Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.07.2010, Az. 3 B 37/10

3. Senat | REWIS RS 2010, 4366

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Vermögenszuordnung; Erlösauskehr; vergleichende Bewertung eines Ersatzgrundstücks; maßgeblicher Zeitpunkt


Leitsatz

Bei der vergleichenden Bewertung eines nach § 8 Abs. 5 VZOG angebotenen Ersatzgrundstücks ist dessen Zustand und Werthaltigkeit bei Abgabe der Ersetzungserklärung maßgeblich. Demgegenüber richten sich der Zustand und die Werthaltigkeit des den Vergleichsmaßstab bildenden veräußerten Grundstücks nach dem Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts, das Grundlage für die Verfügung zu Lasten des Zuordnungsberechtigten war.

Gründe

1

Die Klägerin beansprucht nach § 8 Abs. 4 Satz 2 des Vermögenszuordnungsgesetzes - [X.] - von der beklagten Gemeinde [X.] wegen der Veräußerung eines Grundstücks, dessen Eigentümerin die Klägerin nach der bestandskräftigen Feststellung der Vermögenszuordnungsbehörde am 3. Oktober 1990 geworden war. Das Verwaltungsgericht hat ihrer Leistungsklage stattgegeben, weil das von der [X.] nach § 8 Abs. 5 Satz 1 [X.] angebotene [X.] dem veräußerten Grundstück nicht vergleichbar sei.

2

Die Beschwerde der [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat Erfolg. Das angegriffene Urteil beruht auf dem nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensfehler.

3

Die Beklagte beanstandet zu Recht, dass das Verwaltungsgericht von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen ist. Das Verwaltungsgericht hat die angebotene Ersatzfläche (nach Aktenlage handelt es sich offenbar um zwei benachbarte Teilflächen) als dem veräußerten Grundstück nicht adäquat beurteilt, weil es dem veräußerten Grundstück schon von der Größe her (3 400 gegenüber 6 800 qm) nicht vergleichbar sei, der Bebauungsplan an der betreffenden Stelle Parkflächen ausweise und zweifelhaft sei, ob der von der [X.] angegebene Bodenrichtwert von 69 € pro Quadratmeter zu realisieren wäre. Wegen dieser auf der Hand liegenden Umstände sei der Schluss auf die mangelnde Vergleichbarkeit der Grundstücke auch ohne die von der [X.] beantragte Einschaltung eines Sachverständigen möglich.

4

Die Feststellung, dass der Bebauungsplan an der betreffenden Stelle Parkflächen festsetze, ist aktenwidrig; denn ausweislich der von der [X.] mit ihrem Schriftsatz vom 20. November 2009 vorgelegten Unterlagen befinden sich die festgesetzten Parkflächen neben den als [X.] angebotenen Flächen, die als Mischgebiet festgesetzt sind. Insoweit ist das Verwaltungsgericht den Behauptungen der [X.] in ihrem Schriftsatz vom 16. Dezember 2009 gefolgt, ohne die von der [X.] vorgelegten Unterlagen sowie die Verwaltungsvorgänge (roter Hefter) zur Kenntnis zu nehmen oder sich mit dem Hinweis der [X.] in ihrem Schriftsatz vom 14. Januar 2010 (S. 3 Abs. 4) auseinanderzusetzen, dass es sich um [X.] handele, das "als Wohngebiet mit der Zulässigkeit von nicht störendem Gewerbe ausgewiesen" sei.

5

Es liegt also gleichermaßen ein Mangel richterlicher Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO wie eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 108 Abs. 2 VwGO vor. Dieser Verfahrensmangel ist auch ursächlich für die getroffene Entscheidung, obwohl das Verwaltungsgericht für die mangelnde Vergleichbarkeit des Grundstücks neben den baulichen Nutzungsmöglichkeiten auch seine geringere Größe angeführt und daneben die Werthaltigkeit der Fläche in Zweifel gezogen hat; denn das Gericht hat diese Argumente in ihrer Gesamtheit herangezogen, um die Nichteinschaltung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Vergleichbarkeit zu rechtfertigen. Entfällt das Argument unzureichender baulicher Nutzbarkeit, wäre eine Aufklärung der Werthaltigkeit der Fläche unumgänglich; denn allein mit der geringeren Größe ließe sich seine Eignung als Surrogat nicht bezweifeln, weil es sich dabei nur um einen der vom Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats genannten Faktoren handelt, aus denen sich die Vergleichbarkeit ergibt (Urteil vom 26. April 2007 - BVerwG 3 [X.] 14.06 - BVerwGE 128, 351 Rn. 21 f. = [X.] 428.2 § 8 [X.] Nr. 8).

