Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.08.2011, Az. 4 AZR 683/09

4. Senat | REWIS RS 2011, 3774

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Gegenstand

Auslegung einer einzelvertraglichen Bezugnahmeklausel auf den BAT - ergänzende Vertragsauslegung


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Juni 2009 - 2 [X.]/08 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu 1) des Urteils des [X.] vom 26. August 2008 - 4 Ca 809/08 - klarstellend wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 1. November 2006 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) mit Ausnahme der Beihilfevorschriften anzuwenden ist.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, welche tariflichen Regelungen aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

2

Die Klägerin ist seit dem Jahre 1997 bei der [X.], einer mit der Hilfe für Menschen mit geistiger Behinderung befassten gemeinnützigen GmbH, als Erzieherin beschäftigt.

3

In § 2 ihres Arbeitsvertrages vom 10. Oktober 1997 heißt es:

        

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem jeweils geltenden [X.]angestelltentarifvertrag ([X.]) [X.]. Außerdem finden die für [den] Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge (z.B. [X.], [X.]) Anwendung. Ausdrücklich ausgeschlossen wird die Anwendung der Beihilfevorschriften.“

4

Seit [X.] 2005 wurde das bis dahin wesentlich durch den [X.] geprägte Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes in mehreren Schritten reformiert. Zum 1. Oktober 2005 vereinbarten die Arbeitgeber des [X.] und der Kommunen mit den [X.] den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.]). Zum 1. November 2006 trat der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder ([X.]) in [X.]. Zum Letzteren vereinbarten die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts ([X.]). Dieser regelt in § 2 iVm. [X.]. 1 Teil [X.]. 1, dass der [X.] und der [X.] im Bereich des öffentlichen Dienstes der Länder den [X.] zum 1. November 2006 ersetzen.

5

Die Beklagte und der bei ihr bestehende Betriebsrat schlossen am 26. Juli 2007 eine Betriebsvereinbarung „zur Überleitung der Beschäftigungsverhältnisse … in [X.]ehnung an die Regelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder ([X.])“, die mit Wirkung vom 1. Januar 2007 in [X.] treten sollte. In § 2 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung heißt es, dass die Beschäftigungsverhältnisse nach den Regelungen des [X.] in neue Beschäftigungsverhältnisse in [X.]ehnung an die tariflichen Verhältnisse des [X.] überführt werden. Nach § 2 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung erhalten die davon erfassten Beschäftigten nach Überleitung einen neuen Arbeitsvertrag, in dem die regelmäßige Arbeitszeit, die zutreffende [X.] und die Entgeltstufe nach [X.] sowie der Anspruch auf Erholungsurlaub festgelegt werden.

6

Im [X.] hieran bot die Beklagte den Beschäftigten den Abschluss neuer Arbeitsverträge an. Dieses Angebot wurde von der Klägerin sowie einigen anderen Beschäftigten nicht angenommen.

7

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass auf ihr Arbeitsverhältnis der [X.], der ein den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen [X.]-Angestelltentarifvertrag ([X.]) ersetzendes Vertragswerk sei, mit Ausnahme der Beihilfevorschriften Anwendung findet. Soweit die abgeschlossene Betriebsvereinbarung Abweichungen von den tariflichen Regelungen enthalte, beispielsweise durch Ausschluss des Leistungsentgelts, verstoße dies gegen den Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 1. November 2006 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder ([X.]) mit Ausnahme der Beihilfevorschriften anzuwenden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aus dem Wortlaut der vertraglichen Bezugnahmeklausel ergebe sich eindeutig, dass nur der jeweils geltende [X.] vereinbart sei und kein anderer Tarifvertrag. Insbesondere enthalte die Klausel keinen Bezug auf „ersetzende“ Tarifverträge. Eine ergänzende Vertragsauslegung, die zu einer Anwendung des [X.] führe, entspreche nicht dem Vertragsinhalt. Gegen eine ergänzende Vertragsauslegung hin zum [X.] spreche auch, dass der [X.] in vielen Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege sowie in den Ländern [X.] und [X.] nach wie vor angewendet werde. Auch die Betriebsvereinbarung, die wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Tarifvorrangs bereits unwirksam sei, stütze den Klageantrag in seiner umfassenden Form nicht.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Klageabweisung. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Feststellungsklage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin kann die Anwendung des [X.] auf ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel in dem in der [X.] klargestellten Umfang verlangen.

