Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.05.2011, Az. 8 AZR 18/10

8. Senat | REWIS RS 2011, 6222

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Gegenstand

Betriebsübergang - Zweiterwerber - Unterrichtung - Widerspruch - Verwirkung


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 20. August 2009 - 6 [X.]/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses.

2

Die [X.]lägerin war seit dem 1. November 1992 bei der [X.], der Rechtsvorgängerin der [X.], beschäftigt.

3

Zuletzt war die [X.]lägerin für die Beklagte in der [X.] ([X.]) am Standort C tätig.

4

Mit Schreiben vom 26. Juli 2007 informierte die [X.] (im Folgenden: [X.]) die [X.]lägerin über die beabsichtigte [X.]eräußerung der [X.] an die [X.] zum 1. September 2007 und den hierdurch ausgelösten Betriebsübergang von der [X.] auf die [X.]. Auszugsweise lautet das Unterrichtungsschreiben:

        

„- II - Unterrichtung über die Betriebsübergangsfolgen

        

Durch den [X.]erkauf kommt es zu einem so genannten Betriebsübergang. Ihr Arbeitsverhältnis geht auf die [X.] über, d.h. die [X.] wird kraft Gesetz Ihr neuer Arbeitgeber. Die für Sie und Ihr Arbeitsverhältnis entscheidende [X.]orschrift in diesem Zusammenhang ist § 613a BGB, der als Anhang im Wortlaut abgedruckt ist.

        

[X.]ereinfacht ausgedrückt lässt sich festhalten, dass der größte Teil der für Sie bis zum 29.02.04 (Zeitpunkt vor Inkrafttreten der Wochenarbeitszeitverkürzung in der [X.]) in der [X.] gültigen Arbeitsbedingungen bei dem Wechsel in die [X.] unverändert bestehen bleibt.

        

Ihre Arbeitsbedingungen nach dem Wechsel richten sich nach den Regelungen des mit [X.] vereinbarten Umsetzungstarifvertrags der [X.]. Danach gilt für [X.]ollzeitbeschäftigte in der [X.] eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden. Ihr Gehalt, das Sie am Tag vor der Überleitung zur [X.] bei der [X.] haben, wird entsprechend der Systematik der Tarifverträge [X.] mit Stand vom 29.02.2004 umgerechnet, d.h., Sie erhalten bei der [X.] wieder Urlaubsgeld und Sonderzuwendung. Gleichzeitig wird Ihr Gehalt bei einer 38-Stunden-Woche auf 91,25 % abgesenkt.

        

Das Gleiche gilt natürlich für Sie entsprechend, wenn Sie derzeit teilzeitbeschäftigt sind.

        

Im Einzelnen gelten folgende Grundsätze:

        

1.    

Durch den Betriebsübergang tritt für Sie ein Arbeitgeberwechsel von der [X.] zur [X.] ein. Ihr Arbeitsverhältnis geht mit [X.] zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechten und Pflichten auf die [X.] über, deren Arbeitnehmer Sie werden. Ihr bisheriges Arbeitsverhältnis zur [X.] erlischt.

        

2.    

Die [X.] hat sich mit der [X.] [X.] über einen Tarifvertrag zur Überleitung von bestimmten Rechten auf das Arbeitsverhältnis bei der [X.] geeinigt, dem so genannten UT[X.] (Tarifvertrag zur Umsetzung des Beschäftigungsbündnisses). Das bedeutet für Sie, dass ein Großteil der tariflichen Regelungen bei der [X.] auch bei der [X.] weiter gelten.

        

…       

        
        

8.    

Die Dauer Ihrer Betriebszugehörigkeit bei der [X.] bleibt Ihnen auch bei der [X.] erhalten.

        

9.    

Die [X.] haftet auch für Ansprüche aus Ihrem Arbeitsverhältnis, die Ihnen vor dem Betriebsübergang gegen die [X.] zustanden.“

5

Mit Wirkung vom 1. September 2007 wurde der Betrieb der [X.] auf die [X.] übertragen. Die [X.]lägerin arbeitete dort zunächst widerspruchslos weiter.

