Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2016, Az. 4 StR 149/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 8680

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:060716B4STR149.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 [X.]

vom
6. Juli
2016
in dem Sicherungsverfahren
gegen

[X.]St: ja
[X.]R: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja

[X.] §
302 Abs.
2

Nach der den Vorschriften der §§
296
ff. [X.] zugrunde liegenden Regelungs-systematik kann der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten die gemäß §
302 Abs.
2 [X.] erforderliche Ermächtigung zur Rücknahme eines vom Verteidiger für den Beschuldigten eingelegten Rechtsmittels nicht wirksam für den [X.] erteilen.

[X.], Beschluss vom 6. Juli 2016 -
4 [X.] -
LG [X.]

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6.
Juli
2016
gemäß §
349
Abs.
2 [X.] beschlossen:

Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 22. Dezember 2015 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:
Das [X.] hat im Sicherungsverfahren die
Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß §
63 StGB angeord-net. Hiergegen richtet sich die von dem Pflichtverteidiger des Beschuldigten eingelegte und mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Re-vision des Beschuldigten.
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.], da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten ergeben hat.

1
2
-
3
-
Der Erörterung bedarf nur
Folgendes:
Die Revision des Beschuldigten ist nicht wirksam zurückgenommen wor-den.
1. Mit Schriftsatz vom 15.
Juni 2016 hat der Pflichtverteidiger des [X.] auf Anweisung von dessen Betreuer die Rücknahme der Revision erklärt. Zuvor war durch Beschluss des [X.] vom 31.
Mai 2016 unter ausdrücklichem Verweis auf das anhängige Revisionsverfahren der [X.] auf die Vertretung in Strafsachen erweitert worden.
2. Die Erklärung der Revisionsrücknahme entfaltet
mangels ausdrückli-cher Ermächtigung des Beschuldigten zur Rücknahme gemäß §
302 Abs.
2 [X.]
keine Wirksamkeit. Nach der den Vorschriften der §§
296
ff. [X.] zu-grunde liegenden Regelungssystematik kann der gesetzliche Vertreter die ge-mäß §
302 Abs.
2 [X.] erforderliche Ermächtigung zur Rücknahme einer vom Verteidiger für den Beschuldigten eingelegten Revision nicht wirksam für den Beschuldigten erteilen.
a) Gemäß §
296 Abs.
1 [X.] hat der Beschuldigte unabhängig von der nach zivilrechtlichen Vorschriften zu bestimmenden Geschäftsfähigkeit und un-ter Umständen selbst bei fehlender Verhandlungsfähigkeit (vgl. [X.], [X.], 26.
Aufl., §
296 Rn.
5; [X.]
in [X.]/[X.], [X.], 59.
Aufl., §
296 Rn.
5; weitergehend [X.] in SK-[X.],
4.
Aufl., §
296 Rn.
7; Hoch in Satzger/Schluckebier/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
296 Rn.
10) die Befugnis, Rechtsmittel einzulegen.
Von dieser kann
er eigen-ständig ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters Gebrauch machen (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Januar 2005 -
1
StR 563/04, [X.]R [X.] §
302 Abs.
2 Rücknahme 10; BayObLGSt 1964, 85, 87). Für den Beschuldigten kann der Verteidiger nach §
297 [X.] in den durch den erklärten entgegenstehen-3
4
5
6
7
-
4
-
den Willen des Beschuldigten gezogenen Grenzen Rechtsmittel einlegen. Die Vorschrift des §
297 [X.] begründet die gesetzliche Vermutung, wonach die Rechtsmitteleinlegung im Auftrag und mit Willen des Beschuldigten erfolgt (vgl. [X.], NStZ 1997, 52, 53; RGSt
66, 209, 211; Radtke
in Radtke/[X.], [X.], §
297 Rn.
1; [X.] aaO §
297 Rn.
1; [X.]
aaO §
297 Rn.
2; [X.] aaO §
297 Rn.
2). Unbeschadet der Tatsache, dass der Verteidiger nach §
297 [X.] aus eigenem Recht und in eigenem Namen tätig wird (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
Januar 1972 -
3
StR 282/71, GA
1973, 46,
47), handelt es sich bei dem eingelegten Rechtsmittel um ein solches des [X.] (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17.
Februar 2011 -
4
StR 691/10, [X.], 232; vom 13.
Juni 2006 -
4
StR 182/06, [X.], 210;
vom 9.
August 1995 -
1
StR 699/94, [X.]R [X.] §
302 Abs.
2 Rücknahme
8; [X.] aaO §
302 Rn.
87; [X.] in Strafverteidigung in der Praxis, 4.
Aufl., §
11 Rn.
20). Dem entspricht, dass das Gesetz für die Rücknahme des Rechtsmittels durch den Verteidiger nicht nur wie in §
302 Abs.
1 Satz
3 [X.] die Zustimmung,
sondern gemäß §
302 Abs.
2 [X.] die ausdrückliche Ermächtigung des [X.] verlangt (vgl. Radtke
aaO §
302 Rn.
47).
b) Ein Recht,
für den Beschuldigten von dessen Rechtsmittelbefugnis aus §
296 Abs.
1 [X.] Gebrauch zu machen, räumt die Strafprozessordnung dem gesetzlichen Vertreter des Beschuldigten nicht ein. Das Gesetz verleiht dem gesetzlichen Vertreter in §
298 Abs.
1 [X.] vielmehr die eigenständige Befugnis, selbst unabhängig vom Willen des Beschuldigten zu dessen Gunsten Rechtsmittel einzulegen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der gesetz-liche Vertreter besser im Stande ist, eine den wahren Interessen des unter [X.] stehenden Beschuldigten gerecht werdende
Entscheidung zu treffen (vgl. [X.], Urteil vom 20.
März 1957 -
2
StR 583/56, [X.]St
10, 174, 176; [X.] aaO §
298 Rn.
1; [X.] aaO §
298 Rn.
1; Radtke
aaO §
298 Rn.
1). Die eigenständige Rechtsmittelbefugnis des gesetzlichen Vertreters lässt das 8
-
5
-
sich aus §
296 Abs.
1 [X.] ergebende Recht des Beschuldigten, selbst unab-hängig vom Willen des gesetzlichen Vertreters Rechtsmittel einzulegen, indes unberührt (vgl. [X.] aaO §
298 Rn.
6; Radtke
aaO §
298 Rn.
1). Die Befugnis-se
des Beschuldigten
aus §
296 Abs.
1 [X.] und
des gesetzlichen Vertreters aus
§
298 Abs.
1 [X.] stehen selbständig nebeneinander, so dass Erklärungen des Beschuldigten und des gesetzlichen Vertreters jeweils nur für das eigene Rechtsmittel Wirkungen entfalten (vgl. [X.] aaO §
298 Rn.
7; [X.] aaO §
298 Rn.
8
f.; Radtke
aaO §
298 Rn.
12; Plöd
in [X.] §
298 Rn.
2 [Stand: [X.]]). Aus dem Nebeneinander voneinander unabhängiger [X.] folgt, dass der gesetzliche Vertreter -
von Fällen einer neben §
298 [X.] möglichen rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung durch den [X.] abgesehen (vgl. [X.] aaO §
298 Rn.
9; [X.] aaO §
298 Rn.
2; [X.], [X.], 5.
Aufl., §
298 Rn.
1; Hoch aaO §
298 Rn.
2;
[X.] in KK-[X.], 7.
Aufl., §
298 Rn.
3; [X.]
aaO §
298 Rn.
4; Plöd
aaO)
-
keine Rechtsmittelerklärungen für den Beschuldigten abgeben kann. Er ist daher we-der befugt, ein vom Beschuldigten
selbst
eingelegtes Rechtsmittel zurückzu-nehmen, noch
kann er
die nach §
302 Abs.
2 [X.] erforderliche Ermächtigung für eine Rücknahme durch den Verteidiger des Beschuldigten erteilen (a.A.

