Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2019, Az. V ZR 1/18

V. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 3104

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[X.]:[X.]:[X.]:2019:270919UVZR1.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
V ZR
1/18

Verkündet am:

27. September 2019

Weschenfelder

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 2. September 2019 durch
die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterin Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, den Richter Dr.
Kazele, die Richterin [X.] und den Richter Dr.
Hamdorf

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der [X.] des [X.] vom 1. Dezember 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungs-gericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der klagende eingetragene Verein ist Eigentümer einer Straße, die 2008 zu [X.] ausgebaut wurde und an der weit über 100 Grund-stücke einer Wohnsiedlung anliegen. Eigentümer eines dieser Grundstücke ist der Beklagte. Das [X.] wurde mit einer Vielzahl von Grund-dienstbarkeiten (Geh-, Fahr-
und Leitungsrechte) zugunsten der jeweiligen Ei-gentümer der [X.], darunter auch das Grundstück des [X.], belastet. Der Kläger vereinbarte mit einzelnen Anliegern die Bestellung [X.] zur Sicherung der Unterhaltungs-
und Instandsetzungskosten, mit 1
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anderen schloss er schriftliche Vereinbarungen über die Kostenbeteiligung ab. Der Beklagte, der sich bis einschließlich 2010 an den Unterhaltungskosten [X.], unterzeichnete eine entsprechende Vereinbarung nicht.

Ende 2011 schloss der Kläger mit einer [X.] einen Vertrag über die Verwaltung des Vereinsgeländes nebst der [X.]. Die Vereinbarung wurde rückwirkend zum 1. Januar 2015 durch ei-nen Vertrag über die Verwaltung der [X.] und der Mitgliederbeiträge ersetzt.

Der Kläger hat von dem Beklagten auf der Grundlage von Abrechnungen die Zahlung anteiliger Kosten für die Jahre 2011 bis 2014 in Höhe von [X.] hat er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten erreichen wollen, sich auch künftig an den notwendigen Kosten für die Unterhaltung und Verwal-tung der Straße zu beteiligen. Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 642,37

der Wartung und Reinigung, des Stromverbrauchs der Hebeanlage, der Schnee-
und Eisbeseitigung sowie des Stromverbrauchs der Straßenbeleuch-tung entsprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Im Berufungsver-fahren haben die Parteien einen Teilvergleich geschlossen; streitig bleiben da-nach die Kosten der Haftpflichtversicherung, der von dem Kläger beauftragten Verwaltung und der Kontoführung. Der Kläger hat zuletzt auch Zahlung der an-teiligen Kostenpositionen für die [X.] und 2016 verlangt. Das [X.] hat bezüglich der noch streitigen Positionen die Berufung des [X.] zu-rückgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zu-rückweisung der Beklagte beantragt, will der Kläger die Verurteilung des [X.] zur Zahlung der anteiligen noch streitigen Kosten für die Jahre 2012 bis 2
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2016 in Höhe von insgesamt 608,15

der
Beklagte auch ab dem [X.] verpflichtet ist, die noch streitigen [X.] anteilig zu tragen.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien über die anteilige Kostentragung nicht zustande [X.]. Selbst wenn es den Entwurf einer entsprechenden Abrede gegeben haben sollte, sei dieser jedenfalls nicht unterzeichnet worden. Gegen die An-nahme eines Vertragsschlusses spreche bereits die in § 154 Abs. 2 BGB ent-haltene [X.]. Allein der Umstand, dass der Beklagte Teilzahlungen an den Kläger geleistet habe, rechtfertige nicht die Annahme eines Vertrags-schlusses, zumal der Beklagte den ihm übersandten Abrechnungen widerspro-chen habe.

Ein Zahlungsanspruch des [X.] ergebe sich auch nicht nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Zwar sei dem Beklagten ein Geh-, Fahr-
und Leitungsrecht bestellt worden, so dass ihn nach § 1020 Satz 2 BGB die Verpflichtung treffe, die auf dem Grundstück gehaltene Anlage in [X.] Zustand zu unterhalten. Die abgeschlossene [X.] diene aber nicht der Unterhaltung der Anlage oder der Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten, sondern allein dem Interesse des [X.] als Ei-gentümer der Straße im Fall einer möglichen Haftung gegenüber Dritten und damit seiner finanziellen Absicherung im Schadensfall. Auch seien weder die 4
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Verwaltungskosten noch die Kontoführungsgebühren Kosten, die der [X.] der Anlage dienten. Dies ergebe sich, soweit es die [X.] bis einschließlich 2014 betreffe, aus dem Leistungskatalog in § 3 Abs. 1 des zunächst abge-schlossenen [X.]. Dessen Gegenstand betreffe in weiten [X.] vereinsinterne Angelegenheiten und Aufgaben. Er diene daher allein der Wahrnehmung von Interessen des
[X.]. Selbst wenn die Übertragung von Verwaltungsaufgaben als Wahrnehmung der Pflichten nach § 1020 Satz 2 BGB verstanden würde, entspreche die Einschaltung eines Verwalters nicht dem Wil-len des Beklagten. Er habe mit seinen Widersprüchen gegen die Abrechnungen zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem Abschluss des [X.] nicht einverstanden sei. Zwar sei ein entgegenstehender Wille des Geschäfts-herrn in den Fällen des § 679 BGB unbeachtlich. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung lägen
hier aber nicht vor.

