Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.01.2018, Az. IX R 34/16

9. Senat | REWIS RS 2018, 16001

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Entschädigung und Schadenersatz - Einheitsbetrachtung - indizielle Beurteilung -


Leitsatz

1. Verpflichtet sich der Arbeitgeber vertraglich, im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mehrere Zahlungen an den Arbeitnehmer zu leisten, ist eine einheitliche Entschädigung nur anzunehmen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür festgestellt sind, dass sämtliche Teilzahlungen "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gewährt worden sind (Bestätigung des Senatsurteils vom 11. Juli 2017 IX R 28/16, BFHE 259, 272, BStBl II 2018, 86) .

2. Ist neben einer Entschädigung für entgangene Einnahmen, die sich ihrer Höhe nach im Rahmen des Üblichen bewegt, eine weitere Zahlung vereinbart, die bei zusammenfassender Betrachtung den Rahmen des Üblichen in besonderem Maße überschreiten würde, spricht dies indiziell dafür, dass es sich insoweit nicht um eine Entschädigung für entgangene Einnahmen handelt. Von einer Überschreitung in besonderem Maß ist auszugehen, wenn durch die zweite Teilzahlung die Höhe der Gesamtzahlung verdoppelt wird .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2016  4 K 2086/14 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war als Geschäftsführer des [X.]-Vereins tätig. Der Verein führt [X.] in der Industrie durch.

2

[X.]m ... wurde der Kläger auf dem Heimweg zu seinem [X.]ohnhaus Opfer eines Überfalls. Er erlitt lebensgefährliche Verletzungen am Kopf, musste in der Folge [X.] operiert werden und ist seitdem schwerbehindert. Der Täter nahm den [X.], die Geldbörse und das Mobiltelefon des [X.] an sich und flüchtete mit dessen Dienstwagen. Er wurde gefasst und wegen der Tat vom [X.]mtsgericht zu einer Jugendhaftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

3

Der Kläger versuchte zunächst, für die Folgen des Überfalls Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu erhalten ([X.]rbeitsunfall). Das Sozialgericht gab der Klage statt (Urteil vom 22. Juni 2010 S 3 U 98/09). Das [X.] ([X.]) hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab ([X.] Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Januar 2012 L 2 U 200/10, juris). Es führte zur Begründung u.a. aus, für einen vorsätzlichen Überfall bestehe grundsätzlich kein Versicherungsschutz. Etwas anderes gelte nur bei einem [X.]ngriff aus [X.] Motiven. Daran fehle es. Der Täter habe im Strafverfahren wie bei seiner Vernehmung als [X.]euge vor dem [X.] angegeben, er habe nicht von vornherein geplant, gerade den Kläger zu überfallen. Er hätte auch jeden anderen überfallen können. Die Idee für den Überfall sei ihm spontan gekommen, um an ein [X.]uto zu gelangen. Das [X.] hat den [X.]ntrag des [X.] abgelehnt, den [X.] als [X.]eugen zu vernehmen. Selbst wenn der Täter im Rahmen des Resozialisierungsprogramms, wie vom Kläger behauptet, geäußert hätte, dem Kläger aufgelauert zu haben, ergebe sich daraus kein betriebsbezogenes Tatmotiv. Das [X.] ([X.]) hat die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] zurückgewiesen ([X.], Urteil vom 18. Juni 2013 B 2 U 7/12 R, Neue [X.]eitschrift für Verkehrsrecht 2015, 91). Der Kläger habe sich im [X.]eitpunkt des Überfalls nicht auf einem Betriebsweg befunden. Der Fußweg von seinem PK[X.] zu seinem Privathaus habe auch nicht unter dem Schutz der [X.]egeunfallversicherung gestanden. Nach bisheriger Rechtsprechung des [X.] komme es deshalb --entgegen der [X.]nsicht des [X.]-- nicht darauf an, ob der Täter sein Opfer aus "betrieblichen Motiven" überfallen habe. Es könne dahinstehen, ob dieser Rechtsprechung uneingeschränkt zu folgen sei, denn das [X.] habe für das [X.] bindend festgestellt, dass eine betriebliche Motivation des [X.] nicht bestand.

