Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.07.2017, Az. IX R 28/16

9. Senat | REWIS RS 2017, 8296

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Gegenstand

(Ersatz für beliebige Arten von Schadensfolgen ist keine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG - Voraussetzungen und Umfang des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Entschädigung - Erforderliche Feststellungen)


Leitsatz

Der Grundsatz, dass Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gewährt werden, einheitlich zu beurteilen sind, entbindet nicht von der Prüfung, ob die Entschädigung "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gewährt worden ist .

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 23. Februar 2016  5 K 2578/13 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und werden im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

2

Der Kläger ist Diplom-Ingenieur ... und war von 1987 bis Mitte 2007 bei der [X.] (GmbH) in [X.] beschäftigt, zuletzt als "Executive Director of Sales and Marketing for EMEA". Er war Prokurist und Betriebsleiter in [X.], seine [X.]uständigkeit erstreckte sich auch auf [X.], den Mittleren Osten und [X.]. Die GmbH ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der [X.] ([X.]) mit Sitz in den USA.

3

Das Arbeitsverhältnis des [X.] wurde am 29. Juni 2007 sowohl von der GmbH als auch von der [X.] außerordentlich sowie ordentlich gekündigt. Die Rechtsmittel des [X.] gegen die Kündigungen der [X.] sowie die außerordentliche Kündigung der GmbH hatten Erfolg.

4

Der Kläger schloss mit der GmbH eine am 7./10. Dezember 2009 unterzeichnete "Abwicklungsvereinbarung" (Vereinbarung). Diese lautet auszugsweise:

5

"...
§ 1 Beendigung

Das zwischen der [X.] und dem Mitarbeiter bestehende Anstellungsverhältnis hat durch betriebsbedingte Kündigung der [X.] zum 29. Februar 2008 geendet (das 'Beendigungsdatum'). Der Mitarbeiter wird gegen diese Beendigung nicht weiter rechtlich vorgehen und die hiergegen vor dem [X.] ... erhobene Klage [...] sowie weitere gegen die [X.] erhobene Klagen unverzüglich zurücknehmen, insbesondere die beiden Klagen vor dem [X.] ... mit den [X.]. .... ...

6

§ 3 Abfindung

Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes verpflichtet sich die [X.] eine Abfindung in Höhe von € ... brutto zu zahlen. Der nach Abzug der anfallenden Abgaben verbleibende Nettobetrag wird dem Mitarbeiter ausbezahlt zwei Wochen, nachdem - kumulativ - (i) die [X.] eine schriftliche und vom Mitarbeiter unterzeichnete Erklärung erhalten hat, dass er sämtliche gegen die [X.], die [X.] oder mit dieser verbundene [X.]en erhobene Klagen zurückgenommen hat (bezüglich der Klagen gegen die [X.] mitsamt Kopien der Rücknahmeschriftsätze), ([X.]) die [X.] eine schriftliche und vom Mitarbeiter unterzeichnete Erklärung erhalten hat, dass er keine [X.] Behörden über den Inhalt seiner rechtlichen Auseinandersetzungen mit der [X.], der [X.] oder mit deren verbundenen [X.]en informiert hat und dies auch künftig nicht tun wird [...].

7

§ 4 Nachteilsausgleich

Liegen die [X.] nach § 3 dieser Abwicklungsvereinbarung vor, so zahlt die [X.] weitere € ... brutto .... Die [X.] zahlt diese Summe, um die Angelegenheit endgültig beizulegen und um die mit einer Fortsetzung des Rechtsstreits verbundenen Unsicherheiten und Kosten zu vermeiden; der Mitarbeiter akzeptiert die [X.]ahlung als vollständigen Ausgleich für jegliche Schäden, die er infolge seiner Kündigung der [X.] erlitten zu haben glaubt. ...

8

§ 8 Ausgleich

Mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung und deren Erfüllung sind alle gegenseitigen Ansprüche zwischen den Parteien aus dem Anstellungsverhältnis, gleich welcher Art, abgegolten. Der Mitarbeiter hat keine Ansprüche jeglicher Art gegen ein mit der [X.] verbundenes Unternehmen. Im Gegenzug stellt die [X.] den Kläger von etwaigen Ansprüchen der mit ihr verbundenen Unternehmen gegen ihn frei. ...

9

§ 10 Rechtswahl; Sprache

Diese Abwicklungsvereinbarung unterliegt [X.] Recht. Die [X.] Fassung ist maßgeblich [...]."

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr vom 6. Dezember 2011 erklärten die Kläger die Abfindung gemäß § 3 der Vereinbarung als Entschädigung bzw. Arbeitslohn des [X.] für mehrere Jahre. Im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 25. Mai 2012 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) unter Anwendung von § 34 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) Einkommensteuer in Höhe von ... € fest. Es legte einen Bruttoarbeitslohn des [X.] in Höhe von ... € zugrunde, der auch den Nachteilsausgleich gemäß § 4 der Vereinbarung enthielt.

