Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.01.2015, Az. VII R 35/12

7. Senat | REWIS RS 2015, 17308

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Gegenstand

Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck ("dual use")


Leitsatz

Wird ein Energieerzeugnis im Rahmen eines Herstellungsprozesses nicht nur als Heizstoff verwendet, sondern sind dessen Verbrennungsgase darüber hinaus zum Abschluss des Herstellungsprozesses erforderlich, liegt ein zweierlei Verwendungszweck i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG vor, ohne dass es auf eine Rangfolge der Verwendungszwecke oder ein (zusätzliches) Wesentlichkeitserfordernis ankommt (Modifizierung des Senatsurteils vom 28. Oktober 2008 VII R 6/08, BFHE 223, 280, ZfZ 2009, 77 unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 2. Oktober 2014 C-426/12, ZfZ 2014, 308).

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 4. September 2012  6 K 2297/09 Z wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat das Hauptzollamt zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Unternehmen zur Herstellung von Phosphaten. Sie stellte für drei Produktionsprozesse in einem Reaktor, einem Drehrohr und einem Schmelzofen einen Antrag auf Entlastung von der Energiesteuer nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d des [X.] ([X.]) für die Monate Oktober bis Dezember 2008. Diesen Produktionsprozessen liegt jeweils folgendes Verfahren zur Herstellung von [X.] zugrunde:

2

Eine alkalische Phosphatlösung ("[X.]") erhält direkten Kontakt mit der Flamme eines Erdgasbrenners und dessen heißen [X.]. Hierdurch tritt eine chemische Reaktion ein, bei der die eingesetzte Phosphatlösung in die gewünschten Produkte (verschiedene Phosphattypen) umgewandelt wird (Kondensation). Die restliche Natronlauge wird mit Hilfe des in den [X.] enthaltenen Kohlendioxids aus dem Produkt entfernt (Neutralisation). Dabei entstehen Natriumcarbonate.

3

Mit Bescheid vom 19. Januar 2009 lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --[X.]--) den Antrag der Klägerin ab, weil kein weiterer Verwendungszweck als ein Verheizen i.S. des § 2 Abs. 6 [X.] erkennbar sei. Das [X.] bestätigte diese Auffassung in der Einspruchsentscheidung vom 31. August 2009. Zur Begründung verwies es insbesondere auf die Grundsätze des [X.] vom 28. Oktober 2008 VII R 6/08 ([X.], 280, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --[X.]-- 2009, 77). Danach setze eine gleichzeitige Verwendung zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken als als Heiz- oder Kraftstoff nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] voraus, dass die Erzeugung thermischer Energie in den Hintergrund trete und das Energieerzeugnis im Rahmen eines industriellen Prozesses oder Verfahrens zugleich als Roh-, Grund- oder Hilfsstoff eingesetzt werde.

4

Mit Urteil vom 4. September 2012  6 K 2297/09 Z ([X.] 2013, Beilage Nr. 1, 12) hob das [X.] ([X.]) den Ablehnungsbescheid vom 19. Januar 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. August 2009 auf und verpflichtete das [X.], die beantragte Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] zu gewähren.

5

Zwar erfülle die Klägerin nicht die vom [X.] ([X.]) festgelegten Voraussetzungen für eine Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.], da die Erzeugung der prozessnotwendigen Energie durch Verbrennen des Erdgases unstreitig keine sekundäre Verwendung darstelle und das Erdgas --ebenfalls unstreitig-- nicht unmittelbar als Grund- oder Hilfsstoff in das Endprodukt eingehe. Allerdings lasse sich weder aus dem [X.] noch aus der zugrunde liegenden Richtlinie 2003/96/[X.] vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen [X.] zur Besteuerung von [X.] und elektrischem Strom --EnergieStRL-- ([X.] Nr. L 283/51) eine Rangfolge bzw. Wertigkeit der Verwendungszwecke ableiten. Vielmehr sei der Begriff "gleichzeitig" in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] im Sinne von "zugleich" bzw. "auch" ohne Vorgabe einer Rangfolge oder Wertigkeit zu verstehen. Dies werde durch die Überlegung bestätigt, dass die Norm bei einer Auslegung im Sinne von "zeitgleich" ins Leere liefe. Da das Erdgas durch das Verbrennen nicht mehr in seiner ursprünglichen Form existiere, könne es nicht zeitgleich als Roh-, Grund- oder Hilfsstoff eingesetzt werden. Darüber hinaus sei es für eine Verwendung zu anderen Zwecken nicht erforderlich, dass das Erdgas in seiner ursprünglichen Form in das Endprodukt eingehe. Vielmehr sei es ausreichend, dass ein aus dem Energieerzeugnis stammender Stoff für den weiteren Produktionsprozess eingesetzt werde. Ein ausschließliches Verheizen im Sinne des [X.] liege im Ergebnis nur dann vor, wenn weder das Energieerzeugnis selbst noch ein Bestandteil daraus in das Endprodukt eingehe bzw. zur Herstellung des Endprodukts zwingend erforderlich sei.