4

[X.]m 1. Februar 2012 führte der Kläger in der [X.] ein Gespräch mit dem Täter und fertigte über dessen Inhalt ein Gedächtnisprotokoll an. Bei dem Gespräch war der Sozialarbeiter [X.] anwesend. [X.]n diesen verschickte der Kläger das von ihm gefertigte Gedächtnisprotokoll am 3. Februar 2012 mit der Bitte um inhaltliche Bestätigung. [X.] bestätigte dem Kläger per E-Mail vom selben Tag, dass er dem Protokoll in allen Punkten zustimme. Nach dem Gedächtnisprotokoll hat der Täter in dem Gespräch mitgeteilt, für einen [X.]uftraggeber tätig geworden zu sein, den er nicht nennen werde, der ihm den Ort und die genaue [X.]eit für den Überfall auf einem [X.]ettel mitgeteilt habe. Er hätte dem Kläger einen Denkzettel verpassen, ihn aber nicht töten sollen. [X.]ls er gehört habe, wie der Kopf des [X.] "mit einem lauten Knacken" auf den Boden geschlagen war und sah, wie sich sofort eine Blutlache bildete, habe er fluchtartig den [X.] verlassen. Vor dem [X.] habe er gelogen, weil er befürchtet habe, andernfalls mit weiteren Forderungen belastet zu werden.

5

[X.]us dem Gespräch zog der Kläger den Schluss, dass es sich bei dem Überfall auf ihn um eine [X.]uftragstat gehandelt habe, wobei der [X.]uftraggeber aus seiner Sicht nur aus dem beruflichen Umfeld kommen könne. Er machte deshalb gegen seinen [X.]rbeitgeber [X.]nsprüche auf Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden geltend, die er aus dem Überfall erlitten hatte und in [X.]ukunft erleiden werde. Seine Forderungen stützte der Kläger auf § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuches ([X.]). Bei seiner beruflichen Tätigkeit sei er einem erhöhten Risiko, Opfer einer Gewalttat zu werden, ausgesetzt gewesen, welches sich in dem Überfall realisiert habe. Nach der Rechtsprechung des [X.] hafte der [X.]rbeitgeber für diese Gefährdung auch ohne Verschulden. [X.] lehnte eine entsprechende Haftung ab, verständigte sich jedoch mit dem Kläger auf die einvernehmliche [X.]uflösung des [X.]rbeitsvertrags und [X.]ahlung einer [X.]bfindung.

6

[X.]m 3. Mai 2012 beantragte der Kläger bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --F[X.]--) die verbindliche [X.]uskunft, dass ein bestimmter Teil der vorgesehenen [X.]ahlung nicht der Steuer unterliege. Dem [X.]ntrag waren eine Pensionszusage zu Gunsten des [X.] vom 18. September 2002, ein Nachtrag hierzu vom 18. Dezember 2009 und der an diesem Tag neu gefasste Geschäftsführervertrag des [X.] beigefügt. Der Kläger nahm den [X.]ntrag am 10. Mai 2012 zurück. Eine Entscheidung war bis dahin noch nicht ergangen.

7

[X.]m 6. Juni 2012 schlossen der Kläger und [X.] einen "[X.]ufhebungsvertrag und Vergleich" (Vergleich). Die Parteien verständigten sich u.a. darüber, das [X.]rbeitsverhältnis des [X.] auf Betreiben von [X.] zum 30. Juni 2012 zu beenden. Die aus der Pensionszusage zu zahlende [X.]ltersrente wurde einvernehmlich auf ... € beziffert. Der Beginn der Pensionszahlung wurde auf den für den Kläger geltenden gesetzlichen Renteneintritt festgelegt. [X.] verpflichtete sich darüber hinaus, an den Kläger [X.] ... € zu zahlen. Nach dem Vergleich sollte zum einen eine [X.]bfindung für die vorzeitige [X.]uflösung des [X.]rbeitsverhältnisses sowie für mögliche Verdienstausfälle und zum anderen ohne [X.]nerkennung einer Rechtspflicht Schadenersatz geleistet werden. Dazu heißt es in der [X.], [X.] bestreite den [X.]nspruch. Es sei nicht mit Sicherheit nachweisbar, dass der Überfall auf die dienstliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Man sei aber bereit, sich über möglicherweise bestehende und in [X.]ukunft entstehende Schadenersatzansprüche zu vergleichen, um einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden und um beiderseitige Risiken zu begrenzen. [X.] verpflichte sich deshalb "zum [X.]usgleich der möglicherweise aus dem Überfall ... entstandenen und in [X.]ukunft entstehenden [X.]nsprüche auf eine Mehrbedarfsrente und ein etwaiges Schmerzensgeld ... €" zu zahlen.