I. Die Feststellungsklage ist zulässig.

Eine Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage -. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur [X.] 22. Oktober 2008 - 4 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.]E 128, 165). Mit dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellten Begehren kann der Streit der Parteien über Grund und Umfang der zukünftigen Pflichten, die sich aus einer Anwendbarkeit des [X.] auf das Arbeitsverhältnis ergeben, geklärt werden.

II. Die Klage ist begründet. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien, die nicht iSv. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG tarifgebunden sind, bestimmt sich seit dem 1. November 2006 nicht mehr nach dem [X.], sondern vielmehr nach dem [X.] mit der [X.], von den Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich vereinbarten Ausnahme der Beihilfevorschriften. Das ergibt eine ergänzende Auslegung der in § 2 des Arbeitsvertrages vom 10. Oktober 1997 vereinbarten Bezugnahmeklausel.

1. Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach „dem [X.]eils geltenden [X.]angestelltentarifvertrag ([X.]) [X.]“. Diese Vereinbarung enthält eine dynamische Bezugnahme, die den [X.] zunächst nicht erfasst.

a) Der Arbeitsvertrag vom 10. Oktober 1997 ist ein Formularvertrag, dessen Bestimmungen nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der [X.]eils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ([X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 15 mwN, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48). Die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das [X.] kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden. Dies gilt auch für dynamische Verweisungsklauseln ([X.] 18. April 2007 - 4 [X.] - Rn. 24, [X.]E 122, 74).

b) § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien enthält eine zeitdynamische Bezugnahme auf die [X.]eiligen Regelungen des [X.], die jedoch nicht inhaltsdynamisch ausgestaltet ist.

aa) In § 2 des Arbeitsvertrages knüpfen die Parteien hinsichtlich der Arbeitsbedingungen an die für den öffentlichen Dienst im [X.] tariflich vereinbarten Regelungen an und gestalten sie zeitdynamisch. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Dass die Bezugnahme - jedenfalls im Rahmen des [X.] [X.] - dynamisch sein sollte, ist zwischen den Parteien nicht streitig und wird auch von der Revision nicht in Abrede gestellt. Mit der Bezugnahme auf die Bestimmungen des [X.] in der [X.]eils geltenden Fassung wollte die Beklagte in ihrem Betrieb das im öffentlichen Dienst geltende Tarifwerk - mit Ausnahme der Beihilfevorschriften - anwenden und die dort stattfindende tarifliche Entwicklung nachvollziehen. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.], wonach Bezugnahmen im Arbeitsvertrag auf anderweitige normative Regelungen in der Regel zeitdynamisch zu verstehen sind (13. November 2002 - 4 [X.] - zu [X.] 1 b bb der Gründe, [X.]E 103, 338; 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 17, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48).

bb) Die Bezugnahme erfasst nach ihrem Wortlaut allerdings nicht den den [X.] ersetzenden [X.]. Letzterer ist kein „[X.]eils geltender“ [X.]. Der Zusatz, dass auch die den „[X.] ersetzenden Tarifverträge“ Anwendung finden sollen, wurde entgegen der im öffentlichen Dienst üblichen Formulierung (vgl. [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 19, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48) nicht in den Arbeitsvertrag aufgenommen.

cc) Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes selbst in der Niederschriftserklärung zu § 2 Abs. 1 [X.] erklärt haben, sie gingen davon aus, dass der [X.] und der [X.] das bisherige Tarifrecht auch dann ersetzten, wenn arbeitsvertragliche Bezugnahmen nicht ausdrücklich den Fall der ersetzenden Regelung beinhalteten, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Es handelt sich hierbei um eine Erklärung der Tarifvertragsparteien und nicht der Arbeitsvertragsparteien, die hieran als nicht unmittelbar [X.] nicht gebunden sind ([X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] - Rn. 16, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 20, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48).