6

Mit seiner Revision macht das [X.] geltend, dass die vom [X.] entwickelten Voraussetzungen für eine Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] zutreffend seien. Ausgehend von einem verwendungsorientierten Besteuerungsgebot sei davon auszugehen, dass der Richtliniengeber eine Besteuerung von [X.] immer dann erreichen wolle, wenn sie ausschließlich oder hauptsächlich zu Heizzwecken eingesetzt würden. Dies folge auch aus Rz 4 der Entscheidung der [X.] vom 7. Februar 2007 über die "[X.] – [X.]". Dort werde ausgeführt, dass die Verwendung zu anderen Zwecken als Heiz- oder Kraftstoff einen wesentlichen Teil der von der Steuer zu befreienden Verwendung ausmachen müsse, um eine steuerfreie Verwendung für zweierlei Zwecke annehmen zu können. Im Streitfall mache die Verwendung des Erdgases zu anderen Zwecken als als Heiz- oder Kraftstoff aber weder den überwiegenden noch einen wesentlichen Teil aus. Stattdessen stehe klar die Erzeugung thermischer Energie im Vordergrund. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der im Erdgas enthaltene Kohlenstoff nach den Feststellungen des [X.] lediglich in Form des durch die Verbrennung entstehenden Kohlendioxids zur Neutralisation des Restgehalts an Natronlauge diene. Auch wenn das [X.] keine Feststellungen zum Umfang der verbleibenden Natronlauge getroffen habe, sei dieser Neutralisationsprozess gegenüber der eigentlichen Phosphatherstellung von nachrangiger Bedeutung.

7

Des Weiteren laufe § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] auch bei einer Auslegung des Begriffes "gleichzeitig" im Sinne von "zeitgleich" nicht ins Leere. Dieses Kriterium werde beispielsweise bei der Herstellung von technischen Rußen im Furnaceruß-Verfahren und bei der Rückgewinnung von Chlorwasserstoff erfüllt. Im Übrigen stehe die Auffassung des [X.] nicht nur im Widerspruch zum Senatsurteil in [X.], 280, [X.] 2009, 77, sondern auch zu mehreren Folgeentscheidungen (Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 VII R 50/09, [X.]E 231, 443, [X.] 2011, 23; Urteil des Hessischen [X.] vom 26. Februar 2009  7 K 2900/07, nicht veröffentlicht --n.v.--; Urteil des [X.] München vom 28. Juni 2012  14 K 2235/09, n.v.).

8

Die Klägerin schließt sich der Begründung des [X.] an und macht geltend, dass das Erdgas "gleichzeitig" auch "zu anderen Zwecken" als Heizstoff verwendet werde. Denn das Erdgas werde in einem einheitlichen Verwendungsvorgang sowohl als Heizstoff als auch als Roh-, Grund- oder Hilfsstoff eingesetzt. Dabei reiche es aus, dass die Bestandteile des Erdgases zur Herstellung des Endprodukts zwingend erforderlich seien. Weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des [X.] gebe es Anhaltspunkte, dass das Energieerzeugnis als solches direkt in das Endprodukt eingehen müsse.

9

Dass darüber hinaus die Nutzung thermischer Energie gegenüber dem anderen Zweck in den Hintergrund treten müsse, könne weder aus dem [X.] noch aus der EnergieStRL hergeleitet werden. Eine entsprechende Regelung habe es lediglich in § 17 Abs. 11 der [X.] ([X.]) gegeben. Diese Regelung sei mittlerweile aufgehoben und weder in das [X.] noch in die EnergieStRL übernommen worden. Außerdem seien keine Maßstäbe für die Gewichtung der Verwendungszwecke erkennbar. Das angefochtene Urteil stehe des Weiteren nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung, die im [X.] an das Senatsurteil in [X.], 280, [X.] 2009, 77 ergangen sei. Die vom [X.] zitierten Urteile beträfen die bloße Befeuerung einer Anlage und unterschieden sich dadurch deutlich von der Vorentscheidung.

