Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2019, Az. 4 StR 417/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 6925

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. März 2018

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen schuldig ist;

b) im Ausspruch über die Einziehung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von [X.]n in Höhe von 133.000 Euro sowie die erweiterte Einziehung in Höhe von 87.150 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung der [X.]; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. [X.] hält rechtlicher Nachprüfung nicht uneingeschränkt stand.

3

a) Die Annahme von neun selbstständigen Taten des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat keinen Bestand. Vielmehr sind die Fälle [X.] und [X.] der Urteilsgründe infolge einer Bewertungseinheit zu einer Tat des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbunden.

4

Nach den Grundsätzen der Bewertungeinheit sind sämtliche Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen, weil bereits ihr Erwerb und Besitz zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen; die späteren, diese Betäubungsmittel betreffenden Veräußerungsgeschäfte gehören als unselbständige Teilakte zu dieser Tat (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. Dezember 2018 - 4 [X.], NStZ-RR 2019, 115; vom 6. August 2013 - 5 [X.], [X.], 347, 348; vom 9. Mai 2012 - 4 StR 67/12, [X.], 279).

5

Zwar ist eine solche Bewertungseinheit nur dann in Betracht zu ziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dies nahelegen (vgl. [X.], Beschluss vom 28. April 2015 - 3 [X.], [X.], 313; Urteile vom 24. März 1999 - 3 [X.], [X.], 218, 219; vom 10. Juni 1997 - 1 [X.], [X.], 344); auch der Zweifelsgrundsatz gebietet die Annahme einer Bewertungseinheit nicht (vgl. [X.], Urteile vom 16. November 2005 - 2 StR 296/05, [X.], 55; vom 26. Februar 1997 - 3 StR 586/96, [X.], 344; vom 23. März 1995 - 4 StR 746/94, [X.], 417, 418; Beschluss vom 6. Oktober 1995 - 3 [X.], [X.]R BtMG § 29 Bewertungseinheit 6).

6

Im Hinblick auf die Fälle [X.] (drei Transporte von jeweils mindestens 950 Gramm Marihuana von einer Bunkerwohnung zu der zum Vertrieb der Betäubungsmittel genutzten Gaststätte am 15. und 16. Juni 2017) und [X.] (drei weitere Transporte von der Bunkerwohnung zur Gaststätte am 19., 20. und 21. Juni 2017, von denen sich zumindest zwei Transporte ebenfalls auf mindestens 950 Gramm Marihuana bezogen), liegen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die in diesen beiden Fällen gehandelten [X.] aus einem einheitlichen, von dem gesondert Verfolgten [X.]gelieferten größeren Vorrat stammten. Denn hinsichtlich beider Taten hat das [X.] festgestellt, dass die jeweils transportierten Einzelmengen aus einer Marihuanalieferung in die Bunkerwohnung vor dem 15. Juni 2017 stammten ([X.] f.), ohne dass sich feststellen ließ, ob es sich hierbei um eine oder mehrere Lieferungen durch [X.]handelte. Zudem war es auch nicht ungewöhnlich, dass [X.]größere [X.] auf einmal anlieferte; so wurden durch ihn auch in den Fällen [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe jeweils mehrere Kilogramm Marihuana zugleich in die Bunkerwohnung geliefert.

7

Infolge der Bewertungseinheit zwischen den Fällen [X.] und [X.] entfällt die Verurteilung des Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall [X.] der Urteilsgründe. Da weiter gehende Feststellungen nicht zu erwarten sind, ändert der [X.] den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung des Tatgeschehens nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

8

b) Im Übrigen begegnet der Schuldspruch des angefochtenen Urteils keinen durchgreifenden Bedenken.

9

Zwar ist die Beweiswürdigung in ihrer gesamten Struktur wenig übersichtlich und enthält überdies eine Reihe bedenklicher Wendungen, insbesondere nicht belegte Erfahrungssätze, etwa dass der Angeklagte „ein vollkommen atypisches Betäubungsmittelhandelsgeschehen“ geschildert habe oder dass der gesondert Verfolgte [X.]     „als seit langem in [X.] lebender [X.] Betäubungsmittelkonsument ja selbst Kontakte in der D.    er [X.] haben dürfte“ ([X.]). Der [X.] kann jedoch mit Blick auf die Beweiswürdigung im Übrigen, insbesondere die Angaben der vernommenen Zeugen sowie die sich aus der durchgeführten mehrwöchigen Observation ergebenden Erkenntnisse zum Umfang der Taten, ihrer Frequenz und der Aufgabenverteilung der beteiligten Personen ausschließen, dass die Überzeugung der [X.] von der Bandenstruktur und der Einbindung des Angeklagten in die Bande auf den nicht belegten [X.] beruht.