6

Zum 1. März 2008 fand ein weiterer Betriebsübergang der [X.] statt. Es erfolgte eine Übertragung von der [X.] auf die [X.] (im Folgenden: A). Diesem Betriebsübergang hatte die [X.]lägerin gegenüber der [X.] mit Schreiben vom 13. Februar 2008 widersprochen.

7

Mit Anwaltsschreiben vom 28. April 2008 widersprach die [X.]lägerin dann gegenüber der [X.] dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von dieser auf die [X.] zum 1. September 2007.

8

Die [X.]lägerin meint, ihr Arbeitsverhältnis sei nicht von der [X.] auf die [X.] übergegangen, weil sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen habe. Im Zeitpunkt des Widerspruchs sei die Widerspruchsfrist nicht abgelaufen gewesen, da das Unterrichtungsschreiben vom 26. Juli 2007, welches den Betriebsübergang von der [X.] auf die [X.] zum 1. September 2007 betraf, nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe und inhaltlich unzureichend gewesen sei. Die Arbeitnehmer seien nicht vollständig über die Folgen des Betriebsübergangs, insbesondere nicht zutreffend über die geltenden Tarifverträge, Arbeitsbedingungen und die Haftungsverteilung informiert worden. Auch habe sie ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt, da sie keine Umstände gesetzt habe, die das [X.]ertrauen der [X.] hätten begründen können, das Widerspruchsrecht werde nicht mehr ausgeübt.

9

Die [X.]lägerin hat zuletzt beantragt

        

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen über den 1. September 2007 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat [X.]lageabweisung beantragt.

Sie vertritt die Ansicht, der Widerspruch der [X.]lägerin sei verspätet. Die Unterrichtung über den Betriebsübergang auf die [X.] sei durch ihr Schreiben vom 26. Juli 2007 ordnungsgemäß erfolgt und habe die einmonatige Widerspruchsfrist in Lauf gesetzt. Jedenfalls habe die [X.]lägerin ihr Recht zum Widerspruch aber verwirkt. Das Zeitmoment der [X.]erwirkung sei erfüllt, da die [X.]lägerin ihre Tätigkeit nach der Unterrichtung widerspruchslos über neun Monate für die [X.] fortgesetzt habe. Auch das Umstandsmoment sei gegeben, da die [X.]lägerin mit Schreiben vom 13. Februar 2008 zunächst dem zeitlich nachfolgenden zweiten Betriebsübergang von der [X.] auf die A widersprochen habe und erst zweieinhalb Monate später dem zeitlich vorgelagerten ersten Betriebsübergang von der [X.] auf die [X.]. Wegen des zeitlich vorausgehenden Widerspruchs gegen den zeitlich nachfolgenden zweiten Betriebsübergang sei bei der [X.] ein [X.]ertrauen darauf begründet worden, dass die [X.]lägerin dem ersten Betriebsübergang nicht mehr widersprechen werde.

Das Arbeitsgericht hat die [X.]lage abgewiesen. Das [X.] hat auf die Berufung der [X.]lägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der [X.]lage stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren [X.]lageabweisungsantrag weiter, während die [X.]lägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht über den 1. September 2007 hinaus fort. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen.

I. Das [X.] hat seine klagestattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Unterrichtungsschreiben der [X.] vom 26. Juli 2007 habe nicht den Anforderungen des § 613a BGB entsprochen und mithin die Widerspruchsfrist für die Klägerin nicht in Lauf gesetzt. Daher sei der Widerspruch vom 28. April 2008 nicht verspätet und ihr Arbeitsverhältnis nicht auf die [X.] übergegangen.

Es könne dahinstehen, ob die Informationen in dem Unterrichtungsschreiben hinsichtlich der anwendbaren kollektivrechtlichen Regelungen genügend seien. Jedenfalls sei die Klägerin nicht hinreichend über das Haftungssystem des § 613a Abs. 2 BGB unterrichtet worden. Durch die Formulierungen in Ziffer [X.] des Unterrichtungsschreibens werde der Eindruck erweckt, es bestehe fortan eine alleinige Haftung der Übernehmerin.