Im Übrigen stelle sich die Vorentscheidung aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der [X.]sordnung --[X.]O--). Denn der aus dem Erdgas stammende Kohlenstoff sei nach den Feststellungen des [X.] für die Herstellung des Endprodukts zwingend erforderlich. Für die Behauptung des [X.], der [X.] habe nur nachrangige Bedeutung, fänden sich in den tatsächlichen Feststellungen des [X.] keine Anhaltspunkte.

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 17. Dezember 2013 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) in der Rechtssache [X.]/12 ausgesetzt. Dieses Verfahren endete mit dem Urteil vom 2. Oktober 2014 ([X.] 2014, 308).

Auch wenn der [X.] in diesem Urteil für die Erzeugung von Zucker aus Zuckerrüben eine Verwendung der eingesetzten Kohle zu zweierlei Zwecken bejahte, sieht sich das [X.] in seiner Auffassung bestätigt. Der [X.] habe darauf abgestellt, dass das für die Herstellung von Zucker benötigte Kalkofengas nur durch die Verbrennung des eingesetzten Energieerzeugnisses erzeugt werden könne. Im Streitfall könnte das Erdgas dagegen auch durch Butan oder Propan ersetzt werden. Außerdem werde das durch die Verbrennung des Erdgases entstandene Kohlendioxid nur zu einem sehr geringen Teil für die Neutralisation benötigt, während das zur Zuckerherstellung benötigte Kalkofengas zu 40 % aus Kohlendioxid bestehe und 88 % des Kalkofengases zur Neutralisation verwendet werde. Darüber hinaus betont das [X.], der [X.] habe den Mitgliedstaaten eine engere Definition von zweierlei Verwendungszweck erlaubt. Damit seien die vom Senat in [X.], 280, [X.] 2009, 77 entwickelten Grundsätze weiterhin anwendbar.

Auch die Klägerin sieht ihre Auffassung durch das [X.]-Urteil bestätigt. Nach den Feststellungen des [X.] seien die Verbrennungsgase zur Durchführung des Produktionsprozesses erforderlich. Dass das Erdgas auch durch Butan oder Propan hätte ersetzt werden können, sei schon deshalb unschädlich, weil diese drei Energieerzeugnisse unter dieselbe Pos. 2711 der Kombinierten Nomenklatur ([X.]) fielen. Dagegen bezeichne der Oberbegriff "Kohle", auf den sich der [X.] in seinem Urteil beziehe, Stoffe der Pos. 2701, 2702 oder 2704 der [X.].

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 [X.]O). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf eine Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] zusteht.

Die Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] setzt unter anderem voraus, dass das [X.] "gleichzeitig zu [X.]eizzwecken und zu anderen Zwecken als [X.]eiz- oder Kraftstoff" verwendet worden ist (sog. "dual use" bzw. "zweierlei Verwendungszweck").

1. Der Begriff des [X.] wird in der für das Streitjahr geltenden Fassung des § 2 Abs. 6 [X.] (durch das Vierte Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen, BGBl I 2009, 1870 nunmehr § 1a Nr. 12 [X.]) näher erläutert. Danach ist Verheizen im Sinne des [X.] das Verbrennen von [X.] zur Erzeugung von Wärme. Nach der Rechtsprechung des [X.] in [X.], 280, [X.], 77 ist damit keine Änderung gegenüber der [X.]/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur [X.]armonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle ([X.]), geändert durch die [X.]/[X.] vom 22. Dezember 1994 ([X.]), eingetreten. Eine Verwendung zum Verheizen liegt deshalb immer dann vor, wenn [X.]se verbrannt werden und die so erzeugte thermische Energie zum [X.]eizen genutzt wird, und zwar unabhängig vom Zweck des [X.]eizens, der auch die Umwandlung oder Vernichtung des Stoffes umfassen kann, auf den die thermische Energie bei einem chemischen und industriellen Prozess übertragen wird ([X.]-Urteil vom 29. April 2004 C-240/01, [X.]. 2004, [X.], [X.], 231). Daran hat sich auch durch das [X.]-Urteil in [X.] 2014, 308 nichts geändert.