2. Die Schuldspruchänderung (Entfall der Verurteilung des Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall [X.] der Urteilsgründe) zieht die Aufhebung der für diesen Fall verhängten [X.] von sechs Jahren Freiheitsstrafe nach sich.

Auf den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe hat dies keinen Einfluss. Im Hinblick auf den durch das Zusammenfassen zu einer Tat unveränderten Unrechtsgehalt sowie die verbleibenden acht [X.]n (dreimal sechs Jahre, viermal fünf Jahre und neun Monate und einmal fünf Jahre und sechs Monate) schließt der [X.] aus, dass das [X.] bei zutreffender Annahme einer Bewertungseinheit der Fälle [X.] und [X.] eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe als sieben Jahre verhängt hätte.

3. Die getroffene [X.] kann insgesamt nicht bestehen bleiben. Sie begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Soweit die [X.] die Einziehung eines Betrages von 133.000 Euro angeordnet hat, bleibt bereits unklar, ob hiermit [X.] im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB oder der Wert von [X.]n gemäß § 73c Satz 1 StGB eingezogen werden sollten. Ausweislich der Entscheidungsformel des angefochtenen Urteils hat das [X.] die Einziehung des Wertes von [X.]n in Höhe von 133.000 Euro angeordnet, während den Urteilsgründen zufolge dieser Betrag der Einziehung von [X.]n nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegt.

Zudem lässt das angefochtene Urteil ausreichende Feststellungen dazu vermissen, ob und in welcher Höhe der Angeklagte überhaupt etwas aus den verfahrensgegenständlichen Taten erlangt hat. „[X.]“ ist ein Vermögensvorteil dann, wenn der Tatbeteiligte die faktische Verfügungsgewalt über den Gegenstand erworben hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. Dezember 2006 - 4 [X.], [X.], 121; vom 10. September 2002 - 1 [X.], [X.], 198, 199). Dass dem Angeklagten zumindest eine Mitverfügungsgewalt an den jeweiligen Erlösen aus den [X.] zukam, hat das [X.] nicht festgestellt. Dieser Schluss ist nach den getroffenen Feststellungen auch nicht offensichtlich, zumal jedenfalls im Zeitraum vor den verfahrensgegenständlichen Taten der gesondert Verfolgte [X.]     die aus den Drogenverkäufen eingenommenen Gelder an eine unbekannt gebliebene Person weitergab ([X.] 8).

Überdies erschließt sich die vom [X.] angenommene Höhe des Einziehungsbetrages von 133.000 Euro nicht. Zu deren Begründung hat die [X.] angeführt, der Angeklagte und seine Mittäter hätten insgesamt 19 Kilogramm Marihuana zu einem Grammpreis von sieben Euro - diesen Preis habe auch ein polizeilicher Scheinkäufer beim Erwerb von 100 Gramm Marihuana bezahlen müssen - veräußert. Die dieser Berechnung zugrunde liegende Gesamtvertriebsmenge von 19 Kilogramm Marihuana lässt sich indes nicht nachvollziehen. Denn zum einen hat das [X.] im Fall [X.] nicht mitgeteilt, welche Menge dieses Betäubungsmittels am 21. Juni 2017 von dem gesondert Verfolgten U.   aus der Bunkerwohnung abgeholt und in die zum Vertrieb genutzte Gaststätte verbracht wurde, zum anderen hat es in seine Berechnung einer Gesamtvertriebsmenge von 19 Kilogramm ersichtlich auch das im Fall [X.] aus der Bunkerwohnung abgeholte Marihuana einbezogen, das allerdings noch vor seiner Veräußerung sichergestellt werden konnte.

b) Bereits aufgrund der aufgezeigten Mängel der [X.] bezüglich des Betrages von 133.000 Euro kann auch die Anordnung der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB in Höhe eines darüber hinausgehenden Betrages von 87.150 Euro keinen Bestand haben. Beide Anordnungen stehen in einem untrennbaren inhaltlichen Zusammenhang, da das [X.] den Betrag von 87.150 Euro in der Weise ermittelt hat, dass es von dem - in einem Bankschließfach der Lebensgefährtin des Angeklagten sichergestellten - Gesamtbetrag von 220.150 Euro den Betrag von 133.000 Euro in Abzug gebracht hat; ein Entfall oder eine Änderung der Höhe des gemäß § 73 Abs. 1 StGB oder § 73c Satz 1 StGB der Einziehung unterliegenden Betrages bliebe daher nicht ohne Auswirkung auf den Betrag, hinsichtlich dessen eine erweiterte Einziehung in Betracht käme.

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Quentin

        

Feilcke      

        

Bartel      

        

Meta

4 StR 417/18

23.05.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

§ 29 Abs 1 Nr 1 BtMG, § 30 Abs 1 BtMG, § 52 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2019, Az. 4 StR 417/18 (REWIS RS 2019, 6925)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6925

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