Eine [X.]erwirkung des Widerspruchsrechts sei nicht gegeben. Ob das für die [X.]erwirkung erforderliche Zeitmoment erfüllt sei, könne dahinstehen, da es am Umstandsmoment fehle. Die Klägerin habe keine Umstände gesetzt, die das [X.]ertrauen der Beklagten in die Nichtausübung ihres Widerspruchsrechts hätten rechtfertigen können. Insbesondere habe die Klägerin nicht in einer bei der Beklagten im Hinblick auf den Betriebsübergang vom 1. September 2007 vertrauensbegründenden Form über ihr Arbeitsverhältnis disponiert. Zwar habe die Klägerin dem zeitlich nachfolgenden zweiten Betriebsübergang widersprochen und hierdurch einen erneuten Arbeitgeberwechsel verhindert. Hieraus habe aber die Beklagte nicht den Schluss ziehen dürfen, die Klägerin bestätige den Bestand des Arbeitsverhältnisses mit der [X.] und verzichte endgültig auf die arbeitsvertragliche Bindung zu der Beklagten. Auch die widerspruchslose Weiterarbeit der Klägerin ab dem 1. September 2008 (richtig wohl: 1. September 2007) bei der [X.] begründe keine [X.]erwirkung des Widerspruchsrechts.

II. Die Ausführungen des [X.]s halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Unterrichtung der Klägerin durch das Schreiben der [X.] vom 26. Juli 2007 über den am 1. September 2007 erfolgenden Betriebsübergang von der Beklagten auf die [X.] nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entspricht, so dass der Widerspruch der Klägerin vom 28. April 2008 nicht verspätet war.

Hierbei durfte das [X.] offenlassen, ob die Unterrichtung über die weitere Anwendbarkeit bestimmter kollektivrechtlicher Regelungen beim [X.] zutreffend ist. Das [X.] hat nämlich zu Recht festgestellt, dass die Unterrichtung zumindest hinsichtlich des [X.] des § 613a Abs. 2 BGB, insbesondere der gesamtschuldnerischen Nachhaftung rechtsfehlerhaft ist.

a) Nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB hat der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und [X.] Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer in Textform zu unterrichten. Die Unterrichtung muss präzise sein und darf keine juristischen Fehler enthalten ([X.] 20. März 2008 - 8 [X.], 1354).

Zu der erforderlichen Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs für den Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB gehört ua. der Hinweis auf das Haftungssystem, welches sich aus dem Zusammenspiel der Regelungen in § 613a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB ergibt. Die gebotene Information beinhaltet auch die Darstellung der begrenzten gesamtschuldnerischen Nachhaftung gemäß § 613a Abs. 2 BGB. Hiernach haftet der bisherige Arbeitgeber gesamtschuldnerisch mit dem neuen Inhaber für [X.]erpflichtungen nach § 613a Abs. 1 BGB, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach dem Übergang fällig werden. Werden solche entstandenen [X.]erpflichtungen erst nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie nur zeitanteilig.

Nur die vollständige Darstellung des [X.] versetzt die Arbeitnehmer in die Lage, gegebenenfalls näheren Rechtsrat einzuholen, wer in welchem Umfang für welche Ansprüche haftet ([X.] 23. Juli 2009 - 8 [X.] - [X.]E 131, 258 = AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114).

b) Dieses Haftungssystem wird im Unterrichtungsschreiben vom 26. Juli 2007 nicht zutreffend wiedergegeben. Während in Ziffer [X.] des Schreibens der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die [X.] als neue Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs mit allen Rechten und Pflichten aufgezeigt wird, heißt es in Ziffer [X.]: „Die [X.] haftet auch für Ansprüche aus Ihrem Arbeitsverhältnis, die Ihnen vor dem Betriebsübergang gegen die [X.] zustanden“. Ziffer [X.] des Unterrichtungsschreibens bringt zum Ausdruck, dass Ansprüche der übergehenden Arbeitnehmer, die vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstanden sind, ab diesem Zeitpunkt gegenüber der [X.] bestehen. Ob für solche Ansprüche neben der [X.] auch die Beklagte haftet, ergibt sich aus Ziffer [X.] nicht. Diese Frage wird auch durch Ziffer [X.] des Unterrichtungsschreibens nicht ausdrücklich beantwortet. Aus der Formulierung wird nicht klar, ob die Beklagte aus der Haftung ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs ausscheidet, da die [X.] „auch“ für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis haftet, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind. Entscheidende Bedeutung in der gewählten Formulierung besitzt das Wort „auch“. „Auch“ kann einerseits eine Haftung neben der Beklagten ausdrücken (nicht nur die Beklagte haftet, sondern auch die [X.]). Andererseits kann „auch“ stattdessen zum Ausdruck bringen, dass die [X.] nicht nur für Ansprüche ab dem Betriebsübergang, sondern auch für ältere Ansprüche (unbeschränkt) haftet.