Vor diesem [X.]intergrund ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall --zumindest auch-- eine Verwendung des Erdgases zu [X.]eizzwecken vorliegt. Die Klägerin verbrennt das Erdgas, um thermische Energie zu erzeugen und damit die [X.] erforderlichen Temperaturen zu erreichen. Dass letztlich eine Umwandlung der eingesetzten Orthophosphate bezweckt wird, ist für den Begriff des [X.] im Sinne der für das Streitjahr geltenden Fassung des § 2 Abs. 6 [X.] unerheblich.

2. Im Streitfall ist auch die für die Steuerentlastung maßgebliche Voraussetzung der gleichzeitigen Verwendung des [X.] zu anderen Zwecken als als [X.]eiz- oder Kraftstoff erfüllt.

Eine nähere Bestimmung der Begriffe "gleichzeitig" und "zu anderen Zwecken" fehlt sowohl im [X.] als auch in der EnergieStRL. Im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 4 Buchst. [X.] hatte der Senat hierzu in [X.], 280, [X.], 77 entschieden, dass eine Begünstigung nur dann in Betracht komme, wenn die Erzeugung thermischer Energie in den [X.]intergrund trete und das [X.] im Rahmen eines industriellen Prozesses oder Verfahrens zugleich als Roh-, Grund- oder [X.]ilfsstoff eingesetzt werde (vgl. auch [X.]urteile vom 23. Februar 2010 VII R 34/09, [X.], 477, [X.] 2010, 194; in [X.], 443, [X.] 2011, 23).

Dagegen hat der [X.] in [X.] 2014, 308 für die Produktion von Zucker geurteilt, ein "zweierlei Verwendungszweck" liege vor, wenn in dem Produktionsprozess zum einen Kohle als [X.]eizstoff und zum anderen das bei der Verbrennung dieses [X.] entstehende Kohlendioxid verwendet werde, sofern feststehe, dass der Produktionsprozess nicht ohne den Einsatz dieses Kohlendioxids zu Ende geführt werden könne. Nicht ausreichend sei es, wenn ein Rückstand aus dem Produktionsprozess des Zuckers zur [X.]erstellung eines landwirtschaftlichen Düngemittels verwertet werde.

Der Senat schließt sich der Auffassung des [X.] an. Entgegen der Auffassung des [X.] folgt daraus eine Modifizierung der in [X.], 280, [X.], 77 vorgenommenen Bestimmung des Begriffs "zweierlei Verwendungszweck". Zwar hat der [X.] in [X.] 2014, 308 auch entschieden, dass ein Mitgliedstaat dem Begriff "zweierlei Verwendungszweck" in seinem innerstaatlichen Recht eine engere Bedeutung als in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b  2. Anstrich EnergieStRL beimessen darf. Die vom Senat in [X.], 280, [X.], 77 vorgenommene Auslegung stützte sich aber entscheidend auf eine richtlinienkonforme Auslegung, für die das Verständnis des [X.] zu Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 2. Anstrich EnergieStRL maßgebend ist.

a) Die Modifizierung betrifft insbesondere die Formulierung, dass die Erzeugung thermischer Energie in den [X.]intergrund treten müsse (zur Kritik vgl. [X.] in [X.]/[X.], Energiesteuern, § 51 [X.], Rz 25; [X.] in [X.]/[X.], [X.]/[X.], § 51 [X.], Rz 17; [X.] in [X.]/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, Rz [X.] 168; [X.], "[X.]" im Energiesteuerrecht, [X.], 57, 62; [X.], Richtlinienkonforme Auslegung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 [X.] schränkt dessen Anwendungsbereich stark ein, [X.] 2012, 117, 119; [X.]/[X.], Energiesteuern in der Praxis, S. 159). Abgesehen davon, dass diese Aussage in den bisherigen Entscheidungen des [X.] nicht entscheidungserheblich war und auch nicht in den Leitsätzen wiedergegeben worden ist, lässt sich ein solches Kriterium weder aus der EnergieStRL noch aus den nationalen Vorschriften ableiten.