8

[X.] entrichtete auf den [X.]bfindungs- und auf den Vergleichsbetrag die Lohnsteuer und zahlte die Nettobeträge im Streitjahr an den Kläger aus.

9

In seiner Einkommensteuererklärung für 2012 beantragte der Kläger, den Vergleichsbetrag in Höhe von ... € für sonstigen Schadenersatz steuerfrei zu belassen. Das F[X.] lehnte dies im Einkommensteuerbescheid vom 5. November 2013 ab. Insofern sei eine zusätzliche [X.]bfindung gemäß §§ 19, 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen. Eine Mehrbedarfsrente liege nicht vor. Der Kläger habe darauf keinen [X.]nspruch; auch ein [X.]nspruch aus § 670 [X.] bestehe nicht.

Dagegen erhob der Kläger Einspruch. [X.]m 29. Juli 2014 änderte das F[X.] den Einkommensteuerbescheid für 2012 und berücksichtigte einen Verlustrücktrag aus dem Jahr 2013. Den Einspruch wies es als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2014). [X.] des [X.]rbeitgebers seien nur anzuerkennen, soweit ein entsprechender [X.]nspruch bestehe. Darüber hinausgehende [X.]ahlungen erfüllten den Lohnbegriff. Die Voraussetzungen von § 670 [X.] lägen nicht vor. Bei dem Überfall habe sich das allgemeine Lebensrisiko und nicht ein berufliches Risiko verwirklicht. [X.]ußerdem sei der "[X.]ufhebungsvertrag und Vergleich" von den Beteiligten bewusst steuerlich optimiert worden. [X.] sei bereit gewesen, dem Kläger aus steuerlichen Gründen entgegenzukommen (Schreiben der Rechtsanwälte ... vom 4. Mai 2012). Daran sei das F[X.] nicht gebunden.

[X.]m 4. [X.]ugust 2014 bat der Kläger noch einmal um ein klärendes Gespräch mit dem F[X.] und legte weitere Unterlagen vor. Das F[X.] lehnte ein weiteres Gespräch jedoch ab.

[X.]ur Begründung seiner Klage und des [X.]nspruchs aus § 670 [X.] hat der Kläger u.a. vorgetragen, er sei beruflich einem hohen persönlichen Risiko ausgesetzt gewesen, welches sich in dem Überfall realisiert habe. Er sei international, häufig auch in [X.] tätig gewesen. Den von seiner Tätigkeit betroffenen Firmen drohten bei entsprechenden Feststellungen Gewinneinbußen in Millionenhöhe. Im ... sei er in [X.] gewesen, um einen Vortrag über das [X.] der industriellen Selbstkontrolle zu halten und zum [X.]ufbau einer industriellen Selbstkontrolle in [X.] beizutragen. Der dortige Verband habe zuvor bei einem Hersteller Verfälschungen festgestellt. Jenes Unternehmen sei damals bereits an [X.] veräußert gewesen. Die Durchführung des Vertrags wäre gefährdet gewesen, wenn die Untersuchungsergebnisse bekannt geworden wären. Der Präsident des dortigen Verbands sei am ... ermordet worden. [X.]u dem Überfall auf ihn bestehe offenbar ein enger [X.]usammenhang, denn er habe ebenfalls von den Feststellungen des dortigen Verbands gewusst.