Allein wegen dieser unklaren und missverständlichen Formulierung ist die Unterrichtung nicht vollständig. Hinzu kommt, dass daneben jeglicher Hinweis auf die Begrenzung der Haftung der Beklagten nach § 613a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB fehlt. Ebenso wenig wird auf die Tatsache einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten und der [X.] hingewiesen.

c) Diese unzureichende Unterrichtung wird auch nicht dadurch vervollständigt und zutreffend, dass dem Unterrichtungsschreiben der Gesetzeswortlaut des § 613a BGB beigefügt ist. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts genügt den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB nicht. Erforderlich ist eine konkrete betriebsbezogene Darstellung in einer auch für juristische Laien möglichst verständlichen Sprache ([X.] 14. Dezember 2006 - 8 [X.] 763/05 - AP BGB § 613a Nr. 318 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 63).

d) Mangels ordnungsgemäßer Unterrichtung ist die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB mit Zugang der Unterrichtung im Juli 2007 nicht in Lauf gesetzt worden (st. Rspr., [X.] 20. Mai 2010 - 8 [X.] 734/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 119).

2. Die Klägerin hatte im Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchs ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt.

a) Die [X.]erwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem [X.]ertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner [X.]erpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, er wolle sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass der [X.]erpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des [X.]ertrauensschutzes auf Seiten des [X.]erpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

Nach der Rechtsprechung des Senats kann das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers (§ 613a Abs. 6 BGB) verwirken (vgl. [X.] 12. November 2009 - 8 [X.] 751/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 12).

b) Dem [X.] ist dahin zu folgen, dass es vorliegend dahinstehen kann, ob das für das [X.]orliegen einer [X.]erwirkung erforderliche Zeitmoment erfüllt ist. Die Klägerin hat jedenfalls kein Umstandsmoment verwirklicht.

c) Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines [X.]erhaltens des Arbeitnehmers davon ausgehen durfte, der Widerspruch werde nicht mehr ausgeübt. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer zu erkennen gegeben hat, er habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den [X.] und diesen damit als seinen neuen Arbeitgeber akzeptiert. Regelmäßig ist dies anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem [X.] disponiert hat ([X.] 23. Juli 2009 - 8 [X.] 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113). Eine solche Disposition über ihr Arbeitsverhältnis hat die Klägerin nicht getroffen.

aa) Weder die widerspruchslose Weiterarbeit des Arbeitnehmers beim [X.] ([X.] 2. April 2009 - 8 [X.] 318/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 8) noch etwaige [X.]ereinbarungen mit dem [X.], durch die einzelne Arbeitsbedingungen, etwa die Art und der Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung oder die Höhe der Arbeitsvergütung, geändert werden, stellen Sachverhalte dar, durch die das Umstandsmoment der [X.]erwirkung ausgelöst ist. Im Gegensatz hierzu begründen Dispositionen des Arbeitnehmers über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses an sich das für die Annahme einer [X.]erwirkung erforderliche Umstandsmoment. Als Dispositionen über den Bestand des Arbeitsverhältnisses sind nur solche [X.]ereinbarungen oder [X.]erhaltensweisen des Arbeitnehmers anzusehen, durch die es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt. Dies können insbesondere der Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung mit dem [X.] oder die widerspruchslose Hinnahme einer vom [X.] ausgesprochenen Kündigung sein. Auch eine [X.]ereinbarung mit dem [X.], durch die das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt wird, die nicht mehr als Fortführung des bisherigen [X.]ertrags angesehen werden kann, stellt eine Disposition über das Arbeitsverhältnis dar (zB die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses; vgl. [X.] 23. Juli 2009 - 8 [X.] 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).