Der gegen diesen Bescheid eingelegte Einspruch vom 31. Mai 2012 führte zu einem Änderungsbescheid vom 19. Juni 2012, in dem die Einkommensteuer auf ... € herabgesetzt wurde. In Bezug auf die in Rede stehende [X.]ahlung des Nachteilsausgleichs blieb der Einspruch in der [X.] vom 6. August 2013 erfolglos. Hiergegen richtete sich die Klage.

Mit Bescheiden vom 21. August 2013 und vom 3. März 2015 änderte das [X.] den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2010 aus nicht streitgegenständlichen Gründen und setzte die Einkommensteuer zuletzt auf ... € fest.

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage ab und führte im Wesentlichen aus, die als Nachteilsausgleich geleistete [X.]ahlung sei eine steuerpflichtige Entschädigung als Ersatz für entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Die Vereinbarung habe der einheitlichen und endgültigen Abwicklung sämtlicher Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis des [X.] gedient. Es habe sich bei dem Nachteilsausgleich nicht um eine [X.]ahlung gehandelt, die zur Erfüllung konkreter zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche des [X.] geleistet worden sei. Konkret bezifferte zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen die GmbH oder die [X.] seien in der Vereinbarung an keiner Stelle angesprochen. Es handele sich bei der Vereinbarung vielmehr um eine abschließende Gesamtregelung der Parteien, die die endgültige Abwicklung des [X.] zum [X.]iel habe. Die einheitliche Behandlung der Abfindungszahlung und des Nachteilsausgleichs ergebe sich auch aus dem Umstand, dass die Auszahlung der beiden Beträge nicht etwa an die Erfüllung unterschiedlicher, sondern gerade an identische Voraussetzungen geknüpft worden sei. Gemäß § 4 Satz 1 der Vereinbarung sei Voraussetzung für die [X.]ahlung des Nachteilsausgleichs das Vorliegen der [X.] für die [X.]ahlung der Abfindung nach § 3 der Vereinbarung. Damit sei auch für die [X.]ahlung des Nachteilsausgleichs Voraussetzung, dass alle, insbesondere die in § 1 der Vereinbarung genau bezeichneten arbeitsgerichtlichen Klagen durch den Kläger zurückgenommen würden (§ 1 i.V.m. § 3 Satz 2 (i), § 4 Satz 1 der Vereinbarung).

Schließlich könne dahinstehen, ob im Hinblick auf § 3 Satz 2 ([X.]), § 4 Satz 1 der Vereinbarung die [X.]ahlung des Nachteilsausgleichs eine Gegenleistung für ein Stillschweigen des [X.] über die Vorgänge im [X.]usammenhang mit der [X.] und den [X.] im [X.]usammenhang mit den behaupteten [X.] darstelle und insoweit der Nachteilsausgleich aufzuteilen gewesen wäre. Sollte der Nachteilsausgleich eine Gegenleistung für ein Schweigen im Hinblick auf bestimmte Vorkommnisse darstellen, wäre er nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG steuerpflichtig gewesen.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, § 22 Nr. 3 EStG). Bei dem Nachteilsausgleich in Höhe von ... € handele es sich um nicht steuerbaren Schadensersatz.

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.] aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 3. März 2015 mit der Maßgabe abzuändern, dass die Einnahmen aus dem Nachteilsausgleich in Höhe von ... € nicht steuerbar sind,
hilfsweise, das Urteil des [X.] aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die bisherigen Feststellungen des [X.] tragen nicht das Ergebnis, dass der Nachteilsausgleich in Höhe von ... € als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen [X.] des § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG anzusehen sei (dazu unter 1.). Aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen lässt sich auch nicht abschließend entscheiden, ob der Nachteilsausgleich eine Gegenleistung für ein Schweigen des Klägers darstellt und damit den Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG unterfällt (dazu unter 2.). Die Sache ist nicht spruchreif (dazu unter 3.).