2. Die Anwendbarkeit des [X.] ergibt sich allerdings aufgrund einer ergänzenden Auslegung des Arbeitsvertrages. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält infolge einer Tarifsukzession eine spätestens am 1. November 2006 nachträglich eingetretene Regelungslücke, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist.

a) Vorliegend ist die Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien nachträglich lückenhaft geworden. Durch die Ersetzung des [X.] für den Bereich des [X.] und der [X.] zum 1. Oktober 2005 durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.]) vom 13. September 2005 (§ 2 Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des [X.] in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts [[X.]]; § 2 Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts [[X.]], [X.]. vom 13. September 2005) und für den Bereich der Länder zum 1. November 2006 durch den [X.] vom 12. Oktober 2006 nach § 2 [X.] ist der Vertrag spätestens seit dem 1. November 2006 lückenhaft geworden. Damit fände entgegen der vertraglichen Vereinbarung eine weitere dynamische Entwicklung ihrer Arbeitsbedingungen nicht mehr statt.

b) Für eine derart vereinbarte, auf die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst bezogene Dynamik hat das [X.]arbeitsgericht bereits mehrfach entschieden, dass bei einer Beendigung der Dynamik durch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst von einer nachträglich entstandenen [X.] auszugehen ist (vgl. nur 16. Dezember 2009 - 5 [X.] - Rn. 18 ff., [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44; 27. Januar 2010 - 4 [X.] - Rn. 25 ff., [X.] 2010, 479; 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 25 ff., [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 15. Juni 2011 - 4 [X.] - Rn. 27).

aa) Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung ist, dass eine Vereinbarung eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist. Eine Regelungslücke liegt dabei nur vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder zwar nicht übersehen, aber doch bewusst deshalb offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und diese Annahme sich nachträglich als unzutreffend herausstellt. Von einer Planwidrigkeit kann nur die Rede sein, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist ( [X.] 16. Juni 2010 - 4 [X.] Rn. 23 mwN, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 79 ).

bb) Vorliegend ist das [X.] zutreffend zu dem die Annahme einer Regelungslücke begründenden Schluss gekommen, dass bei Vertragsabschluss im Jahre 1997 nicht zur Diskussion stand, dass der [X.] durch einen anderen Tarifvertrag abgelöst werden soll und die Parteien deshalb mangels Anlass die Frage nicht geregelt haben, was in einem solchen Fall gelten soll. Die Parteien haben die nun tatsächlich eingetretene Situation nicht bedacht, dass nämlich das von ihnen dynamisch in Bezug genommene Regelwerk des [X.] nicht mehr fortgeführt werden könnte. Für diesen Fall fehlt eine Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages, wodurch eine planwidrige Unvollständigkeit der vereinbarten dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme eingetreten ist.

cc) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die ergänzende Vertragsauslegung nicht gegen die ihr immanenten Grenzen des Parteiwillens und des [X.]. Nach dem Inhalt der arbeitsvertraglichen Regelung haben die Parteien unübersehbar eine Dynamik für ihre Arbeitsvertragsbeziehung vereinbart, die vor und nach Vertragsschluss innerhalb des in Bezug genommenen Tarifwerks stattfand. Die Parteien haben ein Ende der Fortführung des [X.] nicht bedacht, sondern sie sind vielmehr von dessen ununterbrochener Fortschreibung ausgegangen. Sie haben deshalb für die Situation der „Ersetzung“ des [X.] durch einen Nachfolgetarifvertrag keine ausdrückliche Regelung getroffen. Für eine beiderseitige Vorstellung der Vertragsparteien, sie hätten sich mit der Bezugnahme zwar an den [X.]eiligen [X.] binden wollen, die Dynamik jedoch dann ausschließen wollen, wenn es zu [X.] kommen sollte, fehlt es sowohl in der vertraglichen Regelung selbst als auch im Übrigen an Anhaltspunkten. Nur wenn die Parteien die tatsächliche Entwicklung bedacht hätten, hätte überhaupt von einem diesbezüglichen Regelungswillen ausgegangen werden können, wie ihn die Beklagte geltend macht. Nur in diesem Fall hätte es entgegen der in der Bezugnahmeklausel vereinbarten Dynamik bei einer - nunmehr im Ergebnis statischen - Anwendung des [X.] verbleiben und es deshalb an einer [X.] fehlen können ([X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 28, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48).