[X.]um [X.]ustandekommen des [X.]ufhebungsvertrags und Vergleichs hat der Kläger ergänzend vorgetragen, er habe dem Vorstand des [X.] das Ergebnis seines Gesprächs vom 1. Februar 2012 mit dem Täter vorgetragen. Danach sei der Vorstand einstimmig der [X.]uffassung gewesen, dass der Überfall auf den Kläger offenbar doch einen betrieblichen Hintergrund gehabt habe. Der Vorstand habe dann jedoch nach geheimer Beratung Rechtsanwälte mit den weiteren Verhandlungen beauftragt, die den [X.]nspruch des [X.] zurückgewiesen hätten.

Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage abgewiesen. Bei den streitigen ... € handele es sich entgegen der Bezeichnung im Vertrag um eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen [X.] 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Mit der Revision erhebt der Kläger die Sachrüge (Verletzung von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) sowie Verfahrensrügen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Änderung des geänderten Einkommensteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf den Betrag festzusetzen, der sich ergibt, wenn die Einkünfte des [X.] aus nichtselbständiger [X.]rbeit um ... € niedriger angesetzt werden.

Das F[X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur [X.]ufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. §§ 2 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 4, 19 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger [X.]rbeit auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind.

a) Eine "Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen" setzt begrifflich voraus, dass ein [X.]nspruch auf Einnahmen begründet war und weggefallen ist. Die Entschädigung muss den Zweck haben, die weggefallenen Einnahmen zu ersetzen. Sie muss auf einer neuen Rechtsgrundlage beruhen; [X.] sind keine Entschädigung. Bei den Einnahmen, deren [X.]usfall ersetzt werden soll, muss es sich um steuerbare Einnahmen handeln; sie müssen (im [X.]) einer Einkunftsart (§ 2 [X.]bs. 2 EStG) unterfallen. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG schafft keine eigene Einkunftsart (statt aller: [X.] in Kirchhof, EStG, 16. [X.]ufl., § 24 Rz 3). Leistungen, die [X.]nsprüche ersetzen sollen, die bei ihrer Erfüllung zu nicht steuerbaren Einnahmen geführt hätten, fallen nicht unter die Regelung. Schadenersatz wegen der Verletzung anderer Rechtsgüter (Gesundheit) fällt ebenso wenig darunter, wie etwa [X.]nsprüche auf [X.]usgleich eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs oder auf Zahlung eines Schmerzensgelds.

b) Sind im Zusammenhang mit der [X.]uflösung oder Beendigung eines [X.]rbeitsverhältnisses mehrere (auch unterschiedliche) Entschädigungsleistungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen vereinbart, sind diese grundsätzlich einheitlich zu beurteilen (Urteile des [X.] --[X.]-- vom 16. Juni 2004 XI R 55/03, [X.], 544, [X.], 1055; vom 11. Mai 2010 IX R 39/09, [X.], 1801; [X.] vom 4. März 2016 IX B 146/15, [X.], 925). Dieser Grundsatz entbindet das [X.] jedoch nicht von der Prüfung, ob jede einzelne Entschädigung "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gewährt worden ist ([X.]-Urteil vom 11. Juli 2017 IX R 28/16, [X.], 272, [X.] 2018, 86). Eine Leistung, für die aufgrund der Umstände nicht anzunehmen ist, dass sie eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Leistungen darstellt, kann nicht aus Gründen der einheitlichen Beurteilung in den Besteuerungstatbestand hineingezogen werden.

c) Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das [X.] nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden (§ 96 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]O). [X.]n die tatsächlichen Feststellungen und Schlussfolgerungen des [X.] ist der [X.] grundsätzlich gebunden (§ 118 [X.]bs. 2 [X.]O). Dazu gehört auch die [X.]uslegung von Verträgen. Der [X.] prüft insofern nur, ob sie gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze oder die anerkannten [X.]uslegungsregeln verstößt. Ist das der Fall, entfällt die Bindungswirkung mit der Folge, dass der [X.] die [X.]uslegung ggf. selbst vornehmen darf.