II.

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit der gegebenen [X.] kann ein Anspruch des [X.] gegen den Beklagten auf anteilige Tra-gung der noch zwischen den Parteien streitigen Kosten nicht verneint werden.

1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass zwischen den Parteien keine Vereinbarung über die anteilige Tragung dieser Kosten zustande gekommen ist, weil der schriftliche Vertrag von dem Beklagten nicht unterzeichnet worden ist.

a) [X.] führt nach der Ausle-gungsregel des § 154 Abs. 2 BGB, die auch auf die Errichtung einer privat-6
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schriftlichen Urkunde Anwendung findet (vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 2008

[X.], [X.], 433 Rn. 27; Urteil vom 15. September 2009

X
ZR
115/05, [X.], 322, 326), im Zweifel zum Scheitern des Vertrags-schlusses. Die [X.] greift allerdings nicht ein, wenn die [X.] für die Parteien keine konstitutive Bedeutung hat, der Vertragsschluss also nicht mit der vorgesehenen Form steht und fällt. An einer konstitutiven Be-deutung fehlt es etwa dann, wenn die Vertragsurkunde nur Beweiszwecken dienen soll. Voraussetzung ist insoweit die Feststellung ausreichender Anhalts-punkte. Auch wenn die Parteien den noch nicht unterzeichneten Vertrag einver-nehmlich in Vollzug setzen, können sie damit zu erkennen geben, dass der [X.] wirksam werden soll (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2019 -
V [X.], NJW 2019, 2615 Rn.
8 mwN).

b) Nach diesen Maßstäben ist die tatrichterliche Würdigung des [X.] nicht zu beanstanden. Feststellungen, die die Schlussfolgerung zulassen, dass der Vertragsurkunde keine konstitutive Bedeutung zukommen sollte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die Revision zeigt auch keinen Vortrag auf, der in dieser Hinsicht Anhaltspunkte liefert. Ohne Erfolg verweist sie ferner darauf, dass der [X.] in Vollzug gesetzt worden sei. Zwar ist zugunsten des Grundstücks des Beklagten eine Grunddienstbar-keit in das Grundbuch eingetragen worden. Dies führt auch unter Berücksichti-gung des Umstandes, dass sich der Beklagte bis einschließlich 2010 entspre-chend der nicht unterzeichneten Vereinbarung an den Kosten beteiligt hat, aber nicht zur Annahme eines gleichwohl erfolgten Vertragsschlusses.

2. Die Kostentragungspflicht des Beklagten ergibt sich jedoch aus einer entsprechenden Anwendung von
§ 745 Abs. 2, §§ 748, 742 BGB.

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a) Sind die Berechtigten einer Grunddienstbarkeit und der Eigentümer des dienenden Grundstücks zur gleichberechtigten Mitbenutzung des Grund-stücks befugt, können sie voneinander in entsprechender Anwendung von §
745 Abs. 2 BGB eine Regelung verlangen, dass die Unterhaltungspflicht für die der Ausübung der Dienstbarkeit dienenden Anlagen einheitlich wahrge-nommen wird, wenn anders eine geordnete und sachgerechte Erfüllung dieser Pflicht nicht gewährleistet ist. Die Kosten für die einheitliche Wahrnehmung der Unterhaltungspflicht tragen in einem solchen Fall entsprechend §§ 748, 742 BGB anteilig die [X.] und der mitnutzungsberechtigte Grundstückseigentümer (vgl. näher [X.], Urteil vom 8. März 2019

V
ZR
343/17, NJW 2019, 2615 Rn.
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f., 14
f.).