Der [X.] hat in [X.] 2014, 308 für die Auslegung des Begriffs "zweierlei Verwendungszweck" in der EnergieStRL allein darauf abgestellt, dass der Produktionsprozess ohne den Einsatz der Verbrennungsprodukte des [X.] nicht zu Ende geführt werden kann. Daraus lässt sich weder eine Rangfolge der Zwecke noch die (zusätzliche) Voraussetzung einer wesentlichen Verwendung der Verbrennungsprodukte herleiten. Zwar hat der [X.] im Sachverhalt ausgeführt, zu welchem Prozentsatz das bei der Zuckerherstellung erforderliche Kalkofengas aus Kohlendioxid besteht und in welchem Umfang dieses Kohlendioxid bei der [X.] verwendet wird. In den Entscheidungsgründen ist der [X.] aber nicht näher auf diese Angaben eingegangen. Vielmehr kam es dem [X.] (nur) darauf an, ob die Verbrennungsprodukte für den Abschluss des Produktionsprozesses erforderlich sind.

Entgegen der Auffassung des [X.] war es für den [X.] in [X.] 2014, 308 auch nicht maßgeblich, ob die für die weitere Produktion erforderlichen Verbrennungsprodukte ausschließlich durch die Verbrennung eines bestimmten [X.] entstehen konnten. Insofern weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass nach der zugrunde liegenden Vorlagefrage zur [X.]erstellung des Kalkofengases verschiedene Kohlearten der [X.]. 2701, 2702 und 2704 [X.] in der am 1. Januar 2002 geltenden Fassung (§ 1a Nr. 2 [X.]) in Betracht kamen. Dagegen fallen Erdgas sowie Butan und Propan unter dieselbe [X.]. 2711 [X.]. Die maßgeblichen Aussagen in Rz 24 f. des [X.]-Urteils, auf die sich das [X.] beruft, sind deshalb so zu verstehen, dass es ausreicht, wenn in einem [X.]erstellungsverfahren allein das eingesetzte [X.] in der Lage ist, einen zur Fertigstellung des Produkts erforderlichen Stoff (im Streitfall Kohlendioxid) zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen hat der [X.] die fraglichen Formulierungen in Rz 24 f. des Urteils nicht in die konkreten Antworten auf die Vorlagefragen übernommen, sondern dort allgemein auf die Erforderlichkeit von Kohlendioxid für den Abschluss der Zuckerherstellung abgestellt.

Auch aus den nationalen Vorschriften lassen sich weder eine Rangfolge der Zwecke noch die (zusätzliche) Voraussetzung einer wesentlichen Verwendung des erzeugten Kohlendioxids ableiten. [X.]ierfür spricht insbesondere die historische Rechtsentwicklung in Zusammenhang mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck. Nach der alten Rechtslage forderte § 17 Abs. 11 [X.] unter anderem eine überwiegende Verwendung zu anderen Zwecken als als [X.]eiz- oder Kraftstoff, um eine Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 des Mineralölsteuergesetzes ([X.]) zu erreichen. Eine mit § 4 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vergleichbare Steuerbefreiung für die Verwendung zu anderen Zwecken als als [X.]eiz- oder Kraftstoff regelt nunmehr § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] bzw. für Erdgas in Form einer nachträglichen Steuerentlastung § 47 Abs. 1 Nr. 3 [X.]. Allerdings fehlt eine mit § 17 Abs. 11 [X.] vergleichbare Vorschrift. Stattdessen regelt § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] eine zusätzliche Steuerentlastung, wenn das [X.] gleichzeitig zu [X.]eizzwecken und zu anderen Zwecken genutzt wird. Der Gesetzgeber wollte dadurch einen Auffangtatbestand schaffen, der insbesondere solche Verwendungen erfasst, die der Senat vor dem [X.]-Urteil in [X.]. 2004, [X.], [X.], 231 nicht als "Verheizen" und somit als steuerfrei angesehen hatte (BTDrucks 16/1172, S. 44). § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] sollte also gegenüber der alten Rechtslage nach dem [X.] zu einer Erweiterung der Steuerbegünstigung führen. Legte man § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] dahingehend aus, dass für die Steuerentlastung die Erzeugung thermischer Energie in den [X.]intergrund treten muss, entspräche dies aber letztlich der alten Regelung des § 17 Abs. 11 [X.]. Auch eine Beschränkung auf eine (mengenmäßig?) wesentliche Verwendung zu anderen Zwecken als als [X.]eiz- oder Kraftstoff ist § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] nicht zu entnehmen.