1. Die bisherigen Feststellungen des [X.] tragen nicht das Ergebnis, dass der auf der Grundlage von § 4 der Vereinbarung geleistete Nachteilsausgleich im Streitfall eine Entschädigung [X.] des § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG darstellt.

a) Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Entschädigungen, die "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" gewährt worden sind, d.h. an die Stelle [X.] oder wegfallender Einnahmen treten (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 18. Oktober 2011 IX R 58/10, [X.], 423, [X.], 286). Entsprechend seinem Wortlaut zählen dazu nicht Ersatzleistungen für jede beliebige Art von Schadensfolgen, sondern lediglich solche zur Abgeltung von erlittenen oder zu erwartenden Ausfällen an Einnahmen (vgl. [X.]-Urteile vom 21. September 1993 IX R 32/90, [X.] 1994, 308; in [X.], 423, [X.], 286). Erfasst werden daher nur Entschädigungen, die Einnahmen ersetzen, nicht aber solche, die Ausgaben ausgleichen. Der Ersatz "für entgangene oder entgehende Einnahmen" setzt vom Wort- und [X.] voraus, dass Einnahmen gar nicht erst angefallen, sondern ausgefallen sind oder der Ausfall (künftig) entgehender Einnahmen zu erwarten ist; der Steuerpflichtige hat also die entsprechenden Einnahmen nicht oder noch nicht erhalten (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 423, [X.], 286).

b) Das [X.] ist davon ausgegangen, dass die Vereinbarung der einheitlichen und endgültigen Abwicklung sämtlicher Ansprüche "aus dem Anstellungsverhältnis des Klägers" gedient habe. Die in dieser Vereinbarung geregelten Zahlungen --insbesondere die Zahlungen der Abfindung und des [X.] seien grundsätzlich einheitlich zu beurteilen. Es hätte jedenfalls zusätzlicher Anhaltspunkte dafür bedurft, dass ein Bestandteil der Vereinbarung nicht als Entschädigung für entgehende Einnahmen gezahlt worden sei. Solche Anhaltspunkte seien [X.] das [X.]-- nicht zu erkennen.

c) Diese Annahme wird jedoch durch die bisherigen Sachverhaltsfeststellungen nicht hinreichend gedeckt. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Abfindung in Höhe von ... € nach § 3 der Vereinbarung eine als Ersatz für entgehende Einnahmen gewährte Entschädigung des Klägers für mehrere Jahre darstellt. Vor dem Hintergrund, dass der im Zeitpunkt der Beendigung des Anstellungsverhältnisses 52-jährige Kläger bei der [X.] von zuletzt rund ... € tätig gewesen war, befindet sich die ausgehandelte Abfindung in Höhe von ... € --insbesondere wegen der günstigen arbeitsgerichtlichen [X.] im oberen Bereich des gerichtsbekannt üblichen Rahmens. Dieser übliche Rahmen würde allerdings in besonderem Maße überschritten, wenn dem [X.] der Nachteilsausgleich in Höhe von ... € ohne weitere Feststellungen hinzuaddiert würde. Das [X.] hat nicht gewürdigt, dass die Höhe des Nachteilsausgleichs den üblichen Rahmen von Abfindungen für einen Arbeitsplatzverlust außergewöhnlich überschreitet.

d) Anders als das [X.] und das [X.] meinen, ergibt sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Entschädigung nicht typisierend die steuerrechtliche Gleichbehandlung des Nachteilsausgleichs mit der Abfindung.

aa) Der Grundsatz, dass Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gewährt werden, einheitlich zu beurteilen sind (s. [X.]-Urteil vom 11. Mai 2010 IX R 39/09, [X.] 2010, 1801; [X.] vom 4. März 2016 IX B 146/15, [X.] 2016, 925), entbindet nicht von der Prüfung, ob der Nachteilsausgleich "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" [X.] des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gewährt worden ist. Das [X.] hat zu diesem gesetzlich vorgegebenen Tatbestandsmerkmal keine Feststellungen getroffen. Ersatzleistungen für jede beliebige Art von Schadensfolgen würden beispielsweise nicht von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfasst.

bb) Abweichende Grundsätze folgen auch nicht aus dem Urteil des [X.] vom 16. November 2005 ([X.], [X.] --GmbHR-- 2006, 389). In jenem Urteil hat der [X.] zwar entschieden, dass Zahlungen grundsätzlich einheitlich zu beurteilen sind, wenn die Leistungen, die in einem Vergleich als Abfindung und als Schmerzensgeld wegen Rufschädigung bezeichnet werden, im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses für künftig entgehende Einnahmen zugesagt werden. Jener Entscheidung liegt jedoch ein durch Besonderheiten gekennzeichneter, nicht mit dem Streitfall vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Denn das [X.] hatte vorab mit einem rechtskräftig gewordenen Zwischenurteil vom 22. Februar 1999 (4 K 123/96, Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 768) für die Beteiligten (§ 110 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) und den [X.] (§ 155 [X.]O i.V.m. § 318 der Zivilprozessordnung) bindend entschieden, dass es sich bei jener als Schmerzensgeld bezeichneten Zahlung nicht um ein Schmerzensgeld nach § 847 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), sondern um den Ersatz von Arbeitslohn [X.] des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG handelte. Der Streitfall liegt anders (s. oben 1.c). Im Übrigen hatte der [X.] in jenem Urteil vom 16. November 2005 (in GmbHR 2006, 389) nur zu entscheiden, ob das [X.] zu Recht die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG für die vereinbarte Abfindung versagt hat und nicht, ob und inwieweit ein "Nachteilsausgleich" einen Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen [X.] des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellt.

