Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2007, Az. 1 StR 558/07

1. Strafsenat | REWIS RS 2007, 117

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 558/07 vom 20. Dezember 2007 in der Strafsache gegen wegen Betrugs - 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 20. Dezember 2007 be-schlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14. Mai 2007 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen. Gründe: 1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getrof-fen: 1 Der Angeklagte war bis zum 30. November 2001 Bürgermeister der [X.]. Er war zugleich Geschäftsführer der von der Stadt [X.] ge-gründeten Firma

[X.]

(fortan: [X.]) und übte - neben noch weiteren Nebentätigkeiten - diese Funktion als Nebentä-tigkeit zum Bürgermeisteramt aus. Der Angeklagte war deshalb verpflichtet, die Vergütungen für diese Nebentätigkeit dem Landratsamt [X.]

als Aufsichts-behörde anzuzeigen und sie insoweit an die Stadt [X.] abzuliefern, als sie ins-gesamt die für ein Kalenderjahr geltende damalige Freigrenze von [X.] überschritten. Nachdem er in einer Sitzung des Gemeinderats am 30. März 1998 angekündigt hatte, die Geschäftsführertätigkeit für die [X.] zu beenden, wenn nicht "eine befriedigende finanzielle Regelung zu seiner [X.] gefunden" werde, beschloss der Gemeinderat unter dem Vorsitz des [X.] Bürgermeisters, dass der aus den Fraktionsvorsitzenden des [X.] bestehende Aufsichtsrat der [X.] mit dem Angeklagten 2 - 3 -eine - solche - einvernehmliche Regelung treffen solle. Am folgenden Tag fass-te der Aufsichtsrat auf Vorschlag und Betreiben des Angeklagten einen Be-schluss, welcher vorsah: die "Anmietung" von Arbeitsräumen im Wohnhaus des Angeklagten für eine "Warmmiete" von monatlich 965,- DM sowie die Anschaf-fung eines nach seinen Wünschen auszusuchenden "[X.]" für einen Kaufpreis von ca. 68.000,- DM mit einem von ihm jederzeit realisierbaren Ankaufsrecht zu einem Preis weit unter dem Verkehrswert. Die Regelungen dienten "keinem anderen Zweck, als dem Angeklagten auf diese Weise diejeni-ge Vergütung zu verschaffen, die ihm durch die Ablieferungspflicht abhanden gekommen war". So war ein tatsächliches Mietverhältnis über Arbeitsräume von keiner Seite gewollt; der "Geschäftswagen" stand dem Angeklagten insbeson-dere auch kostenlos zur privaten Nutzung zur Verfügung und wurde von ihm im Oktober 2001 zu einem Preis erworben, der 17.899,- DM unter dem Verkehrs-wert lag. Durch vier inhaltlich unzutreffende Nebentätigkeitsanzeigen und eine un-terbliebene Nachmeldung verschwieg der Angeklagte gegenüber dem Land-ratsamt [X.] ab 1999 Einkünfte aus Nebentätigkeiten, vor allem diejenigen, die ihm als Geschäftsführer der [X.] in Form der "Mietzinszahlun-gen" und der geldwerten Vorteile aus dem "Geschäftswagen" zugeflossen [X.]. Der Sachbearbeiter des Landratsamts [X.] unterließ es daher irrtums-bedingt, jeweils die Ablieferung aller die Freigrenze übersteigenden Nebentätig-keitsvergütungen an die Stadt [X.] einzufordern. Dieser entstanden hierdurch Vermögensschäden von insgesamt 121.512,98 DM. 3 2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das [X.] den An-geklagten wegen Betrugs in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von ei-nem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die 4 - 4 -hiergegen gerichtete, auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO: 5 a) Das [X.] hat die Taten zutreffend unter den Straftatbestand des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB subsumiert; denn sie sind als Fälle des [X.] zu werten (vgl. hierzu [X.], StGB 55. Aufl. § 263 Rdn. 47 ff.). Das hierfür erforderliche Näheverhältnis zwischen dem [X.] (dem Sachbearbeiter des Landratsamts [X.]

