. "Defektliefe-rungen". Schließlich zeigen die vorgelegten Routenpläne, daß die [X.] regelmäßig Lieferungen über Entfernungen vornehmen, die die Gren-zen des Gebiets der einzelnen Niederlassung deutlich überschreiten und Strek-ken von bis zu 200 km um ihren Sitz umfassen. [X.]) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist ferner die Feststellung des [X.], daß zwischen den verschiedenen [X.] ein deutlicher [X.] besteht. Der Pharmagroßhandel in - 7 - [X.] ist nach den verfahrensrechtlich einwandfreien Feststellungen des [X.] dadurch gekennzeichnet, daß er die Verteilung identischer Produkte betrifft, für welche sowohl der Hersteller- als auch der den Kunden der Apotheke in Rechnung gestellte Preis gebunden ist. Da eine größere Abnah-memenge eines Großhändlers danach für ihn keinen Spielraum für eine Redu-zierung seines Einkaufspreises gibt, die Apotheker andererseits hinsichtlich des Verkaufspreises gegenüber den Kunden gebunden sind, beschränkt sich der wirtschaftliche Gestaltungsspielraum des [X.] auf die Spanne zwischen diesen beiden Preisen. Von der Höhe des eigenen Aufwandes für Lagerung, Verteilung und Auslieferung auf der einen Seite und dem Rabatt auf den [X.], den der Großhändler dem Apotheker als Erst-, Zweit- oder Drittlieferant einräumt, hängt der eigene Erfolg der geschäftlichen Tätigkeit ab. Nach den unangegriffenen Feststellungen des [X.] machen allein die durch den Aufbau und die Unterhaltung der Logistik entstehenden fixen Kosten zwischen 80 und 90 % des den [X.]n entstehen-den Aufwands aus. Die Transportkosten fallen demgegenüber - insofern anders als bei der Belieferung mit Transportbeton, die das [X.] zum [X.] herangezogen hat - deutlich weniger ins Gewicht, zumal die Auslieferung weitgehend nicht mit eigenen Fahrzeugen und eigenem Personal, sondern von Drittunternehmern vorgenommen wird, denen ein fester Satz je gefahrenem Kilometer gezahlt wird. Da das Bestellsystem, der Beratungsservice, die [X.], die Zuverlässigkeit und die Frequenz der Ausführung von Bestellungen weitgehend standardisiert sind - das Beschwerdegericht spricht in diesem Zu-sammenhang treffend von der "Eintrittskarte" in den Markt -, ist der dem [X.] angebotene Nachlaß auf seinen Verkaufspreis für jeden Pharmagroß-händler ein wesentliches Mittel, einen Kunden zu gewinnen oder an sich zu binden, zumal die Apotheker nach den Verhältnissen des [X.] Gesund-- 8 - heitssystems auf die Erzielung eines möglichst hohen Rabatts angewiesen sind, um auf Dauer existieren zu können. [X.]) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde jedoch, daß die Radiusbetrach-tung, in die die Erwägungen des [X.] zur Marktabgrenzung münden, ungeeignet ist festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine Unter-sagung nach § 36 Abs. 1 [X.] bestehen. Relevant für das Untersagungsver-fahren sind nicht die Verhältnisse in der [X.] insgesamt. Die Frage, ob der Zusammenschluß eine marktbeherrschende Stellung der [X.] begründet, stellt sich hier nur für die drei Teilmärkte [X.], [X.] und [X.]. Gerade für diese drei Gebiete verfehlt die von dem Oberlandesge-richt für richtig erachtete Bestimmung des räumlichen Marktes auf der Grundla-ge einer Radiusbetrachtung von 150 km um den Sitz der Niederlassung die tat-sächlichen Verhältnisse. Alle drei Gebiete umfassen, wenn man die weitesten Ausdehnungen in Nord/Süd- und Ost/[X.] zugrunde legt, Flächen von gut 11.000 bzw. gut 7.000 km2 ([X.]: 80 x 140 = 11.200; [X.]: 120 x 95 = 11.400; [X.]: 60 x 120 = 7.200), während die von dem Beschwerde-gericht herangezogene kreisförmige Abgrenzung bei einem Radius von 150 km (70.650 km2) zu einer mehr als sechsmal bzw. zehnmal so großen Fläche führt und das [X.] sich außerdem darüber hinwegsetzt, daß das von ihm zugrunde gelegte tatsächliche Liefergebiet nicht durch eine Kreisform, son-dern eher durch ein Rechteck beschrieben wird. Die danach jedenfalls für die drei Problemgebiete nach den eigenen Feststellungen des [X.] unhaltbare Ausdehnung der relevanten räumlichen Teilmärkte verfehlt das durch die Marktabgrenzung verfolgte Ziel, das Vorhandensein einer [X.] Stellung zu prüfen, um so mehr, als das [X.] bei seiner pauschalierenden Vorgehensweise nicht hinreichend berücksichtigt, daß nicht überall innerhalb des von ihm für richtig erachteten Radius von 150 km um den Sitz einer Niederlassung mit gleicher Intensität von Apotheken nachgefrag-- 9 - te Produkte von der Beteiligten zu 1 ausgeliefert werden. Dabei drängt es sich auf, daß nicht nur die Nähe einer Apotheke zu der jeweiligen Niederlassung, sondern auch die geographischen Gegebenheiten und die jeweilige Verkehrsin-frastruktur in dem betreffenden Teilmarkt einen wesentlichen Einfluß auf die Verteilung der erzielten Umsätze ausüben. 2. a) Eine eigene Entscheidung ist dem Senat verwehrt. Vielmehr bedarf es zur Bestimmung der jeweiligen räumlichen Märkte für die drei genannten Gebiete ergänzender Feststellungen des [X.] dazu, in welchem Umfang die [X.] tatsächlich über das Gebiet der jeweiligen Nieder-lassung hinaus Apotheken beliefert. Dabei kommt es nicht allein auf die Kun-denzahl, sondern auch auf andere Kriterien wie z.B. die erzielten Umsätze, die Häufigkeit der Belieferung oder die Erst-, Zweit- oder Drittlieferanteneigenschaft an. b) Von einer Zurückverweisung an das Beschwerdegericht kann auch nicht im Hinblick auf dessen Hilfsbegründung abgesehen werden, auch bei Zu-grundelegen der von dem [X.] für richtig erachteten Marktabgren-zung, die zu besonders hohen Marktanteilen der zusammengeschlossenen Un-ternehmen führt, begründe der Zusammenschluß keine marktbeherrschende Stellung. Auch sie ist von Rechtsirrtum beeinflußt. [X.]) Es trifft zwar zu, daß die Höhe des Marktanteils im Rahmen der Prü-fung der Untersagungsvoraussetzungen nach § 36 Abs. 1 [X.] nur ein [X.] unter mehreren und nicht schlechthin das entscheidende Kriterium ist. Gleichwohl handelt es sich - zumal, wenn ein hoher Marktanteil über mehrere Jahre hinweg unangefochten besteht - um ein besonders aussagekräftiges und bedeutsames Indiz, aus dem sich eine marktbeherrschende Stellung jedenfalls dann ableiten läßt, wenn nicht andere Kriterien festgestellt werden können, aus - 10 - denen sich ergibt, daß das zusammengeschlossene Unternehmen trotz des hohen Marktanteils nicht über einen überragenden, nicht mehr hinreichend kon-trollierten Verhaltensspielraum verfügt. Gerade wenn ein hoher Marktanteil über Jahre hinweg unangefochten besteht, deutet dies nämlich darauf hin, daß den anderen möglicherweise gegenläufigen Faktoren keine wesentliche Bedeutung zukommt. In diesem Zusammenhang gewinnen im hier zu entscheidenden Fall die oben behandelten besonderen Strukturmerkmale des [X.] ebenso Bedeutung wie die Finanzkraft der mit der [X.] in Wettbe-werb stehenden anderen Großhändler. Denn angesichts der von allen Groß-händlern vorgehaltenen teuren Logistik und des dadurch verursachten großen Kostenblocks besteht für jeden Marktteilnehmer ein großer Anreiz, auf den von ihm ohnehin eingerichteten Strecken zusätzliche Apotheken zu beliefern, dabei auch Umwege in Kauf zu nehmen oder den Radius der Belieferung auszudeh-nen, wobei als Mittel, neue Kunden zu gewinnen, die Einräumung besserer Konditionen, als sie die Konkurrenz gewährt, eingesetzt wird. Daß z.B. [X.] und [X.] mit ihrer deutlich höheren Finanzkraft in diesem [X.] gegenüber der [X.] und der [X.] deutlich überlegen