Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.11.2018, Az. 4 StR 329/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 1500

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Gegenstand

Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. April 2018 hinsichtlich

a) der Einzelstrafen zu den Taten [X.], 2. und 6. der Urteilsgründe,

b) der Gesamtstrafe und

c) der Einziehungsentscheidung

mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 51.200 Euro angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Einzelstrafen in den Fällen [X.], 2. und 6. der Urteilsgründe halten unter Zugrundelegung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen [X.] (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 10. April 1987 - [X.], [X.]St 34, 345, 349; Urteil vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, [X.]St 29, 319, 320) einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

3

a) Die Einzelstrafen in den Fällen [X.] und 2. der Urteilsgründe haben keinen Bestand, weil der von der [X.] angenommene Schuldumfang durch die Ausführungen des angefochtenen Urteils nicht belegt wird.

4

Das [X.] ist bei den Taten [X.] und 2. der Urteilsgründe davon ausgegangen, dass das jeweils gehandelte Marihuana einen Wirkstoffgehalt von 15 % THC aufwies, ohne diese Feststellung näher zu begründen. Die Urteilsgründe lassen beweiswürdigende Ausführungen zur Qualität des Marihuanas vielmehr vollständig vermissen. Ferner ergeben die Feststellungen zu der Tat II.2. der Urteilsgründe nicht, dass dem Angeklagten - über die von ihm unter Einschaltung eines [X.] übernommenen und bezahlten 4 Kilogramm Marihuana aus dem ersten Koffer - auch die 2 Kilogramm Marihuana aus dem zweiten Koffer, die der Mittelsmann bei einem weiteren Treffen ohne Bezahlung an sich gebracht hatte, als [X.] zuzurechnen sind. Denn die [X.] hat weder festgestellt, dass der Angeklagte an der Erlangung des zweiten Koffers in irgendeiner Weise beteiligt war, noch dass den beiden Übergabetreffen eine Bestellung des Angeklagten über insgesamt 6 Kilogramm Marihuana vorausging.

5

Die aufgezeigten, Menge und Qualität betreffenden Mängel lassen die Schuldsprüche jeweils wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in den Fällen [X.] und 2. der Urteilsgründe unberührt, weil der [X.] angesichts der sicher festgestellten Gesamtmengen von jeweils mindestens 4 Kilogramm Marihuana ausschließen kann, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge von 7,5 Gramm THC bei beiden Taten nicht erreicht worden ist. Zur Festlegung des Schuldumfangs als Grundlage der Strafzumessung bedarf es einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung der den Einzelstrafaussprüchen zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen erfasst auch die Feststellungen zu den Wirkstoffmengen des in diesen Fällen gehandelten Marihuanas, allerdings nur insoweit, als diese den Grenzwert von 7,5 Gramm THC übersteigen.

6

b) Hinsichtlich der abgeurteilten Amphetamingeschäfte erweisen sich die Einzelstrafen in den Fällen II.3. bis 5. der Urteilsgründe als rechtsfehlerfrei. Dagegen kann die Einzelstrafe für die Tat [X.] der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben.

7

Die isoliert betrachtet nicht unbedenkliche Einstufung des Amphetamins als „eher harte Droge“ gefährdet den Bestand des Strafausspruchs nicht, da durch diese Formulierung nach dem Gesamtzusammenhang der [X.] lediglich ein Bezug zu dem bei den Taten [X.] und 2. der Urteilsgründe gehandelten Marihuana hergestellt und zum Ausdruck gebracht wird, dass Amphetamin im Vergleich zu dem als „weiche Droge“ bezeichneten Marihuana eine höhere Gefährlichkeit zukommt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 14. Juni 2017 - 3 StR 97/17, [X.], 310; vom 2. November 2017 - 4 StR 286/17 Rn. 4; vom 14. August 2018 - 1 [X.] Rn. 4).

8

Bei der Bemessung der Einzelstrafe für die Tat [X.] der Urteilsgründe hat das [X.] aber unberücksichtigt gelassen, dass von der zum gewinnbringenden Umsatz bestimmten Gesamtmenge von 5 Kilogramm Amphetaminzubereitung anlässlich einer polizeilichen Durchsuchung der Bunkerwohnung ein Rest von 1.308 Gramm sichergestellt werden konnte und daher nicht in Verkehr gelangte. Bei einer - auch nur teilweise erfolgten - Sicherstellung handelt es sich wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, der bei der Straffestsetzung zu beachten ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 6. Februar 2018 - 3 StR 629/17 Rn. 5 mwN; vom 19. Januar 1990 - 2 StR 588/89, [X.]R BtMG § 29 Strafzumessung 10; [X.], BtMG, 5. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 1019 mwN). Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die Einzelstrafe im Fall [X.] der Urteilsgründe auf der unterbliebenen Berücksichtigung der teilweisen Sicherstellung beruht.

9

c) Die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen [X.], 2. und 6. der Urteilsgründe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.

2. Die Einziehungsentscheidung hält einer rechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand, da die Feststellungen der [X.], der Angeklagte habe durch die Verkäufe von Marihuana und Amphetamin insgesamt einen Geldbetrag in Höhe von 51.200 Euro erwirtschaftet, einer tragfähigen Tatsachengrundlage entbehrt.

Die [X.] ist bei ihrer Einziehungsentscheidung davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei der Tat II.2. der Urteilsgründe 6 Kilogramm Marihuana zu einem Kilopreis von 5.700 Euro sowie in den Fällen II.3. bis 6. der Urteilsgründe insgesamt 10 Kilogramm Amphetaminzubereitung zu einem Kilopreis von 1.700 Euro umsetzte. Dabei hat sie - wie der [X.] zutreffend ausführt - zum einen übersehen, dass von der [X.] aus der Tat [X.] der Urteilsgründe ein Teil von 1.308 Gramm Amphetaminzubereitung sichergestellt wurde, und zum anderen verkannt, dass bei der Tat II.2. der Urteilsgründe nicht festgestellt worden ist, dass der Angeklagte die 2 Kilogramm Marihuana aus dem zweiten Koffer überhaupt erhielt. Des Weiteren lässt sich der Sachverhaltsschilderung zu der Tat II.2. der Urteilsgründe in ihrem Gesamtzusammenhang zwar noch entnehmen, dass die vom Angeklagten sicher erlangten 4 Kilogramm Marihuana zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmt waren. Dass der Angeklagte diese Betäubungsmittelmenge tatsächlich erfolgreich absetzte und hieraus etwas erlangte, hat die [X.] jedoch nicht festgestellt. Schließlich lassen die Urteilsgründe für den vom [X.] zugrunde gelegten Verkaufspreis von 1.700 Euro je Kilogramm Amphetaminzubereitung eine hinreichende Beweisgrundlage vermissen. Die im Urteil wiedergegebene Zeugenaussage eines Polizeibeamten, wonach mit der Angabe von „1,5 bis 1,7“ in im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung aufgezeichneten Telefongesprächen nach dienstlicher Erfahrung Mengenangaben bzw. Kaufpreise gemeint seien, ist allein nicht geeignet, eine solche Schlussfolgerung zu tragen.

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Cierniak

        

Bender     

        

Feilcke     

        

Meta

4 StR 329/18

20.11.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Paderborn, 12. April 2018, Az: 1 KLs 61/17

§ 46 StGB, § 29 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.11.2018, Az. 4 StR 329/18 (REWIS RS 2018, 1500)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 1500

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