dd) Entgegen der Auffassung der Revision kann eine nachträgliche Regelungslücke auch nicht deshalb verneint werden, weil der [X.] in den [X.]ländern [X.] und [X.] fortbestand. Es ist bereits kein Umstand ersichtlich, aus dem heraus für die Beklagte, die im [X.] ansässig ist, die Tarifentwicklung in den beiden genannten [X.]ländern, die zudem selbst nicht unmittelbar Tarifvertragspartei des [X.] gewesen sind, maßgebend sein sollte. Auch aus dem Hinweis der Beklagten, der [X.] werde auch noch von Mitgliedern der freien Wohlfahrtspflege angewendet, folgt nichts anderes. Der ersichtliche Regelungswille der Parteien betraf die Einbeziehung der tariflichen Regelungen im öffentlichen Dienst für die Angestellten in ihrer [X.]eiligen Entwicklung. Ein „statisch“ gewordener [X.] trägt dem nicht Rechnung, wobei unerheblich ist, ob in anderen Arbeitsverhältnissen mit möglicherweise anderen Bezugnahmeregelungen Anderes gilt. Soweit die Revision ausführt, es sei kein Hindernis für die Tarifvertragsparteien ersichtlich, die Vorschriften des [X.] weiter zu entwickeln, widerspricht dem bereits der in § 2 Abs. 1 [X.] zum Ausdruck gebrachte Wille der Tarifvertragsparteien zur Ersetzung der bisherigen Tarifverträge durch den [X.].

3. Die mit der Ersetzung des [X.] durch das neue Tarifrecht für den öffentlichen Dienst entstandene nachträgliche Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Diese ergibt, dass die Parteien den [X.] in Bezug genommen hätten.

a) Bei der Schließung einer [X.] durch ergänzende Vertragsauslegung tritt an die Stelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die [X.] der getroffenen Regelung bekannt gewesen wäre (st. Rspr., etwa [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 31, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 76 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 16. Dezember 2009 - 5 [X.] - Rn. 22, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44). Die ergänzende Vertragsauslegung im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat sich zu orientieren an einem objektiv generalisierenden, am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Maßstab, und nicht nur an dem der konkret beteiligten Personen. Sie muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen typisierten Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da die ergänzende Vertragsauslegung eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend schließt. Das gilt auch, wenn eine Lücke sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat ([X.] 16. Juni 2010 - 4 [X.]/08 - Rn. 26 mwN, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 79; 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 31 mwN, aaO).

Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck, sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrages „zu Ende gedacht“ werden ([X.] 20. September 1993 - II [X.] - zu 2 der Gründe, [X.]Z 123, 281). Auszugehen ist dabei von der Bezugnahmeklausel.

b) Der Zweck der allgemeinen dynamischen Verweisung auf [X.] des öffentlichen Dienstes ist es zunächst, am öffentlichen Dienst orientierte Arbeitsbedingungen zu schaffen. Zugleich weist eine solche Klausel auf ein Interesse des Arbeitgebers hin, aus Wettbewerbs- und Arbeitsmarktgründen dasjenige Tarifsystem zur Geltung zu bringen, das typischerweise gelten würde, wenn die ausgeübten Tätigkeiten innerhalb des öffentlichen Dienstes erbracht würden ([X.] 16. Juni 2010 - 4 [X.] Rn. 26 mwN, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 79 ).