2. Diesen Maßstäben entspricht das angefochtene Urteil nicht.

a) Das [X.] hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die im Vergleich vom 6. Juni 2012 vereinbarten Leistungen seien einheitlich als Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu qualifizieren. Der Streitfall biete keine Veranlassung, vom Grundsatz der Einheitlichkeit abzuweichen. [X.]n den Wortlaut der Vereinbarung sei das Gericht steuerlich nicht gebunden. Unabhängig davon, ob ein Schadenersatzanspruch des [X.] bestanden habe, sei das Gericht davon überzeugt, dass die als sonstiger Schadenersatz bezeichnete Zahlung ebenfalls wirtschaftlich als Entschädigung für entgehende Einnahmen vereinbart worden sei. Dafür spreche vor allem der Inhalt des Schreibens der von [X.] beauftragten Rechtsanwälte, in welchem der [X.]nspruch des [X.] zurückgewiesen und eine Zahlung von insgesamt ... € in [X.]ussicht gestellt worden sei. Eine [X.]ufteilung sei lediglich zur "steuerrechtlichen Optimierung" angeboten worden. Für einen objektiven Dritten sei danach klar erkennbar, dass nicht auf etwaige Schadenersatzansprüche gezahlt worden sei. Das ergebe sich auch aus dem bekannten Verlauf der Vergleichsverhandlungen, insbesondere dem [X.]ntrag des [X.] auf Erteilung einer verbindlichen [X.]uskunft. Darin habe der Kläger selbst angegeben, von [X.] Ersatz für die Verminderung seiner [X.]rbeitskraft und der Behinderung bei der [X.]rbeitssuche zu beanspruchen. Die vom Kläger gegen diese Würdigung erhobenen Einwände griffen nicht durch.

b) Nicht zu beanstanden ist zunächst die [X.]nnahme des [X.], wonach die für "Verdienstausfall und [X.]bfindung" vereinbarte Zahlung über ... € zum Ersatz von entgangenen oder entgehenden Einnahmen geleistet worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Zahlbetrag exakt der Höhe der zivilrechtlichen [X.]nsprüche entspricht, die mit ihm abgegolten werden sollen. Es bestehen jedenfalls keine durchgreifenden Bedenken gegen die Höhe der vereinbarten [X.]bfindung. Es genügt grundsätzlich, wenn die Vertragspartner den vereinbarten Betrag übereinstimmend als angemessen ansehen, denn es entspricht dem Wesen des Vergleichs, dass durch ihn die exakte Ermittlung der wechselseitigen [X.]nsprüche erübrigt werden soll (§ 779 BGB).

c) Soweit das [X.] den Grundsatz der Einheitlichkeit der Entschädigung als [X.]rgument dafür angeführt hat, dass für die in § 5 des Vergleichs vereinbarte Schadenersatzzahlung nichts anderes gelten könne als für die in § 3 des Vergleichs vereinbarte [X.]bfindung, beruht dies auf einem Rechtsirrtum. Wie der Senat in seinem Urteil in [X.], 272, [X.] 2018, 86 ausgeführt hat, muss das [X.] nicht nur abstrakt für jede Teilzahlung ermitteln, ob sie die Voraussetzungen von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfüllt. Es muss dabei auch berücksichtigen, in welchem Rahmen üblicherweise [X.]bfindungen vereinbart werden. Hierzu muss es den letzten regulären Verdienst des Steuerpflichtigen, die reguläre Kündigungsfrist und das [X.]ufhebungsdatum feststellen und beurteilen, in welchem Umfang eine Entschädigung für entgangene Einnahmen zu erwarten und auch gerichtlich durchsetzbar gewesen wäre. Wenn neben einer Entschädigung, die sich in diesem Rahmen hält, eine weitere Zahlung vereinbart ist, die bei zusammenfassender Betrachtung den Rahmen des Üblichen in besonderem Maße überschreiten würde, spricht dies indiziell dafür, dass es sich insoweit nicht um eine Entschädigung für entgangene Einnahmen handelt. Unter der [X.]nnahme, dass die erste Teilentschädigung von ... € den Rahmen des [X.]bfindungsanspruchs im Großen und Ganzen einhält, würde eine doppelt so hohe Gesamtentschädigung den Rahmen des Üblichen in besonderem Maße überschreiten.