6

Die Kausalität des [X.] lässt sich schließlich nicht damit in Abrede stellen, dass das Verwaltungsgericht die Tauglichkeit des vorgelegten Bebauungsplans zur Bestimmung der baulichen Nutzbarkeit bezweifelt hat, weil er bereits 10 Jahre alt sei. Abgesehen davon, dass das Alter eines Bebauungsplans allein nichts über seine Gültigkeit aussagt, hat das Verwaltungsgericht trotz seiner Vorbehalte die Festsetzungen dieses Plans - wenn auch fehlerhaft - zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.

7

Der Senat nimmt den geschehenen Verfahrensfehler zum Anlass, dass angegriffene Urteil nach § 133 Abs. 6 VwGO aufzuheben und den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen; denn die von der [X.] neben ihrer Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erhobene Grundsatzrüge rechtfertigt nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens.

8

Die Beklagte hält sinngemäß für klärungsbedürftig, welcher Zeitpunkt für die vergleichende Bewertung des [X.]s maßgeblich ist. Diese Frage lässt sich ohne Weiteres anhand der bisherigen Rechtsprechung des Senats beantworten. Zieht man sein grundlegendes Urteil vom 26. April 2007 zur Ersetzungsbefugnis nach § 8 Abs. 5 [X.] heran (a.a.[X.] Rn. 13 ff.), liegt es auf der Hand, dass sich die Beurteilung der Beschaffenheit und damit der Werthaltigkeit des [X.]s nach dem Zeitpunkt bestimmt, zu dem es vom Auskehrverpflichteten als Surrogat angeboten wird; denn durch das Angebot eines geeigneten [X.]s tritt die Ersetzungswirkung ein mit der Folge, dass sich der [X.] nach § 8 Abs. 4 Satz 2 [X.] in einen auf das [X.] gerichteten [X.] verwandelt. Die Eignung des angebotenen Grundstücks richtet sich daher naturgemäß nach seinem aktuellen Zustand, d.h. nach seinem Zustand im Zeitpunkt der Abgabe der Ersetzungserklärung. Ebenso liegt auf der Hand, dass für den Zustand und die Werthaltigkeit des den Vergleichsmaßstab bildenden veräußerten Grundstücks, an dessen Stelle das [X.] treten soll, der Zeitpunkt des Abschlusses des seinerzeitigen [X.] maßgeblich ist, das Grundlage für die Verfügung zu Lasten des [X.] war. Dies ist die notwendige Konsequenz der Rechtsprechung des Senats, nach der eben dieser Zeitpunkt für die Höhe des anstelle des Kaufpreises nach § 8 Abs. 4 Satz 2 [X.] auszukehrenden Verkehrswerts heranzuziehen ist (Urteil vom 27. Juli 2006 - BVerwG 3 [X.] 31.05 - [X.] 428.2 § 8 [X.] Nr. 4). Die Gründe, die der Senat für die Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts genannt hat, gelten zwangsläufig für die dieser Bewertung zugrunde liegenden wertbestimmenden Eigenschaften des Grundstücks, nach denen sich wiederum seine Vergleichbarkeit mit einem angebotenen [X.] richtet.

Meta

3 B 37/10

29.07.2010

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Chemnitz, 23. Februar 2010, Az: 4 K 1245/06, Urteil

§ 8 Abs 4 S 2 VZOG, § 8 Abs 5 VZOG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.07.2010, Az. 3 B 37/10 (REWIS RS 2010, 4366)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4366

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

10 B 1/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Ersatzangebot nach rechtskräftiger Verurteilung zur Wertauskehr


3 C 30/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Vermögenszuordnung; Veräußerungsgeschäft; im Nachhinein festgestelltes Eigentum; Erlösauskehranspruch; Verfügungsbefugnis der Deutsche Bahn AG; Verzugszinsen


3 C 17/14 (Bundesverwaltungsgericht)

Wertausgleichsanspruch eines Rechtsnachfolgers für veräußerte Grundstücke; Nachbewertungsklausel


3 B 90/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Vermögenszuordnungsrecht; Erlösauskehr; Objektbezug zuordnungsfähiger Verbindlichkeiten


10 C 4/17 (Bundesverwaltungsgericht)

Zulässigkeit von Zuordnungsvorbehalte bei "asset deals" nicht zulässig


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.