sind, ist [X.] festgestellt worden und kann u.U. bei der Frage, ob der [X.] trotz des dadurch entstehenden hohen Marktanteils keine [X.] Stellung begründet, bedeutsam sein. [X.]) Ob dies der Fall ist, läßt sich jedoch nicht aufgrund der pauschalen Betrachtung des [X.] beurteilen. Vielmehr kommt es auch in diesem Zusammenhang darauf an, wie sich die Marktverhältnisse in dem [X.] Teilmarkt tatsächlich darstellen. Dazu gehört nicht allein die Feststellung der Lieferströme, es kommt auch darauf an zu klären, inwieweit hier konkreter Wettbewerb stattfindet und ob und in welchem Umfang etwa traditionell [X.] Lieferbeziehungen - die [X.] hat im Hinblick auf die [X.] 11 - lassung [X.] selbst von "Stammlanden" gesprochen - einer Abwanderung von Apothekern zu anderen [X.]n entgegenstehen. Im Ansatz unzutreffend in diesem Zusammenhang ist allerdings die Er-wägung des [X.], auch bei einer Steigerung des Marktanteils des zusammengeschlossenen Unternehmens von - gerundet - 25 % auf 55 % ([X.]), von 40 % auf 60 % ([X.]) bzw. von 40 % auf 75 % ([X.]) kön-ne deswegen keine marktbeherrschende Stellung entstehen, weil nicht anzu-nehmen sei, daß [X.] und [X.] ihre stabilen Marktanteile in den [X.] Gebieten nicht verteidigen könnten. Entscheidend ist vielmehr, ob [X.] Unternehmen - etwa wegen ihrer überlegenen Finanzkraft oder anderer Um-stände, die geeignet sind, ihre Position im Wettbewerb zu stärken - imstande sind, im vorstoßenden Wettbewerb ihre Marktstellung zu Lasten des zusam-mengeschlossenen Unternehmens zu erweitern, oder ob abzusehen ist, daß sie in diesem Bemühen an der durch den hohen Marktanteil gekennzeichneten Po-sition der fusionierten Unternehmen scheitern werden. [X.]) Ferner hat das Beschwerdegericht in seine Betrachtung nicht einbe-zogen, daß die nach dem Zusammenschluß von der [X.] im Sinne von § 17 AktG abhängige [X.] mit ihr im wettbewerblichen Sinn (vgl. Mestmäcker/Veelken in [X.]/Mestmäcker, [X.], 3. Aufl. § 36 Rdn. 38) ein einheitliches Unternehmen bildet, in dem beide Beteiligte gleichgerichtete Inter-essen verfolgen. Mangels Widerlegung der Vermutung des § 17 AktG ist davon auszugehen, daß nach dem Zusammenschluß weitestgehend auf die Erzielung von Synergieeffekten hingearbeitet wird, die zu einer weiteren Stärkung der Stellung des zusammengeschlossenen Unternehmens in den drei Teilmärkten führen kann. Dazu gehören nicht allein Kosteneinsparungen beim Einkauf nicht preisgebundener Produkte oder bei der Durchführung von Werbemaßnahmen; Einsparmöglichkeiten, die den Gestaltungsspielraum im Rahmen des [X.] 12 - [X.] erhöhen, ergeben sich auch im sehr kostenintensiven Bereich der Pflege und Fortentwicklung der Logistik. In besonderem Maße gilt dies aber für Änderungen der Niederlassungsstruktur, die die [X.] in der mündli-chen Verhandlung vor dem Senat nicht ausgeschlossen hat. Denn mit der Schließung einzelner oder der Zusammenlegung mehrerer Niederlassungen, die die bisher unabhängig voneinander am Markt auftretenden Unternehmen aufgebaut und unterhalten haben und deren unveränderte Fortführung nach dem Zusammenschluß schwerlich ökonomisch sinnvoll ist, entfällt ein das ein-heitliche Unternehmen erheblich belastender Kostenfaktor mit der Folge, daß über den hohen Marktanteil hinaus Verhaltensspielräume erweitert werden, die möglicherweise bei der gebotenen Gesamtbetrachtung gegenläufigen Umstän-den wie der Finanzkraft von anderen [X.]n die Bedeutung nehmen. [X.] [X.]
Raum [X.]

Meta

KVR 2/03

13.07.2004

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.07.2004, Az. KVR 2/03 (REWIS RS 2004, 2348)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2348

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.