c) Die ergänzende Vertragsauslegung führt im Streitfall dazu, dass die Parteien [X.] für den Fall der hier vorliegenden Tarifsukzession des im Arbeitsvertrag benannten tariflichen Regelungswerks das nachfolgende tarifliche Regelungswerk des öffentlichen Dienstes vereinbart hätten, weil eine statische Regelung der Arbeitsbedingungen auf den Zeitpunkt der hier vorliegenden Tarifsukzession nicht ihren Interessen entsprach. Die Parteien haben mit der Regelung des § 2 des Arbeitsvertrages die nähere Ausgestaltung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses - unter Ausschluss der Anwendbarkeit der Beihilfevorschriften - mit der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf das tarifliche Regelungswerk des [X.] für die Zukunft der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes anvertraut. Die weiteren Bestimmungen des Arbeitsvertrages in den §§ 3 bis 8, in denen etwa die regelmäßige Wochenarbeitszeit der Klägerin bestimmt wird oder die Vergütungsgruppe benannt wird, weichen von dieser Grundvorstellung des Arbeitsvertrages nicht ab, sondern füllen sie aus. Die Beklagte hat - anders als in der grundlegend anders gelagerten Fallgestaltung, die der Entscheidung des Senats vom 10. Juni 2009 (- 4 [X.] - [X.] 2010, 154) zugrunde lag - nicht etwa mehrere Elemente aus verschiedenen Normenwerken in einer eigenständigen Vertragsregelung miteinander verbunden.

d) Von den nach der Tarifsukzession in Betracht kommenden Tarifwerken des öffentlichen Dienstes hätten die Arbeitsvertragsparteien die Anwendung des [X.] vereinbart.

aa) Aufgrund der Aufspaltung der bis zum 30. September 2005 weitgehend gleichlautenden Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes in die tariflichen Regelungen des [X.] ([X.] und [X.]) und des [X.] ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmen, welche Nachfolgeregelung nach § 2 des Arbeitsvertrages maßgebend sein soll, also welches Tarifwerk die Parteien in Bezug genommen hätten, wenn sie die eingetretene aufgespaltene Tarifsukzession bedacht hätten.

bb) Nach dem Wortlaut in § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien ist keinerlei Bezug auf das Tarifvertragsrecht im Bereich der [X.] ersichtlich, welches demnach als Bezugspunkt ausscheidet. Ausdrücklich genannt wurde der [X.] für den Bereich „[X.]“, für den eine Trennung in [X.] einerseits und Länder andererseits nicht voraussehbar war. Es sind jedenfalls keine Anknüpfungspunkte ersichtlich, die eine Beziehung der Arbeitsvertragsparteien zum [X.] ergeben und für eine zukünftige Anwendung des [X.] in der Fassung für den [X.] sprechen könnten. Dies spricht dafür, dass die Klägerin und die Beklagte, die auf den Landkreis bezogen organisiert ist und die kommunalen [X.] in die von ihr gestellten Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht aufgenommen hat, den [X.] vereinbart hätten, wenn sie die Tarifsukzession im Bereich des [X.] [X.]/Länder vorhergesehen hätten. Für dessen Anwendbarkeit spricht auch, dass die Parteien - wie selbstverständlich und übereinstimmend - ausschließlich den [X.] als möglichen Nachfolgetarifvertrag des [X.] in Betracht ziehen. Dass der [X.] den beiderseitigen Interessen entspricht, haben zudem die Beklagte und der für die Beschäftigten handelnde Betriebsrat durch die von ihnen geschlossene Betriebsvereinbarung zum Ausdruck gebracht, die den [X.] grundsätzlich als maßgebend ansieht. Auch die Revision macht nicht - wenigstens hilfsweise - geltend, bei einer ergänzenden Vertragsauslegung müsse der [X.] zur Anwendung kommen.

4. [X.] kann für die Entscheidung des Rechtsstreits, ob die Betriebsvereinbarung vom 26. Juli 2007 gegen den [X.] des § 77 Abs. 3 [X.] verstößt. Auch im Fall ihrer Wirksamkeit können damit nicht für die [X.] günstigere vertragliche Absprachen verdrängt werden. Denn für das Verhältnis vertraglicher Ansprüche zu den Normen einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung gilt grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip ([X.] 29. August 2007 - 4 [X.] - Rn. 36, [X.] 2008, 181; 21. April 2010 - 4 [X.] - Rn. 38 mwN, [X.] § 613a Nr. 387 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 118).

[X.]. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    Valentien    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 AZR 683/09

24.08.2011

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Neunkirchen, 26. August 2008, Az: 4 Ca 809/08, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB, TV-L, BAT

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.08.2011, Az. 4 AZR 683/09 (REWIS RS 2011, 3774)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3774

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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