) und der Geschädigten (der Stadt [X.] ) ist gegeben. Dem Landratsamt ist als Aufsichtsbehörde die [X.] zugewiesen, den Anspruch der Gemeinde auf Ablieferung der Nebentä-tigkeitsvergütungen zu überwachen und geltend zu machen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, § 8 LNTVO BW, § 87a Abs. 2, § 134 Nr. 4 [X.] BW, § 119 Satz 1, § 126 Abs. 1 [X.] BW). Indem es Ansprüche der Gemeinde gegenüber dem [X.] geltend zu machen hat (§ 126 Abs. 1 [X.] BW), hat es die [X.] Verpflichtung, deren Finanzinteressen zu wahren. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht hier keine Veranlassung, trotz Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale eines ([X.] deshalb die Strafbarkeit zu verneinen, weil die [X.] die wahre Sachlage gekannt und ihr Einverständnis mit der Schädigung der Gemeinde - als täuschungsunabhängige selbstschädigende Vermögensver-fügung - erklärt hätten. Der [X.] braucht diese Rechtsfragen (nachfolgend aa) letztlich nicht zu entscheiden (vgl. auch [X.], 1198, 1200 zu einer Fallgestaltung, in der die Möglichkeit einer "Wissenszurechnung" im Ergebnis offen gelassen worden ist), weil sich aus dem Gesamtzusammenhang der Ur-teilsgründe ergibt, dass ein wirksam erteiltes Einverständnis schon wegen [X.] bei der Entscheidung der Gemeinderatsmitglieder und des [X.] Bürgermeisters tatsächlich nicht vorlag (nachfolgend [X.]). 6 - 5 -aa) Soweit der Beschwerdeführer meint, ein Dreiecksbetrug sei bei [X.] Kenntnis des geschädigten Dritten stets ausgeschlossen, trifft dies - [X.] in dieser Allgemeinheit - nicht zu. Andernfalls wären Fälle des - in Recht-sprechung und Literatur anerkannten (vgl. [X.] aaO Rdn. 24, 50 m.w.N.) - sog. Prozessbetrugs praktisch kaum denkbar. Hier hat die geschädigte [X.] typischerweise Kenntnis vom wahren Sachverhalt; der [X.] kann jedoch auch gegen ihren Willen über ihr Vermögen irrtumsbedingt verfügen. 7 Vorliegend stellt sich die kommunal- und beamtenrechtliche Rechtslage wie folgt dar: Geschädigte ist die Gemeinde (die Stadt [X.] ) als öffentlich-recht-liche Körperschaft. Für die Gemeinde handeln die Verwaltungsorgane im Rah-men ihrer Zuständigkeit, also der Gemeinderat und der Bürgermeister (§ 23 [X.] BW). Die Aufgabe, Ansprüche auf Ablieferung von [X.] gegen den Bürgermeister zu überwachen und geltend zu machen, ist hingegen der Rechtsaufsichtsbehörde zugewiesen. Die Zuständigkeit der Auf-sichtsbehörde dient gerade dazu, [X.] auf Gemeindeebene auszuschließen und eine saubere Verwaltung zu gewährleisten ([X.]/Bron-ner/[X.], [X.] BW 4. Aufl. [X.]. § 126 Rdn. 1). 8 Bei der Ablieferungspflicht nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO BW han-delt es sich um zwingendes Recht (vgl. Müller/[X.], Beamtenrecht in [X.] 77. Lfg. § 5 LNTVO [Anhang I/25 zum [X.]] Rdn. 1, 38). Daher fehlt sowohl dem Gemeinderat als auch dem Bürgermeister insoweit die [X.], über das Gemeindevermögen zu verfügen. Wenn der Gemeinderat hier jedoch ebenso wie der (stellvertretende) Bürgermeister nicht mit Rechtswirkung für die Gemeinde zu entscheiden befugt war, liegt es nahe, dass ein gleichwohl erklärtes - für den Angeklagten erkanntermaßen gesetzwidriges - [X.] auch im strafrechtlichen Sinne unbeachtlich ist. Darauf, welche [X.] - 6 -dungskompetenzen der Gemeinderat im Übrigen als Hauptorgan der Gemeinde (§ 24 Abs. 1 Satz 1 [X.] BW) hat, käme es dann nicht an. 10 [X.]) All dem braucht der [X.] jedoch nicht weiter nachzugehen, weil nach den Feststellungen des [X.]s schon in tatsächlicher