Das [X.] hat entsprechende Erwägungen nicht angestellt und auch keine entsprechenden Feststellungen getroffen. Es ist stattdessen von einer formellen Einheitsbetrachtung ausgegangen, die so weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine Stütze findet. Sein Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben. Da die Revision bereits aus sachlichen Gründen Erfolg hat, kommt es auf die Verfahrensrügen nicht mehr an.

3. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat darauf hin, dass die Begründung des [X.] auch im Übrigen Rechtsfehler aufweist.

a) Wenn das [X.] die Vereinbarung unter § 5 des Vergleichs als Scheinvereinbarung entlarven will, muss es den Sachverhalt umfassend würdigen. Es handelt sich insofern nicht um eine Frage der [X.]uslegung, denn der Vertrag ist seinem Wortlaut nach eindeutig (Schadenersatz). Die bisher vom [X.] angeführten Erwägungen tragen seine Entscheidung nicht.

aa) Es kommt zunächst nicht darauf an, ob der Kläger einen [X.]nspruch aus § 670 BGB hatte und auch durchsetzen konnte. Soweit das [X.] mit dem [X.] davon ausgegangen ist, dass jede "Schadenersatzleistung" des [X.]rbeitgebers, die den bestehenden Schadenersatzanspruch übersteigt, zu [X.]rbeitslohn führt (z.B. [X.]-Urteil vom 20. September 1996 VI R 57/95, [X.]E 181, 298, [X.] 1997, 144), ist diese Rechtsprechung nicht auf die [X.]nwendung von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu übertragen. Sie ist zu Fällen ergangen, in denen das [X.]rbeitsverhältnis fortgeführt wird. Das ist bei § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gerade nicht der Fall. Ist das [X.]rbeitsverhältnis beendet, besteht aber keine Grundlage für die Vermutung, dass der [X.]rbeitgeber im Zweifel die [X.]rbeitsleistung des [X.]rbeitnehmers entgelten will. Es wäre überdies widersinnig, das Bestehen eines [X.]nspruchs zum Maßstab zu erheben, wenn im konkreten Fall bestehende Unsicherheiten durch Vergleich beseitigt worden sind. Für die steuerrechtliche Beurteilung kommt es in diesem Fall darauf an, ob sich die Vertragspartner wirklich über den von der einen Seite geltend gemachten und von der anderen Seite bestrittenen [X.]nspruch einigen wollten oder ob sie eine entsprechende Vereinbarung nur zum Schein abgeschlossen haben. Sollte der von einer Seite geltend gemachte [X.]nspruch rechtlich so fernliegend sein, dass er so gut wie sicher ausgeschlossen werden kann, mag darin im Einzelfall ein Indiz für die [X.]nnahme einer Scheinvereinbarung zu sehen sein.

bb) So liegt der Streitfall jedoch nicht. [X.]ufgrund des sehr detaillierten und schlüssigen Klägervortrags erscheint der vom Kläger geltend gemachte [X.]nspruch gemäß § 670 BGB keineswegs ausgeschlossen. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass und weshalb er in seiner beruflichen Tätigkeit einem hohen persönlichen Risiko ausgesetzt war. Er hat dies anhand konkreter [X.]ngaben illustriert ([X.]uslandsreise, Ermordung des dortigen Verbandspräsidenten). Er hat unter Beweisantritt ausgeführt, dass diese Einschätzung nicht nur von der Kriminalpolizei, sondern in einer Vorstandssitzung auch von seinem [X.]rbeitgeber geteilt worden ist. Er hat darüber hinaus konkret dargelegt, dass der Täter seine ursprüngliche [X.]ussage, es habe sich um eine spontane Tat gehandelt, revidiert und ihm gegenüber bekundet habe, im [X.]uftrag gehandelt zu haben. Es erscheint auch schlüssig, dass der Kläger den [X.]uftraggeber in seinem beruflichen Umfeld vermutet, weil der [X.]uftraggeber anscheinend wusste, wann sich der Kläger zuhause aufhalten würde. Dies erscheint umso überzeugender, als sich der Kläger nach seinem Vortrag unmittelbar zuvor auf einer längeren [X.]uslandsreise befand und erst seit einem Tag wegen eines seit langem feststehenden beruflichen Termins wieder zuhause war.