b) Unter Berücksichtigung des [X.]-Urteils in [X.] 2014, 308 ist darüber hinaus in denjenigen Fällen, in denen es um die Nutzung der Verbrennungsgase für andere Zwecke als als [X.]eizzweck geht, der Einsatz des [X.] als Roh-, Grund- oder [X.]ilfsstoff zur Bearbeitung oder [X.]erstellung eines anderen Produkts kein entscheidungserhebliches Kriterium mehr. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob das [X.] selbst oder dessen Verbrennungsprodukte für den Abschluss des Produktionsprozesses erforderlich sind.

Dass der nationale Gesetzgeber eine strengere Regelung vorsehen wollte, ist nicht erkennbar. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut, der für die Gesamtheit der Verwendungszwecke lediglich zwischen [X.]eiz- oder Kraftstoff und "anderen" Zwecken unterscheidet. Insbesondere ist daraus keine Beschränkung dieser anderen Zwecke auf stoffliche Verbindungen zwischen dem [X.] und dem Endprodukt zu entnehmen. Dieses Ergebnis wird durch eine systematische Auslegung bestätigt. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] ist als Auffangtatbestand konzipiert, da die Begünstigungen in den Buchst. b bis d auf einer einheitlichen Grundlage in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 2. Anstrich EnergieStRL beruhen. Damit sind die Voraussetzungen des Buchst. d des § 51 Abs. 1 Nr. 1 [X.] auch unter Berücksichtigung der in den Buchst. b und c dieser Vorschrift genannten Prozesse und Verfahren auszulegen. Diese führen aber nicht zwingend zu einer stofflichen Verbindung zwischen dem [X.] bzw. dessen chemischen Bestandteilen und dem Endprodukt. Vor diesem [X.]intergrund kann es darauf auch im Auffangtatbestand des Buchst. d nicht ankommen.

Im Übrigen hat der Senat schon vor der Entscheidung des [X.] in [X.] 2014, 308 keine stoffliche Verbindung zwischen dem [X.] und dem hergestellten Produkt vorausgesetzt. Insofern hat das [X.] nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Senat in der Begründung seiner Entscheidung in [X.], 280, [X.], 77 sowohl auf das Erdgas als auch auf dessen chemische Bestandteile abgestellt hat (vgl. [X.]urteil in [X.], 443, [X.] 2011, 23 unter Ziff. [X.] zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c [X.]). Darüber hinaus hat der erkennende Senat in [X.], 280, [X.], 77 als Beispiele für den Einsatz des [X.] als Roh-, Grund- oder [X.]ilfsstoff zur Bearbeitung oder [X.]erstellung eines anderen Produkts die Verwendungen als Reduktionsmittel oder Katalysator genannt. In beiden Fällen gehen grundsätzlich weder das [X.] noch dessen chemische Bestandteile in das Endprodukt ein. Besonders deutlich wird dies bei einer Verwendung als Katalysator, da damit ein Stoff bezeichnet wird, der eine chemische Reaktion in Gang setzt, ohne sich selbst zu verbrauchen.

c) Schließlich ergibt sich aus der Entscheidung des [X.] in [X.] 2014, 308, dass ein "zweierlei Verwendungszweck" keine streng zeitgleiche Verwendung voraussetzt. Denn auch in dem vom [X.] entschiedenen Fall der Zuckerproduktion finden die Verbrennung der Kohle und die [X.] (Neutralisation bzw. Reinigung) des [X.] nicht zeitgleich statt. Nach Auffassung des [X.] reicht es deshalb aus, wenn --wie im Streitfall aufgrund der unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Nähe in einer Anlage zur Phosphatherstellung-- das [X.] im Rahmen eines einheitlichen industriellen Prozesses oder Verfahrens sowohl als [X.]eizstoff als auch für andere Zwecke verwendet wird.