-
nicht tragend
-
offenbar [X.], Beschluss vom 2.
September 2013 -
1
StR 369/13, StraFo
2013, 469).
c) Diese aus der den Vorschriften der §§
296
ff. [X.] zugrunde liegen-den Regelungssystematik abzuleitende
Beschränkung der Befugnisse des ge-setzlichen Vertreters wird zudem
dadurch bestätigt, dass der gesetzliche Ver-treter seinerseits für die Rücknahme seines Rechtsmittels in entsprechender Anwendung des §
302 Abs.
1 Satz
3 [X.] bzw. gemäß §
55 Abs.
3 JGG der Zustimmung des Beschuldigten bedarf (vgl. [X.] aaO §
298 Rn.
8;
Radtke aaO §
298 Rn.
13; [X.] aaO §
298 Rn.
14; [X.] aaO §
298 Rn.
3; [X.] aaO §
298 Rn.
5; Hoch aaO §
298 Rn.
8;
[X.] aaO §
298 Rn.
2; a.A. 9
-
6
-
Cirener in [X.], [X.], 2.
Aufl., §
298 Rn.
2),
die dieser nur selbst erteilen kann. Auch die Zustimmung nach §
303 Satz
1 [X.] obliegt dem Beschuldigten per-sönlich
(vgl. [X.],
NJW 1951, 933, 934; [X.],
[X.] 1969, 269), nicht dem gesetzlichen Vertreter (vgl. [X.] aaO §
303 Rn.
7).
Sost-Scheible Cierniak Franke

Mutzbauer Bender

Meta

4 StR 149/16

06.07.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2016, Az. 4 StR 149/16 (REWIS RS 2016, 8680)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8680

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III-2 Ws 300/15 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


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4 StR 149/16

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