Kein Umstandsmoment begründet hingegen die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen eine vom Erwerber ausgesprochene Kündigung (vgl. [X.] 2. April 2009 - 8 [X.] 178/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 9).

bb) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, unterliegt grundsätzlich den [X.], die den ihnen zur Begründung des [X.]erwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Gericht der Tatsacheninstanz alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird ([X.] 20. Mai 2010 - 8 [X.] 734/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 119). Dies ist vorliegend der Fall.

Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, die Klägerin habe mit dem Widerspruch vom 13. Februar 2008 hinsichtlich des Betriebsübergangs von der [X.] auf die A nicht über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses disponiert und daher ihr Recht zum Widerspruch am 28. April 2008 nicht verwirkt gehabt. Zutreffend stellt das [X.] darauf ab, dass die Beklagte aus dem Widerspruch vom 13. Februar 2008 nicht den Schluss ziehen durfte, die Klägerin bestätige mit diesem den Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der [X.] und verzichte endgültig auf eine arbeitsvertragliche Bindung zu der Beklagten. Die Klägerin ist mit ihrem Widerspruch lediglich einer (weiteren) Änderung ihres [X.]ertragspartners entgegengetreten, ohne hiermit eine Disposition oder Aussage über den [X.]ertragspartner sowie den Inhalt und den Bestand ihres zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisses zu treffen. Sie hat nicht erklärt: „Ich will bei der [X.] bleiben“, sondern: „Ich will nicht zur A wechseln“.

Widerspricht der Arbeitnehmer (zunächst) dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge eines „Zweit-Betriebsübergangs“, ist dies dem Fall vergleichbar, in welchem der Arbeitnehmer zunächst, dh. vor Erklärung des Widerspruchs, gegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den [X.] Kündigungsschutzklage erhebt. In beiden Fallgestaltungen erklärt der Arbeitnehmer lediglich gegenüber dem [X.], dass er einer Beendigung der aktuell bestehenden Arbeitsvertragsbeziehung entgegentritt. Einen weitergehenden Erklärungswert enthält grundsätzlich weder die Erhebung einer Kündigungsschutzklage noch der Widerspruch hinsichtlich eines Zweit-Betriebsübergangs.

3. Die Entscheidung des [X.]s ist auch nicht deshalb revisionsrechtlich zu beanstanden, weil es sich - wie die Revision rügt - mit dem Wortlaut des [X.]s der Klägerin vom 13. Februar 2008 nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat. Das Berufungsgericht hat dieses Schreiben dahingehend ausgelegt, dass die Beklagte aus ihm nicht den Schluss ziehen durfte, die Klägerin bestätige durch das Schreiben den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses mit der [X.] und verzichte endgültig auf die arbeitsvertragliche Bindung zu der Beklagten.

Die Auslegung einer nichttypischen Erklärung, als welche sich das [X.] der Klägerin vom 13. Februar 2008 darstellt, ist regelmäßig den [X.] vorbehalten. [X.] nachprüfbar ist lediglich, ob gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Tatsachenstoff, der für die Auslegung von Bedeutung ist, außer Betracht gelassen worden ist (st. Rspr., vgl. [X.] 20. Februar 2001 - 9 [X.] 46/00 - AP T[X.]G § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 11 = EzA T[X.]G § 4 Ausschlussfristen Nr. 139). Dass dem [X.] bei der Auslegung des [X.]s solche Rechtsfehler unterlaufen sind, ist nicht ersichtlich.

4. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Umfug    

        

    Brückmann    

                 

Meta

8 AZR 18/10

26.05.2011

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Chemnitz, 15. Dezember 2008, Az: 10 Ca 1407/08, Urteil

§ 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 2 BGB, § 613a Abs 5 Nr 3 BGB, § 613a Abs 6 S 1 BGB, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.05.2011, Az. 8 AZR 18/10 (REWIS RS 2011, 6222)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6222

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