Auch insofern führt die nationale Regelung zu keinen strengeren Anforderungen. Dies folgt insbesondere aus dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.] im Zusammenhang mit einer richtlinienkonformen Auslegung unter Berücksichtigung des Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 2. Anstrich EnergieStRL. Denn das Wort "gleichzeitig" kann nicht nur die Bedeutung "zeitgleich", sondern auch die Bedeutung "ebenso" bzw. "sowohl ... als auch" haben. In Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 2. Anstrich EnergieStRL wird aber gerade diese allgemeine Formulierung "sowohl ... als auch" gebraucht. Im Übrigen bliebe entgegen der Intention des Gesetzgebers nur ein sehr geringer Anwendungsbereich für eine Steuerentlastung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d [X.], wenn eine streng zeitgleiche Verwendung für zweierlei Zwecke gefordert wird.

Dieses Auslegungsergebnis widerspricht nicht den vom Senat in seinem Urteil in [X.], 280, [X.], 77 aufgestellten Grundsätzen. Zwar wird in der Entscheidung unter Ziff. II.4. ausgeführt, dass mit dem Verbrennen des Erdgases dessen Verwendung abgeschlossen sei. Dies bezog sich aber lediglich auf den Fall, dass es anschließend (nur) zur Nutzung der erzeugten thermischen Energie kommt, und zwar durch das Absengen von Textilfasern. Im Leitsatz wird ebenfalls nur die allgemeine Formulierung "sowohl ... als auch" gebraucht.

Des Weiteren weicht der Senat nicht von seinem Beschluss vom 26. November 2009 VII B 15/09 (BF[X.]/NV 2010, 953) ab, in dem es um ein Verfahren zur [X.]erstellung von Kartoffelstärke ging. Das [X.] hatte hier bereits auf [X.] nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindend festgestellt, dass der Vorgang des [X.] abgeschlossen ist, wenn das Rauchgas auf das [X.] trifft und dessen chemische und physikalische Veränderung bewirkt. Im Streitfall spricht das [X.] zwar grundsätzlich von einem zweistufigen Verfahren, macht aber keine bindende Feststellung, ob bzw. inwieweit die erste Stufe vor Beginn der zweiten Stufe vollständig abgeschlossen ist.

3. Der Senat hält die von ihm vorgenommene Auslegung des einschlägigen Unionsrechts auf Grund der Rechtsprechung des [X.] für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des [X.] besteht demnach nicht (vgl. [X.]-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 -C.I.L.F.I.T.-, [X.]. 1982, 3415).

Darüber hinaus besteht auch kein Anlass, ein (weiteres) Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des [X.] über den Vorlagebeschluss des [X.] [X.]amburg vom 3. Juli 2014  4 K 131/12 ([X.] 2015, Beilage Nr. 1, 11) anzuordnen. Der Vorlagebeschluss des [X.] [X.]amburg betrifft die in § 51 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gesondert geregelte Fallgruppe der thermischen Abluftbehandlung, die in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 2. Anstrich EnergieStRL keine ausdrückliche Erwähnung findet. Damit geht es um die Frage, ob die in [X.] 2014, 308 entwickelten Kriterien auch auf diese Fallgruppe anzuwenden sind oder eine Ausdehnung des Begriffs "zweierlei Verwendungszweck" in Betracht kommt. Im Streitfall führen aber bereits die in [X.] 2014, 308 entwickelten Kriterien zu einem "zweierlei Verwendungszweck". Außerdem ist der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt im [X.] mit dem in [X.] 2014, 308 angenommenen Sachverhalt vergleichbar (Reinigung eines Produkts durch Verbrennungsgase). Auch die mit der dritten Vorlagefrage des [X.] [X.]amburg angesprochene Frage, ob der neben den [X.]eizzweck tretende andere Zweck ein gewisses Gewicht haben muss, ist zumindest für den Streitfall durch die [X.]-Entscheidung in [X.] 2014, 308 beantwortet. Das von der Literatur diskutierte [X.] ist hier letztlich durch eine enge Definition von "zweierlei Verwendungszweck" aufgefangen worden. Damit bestehen keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer zusätzlichen Wesentlichkeitsprüfung.

4. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 35/12

13.01.2015

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 4. September 2012, Az: 6 K 2297/09 Z, Urteil

§ 2 Abs 6 EnergieStG, § 51 Abs 1 Nr 1 Buchst d EnergieStG, Art 2 Abs 4 Buchst b Ss 2 EGRL 96/2003

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.01.2015, Az. VII R 35/12 (REWIS RS 2015, 17308)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17308

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