cc) Wenn das [X.] angesichts dieses schlüssigen und auf Tatsachen gestützten Sachvortrags ausführt, es lägen keine Hinweise auf eine betriebliche Veranlassung des Überfalls vor, hat dies keine tragfähige Grundlage. Daran ändern auch möglicherweise ungeschickte Formulierungen in einzelnen Schriftsätzen der [X.]rbeitgeberseite nichts. Zum einen darf das Gericht bei der Erfassung des Sinngehalts eines Vergleichs nicht einseitig nur die Sichtweise der einen [X.] zugrunde legen. Zum andern hat der Kläger unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Formulierungen aus seiner Sicht nicht der Überzeugung des [X.] entsprachen, sondern im anwaltlichen Interesse verwendet worden sind, um den [X.]nspruch des [X.] zu drücken. Vertragspartner des [X.] war aber [X.], nicht die von dieser beauftragte [X.]nwaltskanzlei.

Es genügt insofern auch nicht, auf das Urteil des [X.] zu verweisen. Das [X.] ist von anderen Tatsachen ausgegangen. Das [X.] konnte das [X.], welches der Kläger am 1. Februar 2012 mit dem Täter geführt hat, nicht verwerten, weil es bis zu seinem Urteil nicht stattgefunden hatte. Der [X.]ntrag des [X.] vor dem [X.], den [X.] als Zeugen für angebliche Äußerungen des [X.] in der Haft zu vernehmen, war nicht substantiiert genug. [X.]ußerdem hatte das [X.] bereits den Täter als Zeugen vernommen. Das [X.] war an die tatsächlichen Feststellungen des [X.] gebunden; nachträgliche neue Entwicklungen können im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden. [X.] und [X.] sind deshalb verfahrensrechtlich zu Recht von der spontanen Tat eines Einzelnen ausgegangen.

Im finanzgerichtlichen Verfahren stellt sich die Sachlage anders dar. Für die Frage, ob der Täter einen Hintermann hatte, bietet das [X.] den entscheidenden [X.]nhaltspunkt. Es erscheint deshalb nicht sachgerecht, wenn das [X.] in diesem Zusammenhang keine Veranlassung für eine weitere Sachaufklärung gesehen hat. Wenn das [X.] Zweifel an der Richtigkeit des Erinnerungsprotokolls und seines Inhalts gehabt hätte und sein Urteil darauf hätte stützen wollen, hätte es zuvor den Sachverhalt vollständig aufklären müssen (z.B. durch Vernehmung des [X.] als Zeugen oder subsidiär des [X.] als [X.] und des Ohrenzeugen Z als Zeuge).

Neben der Sache liegt schließlich auch der Einwand des [X.], der [X.]nspruch aus § 670 BGB wäre jedenfalls verjährt. Wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, markiert das Ergebnis des [X.]s den Zeitpunkt, zu dem der Kläger erstmals über sämtliche Informationen verfügte, aus denen sich der [X.]nspruch ergab. Davor begann die Verjährung nicht zu laufen.

[X.]uch die Befürchtung des [X.], dass im Ergebnis jede ungeklärte Fremdeinwirkung mit [X.] als Verwirklichung eines beruflichen Risikos gewürdigt werden könnte, verfängt nicht. Das [X.] ignoriert dabei nicht nur den gesamten Sachvortrag des [X.], sondern es lässt auch außer [X.], dass [X.] möglicherweise eine weit überdurchschnittliche [X.]bfindung zu zahlen bereit war. Selbst wenn am Ende nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass sich im Fall des [X.] nur das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht hat, geht dies unter den Umständen des Falles steuerlich nicht zu seinen Lasten. Wenn es ihm unter den gegebenen Umständen dennoch gelungen ist, von seinem [X.]rbeitgeber eine Entschädigung auch für die bei dem Unfall erlittenen Schäden zu erlangen, die nicht im Wegfall von Einnahmen bestanden, handelt es sich insoweit nicht um eine steuerbare Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.

