Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2021, Az. 3 StR 185/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2021, 4089

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Gegenstand

Wiedereinsetzung im Strafverfahren: Verspäteter Antrag eines Gefangenen auf Vorführung zwecks Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle


Tenor

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 7. Januar 2021 wird verworfen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel sowie der von dem Angeklagten zudem gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] haben keinen Erfolg.

2

1. Der vom Angeklagten selbst gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig, weil das Rechtsmittel vom Verteidiger rechtzeitig begründet worden ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Juli 2021 - 4 StR 498/20, juris Rn. 2; vom 26. März 2019 - 2 StR 511/18, [X.]R [X.] § 341 Frist 2 Rn. 2; vom 29. Januar 2019 - 2 StR 416/18, juris Rn. 2; vom 11. Oktober 2017 - 5 StR 377/17, juris Rn. 1; vom 3. Juli 2012 - 4 [X.], juris Rn. 2; vom 21. Dezember 2011 - 4 StR 553/11, juris Rn. 2).

3

Eine Wiedereinsetzung ist hier auch nicht ausnahmsweise - etwa zur Anbringung weiterer Verfahrensrügen oder Gewährung rechtlichen Gehörs - deshalb geboten, weil der in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte geltend macht, er habe seine Revision gemäß § 345 Abs. 2 [X.] selbst zu Protokoll der Geschäftsstelle begründen wollen und hierzu einen Antrag auf Vorführung vor das Amtsgericht am Ort seiner Inhaftierung nach § 299 Abs. 1 [X.] gestellt, dem aber nicht innerhalb der [X.] entsprochen worden sei.

4

Denn auch insofern ist der Wiedereinsetzungsantrag unzulässig. Zum einen hat der Angeklagte die versäumte Handlung - eine Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle - entgegen § 45 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht nachgeholt und auch nicht vorgebracht, dass er sich nach Ablauf der [X.] vergeblich weiter um eine Vorführung nach § 299 Abs. 1 [X.] zur Anbringung einer weiteren Revisionsbegründung neben derjenigen seines Verteidigers bemüht habe.

5

Zum anderen hat der Angeklagte entgegen § 45 Abs. 2 [X.] keinen Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich sein fehlendes Verschulden (§ 44 Satz 1 [X.]) an der Versäumung der Frist ergibt (vgl. zu diesem Darlegungserfordernis [X.], Beschlüsse vom 27. Juni 2017 - 2 [X.], [X.], 285; vom 12. März 2014 - 1 StR 74/14, juris Rn. 3; [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 45 Rn. 5a). Vielmehr trifft den Angeklagten schon nach seinem Vorbringen eigene Schuld daran, dass er seine Revision nicht fristgemäß zu Protokoll der Geschäftsstelle begründet hat. Denn die [X.] lief - wie dem Angeklagten bekannt war - am 9. April 2021 ab. Er hat jedoch erst am 7. April 2021 und damit zwei Tage vor Fristablauf in der Justizvollzugsanstalt, in der er inhaftiert ist, um eine Vorführung an das örtliche Amtsgericht nach § 299 Abs. 1 [X.] ersucht. Dies war eingedenk der von der Justizvollzugsanstalt und dem zuständigen Gericht zu treffenden organisatorischen Vorkehrungen offensichtlich zu spät (vgl. KG, Beschluss vom 30. Juni 2008 - (4) 1 Ss 249/08, [X.], 19; [X.], Beschluss vom 28. Mai 2015 - 1 Vollz (Ws) 248/15, [X.], 327; [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 44 Rn. [X.], § 299 Rn. 8).

6

Zwar darf eine Rechtsmittelfrist grundsätzlich bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 370/84, [X.]E 69, 381, 385; [X.], Beschluss vom 12. März 2014 - 1 StR 74/14, juris Rn. 6). Allerdings hat der Rechtsmittelführer dabei den zeitlichen und organisatorischen Aufwand in Rechnung zu stellen, dessen es bedarf, damit die Rechtsmittelerklärung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form innerhalb der Frist gegenüber der zuständigen Stelle abgegeben wird. Ein inhaftierter Rechtsmittelführer kann wegen des jeweiligen organisatorischen Aufwands für die Justizvollzugsanstalt und das Gericht nicht darauf vertrauen, dass ihm zu jeder Zeit und innerhalb kürzester Frist auf ein Rechtsmittel bezogene Erklärungen gemäß § 299 Abs. 1 [X.] zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk er untergebracht ist, ermöglicht werden können ([X.], Beschluss vom 12. März 2014 - 1 StR 74/14, juris Rn. 6; KG, Beschluss vom 30. Juni 2008 - (4) 1 Ss 249/08, [X.], 19; [X.], Beschluss vom 28. Mai 2015 - 1 Vollz (Ws) 248/15, [X.], 327; [X.], Beschluss vom 29. Oktober 2007 - 1 [X.], juris). Eine Beeinträchtigung der Prozessgrundrechte eines inhaftierten Rechtsmittelführers aus Art. 103 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG ist damit nicht verbunden; auch einem Inhaftierten ist es zuzumuten, die ihm möglichen Maßnahmen zur Vermeidung anstaltsbedingter [X.] bei der fristgebundenen Rechtsmittelbegründung zu ergreifen (vgl. [X.], Beschluss vom 9. August 1990 - 2 BvR 641/90, juris Rn. 3; [X.], Beschluss vom 12. März 2014 - 1 StR 74/14, juris Rn. 6).

7

2. Die Revision ist aus den vom [X.] in der Antragsschrift vom 18. Juni 2021 dargelegten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.]. Das Vorbringen in der Gegenerklärung des Verteidigers des Angeklagten vom 8. Juli 2021 greift demgegenüber nicht durch.

Schäfer     

        

Paul     

        

Berg   

        

Anstötz     

        

Kreicker     

        

Meta

3 StR 185/21

14.07.2021

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 7. Januar 2021, Az: 5 Ks 15/20

§ 44 StPO, § 46 StPO, § 299 Abs 1 StPO, § 345 Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2021, Az. 3 StR 185/21 (REWIS RS 2021, 4089)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4089

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