2. Ebenso wenig tragen die bisherigen Feststellungen des [X.] das --hilfsweise angeführte-- Ergebnis, dass der Nachteilsausgleich eine Gegenleistung für ein Schweigen des Klägers sei und damit den Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG unterfalle.

a) Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften [X.] von § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG gehören. Eine (sonstige) Leistung [X.] von § 22 Nr. 3 EStG ist [X.], Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das um des Entgelts willen erbracht wird. Kommt einer Verpflichtung zu einem Rechtsverzicht eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu und wird damit als Gegenleistung [X.], Dulden oder Unterlassen abgegolten, handelt es sich um eine eigenständige Leistung, die mangels Eingreifens anderer Einkünftetatbestände nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar sein kann. Indes führt nicht jede Einnahme, die durch einen Rechtsverzicht ausgelöst wird, auch zu Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG. Denn die Norm erfasst, ergänzend zu den übrigen Einkunftsarten, das Ergebnis einer Erwerbstätigkeit und setzt wie diese die allgemeinen Merkmale des Erzielens von Einkünften nach § 2 EStG voraus (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteile vom 19. März 2013 IX R 65/10, [X.] 2013, 1085; vom 6. September 2016 IX R 27/15, [X.]E 255, 176).

b) Das [X.] hat keine tragfähigen Feststellungen dazu getroffen, ob der Nachteilsausgleich für Leistungen des Klägers [X.] des § 22 Nr. 3 EStG gezahlt wurde. Die Würdigung des [X.] verletzt §§ 133, 157 BGB und bindet den [X.] daher nicht nach § 118 Abs. 2 [X.]O (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 28. Oktober 2009 IX R 17/09, [X.]E 227, 349, [X.], 539; in [X.] 2013, 1085). Denn nach dem Wortlaut von § 4 der Vereinbarung sollte die Zahlung als "vollständiger Ausgleich für jegliche Schäden" erfolgen, die der Kläger infolge seiner Kündigung erlitten zu haben glaubt. Es fehlen insoweit jegliche Feststellungen des [X.], dass der Nachteilsausgleich ein bestimmtes, wirtschaftlich eigenständiges Verhalten entgelten sollte.

3. Die Sache ist nicht spruchreif und wird deshalb an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Der [X.] kann aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abschließend darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang der in § 4 vereinbarte Nachteilsausgleich einen Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen [X.] des § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG darstellt. Diese Feststellungen hat das [X.] im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

a) Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin: Es fehlt beispielsweise an einem Ersatz für entgangene Einnahmen aus dem Anstellungsverhältnis, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Schaden ersetzt, den dieser infolge einer Verletzung arbeitsrechtlicher ([X.] oder einer unerlaubten Handlung des Arbeitgebers z.B. an einem immateriellen Wirtschaftsgut erlitten hat. Denn damit werden nicht die Dienste des Arbeitnehmers vergütet, sondern ein vom Arbeitgeber verursachter Schaden ausgeglichen (vgl. [X.]-Urteile vom 20. September 1996 VI R 57/95, [X.]E 181, 298, [X.] 1997, 144; vom 24. Mai 2000 VI R 17/96, [X.]E 192, 293, [X.] 2000, 584; [X.] vom 26. August 2016 VI B 95/15, [X.] 2016, 1726).

b) Soweit das [X.] zu dem Ergebnis käme, dass der Nachteilsausgleich zugleich steuerbare und nicht steuerbare Entschädigungen enthält und eine genaue Zuordnung nicht möglich ist, hat es sachgerecht zu schätzen, in welcher Höhe die einzelnen Ansprüche in dem Nachteilsausgleich enthalten sind.

c) [X.]. wird das [X.] im zweiten Rechtsgang auch die Feststellungen nachzuholen haben, ob und in welchem Umfang der Nachteilsausgleich --neben dem [X.] als (selbständige) Gegenleistung für vom Kläger versprochene Verhaltenspflichten dienen sollte.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX R 28/16

11.07.2017

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 23. Februar 2016, Az: 5 K 2578/13, Urteil

§ 2 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG 2009, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 19 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 22 Nr 3 EStG 2009, § 24 Nr 1 Buchst a EStG 2009, § 133 BGB, § 157 BGB, § 118 Abs 2 FGO, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.07.2017, Az. IX R 28/16 (REWIS RS 2017, 8296)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 3807 REWIS RS 2017, 8296

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