Hinsicht ein wirksam erteiltes Einverständnis nicht vorliegen kann. Der Angeklagte hatte weder den Gemeinderat noch den aus dessen Fraktionsvorsitzenden [X.] Aufsichtsrat der [X.] und auch nicht den stellvertretenden Bürgermeister vor den Beschlussfassungen am 30. und 31. März 1998 umfas-send über die von ihm avisierten Vergütungsregelungen informiert. Vielmehr ging er - unter dem "Deckmantel der Transparenz" ([X.]) - wie folgt vor: Im zeitlichen Zusammenhang mit den Beschlüssen des Gemeinderats und des Aufsichtsrats wandte er sich an einen Rechtsanwalt und den Sachbearbeiter des Landratsamts und teilte ihnen die Regelungen in groben Umrissen mit. Er vorenthielt beiden jedoch diejenigen wesentlichen Informationen, aus denen sich ergab, dass die "[X.]" und die geldwerten Vorteile aus dem "Geschäftswagen" [X.] hatten und nicht bloß Aufwandsent-schädigungen darstellten. Nur auf Grund dieser unvollständigen Angaben [X.] ihm die Unbedenklichkeit der "[X.]" bestä-tigt. Hierdurch "errichtete der Angeklagte das notwendige Gerüst, um den [X.] zu verbreiten" ([X.]). Innerhalb der Gemeinde trat der Angeklagte unter Hinweis auf diese vermeintliche rechtliche Beratung auf. Aus den Urteilsgründen wird hinreichend deutlich, dass der Angeklagte gerade nicht darüber aufklärte, dass er seiner-seits sowohl den Rechtsanwalt als auch den Sachbearbeiter des Landratsamts getäuscht hatte, um die von ihm gewünschten Auskünfte zu erhalten. Die [X.] wurden daher auf der Grundlage eines erheblichen vom Angeklagten 11 - 7 -bewusst herbeigeführten Informationsdefizits der mitwirkenden Personen ge-fasst. 12 Die mittels Täuschung erlangten Auskünfte wirkten im Verhältnis zu den Gemeinderatsmitgliedern und zum stellvertretenden Bürgermeister fort. Eine Auskunft, die auf Täuschung durch den Anfragenden basiert, ist jedoch in [X.] Richtung beachtlich, weil dieser weiß, dass der mitgeteilte Sachverhalt, zu dem er die Auskunft erhalten hat, nicht der wahren Sachlage entspricht (vgl. [X.], 257). Ein wirksam, das heißt ohne relevante Willensmängel erteiltes Einverständnis lag daher nicht vor. Der [X.] vermag aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe auszuschließen, dass die [X.] getroffen worden wären, wenn deren offensichtliche [X.] mit der Folge einer Strafbarkeit der Gemeinderatsmitglieder und des stellvertretenden Bürgermeisters wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB [X.] gewesen wäre. Im Übrigen hätte in einem solchen Fall das Landratsamt nach § 126 Abs. 1 [X.] BW Ansprüche auch gegen die beteiligten Gemeinde-räte geltend machen müssen, worauf diese auch deswegen an einer solchen Beschlussfassung wegen Befangenheit gehindert gewesen wären (§ 18 [X.] BW). - 8 -b) Hinsichtlich der weiteren Beanstandungen der Revision wird auf die Ausführungen des [X.] in seiner Antragsschrift vom 26. No-vember 2007 Bezug genommen. Soweit geltend gemacht wird, im Rahmen der Strafzumessungserwägungen bleibe unerörtert, dass die aus dem Bürgermeis-teramt resultierende Pension des Angeklagten im [X.] von monat-lich 2.414,- • auf 1.566,76 • netto gekürzt worden sei, verweist der [X.] er-gänzend auf seine Entscheidung vom 10. Januar 2006 in der Sache 1 StR 541/05 (= [X.], 393). 13 [X.]Wahl Kolz Hebenstreit [X.]

Meta

1 StR 558/07

20.12.2007

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2007, Az. 1 StR 558/07 (REWIS RS 2007, 117)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 117

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