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Beklagte gegenüber dem Kläger entsprechend §§ 748, 742 BGB zur anteiligen Tragung der Kosten verpflichtet, weil die Wahrnehmung der Unterhaltungspflichten für die Anlagen durch ihn entsprechend § 745 Abs. 2 BGB billigem Ermessen entspricht.

aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht von einer Unterhaltungspflicht des Beklagten nach § 1020 Satz 2 BGB aus. Rechtsfehlerfrei nimmt es an, dass es sich bei der Straße und den in ihr befindlichen Leitungen um Anlagen im Sinne von § 1020 Satz 2 BGB handelt. Auch steht die Mitbenutzung durch [X.] nicht entgegen (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2019 -
V
[X.], NJW 2019, 2615 Rn. 17 mwN).

bb) Die einheitliche Wahrnehmung der Unterhaltungspflicht durch eine Person entspricht im vorliegenden Fall billigem Ermessen. Die Straße und die in ihr verlegten Leitungen dienen der Erschließung einer Wohnsiedlung und wei-11
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sen eine erhebliche räumliche Ausdehnung aus. Ihnen kommt zudem eine we-sentliche funktionale Bedeutung für die Erschließung der Wohnsiedlung zu. An-gesichts der weit über 100 [X.] bedarf daher die Erfül-lung der Unterhaltungspflicht einer einheitlichen Regelung. Nur durch sie kann sichergestellt werden, dass die Unterhaltungspflichten durch ein koordiniertes Vorgehen ordnungsgemäß und effektiv erfüllt werden.

cc) Auch kann der klagende Verein auf der Grundlage seines revisions-rechtlich zu unterstellenden Vortrages verlangen, dass die [X.] allein durch ihn erbracht werden. Danach hat der Kläger die [X.] für die Anlagen, zu deren Nutzung die [X.] be-fugt sind, seit ihrer Erstellung wahrgenommen. Nach der Bestellung der Grund-dienstbarkeiten ist diese Praxis fortgesetzt worden. Das Zustandekommen einer Vereinbarung scheiterte nicht daran, dass der Kläger die Unterhaltungspflichten wahrnimmt, sondern an Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Umfangs und der Höhe der umgelegten Kosten. Der Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass die Erfüllung der Unterhaltungspflichten durch den Kläger nicht sachge-recht ist oder nicht ordnungsgemäß erfolgt. Daher ist davon auszugehen, dass es auch unter Berücksichtigung der Interessen der [X.] jedenfalls bislang billigem Ermessen entspricht, dass der klagende Verein de-ren Unterhaltungspflichten wahrnimmt.

dd) Der Kläger kann von dem Beklagten dem Grunde nach die anteilige Tragung der Vergütung der beauftragten [X.], der Kosten des Girokontos und der Haftpflichtversicherung verlangen (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2019 -
V
[X.], NJW 2019, 2615 Rn. 21 f.).

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III.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben; es ist [X.] (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entschei-den, weil noch Feststellungen zur Höhe der Kostentragungspflicht zu treffen sind. Mangels Entscheidungsreife ist die Sache daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der [X.] weist für die weitere Sachbehandlung auf Folgendes hin:

1. In Bezug auf die Kosten der von dem Kläger beauftragten [X.] können nur Kosten für Tätigkeiten umgelegt werden, die im Zusammenhang mit den Unterhaltungspflichten erforderlich
sind. Die Verwaltung von Grundstücken, die nicht mit Grunddienstbarkeiten belastet sind, oder von Vermögenswerten, die nicht im Zusammenhang mit der [X.]spflicht stehen, fällt nicht hierunter. Dies gilt auch für Mitgliedsbeiträge, es sei denn, diese werden für die Unterhaltungspflicht der Straße verwandt.

2. Die Kosten für die Führung des Girokontos sind anteilig nur erstat-tungsfähig, wenn dieses ausschließlich für die Abwicklung von Zahlungen ge-nutzt wird, die mit den Unterhaltungspflichten in Zusammenhang stehen.
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3. Die Kosten der Haftpflichtversicherung sind nur dann anteilig von dem Beklagten zu tragen, wenn sie das Risiko der Verletzung von Unterhaltungs-
und Verkehrssicherungspflichten durch den klagenden Verein abdeckt und [X.] im Ergebnis auch die [X.] schützt. Hingegen besteht eine anteilige Kostentragungspflicht nicht, soweit die Haftpflichtversicherung Risiken erfasst, die mit den Pflichten der [X.] nicht in Zusammenhang stehen.

[X.] Schmidt-Räntsch Kazele

[X.] Hamdorf
Vorinstanzen:
[X.][X.], Entscheidung vom 24.02.2016 -
2 [X.]/15 -

LG [X.], Entscheidung vom 01.12.2017 -
55 [X.]/16 -

20

Meta

V ZR 1/18

27.09.2019

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2019, Az. V ZR 1/18 (REWIS RS 2019, 3104)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3104

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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