b) Ergänzend weist der Senat noch auf Folgendes hin: Nach § 105 [X.]bs. 3 [X.]O soll das Gericht im Tatbestand den Sach- und Streitstand darstellen. Sachstand ist die Summe der Tatsachen, von deren Vorliegen das [X.] nach dem Ergebnis des Verfahrens überzeugt ist; Streitstand sind die (erheblichen) tatsächlichen Behauptungen der Beteiligten, von deren Richtigkeit sich das [X.] im Verfahren nicht hat überzeugen können. Dem angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, von welchen Tatsachen das [X.] bei seiner Überzeugungsbildung ausgegangen ist. Das [X.] hat nahezu den gesamten Tatsachenstoff als streitig (in indirekter Rede bzw. als Zitat aus Schriftsätzen und Urteilen) dargestellt, was erkennbar weder dem Verfahrensergebnis noch seiner Überzeugung entsprechen dürfte. Wenn das [X.] tatsächliche Feststellungen eines anderen Gerichts zitiert, muss es zudem deutlich machen, ob (und ggf. warum) es von deren Richtigkeit ausgeht, oder ob es lediglich den Tatbestand des anderen Urteils als Tatsache darstellen will. Die Mängel, die das angefochtene Urteil in diesem Punkt aufweist, liegen in der Nähe des [X.] gemäß § 119 Nr. 6 [X.]O, der allerdings vom Kläger nicht gerügt worden ist.

4. Die Sache geht zurück an das [X.]. Dieses wird die erforderlichen Feststellungen nachholen und die Sache erneut würdigen.

5. Der [X.]ntrag, die Sache an einen anderen Senat des [X.] zurückzuverweisen, wird abgelehnt. Gemäß § 155 [X.]O i.V.m. § 563 [X.]bs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung kann der [X.] die Rechtssache an einen anderen Senat des [X.] zurückverweisen. Da die Zurückverweisung an einen anderen Senat das Recht auf [X.] ([X.]rt. 101 [X.]bs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) berührt, setzt sie besondere sachliche Gründe voraus. Sie kommt z.B. in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit des erkennenden Senats des [X.] bestehen ([X.]-Urteile vom 25. November 2009 I R 18/08, [X.], 941, und vom 18. [X.]pril 2013 VI R 29/12, [X.]E 240, 570, [X.] 2013, 735). [X.] [X.]nhaltspunkte dafür liegen im Streitfall nicht vor.

6. [X.] beruht auf § 143 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

IX R 34/16

09.01.2018

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 22. Januar 2016, Az: 4 K 2086/14, Urteil

§ 24 Nr 1 Buchst a EStG 2009, § 34 Abs 1 EStG 2009, § 34 Abs 2 Nr 2 EStG 2009, § 670 BGB, § 779 BGB, § 119 Nr 6 FGO, § 563 Abs 1 S 2 ZPO, § 2 Abs 2 EStG 2009, EStG VZ 2012, Art 101 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.01.2018, Az. IX R 34/16 (REWIS RS 2018, 16001)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 16001

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX R 28/16 (Bundesfinanzhof)

(Ersatz für beliebige Arten von Schadensfolgen ist keine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 …


IX R 28/11 (Bundesfinanzhof)

Abfindung einer Erfindervergütung als steuerbegünstigte Entschädigung - Zwangssituation bei gütlicher Einigung


IX R 12/17 (Bundesfinanzhof)

Entschädigung für den Verlust von Versorgungsanwartschaften - Zwangslage bei Einigung mit Arbeitgeber


1 K 279/17 (Niedersächsisches Finanzgericht)


IX R 25/17 (Bundesfinanzhof)

Entschädigung wegen Erwerbsunfähigkeit bei Arbeitslosigkeit, Erwerbsschaden, Verdienstausfall, Wegfall des Anspruchs auf steuerfreie Sozialleistungen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.